ČD-Baureihe 380

Lokomotiven Baureihe
(Weitergeleitet von Škoda 109 E)

Die ČD-Baureihe 380 ist eine elektrische Mehrsystemlokomotive des tschechischen Eisenbahnverkehrsunternehmens České dráhy (ČD), die vom tschechischen Hersteller Škoda Transportation gebaut wurden. Als ZSSK-Baureihe 381 und DB-Baureihe 102 wurden einzelne Fahrzeuge für andere Unternehmen gebaut. Die verschiedenen Baureihen werden von Škoda zusammen als Typ 109E bezeichnet.

ČD-Baureihe 380
Škoda-Typ 109 E1
Nummerierung: 380.001–020
Anzahl: 20
Hersteller: Škoda Transportation
Baujahr(e): 2008–2011
Achsformel: Bo’Bo’
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Länge über Puffer: 18.000 mm
Höhe: 03.905 mm
Breite: 03.080 mm
Drehzapfenabstand: 08.700 mm
Drehgestellachsstand: 02.500 mm
Gesamtradstand: 11.200 mm
Kleinster bef. Halbmesser: 120 m
Dienstmasse: 88,2 t
Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
Stundenleistung: ca. 7.200 kW[1]
(alle Stromsysteme)
Dauer unbekannt
Dauerleistung: 6.400 kW
(alle Stromsysteme)
Anfahrzugkraft: 274 kN
Treibraddurchmesser: 1.250 mm
Motorentyp: ML 4550 K/6
Stromsystem: 25 kV 50 Hz~
15 kV 16,7 Hz~
3 kV=
Stromübertragung: Oberleitung
Anzahl der Fahrmotoren: 4
Antrieb: Hohlwellenantrieb mit Drehstromasynchronmotoren
Bremse: elektrische Widerstandsbremse,
Dauerleistung 4.700 kW
elektrische Netzbremse,
Dauerleistung 6.963 kW
Zugbeeinflussung: PZB / LZB
Mirel VZ1
SHP

Geschichte

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Lokomotive 380.011 mit Sonderlackierung „Vlakem na EURO“

Bereits in den 1980er Jahren war dem Lokomotivhersteller Škoda bewusst, dass die produzierten Lokomotiven zunehmend veralten und technische Innovation nur durch Asynchronmotoren mit Drehstromantrieb möglich sein wird. Ab 1985 fing daher die Entwicklung einer solchen Lokomotive an. Sie erhielt durch den Hersteller die Typbezeichnung 85E. 1987 wurde das erste Versuchsmuster mit der Bezeichnung ČSD 169.001 vorgestellt. Sie sollte den Beginn einer neuen Lokomotivgeneration bei Škoda darstellen. Aufbauend auf der 85E sollten weitere Versuchsmuster für höhere Geschwindigkeiten entstehen, auch waren Mehrsystemlokomotiven geplant. Mit der neuen Technologie sollten auch in den 1980er Jahren weiterhin erwartete Exportaufträge in die Sowjetunion ausgestattet werden. Die weitere Entwicklung des Asynchrons wurde aufgrund knapper finanzieller Mittel und fehlender Nachfrage seitens der Staatsbahn eingestellt, letztere hat selbst bestellte Lokomotiven später nicht mehr übernommen (siehe auch SD-Baureihe 184.5 und ČSD-Baureihe E 499.3). Der Lokpark der tschechischen Staatsbahn ČD war zu diesem Zeitpunkt relativ neuwertig. Ab 1994 beteiligte sich Škoda bei der ČD-Baureihe 471, ein Triebzug, am Asynchronantrieb.

In den späten 1990er Jahren suchte die ČD für den grenzüberschreitenden Schnell- und zweistrombetriebenen Inlandsverkehr einen Nachfolger für die Zweisystemlokomotiven der ČD-Baureihen 371/372, die sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr eingesetzt werden kann.

Im Jahr 2003 wurden 20 Lokomotiven bei Škoda Transportation in Pilsen in Auftrag gegeben.[2] Da die Baureihen 371/372 nur für den grenzüberschreitenden Verkehr nach Deutschland konzipiert sind und damit nur unter dem im Norden Tschechiens vorhandenen 3000-Volt-Gleichspannungsnetz fahren können, sollte die neue Lokomotive zusätzlich das im Süden vorhandene Bahnstromsystem mit 25-Kilovolt-50-Hertz-Wechselspannung beherrschen und damit auch nach Österreich fahren können. Die neue Mehrsystemlokomotive sollte außerdem den nun für höhere Geschwindigkeiten ausgebauten Strecken Rechnung tragen und mindestens 200 km/h fahren können, um u. a. die Relation des EC Vindobona Hamburg–Berlin–Prag–Wien ohne Lokwechsel bedienen zu können. Zulassungen für Tschechien, Ungarn, die Slowakei, Österreich, Deutschland und Polen waren geplant.[2] Mit Stand Februar 2014 liegen Zulassungen für Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Österreich und Polen vor.[3] Bereits im April 2013 erhielt die Lokomotive eine Zertifizierung nach TSI Highspeed.[4] Die 85E diente Škoda in gewisser Hinsicht als Vorlage und war für die Erprobung verschiedener Komponenten der neuen Lokomotive des Typs 109E geplant – hier zu kam es nicht.

Škoda stellte am 24. Juli 2008 die erste Lokomotive, die spätere 380.002, bei einem Pressetermin im Werk vor. Die offizielle Präsentation der Lokomotive fand auf der InnoTrans im September 2008 in Berlin statt.

Im Zuge der Entwicklung gab es Verzögerungen, da zeitweise der Kauf oder Lizenzbau von Bombardier-Transportation-Mehrsystemlokomotiven in Erwägung gezogen wurde.[5] Dazu kam die Einführung der Crash-Norm EN 15227, die das Verhalten von Eisenbahnfahrzeugen bei Kollisionen festlegt, sodass eine Überarbeitung der Konstruktion des Lokomotivkastens nötig wurde. Nach verschiedenen Entwürfen durch Porsche Design wurde das endgültige Design erstmals auf der InnoTrans 2008 gezeigt. Die Testfahrten auf dem Versuchsring Velim sowie die weitere Erprobung dauerten etwa vier Jahre. Für den Dezember 2009 war der erste reguläre Einsatz vor den EC-Zügen der Relation Berlin–Prag–Wien vorgesehen.[6] Die ersten Einsätze auf der Relation Prag–Brünn–Wien erfolgten mit dem Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2013.[7]

Im Juni 2010 begannen im Güterverkehr mit der 380.007 die ersten regulären Einsätze. Der Einsatz der Baureihe im Personenverkehr im Inland war für September 2010 vorgesehen und wurde im Dezember umgesetzt.[8][9]

In den Jahren 2010 und 2011 lieferte Škoda die 20 bestellten Serienlokomotiven an die ČD aus. Seitdem kommen sie vorrangig vor den schnellfahrenden Zügen zwischen Prag, Brünn und Bratislava zum Einsatz.

 
Lokomotive 380.011 mit Sonderlackierung „Vlakem na EURO“ vor einem Sonderzug zur Fußball-Europameisterschaft (2012)

Die ursprüngliche Zusammenarbeit mit Bombardier führte zu Rechtsstreitigkeiten, welche dazu führten, dass die für Zulassungsfahrten in Österreich weilende Lokomotive 380.004 von den lokalen Behörden am 18. Mai 2011 (nach anderen Quellen 22. Mai 2011[2]) beschlagnahmt wurde, im November desselben Jahres aber wieder freigegeben wurde.[2][5][10]

Am 27. Juni 2013 wurde die Lok 380.007 auf den Namen des tschechischen Langstreckenläufers Emil Zátopek getauft, der in den Jahren 1948 und 1952 olympische Goldmedaillen errang und den Spitznamen „Tschechische Lokomotive“ trug.[11] Seit dem vermarktet Škoda die Lokomotiven vom Typ 109E unter dem Namen Emil Zátopek[12]

Vom 5. Oktober bis 20. Oktober 2014 war 380.002 zu Personalschulungsfahrten in Ungarn. Von Budapest Déli pályaudvar bespannte die Lokomotive die Züge nach Székesfehérvár und Siófok. Ziel dieser Fahrten war die durchgehende Bespannung der Expresszüge von Prag nach Budapest als Ersatz für die bisher hier eingesetzten Reihe 350 vom Fahrplanwechsel im Dezember 2014 an.[13]

Ab 13. Dezember 2015 sollten Lokomotiven dieser Baureihe die Eurocity-Züge zwischen Prag, Berlin und Hamburg durchgehend bespannen.[14] Das notwendige Zulassungsverfahren des Eisenbahn-Bundesamt für einen Betrieb bis 200 km/h in Deutschland wurde im Mai 2015 erfolgreich zum Abschluss gebracht.[15] Das für die deutschen Schienenwege zuständige Eisenbahninfrastrukturunternehmen DB Netz verweigerte allerdings zunächst eine uneingeschränkte Zulassung. Als Grund dafür wurden vom Laufwerk verursachte unzulässige Schwingungen beim Befahren von Brücken genannt.[16]

Für die durchgehende Traktion der Eurocityzüge von Prag nach Hamburg setzt die ČD seit Dezember 2017 Dreisystemlokomotiven des Typs Siemens Vectron ein. Ein entsprechender Vertrag zum Leasing von zehn Lokomotiven wurde nach einer Ausschreibung im Mai 2017 geschlossen.[17]

Eine uneingeschränkte Zulassung für den Einsatz der Baureihe 380 in Deutschland erteilte DB Netz im November 2017.[18]

Im Oktober 2020 gaben die ČD bekannt, dass man die Lokomotiven bis 2025 verkaufen oder an Dritte langfristig vermieten wolle. Entsprechende Angebote wurden verschiedenen Eisenbahnverkehrsunternehmen in Tschechien unterbreitet, darunter auch ČD Cargo[19], welche kein Interesse an dieser Baureihe hatten und bevorzugt Lokomotiven von Siemens und Bombardier bestellten oder von der ČD ältere Lokomotiven aus dem Personenverkehr übernehmen. Als problematisch stellt sich auch die fehlende Ausstattung der Lokomotiven der Baureihe 380 mit ETCS dar. Bei den Ausschreibungen für die Nachrüstung von ETCS meldeten sich entweder keine Anbieter oder nur solche mit überhöhten Preisen. Dahingegen ist die Nachrüstung älterer ČD-Lokomotiven mit ETCS aufgrund der größeren Stückzahlen kostengünstiger.

Am 27. Juni 2024 stieß die an der Spitze des Eurocity 279 Metropolitan laufende 380 004 auf einem Bahnübergang im slowakischen Nové Zámky mit einem Linienbus zusammen. Der vordere Führerstand brannte aus. Die ČD musterten die Lokomotive daraufhin aus. Die wiederverwendbaren Baugruppen werden als Tauschteil für die anderen 19 Lokomotiven genutzt.[20][21]

Bauartgleiche Lokomotiven

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Železničná spoločnosť Slovensko

Das slowakische Eisenbahnverkehrsunternehmen Železničná spoločnosť Slovensko (ZSSK) bestellte 2009 zwei Exemplare mit 160 km/h Höchstgeschwindigkeit und GSM-R/ETCS Level 1. Die Lokomotiven wurden im Jahr 2012 ausgeliefert.[2] Eine Nachbestellung von Serienlokomotiven unterblieb.

DB Regio Oberbayern

DB Regio Oberbayern bestellte im Juni 2013 sechs Lokomotiven als Einsystemversion für das Wechselspannungssystem mit 15 Kilovolt 16,7 Hertz. Sie kommen zusammen mit neuentwickelten Doppelstockwendezügen als München-Nürnberg-Express zum Einsatz.[22][23][24] Die Abnahme der Lokomotiven und Wagen vom Kunden DB Regio war allerdings „wegen anhaltender technischer Probleme“ langwierig.[25]

Technische Merkmale

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Die Lokomotiven verfügen über zwei wassergekühlte IGBT-Stromrichter mit je vier Vierquadrantenstellern, einem Bremssteller und vier Antriebswechselrichtern für die Einzelachssteuerung der Fahrmotoren, welche in Doppelsternschaltung ausgeführt sind – diese Schaltung wurde sonst nur von Bombardier Transportation für Lokomotiven verwendet. Die Lokomotiven sind für drei Stromsysteme 25-Kilovolt-50-Hertz-Wechselspannung, 15-Kilovolt-16,75-Hertz-Wechselspannung und 3000-Volt-Gleichspannung ausgelegt und für die Ausrüstung mit ETCS vorbereitet,[2] so dass sie in mehreren Ländern Mitteleuropas einsatzfähig sind.

Nach einer Ankündigung im April 2016 sollen die Lokomotiven mit ETCS ausgerüstet werden.[26][27]

Siehe auch

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Commons: ČD-Baureihe 380 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Skoda Transportation (2013): Emil Zátopek is Back on the Tracks (englisch)
  2. a b c d e f Skoda 109E series. railcolor.net, abgerufen am 18. Juni 2013 (englisch).
  3. Railcolor.net (2014): Poland grants Škoda’s 109E electrics full authorisation (englisch)
  4. TSI High Speed RST Zertifikat macht Lokomotive 109E startklar. ŠKODA TRANSPORTATION a.s., 18. April 2013, abgerufen am 30. Juli 2020.
  5. a b Škodováckou lokomotivu na přání konkurence zabavili Rakušani. In: novinky.cz. Abgerufen am 18. Juni 2013 (tschechisch).
  6. Josef Petrák: 109E představena: nová generace lokomotiv Škoda přichází. Želpage, 24. Juli 2008, abgerufen am 18. Juni 2013 (tschechisch).
  7. Railcolor.net (2014): CD 380 series in service in Austria (englisch)
  8. Přelomová lokomotiva Škoda 109E poprvé táhla vlak s cestujícími. In: lidovky.cz. 16. Dezember 2010, abgerufen am 18. Juni 2013 (tschechisch).
  9. Skoda Lokomotiva 109E. Archiviert vom Original am 10. August 2011; abgerufen am 18. Juni 2013 (tschechisch).
  10. Österreich: Bombardier lässt Skoda-Lok beschlagnahmen. 25. Mai 2011, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 30. Juli 2020.@1@2Vorlage:Toter Link/www.eurailpress.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  11. Neue SKODA-Lok 109E nach Tschechiens Olympialegende. ŠKODA TRANSPORTATION a.s., 27. Juni 2013, abgerufen am 30. Juli 2020.
  12. Homologation. ŠKODA TRANSPORTATION a.s., abgerufen am 30. Juli 2020.
  13. Eisenbahn-Kurier 12/2014, Auslandseinsätze, Ungarn, Seite 32
  14. Die blauen Züge der ČD werden Prag und Hamburg auch weiterhin verbinden. České dráhy, 26. Mai 2014, abgerufen am 14. Februar 2015.
  15. "Zátopek" kann in Deutschland fahren – Skoda erhält die Zulassung. In: idnes.cz. 22. Mai 2015, abgerufen am 22. Mai 2015.
  16. Gernot Zielonka: Neue DB-Lok von Porsche Design. Der Mobilitätsmanager, 14. Juli 2016, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. September 2016; abgerufen am 11. April 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/dmm.travel
  17. Invaze nových lokomotiv. ČD si půjčí deset lokomotiv Siemens
  18. „Zátopek konečně může do Německa.“ auf www.lidovky.cz
  19. „České dráhy řeší, že by se zbavily nejnovějších lokomotiv od Škody“ auf zdopravy.cz
  20. Jan Sůra: Poničená lokomotiva z nehody na Slovensku je zpět. ČD řeší, co s ní dál. In: Zdopravy.cz. 18. Juli 2024, abgerufen am 4. August 2024 (tschechisch).
  21. „Obrazem: České dráhy rozhodly o osudu vyhořelé lokomotivy řady 380“ auf zdopravy.cz
  22. DB Regio orders Škoda trainsets for fast regional services. In: railwaygazette.com. 18. Juni 2013, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 6. September 2019; abgerufen am 18. Juni 2013 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.railwaygazette.com
  23. DB Regio Oberbayern freut sich über den Gewinn der Ausschreibung Ringzug West / NBS. DB Konzern, 17. Juni 2013, abgerufen am 18. Juni 2013.
  24. Ab 2016 fährt in Bayern High Speed Lok von Škoda. Škoda Transportation, 18. Juni 2013, archiviert vom Original am 3. März 2015; abgerufen am 18. Juni 2013.
  25. Arno Stoffels: Rekord-Verspätung: Deutsche Bahn will neue Züge nicht abnehmen. Inbetriebnahme der neuen Fahrzeuge verzögert sich bereits seit 2016. Verlag Nürnberger Presse Druckhaus Nürnberg GmbH & Co. KG, 24. April 2020, abgerufen am 30. Juli 2020.
  26. Die Züge der ČD erhalten das europäische Zugbeeinflussungssystem ETCS. In: ceskedrahy.cz. České dráhy, 14. April 2016, abgerufen am 23. April 2016.
  27. ČD planen grosse Fahrzeug-Investitionen. In: Eisenbahn-Revue International. Nr. 6, 2016, ISSN 1421-2811, S. 285.