Als Schweranlauf,[1] auch Schwerlastanlauf,[2] bezeichnet man in der Antriebstechnik eine Antriebsaufgabe, die erhöhte Anforderungen an die häufig an Maschinen verwendeten Asynchronmotoren stellt.[1] Diese werden durch hohe Last- und Trägheitsmomente der anzutreibenden Maschine hervorgerufen. Der Schweranlauf ist die stärkste noch zu bewältigende Belastung für den Motor und seine Schaltgeräte.[3]

Kriterien für die Definition

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Hochlaufkennlinie mit Schleifringläufermotor

Klassisches Erkennungsmerkmal für einen Schweranlauf ist die sehr lange Hochlaufzeit des Motors.[1] Während ein Motor-Direktanlauf zwischen 0,2 und 5 Sekunden benötigt, um auf Nenndrehzahl zu kommen, benötigt er beim Schweranlauf bis zu 30 Sekunden. Beim Anlassen mittels Anlassverfahren kann die Hochlaufzeit bis zu 120 Sekunden betragen. Dauert ein Anlaufvorgang länger als 12 Sekunden, wird er als Schweranlauf definiert.[4] Ein weiteres Kriterium ist das maximale Anlassmoment.[3] Beträgt der Quotient aus maximalem Anlassmoment und Nennmoment (die sogenannte Anlassschwere) 2,5 oder mehr, so spricht man in der Praxis ebenfalls von Schweranlauf.[4] Das erforderliche mittlere Motormoment liegt bei hierbei zwischen 170 und 200 Prozent des Nennmoments.[2]

Auswirkungen auf den Motor

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Durch die lange Hochlaufphase kommt es zu einer starken Erwärmung des Motors.[5] Erschwerend kommt hinzu, dass die Motorwärme aufgrund der niedrigen Drehzahl durch den Lüfter nicht genügend abgeführt werden kann.[6] Dadurch kann sowohl die zulässige Läufertemperatur als auch die zulässige Wicklungstemperatur überschritten werden. Durch die erhöhte Läufertemperatur kann außerdem die Grenztemperatur der Wälzlager überschritten werden. Dieses macht sich insbesondere bei betriebswarmen Motoren bemerkbar. Während bei Motoren, die aus dem kalten Zustand angelassen werden, die erlaubte Anlaufzeit einer bestimmten Baureihe zum Beispiel zwischen 17 und 50 Sekunden liegt, reduziert sich diese Zeit bei betriebswarmen Motoren auf 12 bis maximal 30 Sekunden. Werden diese Zeiten überschritten, führt dies unweigerlich bei nicht temperaturüberwachten Motoren zu Folgeschäden am Motor.[7]

Steuerung

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Durch den hohen Anlaufstrom löst ohne besondere Maßnahmen nach kurzer Zeit das Motorschutzrelais aus.[8] Bei kleineren Motoren ist eine mögliche Variante, parallel zum Motorschutzrelais ein Überbrückungsschütz zu schalten. Die Schützkontakte überbrücken während der Anlaufphase des Motors das Motorschutzrelais.[9] Erst wenn der Motor hochgelaufen ist, wird das Überbrückungsschütz abgeschaltet und das Motorschutzrelais übernimmt den Motorschutz.[10] Da diese Methode sehr kritisch ist, wird sie bei größeren Motoren nicht angewendet. Hier werden spezielle elektronische Motorschutzrelais verwendet.[11] Bei größeren Motoren werden zusätzlich die Motortemperatur und die Lagertemperatur mit einem speziellen Temperaturfühler überwacht.[12] Da der Schweranlauf auch eine sehr große Belastung für die Anlassgeräte ist, werden diese Anlasser speziell für den Schweranlauf dimensioniert. Eine Unterdimensionierung des Anlassers kann zu schweren Folgeschäden führen.[6] Heute werden für den Betrieb von Motoren mit Schweranlauf Frequenzumrichter verwendet[13]. Frequenzumrichter können nicht nur höhere Anlauf-Drehmomente als traditionelle Schaltungen bei Nennfrequenz erzielen, sondern auch Hochlaufkurven generieren, den momentanen Zustand des Motors erkennen und ihn schützen.[14]

Geeignete Motoren für den Schweranlauf

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Motoren für den Schweranlauf müssen ein erhöhtes Losbrechmoment und/oder ein hohes Trägheitsmoment der Arbeitsmaschine überwinden.[15][16] Da beim Schweranlauf das maximale Drehmoment deutlich über den Nennmoment liegt, sind nicht alle Motoren für Schweranlauf geeignet.[6] Erschwerend ist, wenn der Motor aufgrund seiner Leistung mittels Anlassverfahren angelassen werden muss. Insbesondere dann, wenn der Motor kurz nach dem Anlaufen den Sattelmoment hat, ist es möglich, dass der Motor bei einer sogenannten Satteldrehzahl hängen bleibt und nicht seine Nenndrehzahl erreicht.[16] Motoren für den Schweranlauf müssen ein Reihenschlussverhalten aufweisen.[1] Geeignete Motoren für den Schweranlauf sind Käfigläufermotoren mit Stromverdrängungsläufer. Bei sehr großen Antrieben werden Schleifringläufermotoren verwendet.[6] Als Anlaufhilfen dienen selbstschaltende hydrodynamische Kupplungen als Anlaufkupplungen.[17]

Einzelnachweise

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  1. a b c d Franz Moeller, Paul Vaske (Hrsg.): Elektrische Maschinen und Umformer. Teil 1: Aufbau, Wirkungsweise und Betriebsverhalten. 11., überarbeitete Auflage. B. G. Teubner, Stuttgart 1970, S. 22, 205.
  2. a b Paul Volk: Antriebstechnik in der Metallverarbeitung. Einführung in die Automatisierung, Springer Verlag, Berlin / Heidelberg 1966, S. 23.
  3. a b Hans-Ulrich Giersch, Hans Harthus, Norbert Vogelsang: Elektrische Maschinen mit Einführung in die Leistungselektronik. 4., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer Fachmedien, Wiesbaden 1998, ISBN 3-519-36821-8, S. 285–288.
  4. a b Gino Else: Ölgekühlte Widerstandandsanlasser Kleines Anlasserglossar. online (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gino.de (PDF; 865 kB) (abgerufen am 4. Mai 2015).
  5. Bundesamt für Konjunkturfragen Bern (Hrsg.): Strom rationell nutzen. Verlag der Fachvereine, Zürich 1992, ISBN 3-7281-1830-3, S. 151–153.
  6. a b c d W. Schuisky: Elektromotoren. Ihre Eigenschaften und ihre Verwendung für Antriebe. Springer Verlag, Wien 1951, S. 96, 494.
  7. Thomas Fladerer, Dieter Seifert: Elektromotor-Design für spezielle Anforderungen. (Memento vom 31. März 2007 im Internet Archive) (abgerufen per archive Org. am 4. Mai 2015).
  8. Herbert Franken: Motorschutz. Überströme - Übertemperaturen. Springer Verlag, Berlin/ Göttingen/ Heidelberg 1962.
  9. Herbert Franken: Schütze und Schützsteuerungen. Mit 241 Abbildungen. Springer Verlag, Heidelberg 1959.
  10. Josef Elpers, Helmut Meyer, Jürgen Marquard: Mechatronik Fachstufe. 1. Auflage. Bildungsverlag EINS, Troisdorf 2005, ISBN 3-8242-2081-4, S. 387.
  11. Motorschutz in Sonderfällen (Memento vom 24. Juli 2010 im Internet Archive) (abgerufen per archive Org. am 4. Mai 2015).
  12. Betriebsanleitung Motorschutzrelais MSR 220 T (PDF; 48 kB) (abgerufen am 4. Mai 2015).
  13. Dierk Schröder: Elektrische Antriebe 4. Band I, Leistungselektronische Schaltungen, Springer Verlag, Berlin / Heidelberg 1998, S. 488–490.
  14. Ausführungen der Fa. Siemens zur Parametrierung von Frequenzumrichtern bei Schweranlauf hinsichtlich Motorbelastung und -schutz (abgerufen am 10. Nov. 2017).
  15. Helmut Greiner: Anlaufen, Bremsen, Positionieren mit Drehstrommotoren. Danfoss Bauer GmbH, Esslingen 2001, online (PDF; 9,5 MB) (abgerufen am 4. Mai 2015).
  16. a b Heinz M. Hiersig (Hrsg.): VDI-Lexikon Maschinenbau. VDI-Verlag, Düsseldorf 1995, ISBN 3-540-62133-4, S. 237–238.
  17. DMT - Gesellschaft für Forschung und Prüfung mbH: Entwicklung neuer Anlagekomponenten für Kettenkratzförderer und Weiterentwicklung und Erprobung neuer Anlagenkomponenten für Kettenkratzförderer. In: Europäische Kommission (Hrsg.): Technische Forschung Kohle. Forschungsvertrag Nr. 7220-AD/126 Abschlussbericht. Luxemburg 1994, S. 43–45.