Wolfowitz-Doktrin ist die inoffizielle Bezeichnung der ersten Version der Defense Planning Guidance FY 1994-1999, eines 46 Seiten langen Memorandums, das als „definitive Anleitung des Verteidigungsministers“ für die Haushaltsjahre 1994–1999 gekennzeichnet war. Die außenpolitischen Grundsätze waren seit 1990 im Verteidigungsministerium vorbereitet worden.[1] Das Dokument wurde am 18. Februar 1992 in der Verantwortung des Unterstaatssekretärs für Verteidigung der USA Paul Wolfowitz und seines Stellvertreters Lewis Scooter Libby für das Pentagon fertiggestellt. Ziel war, „die Richtung der Nation für das nächste Jahrhundert festzulegen“.

Paul Wolfowitz, 2001

Der Entwurf der DPG war als Verschlusssache zunächst für das Pentagon und nicht für den Kongress oder eine breitere Öffentlichkeit bestimmt, wurde aber schon im Februar an die New York Times und die Washington Post geleakt und am 8. bzw. 11. März 1992 von diesen in Auszügen und mit kritischen Kommentaren veröffentlicht.[2][3]

Bei der internationalen Debatte über die Außen- und Sicherheitspolitik der USA, die auf die Veröffentlichung folgte, wurde das Konzept weithin als imperialistisch bewertet, da es den Unilateralismus als politisches Ziel darstellt und präventive, bzw. präemtive Militärschläge befürwortete, um mögliche Gefahren von anderen Ländern zu unterdrücken und andere Länder, darunter namentlich Russland, Deutschland, Japan und Indien, daran zu hindern, eine hegemoniale Stellung zu gewinnen.

Die kritischen Reaktionen waren so stark, dass laut William Kristol das Weiße Haus alarmiert war und anordnete, die DPG unter Aufsicht von US-Verteidigungsminister Dick Cheney und dem Vorsitzenden des Vereinigten Generalstabs Colin Powell umzuschreiben,[4] so dass sie am 16. April 1992 offiziell veröffentlicht werden konnte, ohne den Hinweis auf mögliche Alleingänge der USA und Präventivschläge. Diese und andere der Grundsätze fanden sich 1997 in den Grundsätzen des PNAC und der Bush-Doktrin von 2002 wieder.[5]

Der Kriegseinsatz der USA im Irakkrieg 2003 wird teilweise auch vor dem Hintergrund der ursprünglichen Version der DPG gesehen, präventive/präemtive Kriege zu führen.[6][7]

Hintergrund

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Als Unterstaatssekretär mit General Colin Powell und General Norman Schwarzkopf bei einer Pressekonferenz des Verteidigungsministers Dick Cheney während des Golfkriegs im Februar 1991.

Die Konzeption der neuen Strategie erfolgte in einem Klima vorherrschender Forderungen nach Verringerung der Streitkräfte und der Einschränkungen des weltweiten amerikanischen Engagements als Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion.[8]

Wolfowitz war letztlich für die Erstellung des Dokuments Defense Planning Guidance verantwortlich, da dieses über sein Büro herausgegeben wurde und im Ganzen seine und die Ansichten des Planungsstabes wie des Verteidigungsministers widerspiegelte.

Die Aufgabe, das Dokument vorzubereiten, fiel Libby zu, der den Prozess der Ausarbeitung der neuen Strategie an Zalmay Khalilzad delegierte, ein Mitglied von Libbys Stab und langjähriger Berater von Wolfowitz. In der Anfangsphase der Ausarbeitung des Dokuments holte Khalilzad die Meinungen von Insidern und Außenseitern des Pentagon ein, darunter Andrew Marshall, Richard Perle und Wolfowitz’ Mentor an der Universität von Chicago, den Nuklearstrategen Albert Wohlstetter.[9] Als Khalilzad den Entwurf im März 1992 fertigstellte, bat er Libby um Erlaubnis, ihn an andere Beamte im Pentagon verteilen zu dürfen. Libby stimmte zu. Das Memorandum wurde am 18. Februar an die Chefs und Sekretäre der Streitkräfte, die Oberbefehlshaber der weltweiten Kriegsschauplätze und andere hochrangige Pentagonbeamte verteilt.[8]

Innerhalb von drei Tagen nach der offiziellen Weitergabe wurde Khalilzads Entwurf geleakt. Verantwortlich war nach Darstellung der NYT „ein Beamter, der glaubte, dass diese Strategiedebatte nach dem Kalten Krieg in der Öffentlichkeit geführt werden sollte.“[2]

  • Die militärisch-technologische Entwicklung soll die Überlegenheit bei den neuesten Waffensystemen sichern.
  • Die Präsenz amerikanischer Boden-, Luft- und Seestreitkräfte in strategisch wichtigen Gebieten muss aufrechterhalten werden, um Verpflichtungen zu erfüllen und die Fähigkeit zu gewährleisten, auf Krisen zu reagieren, die wichtige Interessen berühren, wie etwa die Freiheit der Meere und den Zugang zu Märkten und Energielieferungen.
  • Verkleinerte Nuklearstreitkräfte sollen eine globale Rolle unterstützen, Sicherheitsgarantien erfüllen und russische Nuklearstreitkräfte abschrecken.
  • Ein Raketenabwehrsystem soll als Schutzschild gegen unbeabsichtigte Raketenstarts oder begrenzte Raketenangriffe entwickelt werden.
  • Die Fähigkeit zur Wiederherstellung der Streitkräfte soll für den Fall aufrechterhalten werden, dass eine regionale Hegemonie zu einer globalen Bedrohung wird.
  • Es sind Wege zu finden, die „neuen Demokratien“ des ehemaligen Ostblocks in das US-geführte System zu integrieren.
  • Bei der Zusammenarbeit mit Verbündeten in der NATO in Europa soll die USA bereit sein, auch unilateral oder mit nur wenigen anderen Nationen zu handeln, wenn sich multilaterale und kooperative Maßnahmen als zu „träge“ erweisen, um lebenswichtige Interessen zu schützen.[10]
  • In sieben Szenarien werden konkrete Einsätze in Konfliktregionen beschrieben, darunter in Korea, im Irak, und im Baltikum.

Nach Darstellung Gellmanns weist das Dokument in weiten Teilen Parallelen zu den früheren öffentlichen Erklärungen von Verteidigungsminister Richard B. Cheney und dem Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs, General Colin L. Powell, auf.[8]

Einzelaspekte

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(Quelle: [2])

Status einer Supermacht

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Die Doktrin verkündet den Status der USA als einziger verbliebener Supermacht der Welt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion am Ende des Kalten Krieges und gibt als Hauptziel die Beibehaltung dieses Status an.

„Unser erstes Ziel ist es, das Wiederauftauchen eines neuen Rivalen zu verhindern, sei es auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion oder anderswo, der eine Bedrohung darstellt, die der früheren Sowjetunion ebenbürtig ist. Dies ist ein vorrangiges Anliegen der neuen regionalen Verteidigungsstrategie und erfordert, dass wir uns bemühen, jede feindliche Macht daran zu hindern, eine Region zu beherrschen, deren Ressourcen unter gefestigter Kontrolle ausreichen würden, um eine globale Macht zu erzeugen. Zu diesen Regionen gehören Westeuropa, Ostasien, das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und Südwestasien.“

Dieser Anschnitt wurde in der Version vom 16. April grundlegend neu geschrieben.

„Unser grundlegendstes Ziel ist es, Angriffe von jedweder Herkunft abzuschrecken oder abzuwehren... Das zweite Ziel ist es, das System der Verteidigungsvereinbarungen zu stärken und auszuweiten, das demokratische und gleichgesinnte Nationen in der gemeinsamen Verteidigung gegen Aggressionen zusammenhält, Gewohnheiten der Zusammenarbeit zu entwickeln, die Renationalisierung der Sicherheitspolitik zu vermeiden und Sicherheit zu geringeren Kosten und mit geringeren Risiken für alle zu gewährleisten. Unsere Präferenz für eine kollektive Reaktion, um Bedrohungen vorzubeugen oder, falls nötig, mit ihnen umzugehen, ist ein zentrales Merkmal unserer regionalen Verteidigungsstrategie. Das dritte Ziel ist es, jede feindliche Macht daran zu hindern, eine für unsere Interessen entscheidende Region zu beherrschen, und dadurch auch die Barrieren gegen das Wiederauftreten einer globalen Bedrohung der Interessen der USA und unserer Verbündeten zu stärken.“

Patrick Tyler von der NYT kommentierte zur ursprünglichen Fassung, es handele sich um die die bislang deutlichste Ablehnung des kollektiven Internationalismus durch die USA. Diese Strategie sei auf der Grundlage des Zweiten Weltkriegs entwickelt worden, als die fünf Siegermächte die Gründung einer UNO anstrebten, die bei Streitigkeiten vermitteln und Gewaltausbrüche überwachen sollte.[11]

Vorherrschaft der USA

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Die Doktrin legt die Führungsrolle der USA innerhalb der neuen Weltordnung fest.

Die USA müssen die notwendige Führungsstärke zeigen, um eine neue Ordnung zu etablieren und zu schützen, die potentielle Konkurrenten davon überzeugen kann, dass sie nicht nach einer größeren Rolle streben oder eine aggressivere Haltung einnehmen müssen, um ihre legitimen Interessen zu schützen. In Bereichen, die nichts mit Verteidigung zu tun haben, müssen wir die Interessen der hochentwickelten Industrienationen ausreichend berücksichtigen, um sie davon abzuhalten, unsere Führungsrolle in Frage zu stellen oder zu versuchen, die etablierte politische und wirtschaftliche Ordnung umzustürzen. Wir müssen den Mechanismus aufrechterhalten, der potentielle Konkurrenten davon abhält, überhaupt nach einer größeren regionalen oder globalen Rolle zu streben.

Dies wurde in der Version vom 16. April grundlegend neu geschrieben.

Eine der wichtigsten Aufgaben, die wir heute bei der Gestaltung der Zukunft zu bewältigen haben, besteht darin, langjährige Bündnisse in die neue Ära zu überführen und alte Feindschaften in neue kooperative Beziehungen umzuwandeln. Wenn wir und andere führende Demokratien weiterhin eine demokratische Sicherheitsgemeinschaft aufbauen, wird wahrscheinlich eine viel sicherere Welt entstehen. Wenn wir isoliert vorgehen, könnten viele andere Probleme die Folge sein.

Im ersten Entwurf hieß es: „Wir werden mit jedem gehen, den wir davon überzeugen können, mitzukommen, und gleichzeitig werden wir versuchen, die Koalitionen hinter uns zu halten“. Die neue Formulierung in der Endfassung lautete: „Unser wichtigstes strategisches Ziel ist es, diese Koalitionen zu erhalten. Und nur wenn sie scheitern, werden wir allein handeln.“

Alle unfreundlichen Verweise auf Indien, Deutschland und Japan wurden im zweiten Entwurf gestrichen, sind aber auch im endgültigen Dokument implizit enthalten. Gellmann kommentiert: „...Tatsache ist, dass jede amerikanische Regierung ein Auge auf jedes globale Machtzentrum haben muss. Wenn Deutschland in Richtung Feindseligkeit abdriften und seine militärische Macht auf einem beträchtlichen, global einsetzbaren Niveau wiederaufbauen würde, wäre es egal, welche Politik erklärt würde. Die Vereinigten Staaten hätten sicherlich ein sehr starkes Interesse daran. Es ist nur so, dass sie beschlossen haben, das aus dem Dokument zu streichen. Man muss nicht alles sagen, was man denkt.“[2]

Unilateralismus

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Die Doktrin spielt den Wert internationaler Koalitionen herunter.

Wie die Koalition, die sich der irakischen Aggression widersetzte, müssen wir davon ausgehen, dass künftige Koalitionen Ad-hoc-Zusammenschlüsse sein werden, die oft nicht über die Krise hinaus bestehen und in vielen Fällen nur allgemeine Übereinstimmung über die zu erreichenden Ziele aufweisen. Dennoch wird das Gefühl, dass die Weltordnung letztlich von den USA getragen wird, ein wichtiger stabilisierender Faktor sein.

Dies wurde in der Version vom 16. April mit geänderter Betonung neu geschrieben.

In bestimmten Situationen, wie etwa in der Krise, die zum Golfkrieg führte, werden wahrscheinlich Ad-hoc-Koalitionen entstehen. Wir sollten planen, den Nutzen solcher Koalitionen zu maximieren. Dies kann spezielle Rollen für unsere Streitkräfte ebenso umfassen wie die Entwicklung kooperativer Praktiken mit anderen.

Präventive Intervention

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Die Doktrin besagte, dass die USA das Recht hätten, einzugreifen, wann und wo sie es für nötig hielten.

Zwar können die USA nicht zum Weltpolizisten werden, doch wenn wir die Verantwortung für die Beseitigung jeglichen Unrechts übernehmen, behalten wir die vorrangige Verantwortung dafür, gezielt jenes Unrecht anzugehen, das nicht nur unsere eigenen Interessen, sondern auch die unserer Verbündeten und Freunde bedroht oder die internationalen Beziehungen ernsthaft gefährden könnte.

Dies wurde in der Version vom 16. April etwas abgeschwächt.

Zwar können die Vereinigten Staaten nicht zum Weltpolizisten werden und die Verantwortung für die Lösung aller internationalen Sicherheitsprobleme übernehmen, doch können wir auch nicht zulassen, dass unsere kritischen Interessen ausschließlich von internationalen Mechanismen abhängen, die von Ländern blockiert werden können, deren Interessen sich möglicherweise stark von unseren eigenen unterscheiden. Wo die Interessen unserer Verbündeten direkt betroffen sind, müssen wir von ihnen erwarten, dass sie einen angemessenen Teil der Verantwortung übernehmen und in manchen Fällen die führende Rolle spielen; doch wir behalten die Fähigkeit, gezielt jene Sicherheitsprobleme anzugehen, die unsere eigenen Interessen bedrohen.

Bedrohung durch Russland

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Die Doktrin hob die mögliche Bedrohung durch ein wiedererstarktes Russland hervor.

Wir sind uns weiterhin darüber im Klaren, dass die konventionellen Streitkräfte der Staaten, die früher die Sowjetunion bildeten, zusammengenommen das größte militärische Potenzial in ganz Eurasien besitzen. Und wir schließen nicht aus, dass eine nationalistische Gegenreaktion in Russland oder die Bemühungen, die neuen unabhängigen Republiken Ukraine, Belarus und möglicherweise weitere wieder in Russland einzugliedern, Risiken für die Stabilität in Europa mit sich bringen ... Wir müssen uns jedoch darüber im Klaren sein, dass der demokratische Wandel in Russland nicht unumkehrbar ist und dass Russland trotz seiner gegenwärtigen Schwierigkeiten die stärkste Militärmacht in Eurasien und die einzige Macht der Welt bleiben wird, die in der Lage ist, die Vereinigten Staaten zu zerstören. ... Der beste Weg, sicherzustellen, dass keine feindliche Macht die Kontrolle über die Ressourcen der ehemaligen Sowjetunion festigen kann, besteht darin, ihre Nachfolgestaaten (insbesondere Russland und die Ukraine) in ihren Bemühungen zu unterstützen, friedliche Demokratien mit marktorientierten Volkswirtschaften zu werden. Eine demokratische Partnerschaft mit Russland und den anderen Republiken wäre das beste Ergebnis für die Vereinigten Staaten. Gleichzeitig müssen wir uns auch gegen die Möglichkeit eines Scheiterns der Demokratie absichern, mit der Möglichkeit, dass in Russland ein autoritäres Regime entsteht, das auf die Erneuerung aggressiver Militärmacht aus ist, oder dass ähnliche Regime in anderen Nachfolgerepubliken zu einer Ausweitung der Konflikte innerhalb der ehemaligen UdSSR oder Osteuropas führen könnte.

Dies wurde aus der Veröffentlichung vom 16. April zugunsten eines diplomatischeren Ansatzes entfernt.

Die USA haben ein erhebliches Interesse daran, die demokratische Konsolidierung und friedliche Beziehungen zwischen Russland, der Ukraine und den anderen Republiken der ehemaligen Sowjetunion zu fördern.

Gellmann kommentierte zu dieser Thematik, das Dokument werfe insbesondere die Frage einer „einseitigen amerikanischen Verteidigungsgarantie“ für Osteuropa auf, „vorzugsweise in Zusammenarbeit mit anderen NATO-Staaten“, und ziehe den Einsatz amerikanischer Militärmacht in Erwägung, um den Einsatz nuklearer, biologischer oder chemischer Waffen zu verhindern oder zu bestrafen, „selbst in Konflikten, die ansonsten keine direkten US-Interessen berühren“.

Die wissenschaftliche Kritik an der neuen Strategie habe sich, so Gellmann, auf ihren Umgang mit Russland konzentriert. Er zitiert Michael Mandelbaum von der Johns-Hopkins-Universität, der darauf hingewiesen habe, dass die Logik, die Wiederauferstehung einer feindseligen Supermacht zu verhindern, ein weitaus stärkeres Engagement in der Wirtschaft und Demokratisierung der Russen und Ukrainer erfordere. In der gegenwärtigen politischen Debatte scheine es jedoch ein „Tabuwort“ zu sein, ihnen „Geld zu geben“.

Harold Brown habe mit anderen auch den Hinweis kritisiert, die USA oder die NATO könnten ihre Sicherheitsgarantien auf Osteuropa ausdehnen. Sie hätten dies als Provokation des russischen Nationalismus bezeichnet. Dies ignoriere „dieselbe ernste Gefahr eines Atomkriegs“, die 45 Jahre lang ein Eingreifen des Westens dort verhindert habe.[8]

Naher Osten und Südwestasien

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Die Doktrin verdeutlichte die Gesamtziele im Nahen Osten und Südwestasien.

Im Nahen Osten und Südwestasien ist es unser Hauptziel, die vorherrschende Macht in der Region zu bleiben und den Zugang der USA und des Westens zum Öl der Region zu sichern. Wir wollen außerdem weitere Aggressionen in der Region verhindern, die regionale Stabilität fördern, US-Staatsangehörige und Eigentum schützen und unseren Zugang zu internationalen Luft- und Seewegen sichern. Wie die Invasion Kuwaits durch den Irak gezeigt hat, ist es nach wie vor von grundlegender Bedeutung, die Dominanz einer Hegemonie oder einer Machtgruppe über die Region zu verhindern. Dies gilt insbesondere für die Arabische Halbinsel. Daher müssen wir weiterhin eine Rolle durch verstärkte Abschreckung und verbesserte kooperative Sicherheit spielen.

Die Veröffentlichung vom 16. April war zurückhaltender und bekräftigte die Verpflichtungen der USA gegenüber Israel und seinen arabischen Verbündeten.

Im Nahen Osten und am Persischen Golf versuchen wir, die regionale Stabilität zu fördern, Aggressionen gegen unsere Freunde und Interessen in der Region abzuwehren, US-Staatsangehörige und Eigentum zu schützen und unseren Zugang zu internationalen Luft- und Seewegen sowie zum Öl der Region zu sichern. Die Vereinigten Staaten sind der Sicherheit Israels verpflichtet und wollen den qualitativen Vorsprung aufrechterhalten, der für die Sicherheit Israels von entscheidender Bedeutung ist. Israels Vertrauen in seine Sicherheit und die strategische Zusammenarbeit zwischen den USA und Israel tragen zur Stabilität der gesamten Region bei, wie im Golfkrieg erneut gezeigt wurde. Gleichzeitig stärkt unsere Unterstützung unserer arabischen Freunde bei der Verteidigung gegen Aggressionen auch die Sicherheit in der gesamten Region, auch für Israel.

Anhang: Szenarien

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In sieben Szenarien wurden mögliche regionale Kriege dargestellt: gegen den Irak wegen möglicher Angriffe auf Kuwait und Saudi-Arabien; gegen Nordkorea wegen eines Konflikts mit Südkorea; „eine große Kampagne in Europa gegen ein wiedererstarkendes Russland“, wobei eine NATO-Intervention wegen Litauen, Belarus und Polen für möglich gehalten wurde. Darüber hinaus sollten die Streitkräfte auf Instabilitäten in Ländern wie Panama (wegen einer möglichen Kanalbesetzung) oder den Philippinen (wegen eines möglichen Umsturzes) reagieren können.[12][13]

Laut Gellner war das Szenario für Litauen:

[Das Pentagon] erwägt einen großen Krieg zu Lande, zu Wasser und in der Luft, bei dem 24 NATO-Divisionen, 70 Jagdstaffeln und sechs Flugzeugträger-Kampfgruppen die russische Marine „in der Ostsee festhalten“, Versorgungslinien in Russland bombardieren und Panzerverbände einsetzen würden, um russische Streitkräfte aus Litauen zu vertreiben. Die Autoren geben an, dass Russland wahrscheinlich nicht mit Atomwaffen reagieren wird, liefern jedoch keine Grundlage für diese Einschätzung.

Reaktionen

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Eine der heftigsten unmittelbaren Reaktionen kam von Senator Joseph R. Biden, der äußerte, die „Pax Americana“ mit den USA als „Globocop“ sei „ein direkter Schlag gegen zwei unserer engsten Verbündeten – Deutschland und Japan“. Er forderte, man solle stattdessen der UN-Charta „Leben einhauchen“, die „eine dauerhafte Bereitstellung von Streitkräften für den Einsatz durch den Sicherheitsrat vorsieht“. Er zitierte den Generalsekretär der Vereinten Nationen mit den Worten, der Ansatz des Pentagons bedeute „das Ende der UN“.[14][15][16]

Patrick Buchanan bezeichnete das DPG als „Formel für endlose amerikanische Einmischung in Streitigkeiten und Kriege, wenn nicht im Entferntesten lebenswichtige Interessen der Vereinigten Staaten betroffen sind.“[17] 1999 schrieb er zur Wolfowitz-Doktrin, das Land, das Amerika am dringendsten brauche, um sich auf einen demokratischen Weg zu begeben, sei Russland. „Doch indem wir Länder, die einst Teil seines Imperiums waren, zu Verbündeten machen, behandeln wir Russland so, wie die Alliierten Deutschland in Versailles behandelten: Wir reiben ihm seine Niederlage unter die Nase, drängen es aus dem westlichen Bereich und bezeichnen Russland praktisch als Dauerfeind. Um einen Bauern zu schlagen, riskieren wir die Dame.“[18]

Weiterwirken

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In der Zeit zwischen der Planning Guidance 1992 und der Wahl George W. Bushs fanden die Ideen des DPG-Entwurfs ihren Widerhall in neokonservativen Veröffentlichungen und Kampagnen, während sie in der offiziellen Politik Bill Clintons von 1993 bis 2001 abgelehnt wurden. Das wichtigste Beispiel dafür sind die Grundsätze des Project for the New American Century von 1997. Die PNAC-Erklärung forderte eine globale Führungsrolle der USA und präventive Maßnahmen:

Natürlich müssen die Vereinigten Staaten bei der Ausübung ihrer Macht umsichtig vorgehen. Aber wir können uns der Aber wir können uns der Verantwortung globaler Führungsrolle oder den Kosten, die mit ihrer Ausübung verbunden sind, nicht ohne weiteres entziehen. Amerika spielt eine entscheidende Rolle bei der Wahrung von Frieden und Sicherheit in Europa, Asien und dem Nahen Osten. Wenn wir uns unserer Verantwortung entziehen, werden unsere grundlegenden Interessen in Frage gestellt.

Unterzeichnet wurde diese Erklärung unter anderen von Dick Cheney, Paul Wolfowitz, Scooter Libby und Khalilzad, Donald Rumsfeld, Peter Rodman und Elliott Abrams. Auch der Bericht der PNAC aus dem Jahr 2000 Rebuilding America's Defenses: Strategy, Forces, and Resources for a New Century von Thomas Donnelly (American Enterprise Institute), Donald Kagan und Gary Schmitt, bezog sich ausdrücklich auf die ursprüngliche Planning Guidance als Inspirationsquelle. Diese sei die

Blaupause für die Wahrung der US-Vorherrschaft, die Verhinderung des Aufstiegs einer rivalisierenden Großmacht und die Gestaltung der internationalen Sicherheitsordnung im Einklang mit amerikanischen Prinzipien und Interessen.[19][20]

Nicht zuletzt in der sogenannten Bush-Doktrin von 2002 finden sich die Ursprungsgedanken der DPG wieder, die von Senator Edward M. Kennedy als „ein Aufruf zum amerikanischen Imperialismus des 21. Jahrhunderts, den kein anderes Land akzeptieren kann oder sollte“ beschrieben und bewertet wurde.[21]

Rezeption

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Russland

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Nach Darstellung von Sameed Basha in The National Interest (2023) betrachtet die politische Elite des Kreml spätestens seit 2007 (vgl. die Rede Putins auf der Münchner Sicherheitskonferenz) die Außenpolitik der USA als Umsetzung des Planes von 1992, der Welt ihren Willen aufzuzwingen und „Rivalen auszumerzen, wo immer sie auch auftauchen mögen“. Dies sei in Putins Augen durch das amerikanische Vorgehen in der Ukraine noch weiter bestätigt worden: Die Amerikaner hätten aus seiner Sicht in die politischen Angelegenheiten des Landes eingegriffen und so den Weg zu einem möglichen NATO- und EU-Beitritt geebnet.[22][23]

„Wahrscheinlich hat kein Verteidigungsplanungsdokument seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, mit der möglichen Ausnahme von NSC-68, so viel Aufmerksamkeit und Diskussion erfahren.“[24]

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. https://nsarchive2.gwu.edu/nukevault/ebb245/doc01.pdf
  2. a b c d Patrick Tyler: U.S. Strategy Plan Calls for Insuring No Rivals Develop: A One-Superpower World, New York Times, 8. März 1992.
  3. Barton Gellmann: Die USA an erster Stelle halten: Das Pentagon würde eine rivalisierende Supermacht ausschließen. In: The Washington Post, 11. März 1992.
  4. Interviews - William Kristol | The War Behind Closed Doors | FRONTLINE | PBS. Abgerufen am 22. Oktober 2024.
  5. John Lewis Gaddis: Große Strategie der Transformation. In Foreign Policy 2002, Nr. 133, S. 50–57. Gaddis' Essay ist abgedruckt in: Paul Bolt, Damon V. Coletta und Collins G. Shackleford Jr. (Hrsg.): American Defense Policy (8. Auflage), Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005. Gaddis, S. 52: „Präemption […] erfordert Hegemonie. Obwohl Bush in seinem Begleitschreiben davon spricht, ‚ein Kräftegleichgewicht zu schaffen, das die menschliche Freiheit begünstigt‘ und gleichzeitig auf ‚einseitige Vorteile‘ zu verzichten, stellt das Gremium der NSS klar, dass ‚unsere Streitkräfte stark genug sein werden, um potenzielle Gegner von einem militärischen Aufmarsch abzuhalten, in der Hoffnung, die Macht der Vereinigten Staaten zu übertreffen oder ihr gleichzukommen‘. Die Rede in West Point drückte es noch unverblümter aus: ‚Amerika verfügt über eine militärische Stärke, die unübertroffen ist, und beabsichtigt, diese Stärke zu erhalten.‘ Der Präsident hat also endlich Paul Wolfowitz’ diesbezüglich umstrittene Empfehlung gebilligt, die in einem Entwurf der ‚Defense Planning Guidance‘ von 1992 gemacht wurde, der später an die Presse durchsickerte und dann von der ersten Bush-Regierung desavouiert wurde. Es ist kein Zufall, dass Wolfowitz als stellvertretender Verteidigungsminister im Mittelpunkt der strategischen Planung der neuen Bush-Regierung stand.“ (Hilfsübersetzung)
  6. James Mann: The True Rationale: It's A Decade Old. In: The Washington Post, 7. März 2004.
  7. David Armstrong: Dick Cheney's Song of America: Drafting a plan for global dominance. In: Harper's, Januar 2003.
  8. a b c d Barton Gellman: Keeping the U.S. first, auf washingtonpost.com
  9. James Mann: The Rise of the Vulcans: The History of Bush's War Cabinet
  10. The Nuclear Vault: The Making of the Cheney Regional Defense Strategy, 1991-1992. Abgerufen am 20. Oktober 2024.
  11. Patrick Tyler: U.S. Strategy Plan Calls for Insuring No Rivals Develop: A One-Superpower World, New York Times, 8. März 1992.
  12. "Prevent the Reemergence of a New Rival" | The Making of the Cheney Regional Defense Strategy, 1991-1992, auf nsarchive2.gwu.edu
  13. Simon Dalby: No. 90 | Geopolitics, Grand Strategy and the Bush Doctrine (PDF; 0,5 MB), S. 5, auf files.ethz.ch
  14. Barton Gellman: Keeping the U.S. First. In: Washington Post, March 11, 1992.
  15. The Lone Superpower. Abgerufen am 20. Oktober 2024 (amerikanisches Englisch).
  16. Hal Brands: Choosing Primacy: U.S. Strategy and Global Order at the Dawn of the Post-Cold War Era. 6. Februar 2018, abgerufen am 20. Oktober 2024 (amerikanisches Englisch).
  17. Joshua Muravchik: The Imperative of American Leadership: A Challenge to Neo-Isolationism. American Enterprise Institute Press, Washington 1996, S. 136.
  18. Patrick J. Buchannan: A Republic, Not an Empire. Reclaiming America's Destiny. Washington, Regnery Publishing 1999.
  19. James Mann: The Rise of the Vulcans: The History of Bush's War Cabinet. New York: Viking, 2004, S. 208–215
  20. 1992 Draft Defense Planning Guidance. Abgerufen am 22. Oktober 2024 (englisch).
  21. Orlando Caputo Leiva: Die Weltwirtschaft und die Vereinigten Staaten zu Beginn des 21. Jahrhunderts. In: Lateinamerikanische Perspektiven Nr. 34 (1), 2007, S. 9–15
  22. Sameed Basha: How the Wolfowitz Doctrine Shaped Putin’s Outlook. 18. Februar 2023, abgerufen am 21. Oktober 2024 (englisch).
  23. Gul i Ayesha Bhatti: The Wolfowitz legacy in US-Russia affairs. In: The Pakistan Observer. 19. März 2024, abgerufen am 21. Oktober 2024 (amerikanisches Englisch).
  24. Eric S. Edelman: The Strange Career of the 1992 Defense Planning Guidance. In: Uncertain Times: American Policy After the Berlin Wall and 9/11, hrsg. von Melvyn P. Leffler und Jeffrey W. Legro. Ithaca, Cornell University Press, 2011.
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Dokumente

Artikel

Literatur

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  • Hal Brands: Making the Unipolar Moment: U.S. Foreign Policy and the Rise of the Post-Cold War Order . Ithaca, Cornell University Press, 2016.
  • James Mann: The Rise of the Vulcans: The History of Bush's War Cabinet. New York: Viking, 2004, S. 208–215
  • Bernd W. Kubbig: Wolfowitz’ Welt verstehen. Entwicklung und Profil eines „demokratischen Realisten“. HSFK-Report 7/2004
  • Eric S. Edelman: The strange career of the 1992 defense Planning Guidance. Cornell University Press, Ithaca 2017. In: Melvyn P. Leffler und Jeffrey W. Legro (Hrsg.): In Uncertain Times. American Foreign Policy after the Berlin Wall and 9/11. Miller Center of Public Affairs Books. Cornell University Press 2011.
  • Richard H. Immerman: Empire for Liberty. A History of American Imperialism from Benjamin Franklin to Paul Wolfowitz. Princeton University Press 2010. Chapter 6: Paul Wolfowitz and the Lonely Empire.