Apokrimata

Rechtsauskünfte und Antwortschreiben des severischen Kaisers Septimius Severus aus den Jahren 199 und 200, während seines Aufenthaltes in Ägypten

Die sogenannten Apokrimata sind (originär in Latein verfasste) Rechtsauskünfte und Antwortschreiben des severischen Kaisers Septimius Severus aus den Jahren 199 und 200, während seines Aufenthaltes in Ägypten.

Die auf Papyri festgehaltenen Konstitutionen werden der juristischen Klassik zugeordnet. Die Rechtsquellen geben ziemlich ausführliche Auskunft über die römische Herrschaft und Verwaltung im Allgemeinen und in Bezug auf die Provinzen. Sie dokumentieren nicht nur die Abfassung rechtlicher Normen und kaiserlicher Rechtsetzung, sie geben auch Einblicke in Methodiken und Einzelheiten zur (sogar amtlichen) Publikation, Weiterverbreitung und Bewahrung der Konstitutionen. Es galt die großen Schwierigkeiten zu überwinden, weil die Gesetzgeber ohne die heutigen technischen Mittel zur Informationsverbreitung an ein Publikum in einem großen Landstrich auskommen mussten. In der hohen Zeit des Prinzipats wurden die apokrimata zudem – wie auch andere papyrologische und epigraphische Belege – ein Instrument zur Vereinheitlichung provinzialen und stadtrömischen Rechts.[1]

In der lokalen Bevölkerung stießen die Bescheide offensichtlich auf großes Interesse, denn die Anzahl gefertigter Abschriften ist im Vergleich zur üblichen Rezeption von Kaiserrecht in den Provinzen ungewöhnlich hoch. Teils wurden die zivil-, straf- und verwaltungsrechtlichen Konstitutionen – belegt durch die Kundgabe des Verfassers – direkt nach Veröffentlichung durch Aushang in der vielbesuchten Stoa des Gymnasiums von Alexandria beflissen abgeschrieben.[2] Reskripte zur longi temporis praescriptio, einer Einrede ersitzungsähnlichen Charakters, oder zur bonorum possessio, einer prätorischen Einweisung in den Nachlassbesitz ohne dass eine Erbenstellung dazu berechtigt hätte, wurden sogar mehrfach belegt.[3] Eine umfängliche Interpretation der Sachverhaltslage ist allerdings erschwert, denn die zugrundeliegenden Petitionen (Bittgesuche) der Antragsteller sind nicht erhalten.

Die apokrimata erfahren in der modernen Forschung viel Aufmerksamkeit, wobei neben den wenigen neuen Rechtsinhalten insbesondere die mit der Kognitionspraxis verbundene Sammelleidenschaft der Anordnungen interessiert. Im Kleinen nimmt die in Ägypten gehandhabte Praxis die des frühspätantiken Kaisers Diokletian vorweg.[4] Von Interesse ist außerdem, wie kaiserliche apokrimata griechisch-ägyptisches Recht mit römisch-reichsrechtlichem Verfahrensrecht kombinierten.[5]

Literatur

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  • William Linn Westermann, A. Arthur Schiller: Apokrimata. Decisions of Septimius Severus on Legal Matters; text, translation, and historical analysis by William Linn Westermann. Legal commentary by A. Arthur Schiller (= Columbia bicentennial editions and studies.). Columbia University Press, New York 1954, OCLC 246426048.
  • Hans Julius Wolff: Apokrimata, Decisions of Septimius Severus on Legal Matters. Text, Translation, and Historical Analysis by William Linn Westermann; Legal Commentary by Α. Arthur Schiller. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. (Romanistische Abteilung), Band 73, Heft 1, 1956, S. 406–418.

Anmerkungen

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  1. José Luis Alonso, Ulrike Babusiaux: Papyrologische und epigraphische Quellen. In: Ulrike Babusiaux, Christian Baldus, Wolfgang Ernst, Franz-Stefan Meissel, Johannes Platschek, Thomas Rüfner (Hrsg.): Handbuch des Römischen Privatrechts. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-152359-5. Band I, S. 222–317, hier S. 236 f. (Rn. 30 f.).
  2. P.Col. VI 123, Inv. 516, Arsinoites, enthält beispielsweise allein eine Sammlung von dreizehn Konstitutionen; vgl. Rafał Taubenschlag, in Journal of Juristic Papyrology. (JJP), Band 9/10, 1955/56. S. 554–556.; siehe auch Vincenzo Arangio-Ruiz, in: Gnomon. Band 28, 1956, S. 186–192.
  3. Vgl. zum gesamten Komplex, Rudolf Haensch, in Rudolf Haensch, Johannes Heinrichs (Hrsg.): Herrschen und Verwalten. Der Alltag der römischen Administration in der Hohen Kaiserzeit (= Kölner historische Abhandlungen. Band 46). Böhlau, Köln u. a. 2007, ISBN 978-3-412-23806-3. S. 223 und 226–233.
  4. Vgl. die von Diokletian autorisierten Privatsammlungen der Kodizes Gregorianus und Hermogenianus
  5. Carsten Fischer, Johannes Liebrecht: Bericht zum 42. Deutschen Rechtshistorikertag Trier, 16.–20. September 2018. Von Carsten Fischer/Johannes Liebrecht. in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. (Germanistische Abteilung), Band 136, Heft 1, 2019. S. 672–685.