Adam Glapiński

polnischer Politiker, Mitglied des Sejm

Adam Glapiński (* 9. April 1950 in Warschau) ist ein polnischer Ökonom und Politiker, der seit 2016 Präsident der polnischen Nationalbank ist. Glapiński war von 1991 bis 1993 Mitglied des Sejm in dessen I. Wahlperiode und von 1997 bis 2001 des polnischen Senats und zwischen 2010 und 2016 Mitglied des Rates für Geldpolitik. Er war außerdem Minister für Bau und Raumordnung und Minister für Außenwirtschaftsbeziehungen.

Adam Glapiński, 2015

Glapiński besuchte bis 1968 das Stefan-Batory-Lyceum in Warschau und schloss 1972 ein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Szkoła Główna Planowania i Statystyki (heutige SGH) ab. Im selben Jahr absolvierte er ein Praktikum bei der Banque de France. Anschließend promovierte er und habilitierte 2004 an seiner Alma Mater. 2013 wurde er zum Professor für Wirtschaftswissenschaften berufen.[1]

Seit 1974 arbeitete er an der Szkoła Główna Handlowa w Warszawie als Dozent und später als ordentlicher Professor. Er leitete den Fachbereich für politische Ökonomie und Dogmengeschichte. Außerdem unterrichtete er an der Polnische Akademie der Wissenschaften (1978–1983), am inter-universitären Zentrum für Aufbaustudien in Dubrovnik (1986–1989), an der University of Colorado Boulder (1993–1998), am United States Business and Industrial Council der University of Missouri und der University of Kansas (1996), dem Institut supérieur de gestion (1994–2005) und Edward-Lipiński-Hochschule für Wirtschaft und Recht in Kielce (2004–2007). Im Jahr 1988 erhielt er ein Stipendium der Société historique et littéraire polonaise in Paris.[2]

In den 1980er-Jahren war Glapiński Mitglied der Solidarność. Während des Kriegsrechts in Polen war er Co-Vorsitzender der Solidarność an der SGPiS. 1989 war er Mitbegründer der Vereinigung „Demokratisches Zentrum“.[2] 1990 war er Mitbegründer der christdemokratischen Partei Porozumienie Centrum und von 1991 bis 1993 war er stellvertretender Vorsitzender der Partei.[3] Außerdem war er Mitbegründer des Warschauer Ortsverbandes der liberalen Kongres Liberalno-Demokratyczny. 1991 war er Minister für Bau und Raumordnung in der Regierung von Jan Krzysztof Bielecki. Bei den Wahlen zum ersten Sejm im Jahr 1991 zog Glapiński als Abgeordneter in den Sejm ein. Im Kabinett von Jan Olszewski wurde er Minister für Außenwirtschaftsbeziehungen.[4] Im Jahr 1997 wurde er mit der Unterstützung der katholisch-nationalistischen Ruch Odbudowy Polski Mitglied des Senats für die Woiwodschaft Tarnów. Er verließ die Partei jedoch bald und wurde Mitglied der Zjednoczenie Chrześcijańsko-Narodowe und des Wahlbündnisses Akcja Wyborcza Solidarność. Im Senat war er stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses der Nationalwirtschaft. Er war außerdem Mitglied des gemeinsamen Ausschusses der Europäischen Union und Polen. 2001 trat er nicht erneut bei der Wahl zum Senat an.

Er wurde 1992 Aufsichtsratsvorsitzender der Bank Rozwoju Eksportu, 2007 der Fluggesellschaft Centralwings und des Bergbau-Unternehmens KGHM Polska Miedź. 2007/08 war er Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor des Polkomtel.[2]

Zwischen 1993 und 2001 leitete Glapiński das Institut für wirtschaftliche und politische Freiheit. Er ist außerdem seit 2002 Mitglied der International Joseph A. Schumpeter Society und seit 2007 der European Society for the History of Economic Thought (ESHET).[2] Den Arbeiten Joseph Schumpeters sind auch seine Beiträge zur ökonomischen Theoriengeschichte und Wirtschaftspolitik verpflichtet.[5]

Am 5. Februar 2009 wurde Glapiński gemeinsam mit Ryszard Bugaj Wirtschaftsberater von Polens Präsident Lech Kaczyński. Am 16. Februar 2010 verkündete der Staatspräsident seine Entscheidung, Glapiński in den Rat für Geldpolitik zu entsenden.[6]

Am 29. Februar 2016 berief ihn Polens Präsident Andrzej Duda auf Wunsch von Nationalbankpräsident Marek Belka in den Vorstand der polnischen Nationalbank.[7][8] In dieser Position war er bis zum 9. Juni 2016 tätig.[9] Im Mai 2016 nominierte ihn Duda für die freigewordenen Position des Präsidenten.[10] Am 10. Juni 2016 bestätigte ihn der Sejm als Präsidenten der polnischen Nationalbank.[11] Adam Glapiński trat seine Stelle am 21. Juni 2016 nach Ablegen des Amtseides an.[12]

Am 12. Mai 2022 wurde er für eine zweite Kadenz bis 2028 berufen. Hierfür war eine einfache Mehrheit im Sejm erforderlich.[13] Seitdem verstärkt und insbesondere im Umfeld der Parlamentswahl in Polen im Herbst 2023 geriet Glapiński in die Kritik, vornehmlich vonseiten der Platforma Obywatelska und deren liberaler Partner wie Nowoczesna. Donald Tusk sprach davon, PiS-nahe Funktionäre wie ihn nach einem Wahlsieg durch „starke Mannen“ (silni ludzie) aus den Hauptniederlassungen öffentlicher Institutionen entfernen zu lassen.[14][15] Der Zentralbankpräsident brachte dies zur Anzeige.[16] Nach der Wahl bestätigte EZB-Präsidentin Christine Lagarde, dass Glapiński als Präsident einer statuten-[17] und verfassungsgemäß[18] unabhängigen Institution nicht einfach per Sejmbeschluss abberufen werden könne, verwies auf die Rechtslage auch in der EU und sicherte ihm Unterstützung bei der Fortführung seines Amts zu.[19][20] Die Kritik an ihm bezog sich auf seine (für die meist restriktive Kommunikation von Zentralbankpräsidenten[21] ungewöhnlichen) ausführlichen und häufigen Stellungnahmen auch zur allgemeinen Wirtschaftsentwicklung[22][23][24] sowie auf Patronage[25], Prämien[26] und Beraterverträge[27]. Ihm werden ferner politisch motivierte Zinssenkungen im Vorfeld der letzten Parlamentswahl vorgeworfen.[28] Person, Rhetorik und Amtsführung wurden in polnischen Medien breit rezipiert.[29][30][31][32] Exponenten der jetzigen Regierungsparteien wie Ryszard Petru beabsichtigen, ihn wie auch andere Funktionäre vor den Staatsgerichtshof zu stellen.[33] Premierminister Tusk verhielt sich in dieser Angelegenheit zunächst zurückhaltend.[34] Im Januar 2024 gab der Staatsgerichtshof bekannt, dass der Zentralbankpräsident grundsätzlich nicht zu dem politischen Personal gehöre, das man dort anklagen könne.[35] Im März gab Tusk bekannt, dass die Regierung trotzdem eine Anklage Glapińskis anstrebe, wofür eine Gesetzesänderung nötig ist. Die Anklage des Zentralbankpräsidenten vor dem Staatsgerichtshof war eines der 100 Postulate der um die Platforma Obywatelska gebildeten Wahlkampfformation Koalicja Obywatelska.[36] Aus der PO wurde verlautbart, Glapiński sei ein Hindernis bei einer in Zukunft geplanten Einführung des Euro, weswegen man dessen Absetzung forciert.[37] Im September 2024 rechnete er mit einer Euro-Einführung in frühestens 10 Jahren.[38]

Von den acht gegen Glapiński erhobenen Vorwürfen besitzt ein Anleihenkaufprogramm aus der Zeit der COVID-19-Pandemie zentrale Bedeutung, da es verfassungswidrig gewesen sein soll.[39] Die NBP hatte unter ihm polnische Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt gekauft und damit zur Finanzierung des Staatsbudgets beigetragen,[40] eine seit den jüngeren Staatsschuldenkrisen etwa im Eurosystem verbreitete, aber rechtlich und ordnungspolitisch umstrittene Praxis.[41]

Veröffentlichungen (Auswahl)

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  • Transforming Economic Systems: the Case of Poland, Physica-Verlag, Springer-Verlag, Heidelberg/New York, 1991
  • Post-Crisis Economic Policy. Innovation Based Growth. In: Journal of Management and Financial Sciences, Nr. 5, 2011
  • Animal Spirits in Economics. In: Journal of Management and Financial Sciences, Nr. 11, 2013
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Commons: Adam Glapiński – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Biografie Adam Glapiński, Szkoła Główna Handlowa w Warszawie (polnisch)
  2. a b c d Adam Glapiński kandydatem Prezydenta RP na Prezesa NBP, Website des polnischen Präsidenten (polnisch)
  3. Marcin Lis: Adam Glapiński oczami Jarosława Kaczyńskiego. Tak szefa NBP opisywał prezes. 9. Januar 2019, abgerufen am 14. September 2024 (polnisch).
  4. Biografie, Polnische Nationalbank, abgerufen am 26. Februar 2023 (englisch)
  5. Ekonomia ewolucyjna powraca. Woś o książce Glapińskiego. 21. Januar 2022, abgerufen am 19. Dezember 2023 (polnisch).
  6. Gilowska, Glapiński i Kaźmierczak do RPP, TVN24, 16. Februar 2010 (polnisch)
  7. Adam Glapiński członkiem zarządu NBP, TVN24, 1. März 2016 (polnisch)
  8. Postanowienie Prezydenta Rzeczypospolitej Polskiej. nr 1131.5.2016 o powołaniu członka Zarządu Narodowego Banku Polskiego. 29. Februar 2016; (polnisch).
  9. Postanowienie nr 1131.8.2016 Prezydenta Rzeczypospolitej Polskiej. o odwołaniu członka Zarządu Narodowego Banku Polskiego. 8. Juni 2016; (polnisch).
  10. Adam Glapiński kandydatem Prezydenta RP na Prezesa NBP, Website des polnischen Präsidenten, 6. Mai 2016 (polnisch)
  11. Nowy prezes NBP. Adam Glapiński powołany przez Sejm, money.pl, 10. Juni 2016 (polnisch)
  12. Nowy Prezes NBP rozpoczął kadencję, Website der polnischen Nationalbank, 21. Juni 2016 (polnisch)
  13. Sejm zatwierdził prezesa NBP. Adam Glapiński z drugą kadencją. 12. Mai 2022, abgerufen am 18. Dezember 2023 (polnisch).
  14. oprac KRO: Donald Tusk nie chce prof. Adama Glapińskiego w NBP. Prezes zapowiada donos. 9. Juli 2022, abgerufen am 18. Dezember 2023 (polnisch).
  15. Donald Tusk o Adamie Glapińskim: temu człowiekowi nikt nie wierzy. 8. Juli 2022, abgerufen am 18. Dezember 2023 (polnisch).
  16. Glapiński kontra Tusk i Siemoniak. NBP składa zawiadomienie do prokuratury. 14. Juli 2022, abgerufen am 18. Dezember 2023 (polnisch).
  17. Ustawa o Narodowym Banku Polskim - NBP. Abgerufen am 18. Dezember 2023 (polnisch).
  18. Art. 227. Konst. - Narodowy Bank Polski - Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej. Abgerufen am 18. Dezember 2023 (polnisch).
  19. Alicja Ptak: Lagarde: EU law will protect Polish central bank chief if new government unlawfully prosecutes him. In: Notes From Poland. 5. Dezember 2023, abgerufen am 18. Dezember 2023 (amerikanisches Englisch).
  20. Aleksandra Krzysztoszek: EU-Recht schützt polnischen Zentralbankchef vor neuer Tusk-Regierung. 6. Dezember 2023, abgerufen am 18. Dezember 2023 (deutsch).
  21. Hendrik Hüning: Herausforderungen der geldpolitischen Kommunikation. In: Wirtschaftsdienst. Band 2016, Nr. 1, 2016, S. 55–59 (wirtschaftsdienst.eu [abgerufen am 18. Dezember 2023]).
  22. Wyborcza.pl. Abgerufen am 18. Dezember 2023.
  23. Polsat News: A. Glapiński: Każdy, kto atakuje NBP, ma złe zamiary wobec Polski i Polaków. 10. November 2023, abgerufen am 18. Dezember 2023 (polnisch).
  24. ING: NBP chief Glapinski’s hawkish rhetoric. 10. Februar 2022, abgerufen am 18. Dezember 2023 (englisch).
  25. Wyborcza.pl. Abgerufen am 18. Dezember 2023.
  26. Wysokie premie Glapińskiego. Konflikt w NBP. Abgerufen am 18. Dezember 2023 (polnisch).
  27. NBP płaci miliony doradcom Glapińskiego. I nie chce ujawnić ich nazwisk. Abgerufen am 18. Dezember 2023 (polnisch).
  28. admin: Zentralbankgouverneure in Polen und Ungarn stehen vor Streitigkeiten über die Zinspolitik. 27. November 2023, abgerufen am 20. Dezember 2023.
  29. Internauci dołożyli do pieca! Memy z politykami w roli głównej to hit sieci. 31. Oktober 2023, abgerufen am 18. Dezember 2023 (polnisch).
  30. PILNE! Glapiński dziś znów przemówi! O co chodzi z kolejną konferencją prezesa NBP? Przez FXMAG Poland. Abgerufen am 18. Dezember 2023 (polnisch).
  31. Prezes NBP odpowiada na krytykę stylu komunikacji. Mówi także o relacjach z rządem. 3. November 2021, abgerufen am 18. Dezember 2023 (polnisch).
  32. Wyborcza.pl. Abgerufen am 18. Dezember 2023.
  33. Kiedy Glapiński stanie przed Trybunałem Stanu? Padł termin. 18. Dezember 2023, abgerufen am 18. Dezember 2023 (polnisch).
  34. "Wytwarzanie atmosfery zagrożenia". Grupa członków RPP broni Glapińskiego. 1. Dezember 2023, abgerufen am 18. Dezember 2023 (polnisch).
  35. Polnisches Verfassungsgericht: Sejm darf Nationalbank-Chef nicht vor den Staatsgerichtshof stellen - Deutsche Redaktion - polskieradio.pl. Abgerufen am 18. Januar 2024 (polnisch).
  36. Glapiński stanie przed Trybunałem Stanu. Premier Tusk potwierdził, że wniosek jest gotowy. 19. März 2024, abgerufen am 20. März 2024 (polnisch).
  37. PO chce usunąć Glapińskiego. Jabłoński: przeszkadza we wprowadzeniu Polski do strefy Euro | Niezalezna.pl. Abgerufen am 20. März 2024.
  38. Euro najwcześniej za 10 lat. Takie prognozy snuje prezes NBP Glapiński. 10. September 2024, abgerufen am 14. September 2024 (polnisch).
  39. Handelsblatt. Abgerufen am 24. März 2024.
  40. Damian Szymański: O co chodzi z Trybunałem Stanu dla prof. Glapińskiego? Wyjaśniamy [OPINIA]. 26. März 2024, abgerufen am 27. März 2024 (polnisch).
  41. Malte Fischer: EZB kauft Staatsanleihen: Der Euro wird zur Weichwährung. Abgerufen am 27. März 2024.