Witwe von Ephesus

Antike Erzählung

Die Witwe von Ephesus ist eine antike Erzählung, deren Stoff in der Weltliteratur oft aufgegriffen wurde. Aus dem Altertum überliefert sind die Fassungen des Petronius, der diese Geschichte in den Roman Satyricon (Kapitel 111, 112[1]) eingearbeitet hat, sowie diejenige in der Appendix Perottina zu den Fabeln des Phaedrus[2].

La Matrone d’Ephèse

Eumolpos erzählt die Novelle von der Witwe aus Ephesus: Eine Frau in Ephesus ist wegen ihrer Keuschheit so berühmt, dass Frauen aus anderen Städten zu ihr reisten, um sie zu sehen. Als ihr Mann starb, wollte sie nicht nur nach der gewöhnlichen Art um ihn trauern, sondern folgte dem Verstorbenen bis in sein Grabmal, eine Gruft. Dort wollte sie sich zu Tode hungern, begleitet von einer Dienerin. In der Nähe wurden mehrere Räuber gekreuzigt, die von einem Soldaten bewacht werden, damit die Leichen nicht beerdigt werden können. Als er das Wimmern im nahen Grabmal hört, geht er dorthin, reicht eine Mahlzeit der Witwe und tröstet sie. Schließlich nimmt nicht nur die Dienerin die Speise an, sondern auch die Witwe. Anschließend überzeugt er die Witwe, auch ihr keusches Verhalten aufzugeben, und schläft mit ihr. Drei Nächte lang schlafen sie zusammen. Tagsüber kauft der Soldat das beste Essen und bringt es ihr. Als die Familie eines Gekreuzigten sieht, dass keine Wache dort ist, nehmen sie ihn vom Kreuz herab und beerdigen ihn. Der Soldat will sich daraufhin selbst töten, da er ansonsten wegen der Vernachlässigung seiner Pflichten getötet werden würde. Er bittet die Witwe, seinen Leichnam nach seinem Selbstmord im Grab zur Ruhe zu legen. Die Witwe hingegen sagt: Die Götter wollen nicht, dass ich die beiden Sterblichen, die ich am meisten liebe, in einem Grabe sehe! Besser ist es, dass ich den Toten aufhänge als den Lebendigen umbringe. (malo mortuum impendere quam vivum occidere). Sie befahl, den Leichnam ihres Mannes aus dem Sarg zu ziehen und ans leere Kreuz zu hängen. Am nächsten Tag wunderte sich das Volk, wie denn ein Toter aufs Kreuz geklettert sei (posteroque die populus miratus est qua ratione mortuus isset in crucem).

Rezeption des Stoffs

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
  • Elisabeth Frenzel: Stoffe der Weltliteratur. Ein Lexikon dichtungsgeschichtlicher Längsschnitte (= Kröners Taschenausgabe. Band 300). 8., überarbeitete und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 1992, ISBN 3-520-30008-7, S. 834–837.
  • Gerlinde Huber: Das Motiv der 'Witwe von Ephesus' in lateinischen Texten der Antike und des Mittelalters (= Mannheimer Beiträge zur Sprach- und Literaturwissenschaft. 18). Narr, Tübingen 1990, ISBN 3-87808-847-7.

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. http://www.thelatinlibrary.com/petronius1.html Petronius, Satyricon
  2. http://www.thelatinlibrary.com/phaedrapp.html Fabel XV in der Appendix Perottina
  3. Drucke des 18. Jahrhunderts (VD18) / Die Matrone von Ephesus. Abgerufen am 16. Juni 2020.
  4. Digitalisat
  5. Digitalisat
  6. MDZ-Reader | Band | Die Matrone von Ephesus / Lessing, Gotthold Ephraim | Die Matrone von Ephesus / Lessing, Gotthold Ephraim. Abgerufen am 14. Januar 2019.
  7. Digitalisat
  8. Digitalisat
  9. In: Almanach Dramatischer Spiele zur geselligen Unterhaltung auf dem Lande. Angefangen von Aug. von Kotzebue, fortgesetzt von Mehrern. Zwanzigster Jahrgang. Leipzig: Kummer 1822, S. 256–298 (Digitalisat)