Zukunft Heimat

2015 in Brandenburg gegründeter Verein

Zukunft Heimat ist ein 2015 in Brandenburg gegründeter rechtsextremistischer Verein mit nationalistisch-flüchtlingsfeindlicher Ausrichtung. Sein „strukturelles Zusammenwirken“ mit dem AfD-Landesverband Brandenburg wird als beispielhaft für die Verflechtung der brandenburgischen Alternative für Deutschland (AfD) mit rechtsextremistischen Strukturen genannt. Beide Organisationen werden vom Verfassungsschutz Brandenburg beobachtet.[1]

Zukunft Heimat
Gründung 2015
Sitz Cottbus
Vorsitz Anne Haberstroh
Website https://de-de.facebook.com/ZukunftHeimat/

Vereinsstruktur

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Der Vereinssitz des 2015 gegründeten Vereins ist in Cottbus.[2] Vereinsvorsitzende ist die Friseurin Anne Haberstroh.[3] Sie und ihr Vorgänger Hans-Christoph Berndt waren zuvor in der Bürgerinitiative Pro Zützen aktiv.

Aktivitäten

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Der Verein organisiert Demonstrationen und Kundgebungen, die sich gegen Flüchtlinge und andere Ausländer richten. Zentrum der Aktivitäten ist überwiegend die Stadt Cottbus.[3][4][5][6][7] Der Verein unterstützt aber auch Demonstrationen in anderen Städten Südbrandenburgs[8] und Sachsen-Anhalts.[9][10][11] Im Mai 2017 startete der Verein die Kampagne „Grenzen ziehen“, die vor allem Demonstrationen in Cottbus anstrebte – die Teilnehmerzahlen wuchsen bis Januar 2018 auf mehrere Tausend Personen pro Veranstaltung an.[12]

Die Demonstrationsaktivität des Vereins ist überregional bekannt und wird als Besonderheit der Region hervorgehoben.[13][14][15][16][17]

Zukunft Heimat inszeniert sich auch als Heimatverein und engagiert sich für Radwege und Erntedankfeste.[8]

Verbindungen zu anderen Organisationen

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Der Verein ist eng mit anderen neurechten und rechtsextremen Organisationen verknüpft. Das Landesamt für Verfassungsschutz des Landes Brandenburg berichtet von engen Kontakten zur Identitären Bewegung.[18] Der Verein rekrutiert offenbar auch aus Kreisen früherer bereits verbotener Organisationen (Widerstand Südbrandenburg, Spreelichter).[3] Weitere Kontakte bestehen zu Pegida, dem Bürgerforum Südbrandenburg, dem Institut für Staatspolitik und dem Verein Ein Prozent für unser Land, die sich teils materiell, ideell oder personell bei Zukunft Heimat engagieren.[8] Vernetzt ist der Verein außerdem mit den Initiativen Kandel ist überall (Kandel), Merkel muss weg (Berlin), Heimatliebe Brandenburg (Eberswalde) und Pro Mitsprache (Dresden).[19] In der Region Südbrandenburg wird der Verein mitunter als Dachorganisation weiterer regionaler Gruppen angesehen.[20] Als Redner eingeladen wurden unter anderem Jürgen Elsässer und Götz Kubitschek.[21]

Zudem bestehen umfangreiche Kontakte zur AfD.[22] So traten Andreas Kalbitz und Birgit Bessin als Sprecher bei Demonstrationen auf.[23][24] Der Verein beteiligt sich an Wahlkampfaktivitäten der Partei.[25] Der Vereinsvorsitzende und -mitgründer Hans-Christoph Berndt kam bei der Landtagswahl in Brandenburg 2019 als Direktkandidat der AfD in den Landtag und wurde im Oktober 2020 als Nachfolger des aus der Partei ausgeschlossenen Rechtsextremisten Andreas Kalbitz zum Fraktionsvorsitzenden der AfD im brandenburgischen Landtag gewählt.[26]

Verbindungen bestehen außerdem zur Szene der Fußballhooligans, sowohl regional als auch überregional.[27][28]

Bewertung durch Verfassungsschutzbehörden

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Das Landesamt für Verfassungsschutz des Landes Brandenburg stellte 2018 Verbindungen von Zukunft Heimat mit Rechtsextremen fest.[29] Aufgrund der engen personellen Nähe der AfD Brandenburg zu dem Verein und mit ihm verbundenen anderen, teils rechtsextremen Gruppierungen wird der Landesverband der Partei von der Verfassungsschutzbehörde untersucht.[13][30] Anfang 2020 wurde Zukunft Heimat als „erwiesen rechtsextremistisch“ eingestuft. Der Verfassungsschutz sieht den Verein unter neonationalsozialistischem Einfluss stehend. Laut dem Verfassungsschutz verbreitet Zukunft Heimat rassistische, antisemitische sowie islam- und fremdenfeindliche Thesen.[31]

Reaktionen

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Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz erwägt, Mitglieder rechtskonservativer Vereine von Leitungsfunktionen in kirchlichen Gemeinden auszuschließen. Hierzu wird auch Zukunft Heimat gezählt.[32] Kirchengemeinden thematisieren den Verein in Friedensgebeten.[33]

Demonstranten von Fridays for Future distanzieren sich klar von Zukunft Heimat.[34]

In Cottbus gründeten sich Gegeninitiativen, die die von Zukunft Heimat geführten Demonstrationen durch Gegendemos begleiten.[20]

Überregionale Medien berichten seit 2018 regelmäßig über die Demonstrationen in Cottbus.[35][36]

Die organisierten Demonstrationen des Vereins stehen auch deswegen in der Kritik, weil sich dort Übergriffe auf Journalisten ereignet haben.[37]

Das Moses-Mendelssohn-Zentrum in Potsdam hat in einer Studie insgesamt 69 Reden der Zukunft-Heimat-Demonstrationen inhaltlich und sprachlich ausgewertet. Die Forschergruppe beschreibt ein Muster aus rassistischen und antidemokratischen Sprachelementen.[38][39]

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Verfassungsschutz: „Zukunft Heimat“ ist rechtsextremistisch. In: Süddeutsche Zeitung. 15. Juni 2020, abgerufen am 15. Juni 2020.
  2. Zukunft Heimat e.V., Eintrag im Vereinsregister des Amtsgerichts Cottbus, Nr. VR 5940.
  3. a b c https://www.lr-online.de/nachrichten/zwischen-buergerzorn-und-rechtsextremismus_aid-2587695
  4. „Zukunft Heimat“ geht wieder auf die Straße. In: Märkische Allgemeine. 10. April 2018, abgerufen am 18. Juni 2020.
  5. Kelch zur Lage in Cottbus: Der Hass ist erschreckend. In: Märkische Oderzeitung. 21. April 2018, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar);.
  6. Ist „Zukunft Heimat“ rechtsextrem? In: Sächsische Zeitung. 13. März 2018, abgerufen am 18. Juni 2020.
  7. Markus Wehner: Flüchtlingsdebatte in Cottbus: Die Musterstadt will Grenzen ziehen. In: Frankfurter Allgemeine. 27. Januar 2018, abgerufen am 17. März 2019.
  8. a b c Aktionsbündnis Brandenburg – Zukunft Heimat. In: Aktionsbündnis Brandenburg. Abgerufen am 17. März 2019.
  9. Radikale Rechte will wieder aufmarschieren. In: Neues Deutschland. 14. September 2018, abgerufen am 18. Juni 2020.
  10. Wieder Anti-Flüchtlings-Demo nach Gewalt in Cottbus. In: Leipziger Volkszeitung. 25. Februar 2018, abgerufen am 18. Juni 2020.
  11. Pegida und AfD mobilisieren für weitere Demo. In: Hannoversche Allgemeine. 12. September 2018, abgerufen am 17. März 2019.
  12. Mohamed Amjahid, Anne Hähnig: Cottbus: Keine No-go-Areas. In: Die Zeit. 2. Februar 2018, abgerufen am 17. März 2019.
  13. a b Vanja Budde: Landtagswahl in Brandenburg – AfD will in Brandenburg stärkste Kraft werden. In: Deutschlandfunk Kultur. 28. März 2019, abgerufen am 30. März 2019.
  14. Andreas Speit: AfD und Pegida in Köthen: Rechter Aufmarsch geplant. In: Die Tageszeitung. 12. September 2018, abgerufen am 17. März 2019.
  15. Zwischen CDU und AfD: Wie der rechtskonservative Graubereich an Einfluss gewinnt. In: Focus Online. 25. März 2019, abgerufen am 27. März 2019.
  16. Daniel Hornuff: Von der Zukunft erzählen. In: Deutschlandfunk. 17. März 2019, abgerufen am 18. Juni 2020.
  17. Zwischen CDU und AfD: Wie der rechtskonservative Graubereich an Einfluss gewinnt. In: Focus Online. 25. März 2019, abgerufen am 30. März 2019.
  18. René Garzke: Verfassungsschutz äußert sich zu „Zukunft Heimat“ – Bürgerverein mit Kontakt zu Rechtsextremen. In: Potsdamer Neueste Nachrichten. 13. August 2018, abgerufen am 18. Juni 2020.
  19. Andrea Hilscher: Kopf des Golßener Vereins „Zukunft Heimat“ verfolgt Politik der Extreme: Christoph Berndt und sein rechtes Netzwerk. In: LR Online. 1. Dezember 2018, abgerufen am 17. März 2019.
  20. a b Wie „Zukunft Heimat“ nach Cottbus fand. In: Märkische Allgemeine. 27. Februar 2018, abgerufen am 17. März 2019.
  21. Jens Blankennagel: AfD-Kandidaten für Landtagswahl Partei bekennt sich zu Demonstranten von Rechtsaußen.@1@2Vorlage:Toter Link/archiv.berliner-zeitung.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Juni 2024. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. www.berliner-zeitung.de, 7. Januar 2019.
  22. „Zukunft Heimat feiert AfD unter lautem Protest. In: LR Online. 27. September 2017, abgerufen am 18. Juni 2020.
  23. Ole Kröning, Jürgen Damsch: Rechte Demonstranten greifen zwei Journalisten an. In: B.Z. 20. Januar 2018, abgerufen am 17. März 2019.
  24. Maria Ugoljew: Experimentierfeld für Rechte? In: Jüdische Allgemeine. 28. Mai 2018, abgerufen am 17. März 2019.
  25. Andrea Hilscher: Demonstration: Zukunft Heimat macht Wahlkampf für die AfD. In: LR Online. 17. März 2019, abgerufen am 17. März 2019.
  26. Anja Haufe: Hans-Christoph Berndt zu neuem AfD-Fraktionschef gewählt. In: rbb. 27. Oktober 2020, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Oktober 2020; abgerufen am 27. Oktober 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.rbb24.de
  27. Nina Böckmann: Ein Hooligan mit vielen Freunden. In: Neues Deutschland. 20. März 2019, abgerufen am 18. Juni 2020.
  28. Andrea Hilscher, Simone Wendler: Fußball und Rechtsextremismus in Cottbus: Hinter dem Einheitsbanner. In: LR Online. 25. Februar 2019, abgerufen am 27. März 2019.
  29. Verfassungsschutz äußert sich zu „Zukunft Heimat“ – Bürgerverein mit Kontakt zu Rechtsextremen. In: Potsdamer Neueste Nachrichten. 13. August 2018, abgerufen am 18. Juni 2020.
  30. Wegen Nähe zu „Zukunft Heimat“: Brandenburger Verfassungsschutz nimmt AfD ins Visier. In: Berliner Zeitung. 18. März 2019, abgerufen am 18. März 2019.
  31. Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg 2022, S. 52
  32. Kirche: Im Gemeinderat kein «menschenfeindliches Verhalten». In: Welt, Berlin & Brandenburg. 13. März 2019, abgerufen am 18. Juni 2020.
  33. Stefan Lötsch: Kirchengemeinde Wiesenau, Friedensgebet aus Sorge um Hass und Gewalt. In: Märkische Oderzeitung. 1. April 2019, abgerufen am 2. April 2019.
  34. René Wappler: Schüler-Demo für Klimaschutz. In: LR Online. 15. März 2019, abgerufen am 18. Juni 2020.
  35. Antonie Rietzschel: „Wir wollen die nicht. Schreiben Sie das“. In: Süddeutsche Zeitung. 3. Februar 2018, abgerufen am 17. März 2019.
  36. Jonas Hermann: Die deutsche Stadt, die nicht mehr will. In: Neue Zürcher Zeitung. 2. Februar 1918, abgerufen am 17. März 2019.
  37. Benjamin Lassiwe: Politisch motivierte Gewalt: Rechte Gewalt steigt im Land. In: Schweriner Volkszeitung. 19. März 2019, abgerufen am 19. März 2019.
  38. Die Sprache der „Asylkritik“. Eine Analyse der Reden bei Zukunft-Heimat-Kundgebungen in Cottbus. Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien, Juni 2018, abgerufen am 17. Juni 2019 (Zusammenfassung).
  39. Die Sprache der „Asylkritik“. Eine Analyse der Reden bei Zukunft-Heimat-Kundgebungen in Cottbus (PDF; 1,3 MB). Mitteilungen der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle, Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien, Potsdam, Juni 2018.