Das XYY-Syndrom ist eine numerische Chromosomenaberration, bei der ein Mann ein zusätzliches Y-Chromosom hat. Dieser Genotyp verursacht in der Regel wenig Symptome. Das Syndrom entsteht durch ein zufälliges Ereignis bei der Bildung der Spermien und ist in der Regel nicht erblich. Es kann durch Chromosomen-Analyse nachgewiesen werden. Die meisten Träger bleiben jedoch unerkannt.

Geschichte und Benennung

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Der erste wissenschaftlich belegte Fall wurde im August 1961 von der Arbeitsgruppe um Avery A. Sandberg in der Zeitschrift The Lancet publiziert. Es handelte sich dabei um einen zufälligen Fund, der betroffene Mann war phänotypisch völlig unauffällig.[1] Im Gegensatz zu anderen Syndromen, wie zum Beispiel dem Klinefelter-Syndrom oder dem Turner-Syndrom, wurde das XYY-Syndrom nicht nach seinen Entdeckern benannt. Dies erklärt sich damit, dass die Nomenklatur ab etwa 1960 keine Benennung nach dem Erstbeschreiber mehr vorsah, sondern nach der chromosomalen Struktur, in diesem Fall also 47, XYY. Dennoch wird es nach Patricia A. Jacobs, der generellen Erstbeschreiberin von Geschlechts-Chromosenaberrationen, die 1965 auch das XYY-Syndrom untersuchte, mitunter auch als Jacobs-Syndrom bezeichnet.

Weitere Bezeichnungen für das XYY-Syndrom sind XYY-Trisomie, Diplo-Mann-Syndrom, Supermaskulinitäts-Syndrom, Diplo-Y-Syndrom, YY-Syndrom oder Polysomie Y bezeichnet.

Kennzeichen

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Es gibt phänotypische Unterschiede zwischen Männern mit und ohne XYY-Syndrom, diese sind jedoch keinesfalls zwingend vorhanden:

  • Dazu zählt eine erhöhte durchschnittliche Körpergröße, die durch ein beschleunigtes Wachstum bereits im frühen Kindesalter bedingt ist. Die Menschen sind im Vergleich zur prognostizierten Körpergröße um etwa sieben bis acht Zentimeter größer. Bedingt dadurch wirken sie eher schlank, denn ihr Körpergewicht nimmt nicht im gleichen Maße zu. Wegen dieses Habitus wird oft fälschlich zuerst ein Marfan-Syndrom angenommen.
  • In vielen Fällen wird von heftiger Akne in der Jugend berichtet, die sich durchaus bis weit ins Erwachsenenalter erstrecken kann.[2]

Weitere körperliche Auffälligkeiten, die bei XYY-Männern häufiger vorkommen als beim Rest der Bevölkerung, sind z. B.:

Nicht bestätigt haben sich Annahmen wie die, XYY-Männer seien kognitiv retardiert oder kriminelle Soziopathen,[3] die aus statistischen Fehlern entstanden. Das Bild des kriminellen XYY-Manns mit einem Hang zu Sexualstraftaten wurde dennoch propagiert, beispielsweise in dem Film Alien 3.

Häufigkeit und Ursache

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Schema der Meiose – Entstehung von aneuploiden Keimzellen durch Non-Disjunction in der zweiten Reifeteilung

Die Prävalenz liegt weltweit zwischen 1:590 (Nordeuropa) und 1:2000 (USA), wobei es zu wenige hinreichend große Studien gibt, um eine präzise Aussage zuzulassen. Das Syndrom entsteht durch ein zufälliges Ereignis bei der Bildung der Spermien des Vaters und ist in der Regel nicht erblich. Es kann durch Chromosomen-Analyse nachgewiesen werden. Bei der Spermatogenese, also der Bildung der männlichen Keimzellen, kommt es in der Meiose II zu einem Non-Disjunction-Ereignis beim Y-Chromosom. Die beiden Chromatiden trennen sich nicht voneinander. Dadurch entstehen mit einem Verhältnis von 50 % Spermien mit dem Karyotyp (23, X), welcher der übliche ist. Aber zu 25 % entstehen auch Spermien mit dem Karyotyp (24, YY) und zu ebenfalls 25 % Spermien ganz ohne Gonosomen. Verschmilzt nun ein (24, YY)-Spermium mit einer (23, X)-Eizelle ist die Zygote demnach (47, XYY).

Behandlung

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Die Behandlung für Jungen im Kindes- und Jugendalter kann bei Bedarf Sprachtherapie und Hausaufgabenbetreuung umfassen. Die Ergebnisse sind in der Regel gut.[4][5]

Die Prognose ist gut, die Lebenserwartung ist nicht beeinflusst.

Vergleich mit anderen Chromosomenanomalien

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Menschen mit dem XYY-Syndrom sind phänotypisch männlich, besitzen jedoch, abweichend vom üblichen männlichen Karyotyp (46, XY), ein zusätzliches Y-Chromosom (47, XYY). Es können auch weitere X-Chromosomen vorhanden sein.

Wenn es in der Eizelle und im Spermium sowohl zu einer Nondisjunction der homologen Chromosomen (Meiose I) kommt als auch zu einer Nondisjunktion der Schwesterchromatiden (Meiose II), so ist die maximale numerische Chromosomenaberration (52, XXXXXXYY). Dies ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Karyotypen wie (48, XXYY) oder (maximal) (52, XXXXXXYY) sind möglich.

Da XYY-Männer praktisch vollkommen beschwerdefrei sind, besitzt dieser Genotyp keine klinische Relevanz. Deshalb wird die Bezeichnung „Syndrom“ auch kritisiert.

Fruchtbarkeit

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Zur Fruchtbarkeit und Vererbung der Chromosomananomalie gibt es unterschiedliche Studienergebnisse.

Eine Studie von 2001 besagt, dass bei XYY-Männern die Häufigkeit von Spermien mit 24-XY und 24-YY unter 1 % lag. Demnach bestehe nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, das zusätzliche Y-Chromosom weiterzuvererben, da es meistens bei der Spermatogenese verloren gehe. Die Männer wiesen zwar eine verringerte Spermienqualität mit hohem Anteil an unreifen Spermien (Spermatogonien) auf, die reifen Spermien seien allerdings wie üblich ausgebildet, wenn auch in geringerer Anzahl.[6]

Nach einer Studie von 2013 wiesen XYY-Männer unterschiedliche Grade an Unfruchtbarkeit auf. Von drei untersuchten XYY-Männern, die sich nach zwei Jahren ohne Erfüllung ihres Kinderwunsches vorgestellt hatten, waren alle groß und hatten einen erhöhten Body-Mass-Index. Die Befunde der Hodenuntersuchungen reichten von normalen bis zu atrophischen Hoden. Spermaanalysen zeigten Oligospermie und unterschiedliche endokrine Profile. Darin zitierte Studien berichteten über einen Zusammenhang zwischen XYY und Fertilitätsproblemen und eine erhöhte Inzidenz chromosomal abnormaler Spermien. Diese höhere Prävalenz hyperhaploider Spermien führe demnach zu einem erhöhten Risiko, das zusätzliche Y-Chromosom an die Nachkommen weiterzugeben. XYY-Männer können variable Spermienzahlen haben, die von normal bis Azoospermie reichen.[7]

Literatur

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  • Jürgen Kunze, Jürgen Spranger, Hans-Rudolf Wiedemann: Atlas der Klinischen Syndrome. 5. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Schattauer, Stuttgart / New York 2001, ISBN 3-7945-2043-2.
  • David L. Rimoin, J. M. Connor, Reed E. Pyeritz, Alan E. H. Emery: Emery and Rimoin’s Principles and Practices of Medical Genetics. 3 Bände. 4. Auflage. Churchill Livingstone, London 2001, ISBN 0-443-06434-2.
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Einzelnachweise

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  1. Avery A. Sandberg, George F. Koepf, Takaaki Ishihara, Theodore S. Hauschka: An XYY human male. In: Lancet. Band 278. Jahrgang, Nr. 7200, 26. August 1961, S. 488–489, doi:10.1016/S0140-6736(61)92459-X, PMID 13746118.
  2. Gerd Plewig, Albert M. Kligman: Akne und Rosazea. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer-Verlag, Berlin u. a. 2013, ISBN 978-3-642-57960-8, S. 351; google-books
  3. Mary A. Telfer, David Baker, Gerald R. Clark, Claude E. Richardson: Incidence of gross chromosomal errors among tall criminal American males. In: Science. Band 159. Jahrgang, Nr. 3820, 15. März 1968, S. 1249–50, doi:10.1126/science.159.3820.1249, PMID 5715587 (sciencemag.org).
  4. 47,XYY syndrome. In: Genetics Home Reference. Januar 2009, abgerufen am 19. März 2017 (englisch).
  5. XYY Syndrome. NORD (National Organization for Rare Disorders), 2012, abgerufen am 11. November 2017.
  6. Qinghua Shi, Reneé H. Martin: Aneuploidy in human spermatozoa: FISH analysis in men with constitutional chromosomal abnormalities, and in infertile men. In: Reproduction, Mai 2001, Band 121, Nr. 5, S. 655–666; doi:10.1530/rep.0.1210655, PMID 11427153.
  7. Ina W. Kim, Arjun C. Khadilkar et al.: 47,XYY Syndrome and Male Infertility. In: Reviews in Urology, 2013, Band 15, Nr. 4, S. 188–196; PMID 24659916, PMC 3922324 (freier Volltext).