Zum Studium der Taktik

militärtheoretische Schrift von Franz Conrad von Hötzendorf

Zum Studium der Taktik ist eine zweibändige militärtheoretische Schrift. Verfasst wurde sie von Franz Conrad von Hötzendorf, dem Chef des Generalstabes für die gesamte bewaffnete Macht von Österreich-Ungarn. Der erste Band Einleitung und Infanterie erschien 1898, der zweite Band Artillerie, Cavallerie, vom Gefecht 1899. Das Werk beruht auf einer Auswertung der Werke von Carl von Clausewitz, Helmuth von Moltke sowie den gemachten Erfahrungen aus dem Deutsch-Französischen Krieg und empfiehlt eine offensive Angriffstaktik. Conrad erlangte durch sie ein hohes Renommee und begründete seinen Ruf als innovativer Taktiker.[1] Die Schrift galt als Bibel der Streitkräfte von Österreich-Ungarn und wurde auch im Ausland äußerst positiv aufgenommen.[2] Die Anwendung der offensiven Taktik führte in den ersten Kriegsjahren des Ersten Weltkrieges zu hohen Verlusten, da die Entwicklung in der Waffentechnik eine völlig andere Ausgangslage geschaffen hatte.[3]

Franz Conrad von Hötzendorf

Hintergrund und Inhalt

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Im Jahr 1888 wurde Conrad Lehrer für Taktik an der k.u.k. Kriegsschule. In dieser Zeit prägte er eine ganze Generation von Offizieren, die ihm auch über Jahre ergeben waren. Conrads Werk enthielt praktische Übungen, appellierte an den Offensivgeist der Truppe und vermied schematische Übungen. Der Verzicht auf unnötigen Drill und eine praxisnahe Ausbildung waren Gesichtspunkte, die vorher wenig in der militärischen Ausbildung vorgekommen waren.[4] Ähnlich wie bei der preußischen Auftragstaktik sollten die jeweiligen Kräfte vor Ort Entscheidungen treffen können, die Befehlstaktik lehnte Conrad ab.[5] Kennzeichnend für Conrads Auffassung wurde der „Aktivismus“, worunter er angriffsfreudige Entschlusskraft, zielbewussten Tatendrang und unbeugsamen Willen verstand.[6] So warnte er etwa vor dem Einsatz des Feldspatens, da die übermäßige Verwendung des Spatens zu einer Tendenz zum Eingraben führen würde, die den Offensivgeist einer Armee schwächen würden.[7] Diese Analysen deckten sich mit Erkenntnissen von Charles Ardant du Picq, der festgestellt hatte, dass im Deutsch-Französischen Krieg von 1870–1871 die unbändig angreifende Armee deutlich geringere Verluste hatte als die sich zurückziehenden Truppen. So habe die französische Armee immer dann die größten Verluste gehabt, wenn sie sich zurückziehen musste, da ein Rückzug häufig zu Chaos und völliger Schutzlosigkeit geführt hatte.

Obwohl der Russisch-Japanische Krieg im Jahre 1904 gezeigt hatte, dass durch die Entwicklung der Artillerie und dem Einsatz von Maschinengewehren, eine bedingungslose Offensive zu hohen Opfern führt, wurde keine Anpassung vorgenommen. Als Kritiker tat sich Maximilian Csicserics von Bacsány hervor, konnte sich aber nicht durchsetzen. Theodor von Zeynek berichtete, dass ab 1906 mit Conrads Ernennung zum Chef des Generalstabs die Doktrin der offensiven Vorausverteidigung vorherrschend wurde. Sie resultierte aus der Annahme, dass man zahlenmäßig in einem Krieg mit Russland und weiteren Gegnern unterlegen sei. Daher sei eine reine Verteidigungsstrategie sinnlos. Hierzu berief man sich auf eine Kriegsmaxime von Napoleon (Vitesse et activité).[8] Conrad war keineswegs eine Ausnahme im internationalen Kontext, so gab es diverse Anhänger sehr ähnlicher Offensivtaktiken, wie etwa Ferdinand Foch, Douglas Haig, 1. Earl Haig oder auch Luigi Cadorna.[9][10][11]

Weiteres

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Conrad beschuldigte William Balck in seinem Werk 1897 erschienen Werk Taktik Teile seines Buches ohne Angabe kopiert zu haben.[12]

Siehe auch

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  • Zum Studium der Taktik, 2 Bde., Wien 1891
    • Band 1: I. Theil: Einleitung und Infanterie, Wien 1891 (hvd.32044080697618)
    • Band 2: II. Theil: Artillerie – Cavallerie – vom Gefecht – Sicherungs- und Aufklärungsdienst, Wien 1891 (hvd.32044089253306)

Einzelnachweise

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  1. Herbert V. Patera Unter Österreichs Fahnen. Ein Buch vom österreichischen Soldaten (1960), S. 117–120
  2. Helmut Kuczmics, Sabine Haring Emotion, Habitus und Erster Weltkrieg: Soziologische Studien zum militärischen Untergang der Habsburger Monarchie, ISBN 978-3-8471-0118-5, S. 175
  3. Dieter A. Binder in: Bananen, Cola, Zeitgeschichte. Oliver Rathkolb und das lange 20. Jahrhundert, Wien 2015, ISBN 978-3-205-20091-8, S. 103
  4. Jan G. Beaver Collision Course: Franz Conrad von Hötzendorf, Serbia, and the Politics of Preventive War, 2009, ISBN 0-557-09600-6, S. 50
  5. Lawrence Sondhaus Architect of the Apocalypse, 2000, S. 51 f.
  6. Rudolf Kiszling: Franz Graf Conrad von Hötzendorf. In: Walter Pollak (Hrsg.): Tausend Jahre Österreich. Eine Biographische Chronik. Band 3: Der Parlamentarismus und die beiden Republiken. Verlag Jugend u. Volk, Wien 1974, ISBN 3-7141-6523-1, S. 39–46, hier S. 40.
  7. [Hötzendorf Franz Conrad. Zum Studium der Taktik. 1. Aufl. Wien 1891. S. 114–116]
  8. Peter Broucek (Eingel. und hrsg.): Theodor Ritter von Zeynek: Ein Offizier im Generalstabskorps erinnert sich (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs. Bd. 101). Böhlau, Wien u. a. 2009, ISBN 978-3-205-78149-3. S. 161 f.
  9. Stefan Schmidt: Frankreichs Außenpolitik in der Julikrise 1914. Ein Beitrag zur Geschichte des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges (= Pariser Historische Studien. Band 90). Oldenbourg, München 2009, ISBN 978-3-486-59016-6, S. 105.
  10. David Stevenson: 1914–1918. Der Erste Weltkrieg, Albatros-Verlag, Mannheim 2010, S. 71.
  11. Timothy C. Dowling The Brusilov Offensive, 2008, ISBN 978-0-253-00352-2, S. 50
  12. Östreichische militärische Zeitschrift 1897