Zuckerindustrie
Zur Zuckerindustrie zählen Unternehmen, die sich mit der Verarbeitung von Zucker enthaltenden pflanzlichen Rohstoffen beschäftigen, insbesondere sind das die Zuckerrübe und das Zuckerrohr. Herkömmlich nennt man die entstehenden primären Produkte dann je nach dem verwendeten Rohstoff Rohrzucker beziehungsweise Rübenzucker. Chemisch unterscheiden sich der Zucker aus der Zuckerrübe bzw. aus dem Zuckerrohr nicht. Die Zuckerindustrie stellt mit ihrem Endprodukt, dem Zucker, eines der chemisch reinsten Produkte her – der Zuckergehalt in der Trockenmasse beträgt nahezu 100 %.
Gelegentlich werden zur Zuckerindustrie auch Unternehmen gerechnet, die die bei der Zuckergewinnung eingesetzten Anlagen bauen, beispielsweise die Zuckerzentrifugen.
Verarbeitungsprodukte
BearbeitenDas primäre Endprodukt bei der Verarbeitung von Zuckerrüben und Zuckerrohr in einer Zuckerfabrik ist der Kristallzucker (Saccharose), außerdem werden in großen Mengen als verwertbare Nebenprodukte Melasse und im Falle der Zuckerrübenverarbeitung Rübenschnitzel bzw. bei der Zuckerrohrverarbeitung Bagasse gewonnen. In der Kampagne werden die geernteten Zuckerrüben zur Zuckerfabrik transportiert und dort verarbeitet.
Zunehmend wichtig wird die Verarbeitung der bei der Zuckergewinnung anfallenden Restbestandteile. Während früher lediglich die ausgelaugten Rübenschnitzel als kostengünstige Futtermittel etwa für Schweine verwendet werden konnten, sind längst wertvolle Inhaltsstoffe der Zuckerrüben und des Zuckerrohrs erkannt worden, die zwar in geringeren Mengen als Zucker vorhanden sind, sich aber aus den Restbestandteilen auch großtechnisch erfolgreich gewinnen lassen, beispielsweise Aminosäuren und Betain.
Abnehmer
BearbeitenIn den industrialisierten Ländern ebenso wie in den Ländern der Dritten Welt werden ca. 80 % des erzeugten Zuckers einer gewerblichen Verwendung zugeführt, also nicht unmittelbar als Nahrungsmittel an Endverbraucher abgegeben. Diese Zuckermengen werden insbesondere bei der Herstellung von Nahrungsmitteln beispielsweise in Bäckereien, in der Süßwarenindustrie und bei der Obst- und Gemüseverarbeitung zu Süßungs- und Konservierungszwecken eingesetzt. Auch die Getränkeindustrie und die pharmazeutische Industrie verwenden Zucker als Grundstoff.
Die bedeutendsten Zucker produzierenden Nationen
BearbeitenDie weltweit drei bedeutendsten Zuckerproduzenten sind Brasilien, Indien und die Volksrepublik China, die wichtigsten Herstellerländer in Europa sind Frankreich, Deutschland und Polen (siehe Tabelle).
Rang | Land | Produktion (in Mio. t) |
Rang | Land | Produktion (in Mio. t) |
---|---|---|---|---|---|
1 | Brasilien | 24,8 | 9 | Deutschland | 4,2 |
2 | Indien | 22,1 | 10 | Pakistan | 4 |
3 | Volksrepublik China | 11,1 | 11 | Kuba | 3,8 |
4 | Vereinigte Staaten | 8 | 12 | Südafrika | 2,6 |
5 | Thailand | 7,3 | 13 | Kolumbien | 2,6 |
6 | Australien | 5,4 | 14 | Philippinen | 2,1 |
7 | Mexiko | 4,9 | 15 | Indonesien | 2,1 |
8 | Frankreich | 4,4 | 16 | Polen | 2 |
(Quelle: Die Welt in Zahlen. In: Handelsblatt, 2005)
Die größte Zuckerfabrik der Welt für die Produktion von Rohrzucker ist die Kenana Sugar Company im Sudan. Die Fabrik nutzt die Bewässerungsflächen des Dschazira-Projekts und liegt etwa 250 Kilometer südlich von Khartum in der Nähe von Kusti.[1] Die Produktion lag 2003 bei über 400.000 Tonnen pro Jahr.[2] Zudem gilt sie als die effizienteste Zuckerfabrik der Welt, umgeben von der weltgrößten Zuckerrohrplantage.[3]
Zuckerindustrie in Brasilien
BearbeitenDie brasilianische Zuckerindustrie basiert auf Zuckerrohr; Brasilien ist dabei weltweit der größte Zuckerrohr-Erzeuger. Der Anteil an der weltweiten Zuckerproduktion 2003/2004 betrug ca. 1/6. Brasilien erzeugte 2003/2004 ca. 24,4 Millionen Tonnen Zucker.[4] Brasiliens Zuckerindustrie beabsichtigt erhebliche Produktionsausweitungen.[5]
Aus Zuckerrohr wird in Brasilien allerdings nicht nur Zucker hergestellt, sondern auch die Produktion von Bioethanol ist nennenswert. Mit einer Ausbringung von 40 Millionen m³ (2004) liegt Brasilien bei der Bioethanolerzeugung weltweit hinter den USA auf Platz 2. 2007 betrug die Zuckerrohrernte in Brasilien 558 Millionen Tonnen, ein Wachstum von 17,62 % gegenüber 2006. Die Voraussage für 2008 beträgt 607 Millionen Tonnen, von denen 89 % (540 Millionen Tonnen) für die Produktion von Zucker und Ethanol verwendet werden, die anderen 11 % werden für die Produktion von Cachaça, amorphem Zucker (Rapadura), als Viehfutter und als Saatgut verwendet.[6]
Zuckerindustrie in der Europäischen Union
BearbeitenIn der Europäischen Union wird in 18 Ländern Zucker erzeugt. Die meisten modernen Zuckerfabriken zur Verarbeitung von Zuckerrüben stehen heutzutage in Polen, Deutschland und Frankreich. Allein zwischen 2005 und 2010 wurden in der EU 83 Zuckerfabriken geschlossen. Heute sind noch ca. 180.000 Menschen in der EU direkt oder indirekt in der Zuckerindustrie beschäftigt.[7]
Land | Zuckerertrag t/ha |
Zuckererzeugung t Weißzuckerwert |
---|---|---|
Frankreich | 12,5 | 4.526.414 (davon 268.995 in den Übersee-Départements) |
Deutschland | 9,5 | 3.442.683 |
Polen | 7,3 | 1.432.529 |
Vereinigtes Königreich | 10,7 | 995.000 |
Niederlande | 12,3 | 873.130 |
Belgien, Luxemburg | 11,7 | 686.550 |
Italien | 8,8 | 554.530 |
Spanien | 11,4 | 528.837 |
Tschechien | 8,5 | 458.906 |
Dänemark | 11,6 | 453.395 |
Österreich | 9,9 | 444.264 |
Schweden | 7,3 | 285.450 |
Slowakei | 7,5 | 129.930 |
Rumänien | 5,3 | 123.664 |
Ungarn | 8,8 | 120.500 |
Litauen | 6,7 | 100.566 |
Finnland | 5,3 | 80.273 |
Griechenland | 5,7 | 77.182 |
Portugal | k. A. | 1.300 |
Gesamt | 10,0 | 15.315.103 |
Zuckerhersteller
BearbeitenUnternehmen | Land | Marktanteil |
---|---|---|
Südzucker | Deutschland | 24,8 % |
Nordzucker | Deutschland | 15,4 % |
British Sugar (ABF) | Vereinigtes Königreich | 12,1 % |
Tereos | Frankreich | 11,7 % |
Koninklijk Coöperatie Cosun (Royal Cosun) | Niederlande | 7,0 % |
Pfeifer & Langen | Deutschland | 6,6 % |
Cristal Union | Frankreich | 4,5 % |
Krajowa Spółka Cukrowa (Polski Cukier) | Polen | 4,2 % |
Groupe Vermandoise | Frankreich | 3,2 % |
Sonstige Unternehmen | 10,6 % |
Zuckerindustrie in Deutschland
BearbeitenDer erhebliche Konkurrenzdruck auf dem europäischen und Weltmarkt hat zu einer starken Konzentration der beteiligten Firmen geführt. Während um 1900 die Zuckerindustrie allein in Deutschland noch aus Hunderten kleinerer „Aktien-Zuckergesellschaften“ bestand, die meist nur eine oder wenige Zuckerfabriken besaßen und häufig den zuliefernden Bauern gehörten, haben diese sich in der Zwischenzeit im Wesentlichen zu drei größeren deutschen Gesellschaften zusammengeschlossen, nämlich der Südzucker AG mit Sitz in Mannheim, der Nordzucker AG mit Sitz in Braunschweig und der Pfeifer & Langen mit Sitz in Köln. Die Aktien der Nordzucker AG gehören auch heute noch gemäß Satzung überwiegend den Bauern, deren Zuckerrüben in den Zuckerfabriken dieser Gesellschaft verarbeitet werden. Pfeifer & Langen ist noch heute im Familienbesitz.
2009/10 wurden in Deutschland 3,126 Mio. t Zucker abgesetzt, davon wurden 85,8 Prozent Verarbeitungszucker für die Industrie und das Handwerk und 14,2 Prozent als Haushaltszucker in Form von Raffinade, Puder-, Würfelzucker, Kandis und anderen Sorten vorwiegend über den Lebensmittelhandel verkauft.
Verbrauch von Verarbeitungszucker in Deutschland:
- 19,0 % Getränke
- 18,4 % Süßwaren
- 7,5 % Dauerbackwaren
- 5,2 % Marmeladen und Obstkonserven
- 4,7 % Milchprodukte und Speiseeis
- 1,9 % Bäckereien, Konditoren
- 29,1 % Sonstige
Die Zahl der Zuckerfabriken in Deutschland ist in den letzten vierzig Jahren stark zurückgegangen, da es deutlich effizienter ist, mehr Zucker in weniger Zuckerfabriken zu gewinnen. Dazu kommt die Transportlogistik: Heutige Traktoren und der in den vergangenen Jahren zunehmende Einsatz von Lkw im Gegensatz zur bäuerlichen Anfuhr erlauben es, die Rüben in annehmbarer Zeit und größeren Mengen auch zu über 100 km entfernten Fabriken anzuliefern, wie dieses z. B. aus Schleswig-Holstein zur Zuckerfabrik Uelzen der Nordzucker AG erfolgt. Es gab 2006 in Deutschland noch 25 in Betrieb befindliche Zuckerfabriken, gegenüber etwa 500 bis 600 vor dem Ersten Weltkrieg. Dabei existieren in Deutschland nur noch drei große Zuckerfirmen (Nordzucker, Südzucker, Pfeifer & Langen) sowie die niederländische Suiker Unie mit einem Werk in Anklam. Die letzte genossenschaftlich organisierte Zuckerfabrik Jülich (Westzucker) wurde 2007 von Pfeifer und Langen übernommen. Die Verarbeitungsleistung erreicht in modernen Rübenzuckerfabriken bis ca. 15.000 t Rüben/24 h. Die Kapazität der Zuckerfabrik in Uelzen beträgt sogar bis zu. 20.000 t Rüben/24 h. Die Kampagne dauert auf dem europäischen Festland ca. 100 Tage, in Großbritannien bis 140 Tage und in den USA bis 270 Tage.
Zuckerindustrie in Österreich
BearbeitenDer größte Zuckerproduzent in Österreich ist die Agrana Beteiligungs-AG, die neben Zucker auch Stärke, Fruchtzubereitungen und Fruchtsaftkonzentrate sowie Bioethanol produziert. Sie betreibt hier die Zuckerfabriken in Tulln und in Siebenbrunn/Leopoldsdorf.
Die Agrana ist zudem in vielen weiteren europäischen Ländern aktiv und betreibt weitere Zuckerfabriken in Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bosnien-Herzegowina.
Standort | Bundesland | Betreiber | Verarbeitungskapazität /Tag | gegr. | geschl. |
---|---|---|---|---|---|
Bruck an der Leitha (Zuckerfabrik Bruck) | Niederösterreich | t Rüben | 1909 | 1986 | |
Dürnkrut (Zuckerfabrik Dürnkrut) | Niederösterreich | t Rüben | 1844 | 1978 | |
Enns (Zuckerfabrik Enns) | Oberösterreich | Fam. Strakosch > Arisierung > Sugana > Agrana | t Rüben | 1929 | 1988 |
Hirm (Zuckerfabrik Hirm) | Niederösterreich | t Rüben | 1850 | 1941 | |
Hohenau an der March (Zuckerfabrik Hohenau) | Niederösterreich | Fam. Strakosch > Arisierung (> Agrana?) | t Rüben | 1867 | 2005/2006 |
Leopoldsdorf im Marchfeld | Niederösterreich | Agrana | t Rüben | 1901 | (2020 fast) |
Siegendorf (Zuckerfabrik Siegendorf) | Burgenland | Conrad Patzenhofer | t Rüben | 1853 (Ungarn) | 1988 |
Tulln (Zuckerfabrik Tulln) | Niederösterreich | Agrana | t Rüben | 1938 | in Betrieb |
Zuckerindustrie in der Schweiz
BearbeitenIn der Schweiz ist die Schweizer Zucker AG (SZU) der einzige Zuckerproduzent mit Zuckerfabriken in Aarberg im Kanton Bern und in Frauenfeld im Kanton Thurgau. Sowohl frische Zuckerrüben als auch Zuckersirup und Zucker werden von der SZU auch importiert. Wobei der Import von Zuckerrüben in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Gleichzeitig sind in der Schweiz die Subventionen für den Zuckerrübenanbau stark gestiegen.[13]
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Sudanesische Botschaft: Industrie ( vom 8. Dezember 2010 im Internet Archive).
- ↑ Miracle of sugar in the desert. worldreport-ind.com.
- ↑ Sudan, securing its future in sugar ( des vom 19. Oktober 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , 1. November 2005.
- ↑ LME Aktuell – 19. November 2004 ( des vom 13. September 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. .
- ↑ Greenpeace Marktcheck, gesehen am 18. Januar 2017 ( vom 16. November 2011 im Internet Archive).
- ↑ Folha Online – Dinheiro – Produção de álcool e de açúcar baterá recorde em 2008, prevê Conab – 29/04/2008.
- ↑ Top-Agrar Österreich (gefunden am 25. Juli 2010).
- ↑ LebensmittelZeitung: Top 9 Zuckerhersteller Europa 2011 ( vom 25. September 2011 im Internet Archive).
- ↑ Zuckerfabrik Osterwieck im Jahre 2016, abgerufen am 11. März 2022.
- ↑ Zuckerfabrik Calbe (Saale), rottenplaces.de, 14. September 2020, abgerufen am 19. Januar 2023.
- ↑ Zuckerfabrik Osterwieck rottenplaces.de, 7. Dezember 2016, abgerufen am 19. Januar 2023.
- ↑ Südzucker: Zuckerfabrik Warburg
- ↑ Parlamentarische Initiative (15.479): Stopp dem ruinösen Preisdumping beim Zucker! Sicherung der inländischen Zuckerwirtschaft. (PDF; 712 KB) Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates. In: admin.ch. 18. August 2020, abgerufen am 11. November 2020.