Arye Sharuz Shalicar

deutsch-israelischer Politologe und Schriftsteller

Arye Sharuz Shalicar (hebräisch אריה שרוז שליקר; geboren 13. August 1977 in Göttingen[1]) ist ein deutsch-israelischer Politologe, Publizist, Schriftsteller und Regierungsmitarbeiter persisch-jüdischer Herkunft. Der ehemalige Graffiti-Künstler und Hip-Hop-Musiker diente von 2009 bis 2017[2] als offizieller Sprecher der israelischen Verteidigungsstreitkräfte[3] und bekleidete den Rang eines Majors. Als Reservist ist er seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 als Sprecher der israelischen Verteidigungsstreitkräfte aktiv, mit einer Unterbrechung zwischen Mai und September 2024.[4][5][6] Seit 2017 arbeitet er als Abteilungsleiter in der israelischen Regierung. Motive aus Shalicars Jugend wurden von Warner Brothers und der Produktionsfirma Carte Blanche International verfilmt: Ein nasser Hund kam 2021 in die deutschen Kinos.

Arye Sharuz Shalicar 2023

Shalicar ist Sohn iranischer Juden, die vor dem Antisemitismus in ihrer Heimat in den 1970er Jahren nach Deutschland geflohen waren. Er wuchs in West-Berlin säkular auf, ohne von seinem jüdischen Familienhintergrund zu wissen. Als sich dies änderte und er als Jugendlicher mit seiner Familie vom Bezirk Spandau nach Berlin-Wedding mit seinem hohen Anteil muslimischer Bewohner umzog, wurde er vom allseits akzeptierten Jugendlichen zur Zielscheibe von Judenfeindlichkeit. Daraufhin verbündete er sich mit der vorwiegend kurdisch-libanesischen Gang Kolonie Boys, war Mitglied bei der Türken­gang The Black Panthers (TBP) und den ethnisch gemischten Berlin Street Gangsters (BSG). Mit 17 Jahren war er nach eigenen Angaben in eine Messerstecherei mit einem türkischen Jugendlichen verwickelt, der die Kolonie Boys beleidigt hatte. Dieser wurde hierbei verletzt und Shalicar nicht von der Polizei gefasst.[7]

Als Graffitisprüher war Shalicar zunächst als Mitbegründer der Berliner Gruppierung ASP aktiv. Diese wurde später Teil der sich zunächst zumeist ebenfalls mit Graffiti, später aber auch mit Rap befassenden Formation Berlin Crime, welche er als einer der bundesweit größten ihrer Art unter dem Pseudonym BossARO gemeinsam mit Frauenarzt leitete und zu welcher auch zahlreiche weitere Hip-Hop-Musiker wie etwa Manny Marc und MC Bogy gehörten.[8] So war er mit Gastbeiträgen auf den Alben BC und Der Untergrundkönig von Frauenarzt, Dobermann Demotape Part 1 von Manny Marc sowie Berlin bleibt Untergrund, einem gemeinsamen Album von Frauenarzt und Manny Marc, vertreten.[9] Shalicar plante zunächst, auch ein Album zu veröffentlichen, was jedoch nicht realisiert wurde. Er begründete dies später damit, dass er ungern Texte geschrieben habe und er seinen Lebensmittelpunkt nach Israel verlegen wollte.[10] Als ehemaliges Mitglied der Gruppierung ASP war Shalicar bereits ab Anfang der 1990er Jahre mit dem späteren Rapper MC Basstard bekannt. Diesen vermittelte er Berlin Crime, womit Shalicar laut Aussage Basstards mitverantwortlich dafür ist, dass er Rapper geworden sei.[11][12]

Nach seinem 1997 bestandenen Abitur verließ Shalicar die Graffitiszene und leistete seinen Grundwehrdienst als Sanitäter. Im Anschluss daran begann er ein Studium der Politikwissenschaft, der Judaistik und der Islamwissenschaft[1] an der Freien Universität Berlin. Zuvor hatte er Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert.[13] 2001 wanderte er nach Israel aus, um „ein Leben der Zugehörigkeit zu führen, ein Leben ohne schiefe Blicke, ein Leben als Jude“.[14] In Israel setzte er sein politikwissenschaftliches Studium an der Hebräischen Universität Jerusalem fort, das er 2006 als Bachelor abschloss. Anschließend erwarb er 2009 den Mastergrad in European Studies mit Auszeichnung. Bereits ab 2006 war er für die Jewish Agency for Israel tätig und arbeitete auch für das Nahoststudio der ARD in Tel Aviv. Shalicar begann seinen Wehrdienst bei den israelischen Verteidigungsstreitkräften im Jahr 2001 bei einer Unterstützungseinheit der Fallschirmjäger. Von Oktober 2009 bis Anfang 2017 war er einer der vier offiziellen Sprecher der israelischen Armee.[15] Seitdem ist er Militärsprecher in Reserve und wurde in dieser Funktion während des Israel-Gaza-Konfliktes 2021 mit der Hamas und beim Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023 als Sprecher der israelischen Streitkräfte reaktiviert.[16][17] Seit 2017 arbeitet er in der Regierung, mit Sitz im Büro des Ministerpräsidenten in Jerusalem. Dort ist er Abteilungsleiter des Bereichs internationale Beziehungen.[18] Im Mai 2024 gab er bekannt, seit Beginn des Monats nicht mehr israelischer Militärsprecher zu sein,[2] seit dem 25. September ist er wieder als Militärsprecher aktiv.[19]

2021 wurde sein autobiographischer Roman Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude. Die Geschichte eines Deutsch-Iraners, der Israeli wurde. unter dem Titel Ein nasser Hund mit Doguhan Kabadayi als Soheil verfilmt.[20]

Shalicar schreibt gelegentlich Artikel und Kolumnen für die deutschsprachige und internationale Presse, so etwa für die Tageszeitung Die Welt, die Nordwest-Zeitung, die Berliner Zeitung, die Jüdische Allgemeine und die Jerusalem Post.

Shalicar ist seit 2010[21] verheiratet, Vater von zwei Kindern und wohnt bei Jerusalem.[22] Laut eigenen Angaben leben Teile von Shalicars Familie als Siedler im Westjordanland.[23]

Veröffentlichungen

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Bücher

  • Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude. Die Geschichte eines Deutsch-Iraners, der Israeli wurde. dtv, München 2010, ISBN 978-3-423-24797-9.
  • Der neu-deutsche Antisemit. Gehören Juden heute zu Deutschland? Eine persönliche Analyse. Verlag Hentrich & Hentrich, Berlin 2018, ISBN 978-3-95565-271-5.
  • 100 Weisheiten, um das Leben zu meistern. Selbst wenn du aus dem Ghetto stammst. FinanzBuch Verlag, München 2021, ISBN 978-3-95972-382-4.
  • Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude: Die Geschichte eines Deutsch-Iraners, der Israeli wurde – Autobiografie (Buch zum Film). dtv, München 2021, ISBN 978-3-423-34980-2
  • Schalom Habibi. Zeitenwende für jüdisch-muslimische Freundschaft und Frieden. Verlag Hentrich & Hentrich, Leipzig 2022, ISBN 978-3-95565-552-5.
  • Tagebuch aus Cherson – vom Leben und Überleben im Krieg in der Ukraine. 40 Briefe eines Vaters an seine Tochter. FinanzBuch Verlag, München 2023, ISBN 978-3-95972-721-1.

Mitautor

Artikel und andere Medienbeiträge

Auszeichnung

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  • 2024: Arik-Brauer-Publizistikpreis (Sonderpreis)[24]
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Commons: Arye Sharuz Shalicar – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b [1] Internetseite des Goethe-Instituts Abgerufen am 3. September 2014
  2. a b Rafah-Offensive, Verhandlungen und warum Shalicar nicht mehr israelischer Militärsprecher ist. 7. Mai 2024, abgerufen am 7. Mai 2024.
  3. „Die Hamas ist an ihre Grenzen gekommen“. In: Die Welt. 17. Mai 2021, abgerufen am 17. Mai 2021.
  4. Rafah-Offensive und warum Shalicar nicht mehr israelischer Militärsprecher ist, von Andreas Krobok, Frankfurter Allgemeine Zeitung 7. Mai 2024
  5. Rafah-Offensive, Verhandlungen und warum Shalicar nicht mehr israelischer Militärsprecher ist FAZ
  6. Peter Ansmann: Arye Sharuz Shalicar (IDF): "Die Message ist, dass wir es ernst meinen". 27. September 2024, abgerufen am 27. September 2024 (deutsch).
  7. Lissy Kaufmann, Sidney Gennies: Ein Weddinger in Israel: Vom Kleingangster zum Armeesprecher. In: Tagesspiegel. 7. August 2014, abgerufen am 21. Mai 2024.
  8. Vom Atzen zum Militärsprecher – Seite 1
  9. Discogs: Boss Aro. Abgerufen am 16. April 2013.
  10. Vom Atzen zum Militärsprecher – Seite 2
  11. Hiphop.de: Toxik trifft MC Basstard: Die Geschichte von Berlin Crime (Interview). Archiviert vom Original am 1. November 2012; abgerufen am 16. April 2013.
  12. Vom Atzen zum Militärsprecher – Seite 7
  13. Siehe „Militärsprecher Shalicar verabschiedet sich“, israelnetz.com, 29. Nov. 2016
  14. Arye Sharuz Shalicar: Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude. Die Geschichte eines Deutsch-Iraners, der Israeli wurde. dtv, München 2010, ISBN 978-3-423-24797-9.
  15. Siehe „The ex-gangsta who speaks for the IDF“; The Times of Israel, 5. Nov. 2013
  16. Sandra Schulz: Der Terror-Infrastruktur „sehr großen Schaden zugefügt“., In: Deutschlandfunk, 18. Mai 2021 (Interview).
  17. https://twitter.com/aryeshalicar/status/1710924669040103524
  18. Kurzmeldung vom 16. Februar 2017 auf juedische-allgemeine.de. (Sabine Brandes).
  19. Peter Ansmann: Arye Sharuz Shalicar (IDF): "Die Message ist, dass wir es ernst meinen". 27. September 2024, abgerufen am 15. Oktober 2024 (deutsch).
  20. Ein nasser Hund. In: kino.de. Abgerufen am 21. Mai 2021.
  21. Arye Sharuz Shalicar. Abgerufen am 1. August 2022.
  22. "Ich war ein Gangster" (Memento vom 15. Februar 2016 im Internet Archive). In: Y-Punkt.de:
  23. Arye Sharuz Shalicar: "Die meisten arabischen Bürger Israels wollen in keinem palästinensischen Staat leben". In: Stern. 8. November 2022, abgerufen am 21. Mai 2024.
  24. Verleihung des Arik-Brauer-Publizistikpreises 2024. 16. Oktober 2024, abgerufen am 23. Oktober 2024 (deutsch).