Die Anlassschwere ist eine Konstante, die in der Antriebstechnik angewendet wird, um das Anlaufverhalten einer angetriebenen Maschine zu charakterisieren.[1] Diese Konstante dient zur Dimensionierung von Widerstandsanlassern bei Schleifringläufermotoren.[2] Außerdem ist die Kenntnis dieser Konstante erforderlich, um die passende Antriebsmaschine auszuwählen und das erforderliche Anlassverfahren für den jeweiligen Elektromotor zu bestimmen.[3]

Grundlagen

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Damit ein Elektromotor eine Maschine antreiben kann, muss er ein Drehmoment entwickeln, das ausreichend groß ist, um das „Gegendrehmoment“ der anzutreibenden Maschine zu überwinden.[2] Das Drehmoment, das zum Antrieb einer Arbeitsmaschine erforderlich ist, setzt sich zusammen aus dem Lastmoment und dem Trägheitsmoment. Während sich das Trägheitsmoment hauptsächlich während der Hochlaufphase der Maschine auswirkt, macht sich das Lastmoment über den gesamten Drehzahlbereich bemerkbar.[4]

Typische Lastmomente sind:[5]

  • Praktisch konstantes Lastmoment
  • Linear mit der Drehzahl ansteigendes Lastmoment
  • Quadratisch mit der Drehzahl ansteigendes Drehmoment
  • Reziprok proportional zur Drehzahl sich verringerndes Drehmoment

Werden Motor und Anlasser nicht aufeinander abgestimmt, kann der Motor kein ausreichend großes Drehmoment aufbringen, um die Nenndrehzahl zu erreichen. Besonders kritisch ist es, wenn der Motor ein Sattelmoment hat. Da das Sattelmoment das kleinste Drehmoment des Motors ist, bleibt der Motor bei einer Satteldrehzahl hängen. Um dies zu verhindern, werden Anlasser und Antriebsmaschinen entsprechend der Anlassschwere dimensioniert.[2]

Berechnung

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Als Anlassschwere   definiert man das Verhältnis des mittleren Anlassmoments   zum Nennmoment  .[6]

 

Anhand des Nennstromes   und des mittleren Anlassstromes   lässt sich die Anlassschwere anhand der Formel ermitteln.

 

Die Anlassschwere   lässt sich auch bezogen auf das maximale Anlaufmoment   ermitteln, allerdings werden dann die Werte für   etwas höher, als bei der Berechnung, bei der das mittlere Drehmoment eingesetzt wird.

 

Entsprechend der ermittelten Konstante   wird der Anlasser dimensioniert.[2]

Kategorien

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Die Anlassschwere eines Antriebes lässt sich in 4 Kategorien, Halblastanlauf, Lüfteranlauf, Volllastanlauf und Schweranlauf einteilen.[7]

Der Halblastanlauf ist charakteristisch für Arbeitsmaschinen, die entweder nur ein geringes Lastmoment entwickeln oder bei denen das Lastmoment quadratisch mit der Drehzahl ansteigt. Voraussetzung ist, dass diese Arbeitsmaschinen ein geringes Trägheitsmoment haben.[8] Beim Halblastanlauf hat die Anlassschwere einen Wert von 0,7.[9] Der Wert steigt an auf 1,0 wenn das maximale Drehmoment zur Berechnung berücksichtigt wird. Dies trifft bei Zentrifugalpumpen zu.[8]

Beim Lüfteranlauf muss die Antriebsmaschine gegen ein hohes Trägheitsmoment drehen. Allerdings ist nur ein geringes Lastmoment zu bewältigen. Die Anlassschwere für den Lüfteranlauf beträgt 1,0. Wird das maximale Drehmoment berücksichtigt steigt der Wert auf 1,4. Dies trifft beispielsweise bei Abgasventilatoren zu.[8]

Der Volllastanlauf lässt sich anhand der Anlassschwere noch einmal unterteilen in annähernd Volllastanlauf und Volllastanlauf. Volllastanlauf gilt für Maschinen die unter Last anlaufen. Die Anlassschwere für den annähernden Volllastanlauf beträgt 1,25[8] und für den Volllastanlauf 1,4.[9] Unter Berücksichtigung des maximalen Drehmoments ergibt sich beim Volllastanlauf ein Wert von 1,7.[8]

Der annähernde Volllastanlauf trifft auf Rohmühlen, Kohlemühlen und Zementmühlen zu.[8] Der Volllastanlauf ist charakteristisch für Antriebe von Winden und Hebezeugen oder für Kolbenmaschinen wie z. B. Kolbenpumpen oder Kompressoren.[10]

Der Schweranlauf ist die stärkste Belastung für die Antriebsmaschine.[8] Beim Schweranlauf erreicht die Anlassschwere den Wert 2,0,[9] bezogen auf das maximale Drehmoment ergibt sich ein Wert von 2,5.[8] Zentrifugen oder Brecher sind Maschinen mit Schweranlauf.[10]

Einzelnachweise

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  1. Wladimir Schuisky: Elektromotoren. Ihre Eigenschaften und ihre Verwendung für Antriebe, Springer Wien GmbH, Wien 1951, S. 140–145.
  2. a b c d Franz Moeller, Paul Vaske (Hrsg.): Elektrische Maschinen und Umformer. Teil 1 Aufbau, Wirkungsweise und Betriebsverhalten, 11. überarbeitete Auflage, B. G. Teubner, Stuttgart 1970, S. 134–135.
  3. Wilhelm Lehmann: Die Elektrotechnik und die elektromorischen Antriebe. Springer Verlag Berlin Heidelberg GmbH, Berlin Heidelberg 1948, S. 248–249.
  4. Helmut Greiner: Anlaufen, Bremsen, Positionieren mit Drehstrommotoren. Danfoss Bauer GmbH, Esslingen 2001.
  5. H.R. Risg: Elektrotechnik für den Praktiker. 1. Auflage, Buchverlag Elektrotechnik Walter Liechti, Aarau (Schweiz) 1990, ISBN 3-905214-11-3.
  6. Anlasser für Schleifringläufermotoren Berechnung der Anlassschwere (Memento vom 12. Dezember 2009 im Internet Archive) (abgerufen per Webarchive am 25. Juli 2016).
  7. @1@2Vorlage:Toter Link/www.elmabv.nlDrehstrom -Läufer-Anlasser Anlassschwere (Seite dauerhaft nicht mehr abrufbar, festgestellt im Oktober 2024. Suche in Webarchiven).
  8. a b c d e f g h Gino Else (Hrsg.): Kleines Anlasserglossar. Online (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) (PDF; 865 kB) (abgerufen per Webarchive am 25. Juli 2016).
  9. a b c Hans-Ulrich Giersch, Hans Harthus, Norbert Vogelsang: Elektrische Maschinen Prüfen, Normung, Leistungselektronik. 5. Auflage, B.G. Teubner/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, 2003, ISBN 3-519-46821-2, S. 288.
  10. a b Wilhelm Hille, Otto Schneider, Klaus Großmann, Knud Lensch: Elektro-Fachkunde 2. Energietechnik, 3. Auflage, B. G. Teubner Verlag, Stuttgart 1991, ISBN 978-3-519-26806-2, S. 183–184.