Ein Zwiebelturm ist ein Turm mit einer Zwiebelhaube oder einem Zwiebelhelm, z. B. ein Kirchturm, dessen Spitze in Form einer Zwiebel gearbeitet ist. Der untere Teil der Spitze ist bauchig und läuft nach oben spitz zusammen, vergleichbar mit den Kirchtürmen der Moskauer Basilius-Kathedrale. Neben runden Bauformen werden auch Türme mit eckigen Turmhauben als Zwiebelturm bezeichnet.

Münchner Frauenkirche (Welsche Hauben von 1525)
Im Zuge des Historismus wurden auch profane Gebäude mit Zwiebeltürmen ausgestattet: Bahnhof Hasselbrook in Hamburg von 1907

Zwiebelformen ohne Turmuntergrund kommen auch in der indo-islamischen Architektur vor, zum Beispiel am Taj Mahal in Agra (17. Jh.) oder beim Mahabat Maqbara Palace in Junagadh (19. Jh.). Ausgangspunkt derartiger Konstruktionen könnte das Gur-Emir-Mausoleum in Samarqand, Usbekistan (um 1405) gewesen sein.

Geschichte

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Mariä-Entschlafens-Kathedrale (1475–1479)

Die ältesten gebauchten Zwiebelhauben im christlich-orthodoxen Kulturraum finden sich wahrscheinlich in der Mariä-Entschlafens-Kathedrale (1475–1479) in Moskau.

Im Jahr 1486 erhielt die Haubenarchitektur in Deutschland wesentliche Anregungen durch den auf Deutsch veröffentlichten und illustrierten Reisebericht einer Pilgerreise ins Heilige Land von Bernhard von Breidenbach.

Die relativ flache Zwiebelhaube der Münchner Frauenkirche wurde um 1525 nach einem Entwurf von Jörg von Halspach gestaltet, der von der byzantinisch beeinflussten Kirche Madonna dell’Orto in Venedig inspiriert gewesen sein soll. Die späteren bayerischen Hauben waren steiler aufstrebend, stärker eingeschnürt und damit zwiebelförmiger. Es gibt verschiedene Theorien zur Entstehung dieser Form der Zwiebeltürme. Ein Vorbild könnte der osmanische Turban gewesen sein, der nach der Türkeninvasion 1529 in Europa bekannt wurde. Aber auch italienische Einflüsse, die auf die byzantinische Architektur zurückgingen, könnten sich darin niedergeschlagen haben.

Der erste derartige Zwiebelturm im süddeutschen Raum wurde von Hans Holl (1512–1594) im Jahr 1576 an der Kirche von Kloster Sankt Maria Stern in Augsburg errichtet.[1] Sein Sohn Elias Holl plante nachträglich die beiden Zwiebeltürme für das Augsburger Rathaus.

Nach den Schäden durch den Dreißigjährigen Krieg wurden zahlreiche Kirchen in Süddeutschland mit Zwiebeltürmen neu errichtet. Der Zwiebelturm wurde zum typischen Formelement des süddeutschen Barock.

 
Basilius-Kathedrale in Moskau (1552–1561)

1561 wurde die Basilius-Kathedrale vollendet, die eher den bayerischen Hauben als den Kuppeln in Konstantinopel ähnelt. Die steile Zwiebelform hat den Vorzug, dass sich Schnee leichter vom Dach löst.[2]

Konstruktion

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Dachkonstruktion einer Zwiebelhaube

Die Dachkonstruktion von Zwiebelhauben erfordert wegen der gekrümmten Form und der Enge besonderes Geschick der Zimmerleute. In der Regel wurde die gekrümmte Umrisslinie mit Bohlensparren oder mit auf die Sparren aufgesattelten, gerundet zugeschnittenen Bohlen hergestellt.

Die traditionelle Eindeckung einer Zwiebelhaube erfolgt aus mehreren Lagen von gehämmertem Kupferblech.

Verbreitung

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St. Ulrich in Laim

Zwiebeltürme sind in den deutschsprachigen Ländern hauptsächlich in Süddeutschland, in der Schweiz, in Österreich und in Südtirol verbreitet, in denen der Katholizismus vorherrscht. Sie sind typische Merkmale barocker Kirchen. Weltweit bekannt sind Zwiebeltürme bei orthodoxen Kirchengebäuden in Ländern der ehemaligen UdSSR und Bulgarien.

Zwiebelhauben auf russischen Kirchen in Kurorten

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In internationalen Kur- und Badeorten, wo früher russische Adelige in Kur oder in die „Sommerfrische“ gingen, wurden im 19. Jahrhundert orthodoxe Kirchen mit Zwiebeltürmen errichtet, zum Beispiel:

Zwiebelhauben im Bergischen Land

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Pfarrkirche Mariä Hilf vom Stern mit Zwiebelkuppel und Zwiebelturm, Železná Ruda

Eine ganz eigene Konzeption und Verbreitung weist der Zwiebelturm im Bergischen Land auf, wo er sich unabhängig von den süddeutschen Zwiebeltürmen zu einem Hauptmerkmal der Evangelischen Kirchenbauten im Stile des Bergischen Barocks entwickelte. Hervorzuhebendes Merkmal der Bergischen Zwiebeltürme sind die stets vorhandenen Laternen, welche als ein besonderes Unterscheidungsmerkmal vom süddeutschen Stil angesehen werden können. Nennenswerte Zwiebeltürme im Stil des Bergischen Barocks besitzen unter anderem folgende Kirchen:

 
Turm der Johanniskirche (Zwiwwelkerch) in Frankfurt-Bornheim
 
Zwiebelhelm der Katharinenkirche in Stanz im Mürztal, Österreich
 
St. Johann Baptist und Heilig Kreuz, Westerndorf

Der Zwiebelturm wurde zu einem „Markenzeichen“ für Bauten des Wiener Künstlers Friedensreich Hundertwasser:

Siehe auch

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Zwiebelturm in den Medien

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„Der Zwiebelturm“ ist auch der Titel einer 1983 erstmals ausgestrahlten Fernsehdokumentation (ORF, 3sat) von Christian Wallner über Kirche und Staat im Dritten Reich.

Einzelnachweise

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  1. Gedenkdaten der Fuggerstadt Augsburg. Abgerufen am 30. März 2024.
  2. Christiana Schilig: Wie entstanden die bayerischen Zwiebeltürme? Monumente, 5 (2015), S. 21.
  3. Russische Kirche Bad Ems (Memento vom 24. Dezember 2010 im Internet Archive)
  4. Architektur: Baustart für Magdeburger Hundertwasserhaus. In: FAZ.NET. 15. Dezember 2003, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 30. März 2024]).
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Wiktionary: Zwiebelturm – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Zwiebeltürme – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien