Universität Rinteln

ehemalige Universität in Niedersachsen
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Die Alma Mater Ernestina (auch: Academia Ernestina) in Rinteln im Weserbergland war eine 1619 gegründete Universität, die bis 1810 existierte.

Academia Ernestina
Universität Rinteln
Aktivität 1619 bis 1810
Ort Rinteln
Land Grafschaft Schaumburg
(Heiliges Römisches Reich)
Studierende um 120
Graf Ernst (1569–1622), Gründer[1] der Universität, Stich von Lucas Kilian (1623)
Altes Universitätsgebäude (um 1850)
Universitätsgebäude im Aufriss (Erdgeschoss)
Universitätsgebäude im Aufriss (Obergeschoss)

Geschichte

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Vorgänger der Universität in Rinteln war das im Jahre 1610 von Graf Ernst zu Holstein-Schaumburg in Stadthagen gegründete, auf einer seit 1330 bestehenden lateinischen Stadtschule basierende akademische Gymnasium illustre. Das Gymnasium im ehemaligen Franziskanerkloster Stadthagen umfasste bereits vier Fakultäten und einen vollakademischen Unterrichtsbetrieb. Zur Anerkennung als vollwertige Universität fehlte noch das kaiserliche Privileg, das das Promotionsrecht verlieh.

Zur Erlangung des Privilegs musste Ernst dem Kaiser Ferdinand II. 100.000 Gulden als Darlehen zahlen, erhielt dafür aber noch zusätzlich den Fürstentitel. Bei Beantragung des Privilegs war bereits an eine Verlegung nach Rinteln gedacht worden, da diese Stadt aufgrund ihrer Lage an der Weser besser zu erreichen war.

Die neue Alma Mater Ernestina zog in Rinteln in das ehemalige katholische Jakobskloster ein. Teile des Klosters wurden zur „Kommunität“ (Studentenwohnheim), zum „Konviktorium“ (Mensa) der Stipendiaten und zu zwei Hörsälen umgestaltet. Eine Bibliothek, ein Instrumentenzimmer und eine Apotheke wurden eingerichtet. Die ehemalige Klosterkirche St. Jakobi wurde Universitätskirche.

Die Einweihung fand am 17. Juli 1621 statt. An diesem Tag wurden auch die Statuten der Universität auf Schloss Bückeburg ausgefertigt.[2] Dieser progressiven Universitätsverfassung konnten der Ausbau und die Konsolidierung der Universität während des Dreißigjährigen Krieges nicht mehr entsprechen. Schon 1623 wurde die Stadt von Herzog Christian von Braunschweig-Lüneburg überfallen, erobert und geplündert. Die meisten Studenten verließen Rinteln, auch die Professoren, soweit sie die Möglichkeit dazu hatten. Der Rektor Johannes Gisenius (Giessenius) blieb vor Ort und konnte einen Schutzbrief für seine Hochschule erhalten. Trotz Hausarrests und zeitweiliger Inhaftierung gelang es ihm, den Lehrbetrieb weiterzuführen, wenn auch unter größten Einschränkungen und erheblichen Schwierigkeiten.[3]

Gemäß dem Restitutionsedikt vom 6. März 1629 sollte die erst 1560 durchgeführte Säkularisation des Jakobsklosters rückgängig gemacht werden. Benediktinermönche aus Hildesheim und Corvey kamen nach Rinteln und übernahmen die Universität. 1631 bestand während der Regentschaft des katholischen Grafen Jobst Hermann vorübergehend eine katholisch-theologische Fakultät.

Die Grafschaft Schaumburg wurde nach dem Tod des letzten Grafen Otto V. kurz vor Ende des Dreißigjährigen Krieges geteilt: Der nördliche Landesteil kam zur Grafschaft Lippe, der südliche mit der Universität Rinteln fiel an Landgraf Wilhelm VI. von Hessen-Kassel. Bis 1665 war Rinteln Gemeinbesitz von Hessen-Kassel und Lippe. Unter Landgraf Wilhelm VI. wurde die Universität als lutherische Hochschule ausgebaut.

Während die von allen Universitäten im deutschen Sprachraum geführten Register über ihre Studenten (Matrikel) weitgehend erhalten blieben, gibt es doch drei Ausnahmen: Mainz, die 1631/32 und 1944 in Kriegen verloren gingen, Trier, wo nur einige wenige Fragmente überdauert haben,[4] und Rinteln, wo durchaus fragmentarische Aufzeichnungen dieser Art existierten.[5] Danach dürfte die Alma Ernestina in Rinteln wohl nie mehr als 120 Hörer gehabt haben. Zudem ging die Zahl der Studenten nach der Gründung der Universität Göttingen weiter zurück. Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches 1803/1806 kam Rinteln unter die Verwaltung des napoleonisch kontrollierten Königreiches Westphalen unter König Jérôme Bonaparte, wo in Marburg, Göttingen, Helmstedt und Halle weitere Universitäten bestanden. Der Verwaltungsreform des Jahres 1809 unter Minister Johannes von Müller fielen die Universitäten Rinteln und Helmstedt zum Opfer; die Alma Ernestina wurde Ostern 1810[6] geschlossen.

Gutachten in Hexenprozessen

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Die Universitäten Rinteln, Helmstedt, Rostock und Wittenberg waren die führenden akademischen Autoritäten gutachterlicher Begleitung während der Hexenverfolgung. Die Spruchpraxis an den allgemeinen deutschen juristischen Fakultäten war recht unterschiedlich. Die juristischen Fakultäten der Universität Rinteln und Helmstedt galten als Hardliner in Sachen Hexenverfolgung.[7] Die Professoren der Juristenfakultät der Universität Rinteln verstärkten durch ihre Beratung von Stadt- und Amtsgerichten im ganzen Nordwesten die Hexenprozesse. Zwischen 1621 und 1675 sind rund 400 Gutachten überliefert, die durchweg die rücksichtslose Verfolgung von vermeintlichen Hexen und Hexenmeistern anordneten.[8]

Im Jahr 1631 veröffentlichte die Rintelner Universitätsdruckerei die Cautio criminalis als ein anonymes Werk, als dessen Autor schon bald der Paderborner Theologe Friedrich Spee von Langenfeld vermutet wurde. Seine darin vorgetragenen neuen Positionen markierten den Beginn des Kampfes gegen die Hexenprozesse. Das Buch war die Antwort auf das Standardwerk zur Theorie der Hexenlehre seines Rintelner Kollegen Hermann Goehausen Processus juridicus contra sagas et veneficos aus dem Jahre 1630.

Universitätsdruckerei

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Im Jahre 1622 wurde Petrus Lucius (1590–1656) als Universitätsbuchdrucker an die Universität Rinteln bestellt. Zwischen 1627 und 1656 erschienen viele Predigten Rintelner Theologen in seiner Druckerei. 1639 und 1659 druckte er die Werke über Horaz von Andreas Heinrich Bucholtz. Bis zu seinem Tode stellte er seine Universitätsdrucke auch auf der Frankfurter Buchmesse aus, zuletzt ein Programm von 77 Büchern. Sein Sohn Anthonius Lucius (1635–1704) war ein bekannter Gelehrter seiner Zeit und war vom 4. April 1663 bis 1670 außerordentlicher Professor an der juristischen Fakultät in Rinteln.

Bauwerke

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Erhalten gebliebene Bauwerke:

  • Jakobi-Kirche, Kirchengebäude des Jakobsklosters, in dessen Räume die Universität im Jahre 1621 einzog
  • Universitätskommisse, diente als Gasthaus und Studentenwohnheim der „Academia Ernestina“

Bekannte Professoren

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Bekannte Studenten

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Literatur

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  • Franz Karl Theodor Piderit: Geschichte der Hessisch-Schaumburgischen Universität Rinteln. Druck u. Verlag N. G. Elwert, Marburg 1842 (Digitalisat).
  • Edward Schröder: Die Universität Rinteln. Rinteln 1927.
  • Rudolf Feige: Das akademische Gymnasium Stadthagen und die Frühzeit der Universität Rinteln. Bücherstube Fritz Seifert, Hameln 1956.
  • Annerose Buschmüller: Die Universität Rinteln, in: Schaumburger Heimatblätter 1963/64, S. 3–28.
  • Willy Hänsel: Catalogus Professorum Rinteliensium. Die Professoren der Universität Rinteln und des akademischen Gymnasiums zu Stadthagen 1610–1810. (= Schaumburger Studien Nr. 31). Rinteln 1971.
  • Bernhart Jähnig: Gründung und Eröffnung der Universität Rinteln. In: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 45 (1973), S. 351–360.
  • Gerhard Schormann: Aus der Frühzeit der Rintelner Juristenfakultät. Bückeburg 1977, ISBN 3-924700-06-0.
  • August Woringer: Die Studenten der Universität zu Rinteln (Academia Ernestina). (= Mitteilungen der Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte 59). Leipzig 1939. (Nachdruck: Nendeln/ Liechtenstein 1980)
  • Gerhard Schormann: Rintelner Studenten des 17. und 18. Jahrhunderts. (= Schaumburger Studien Nr. 42). Rinteln 1981, ISBN 3-87085-074-5.
  • Gerhard Schormann: Academia Ernestina: Die Schaumburgische Universität zu Rinteln an der Weser 1618/21–1810. Braun-Elwert, Marburg 1982, ISBN 3-7708-0752-9.
  • Roswitha Sommer: Zur Geschichte der Rats- und Universitätsapotheke in Rinteln. in: Schaumburgische Mitteilungen 1/2017, S. 54–95.
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Commons: Universität Rinteln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Textinskription: ERNESTUS, DEI GRATIA, S.R.I. PRINCEPS, COMES HOLSATIAE, SCHAVENBURGI ET STERNBERGAE, ACADEMIAE NOVAE RINTELENSIS FUNDATOR ETC. Aurea Saturno quondam sub rego fuerunt Secula; ceu vatum Musa recenset anus. Cur Virtus, Probitas, Aequum, Rectumque Bonumque. Et IVS et Pietas floruit atque FIDES. HOC DUCE qvando cibos tellus inarata creavit; Et mel at nectar lacque merumque dedit. Pax fuit, haud bellum: nec hiems sed perpetuum ver, Nullus ubique labor, nullus ubique timor.
  2. Herbert Kater: Die Statuten der Universität Rinteln/Weser 1621–1809. Lateinisch-deutsche Synopse mit ergänzenden Dokumenten als Sonderheft Einst und Jetzt 1992, S. 1–241.
  3. Rudolf Feige: Das akademische Gymnasium Stadthagen und die Frühzeit der Universität Rinteln. Hameln 1956, S. 34f.
  4. Michael Trauth: Eine Begegnung von Wissenschaft und Aufklärung. Die Universität Trier im 18. Jahrhundert. Spee Verlag, Trier 2000, S. 15 ff.
  5. Anders als K. Goldmann (Bearb.): Verzeichnis der Hochschulen. Neustadt 1967, S. 311, 355, der „keinerlei erhaltene“ Matrikellisten aus Rinteln beklagt.
  6. Friedrich Arnold Brockhaus (Hrsg.): Literarisches Conversations-Blatt für das Jahr 1823. Band 2, Brockhaus, Leipzig 1823, S. 1021.
  7. Joachim Woock: „… so sie angeregten Lasters verdechtig machet …“ – Die letzten Hexenverfolgungen in den schwedischen Herzogtümern Bremen und Verden. Geschichtswerkstatt Verden. M.w.N unter Berufung auf Gerhard Schormann: Aus der Frühzeit der Rintelner Juristenfakultät. Bückeburg 1977; historicum.net
  8. Hexenverfolgung in Schaumburg. Die Eulenburg. Universitäts- und Stadtmuseum Rinteln; abgerufen am 24. Juni 2017

Koordinaten: 52° 11′ 9″ N, 9° 4′ 40,6″ O