Der Bauernroman oder die Bauernerzählung ist eine Form der Epik, die durch die literarische Darstellung bäuerlichen Lebens charakterisiert ist.

Im deutschsprachigen Raum werden Bauernromane und -erzählungen seit 1840 meist als „Dorfgeschichten“ bezeichnet, wobei jedoch strittig und fraglich ist, ob diese gegenüber der internationalen Bauernprosa tatsächlich ein selbstständiges literarisches Genre bilden.

Begriffsabgrenzung

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Viele deutschsprachige Bauernromane tragen Merkmale von Heimatromanen, einen Genre, das sich im deutschen Sprachraum im späten 19. Jahrhundert aus der Dorfgeschichte entwickelt hat und dessen Besonderheit darin besteht, dass das Ländliche idealisiert und als ursprüngliche Idylle beschrieben und explizit vom (negativ bewerteten) modernen Städtischen abgegrenzt wird.

Deutschsprachige Literatur

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Eine Typologie der Bauernprosa, die er als „Dorfgeschichten“ bezeichnet, hat in seinem Sachwörterbuch der Literatur Gero von Wilpert aufgestellt. Er charakterisiert dazu Werke und Werkgruppen, in denen Dichter seit dem späten Mittelalter die dörfliche Welt schildern: Dörperliche Dichtung, Meier Helmbrecht, Wittenwilers Ring, Facetien und Schwänke, Der abenteuerliche Simplicissimus, Anakreontik, Hallers Die Alpen, Pestalozzis Lienhard und Gertrud, Werke von Johann Heinrich Voß, Mathias Claudius, Johann Peter Hebel, Jeremias Gotthelf. Die Zeitreihe enthält anfangs Dichtungen, in denen der Bauernstand von höfisch-ritterlichem oder stadtbürgerlichem Standpunkt aus lächerlich gemacht wird, während gegen Ende, in der Literatur der zweiten Hälfte des 18. und der ersten des 19. Jahrhunderts, die bäuerlich-dörfliche Welt genauso ernst genommen und wertgeschätzt wird wie andere menschliche Lebensformen. (Aufhebung der sogenannten Ständeklausel). Dichtungen wie Das Haidedorf (Adalbert Stifter 1840), Die Judenbuche (Annette von Droste-Hülshoff 1842), Die Heiterethei und ihr Widerspiel (Otto Ludwig 1857) sieht von Wilpert weit über die sympathisierende Milieuschilderung hinausragen. Als „höchste Erfüllung der Gattung“ betrachtet er Romeo und Julia auf dem Dorfe (Gottfried Keller 1856). Auch erinnert er mit Namen wie Balzac, George Eliot, Hamsun, Turgenew daran, dass die dichterische Beschäftigung mit der dörflichen Welt eine europäische Erscheinung war.[1]

Schon seit dem 13. Jahrhundert gab es sogenannte Bauerndichtung, beispielsweise aus der Feder von Wernher der Gartenaere (wie seine Versnovelle Meier Helmbrecht). Zunächst entstammten die Autoren dieses Genres kaum aus dem bäuerlichen Milieu, da eine höhere Schreibfähigkeit in diesem Kreis nicht verbreitet war. Ab dem 18. Jahrhundert entwickelten sich aus einer realistischen Darstellungsweise landwirtschaftlichen Lebens die Dorfgeschichte und der Dorfroman. In der Schweiz trug zum Genre u. a. Gottfried Keller (Romeo und Julia auf dem Dorfe, 1855/1856) und in Österreich Ludwig Anzengruber bei (Der Schandfleck, 1877). In ihrem 1873 veröffentlichten Alpenroman Die Geier-Wally nutzte Wilhelmine von Hillern das Genre, um das Porträt einer selbstbewussten jungen Frau zu zeichnen, die sich den Konventionen der Weiblichkeit verweigert. Ludwig Thoma hatte sein Romandebüt 1906 mit dem Bauernroman Andreas Vöst.

Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts war der Bauernroman ein bei der Leserschaft äußerst beliebter Bestandteil des Naturalismus und der Heimatkunst. Als solcher überhöhte er die Welt der Bauern teilweise mythisch, später wurde er von den Autoren teilweise auch mit Blut-und-Boden- und rassenideologischem Gedankengut versetzt, wozu er sich besonders eignete, und wodurch sich insbesondere der Nationalsozialismus das populäre Genre zunutze machen konnte.[2]

Dass Bauernromane auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts keineswegs immer reaktionäre Tendenzen hatten, zeigt das Beispiel von Adam Scharrers Werk Maulwürfe, das sein Autor 1934 in der Tschechoslowakei publizierte, wohin er 1933 geflohen war.[3] Oskar Maria Graf veröffentlichte seinen im bayerischen Bauernmilieu angesiedelten Roman Der harte Handel 1935 im amerikanischen Exil.[4] Schon vor seiner Emigration hatte Graf verschiedene sozialkritische Prosawerke mit bäuerlichem Handlungsrahmen veröffentlicht (Die Chronik von Flechting, 1925; Finsternis, 1926; Das bayrische Dekameron, 1928). Schon in ihrem 1933 in Amsterdam publizierten Roman Der Kopflohn hatte Anna Seghers die Handlung auf dem Land angesiedelt, um darzustellen, wie der Nationalsozialismus in der bäuerlichen Bevölkerung Fuß fassen konnte.

Sehr erfolgreiche Bauernromane nach 1945 waren Anna Wimschneiders autobiografisches Werk Herbstmilch (1985) und Robert Schneiders Roman über einen Musiker, Schlafes Bruder (1992).

Literaturen anderer Länder

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Einen besonderen Stellenwert erhielten Bauernromane durch Autoren wie Bjørnstjerne Bjørnson (Synnøve Solbakken, 1857), Henrik Pontoppidan (Das gelobte Land, 1891–1895), Martin Andersen Nexø (Pelle der Eroberer, 1906–1910), Olav Duun (Die Juwikinger, 1918–1923) und Trygve Gulbranssen (Björndal-Trilogie, 1933–1935) im skandinavischen Sprachraum. Knut Hamsun wurde 1920 für Segen der Erde (1917) mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.

1924 erhielt für seinen Roman Die Bauern (1902–1908) auch der polnische Schriftsteller Władysław Reymont den Literaturnobelpreis. Dieses Werk steht in Polen nicht isoliert, sondern hat wichtige Anregungen aus der „Chłopomania“ des Jungen Polen empfangen. Henryk Sienkiewicz hatte 1894 einen Bauernroman Rodzina Połanieckich veröffentlicht. Vorangegangen waren Reymont auch Bolesław Prus (Der Vorposten, 1868) und Eliza Orzeszkowa (Die Hexe, 1885). Maria Konopnicka hatte über polnische Bauern Erzählungen und Gedichte beigetragen. Ein etwas jüngeres Beispiel aus Polen ist Wiesław Myśliwskis Roman Stein auf Stein (1984).

Noch breiteren Raum nimmt die Bauernprosa in der russischen Literatur ein mit Autoren wie N. Brikyn, Iwan Alexejewitsch Bunin (Das Dorf, 1910), A. Demidov, Aleksei Dorogoichenko, Michail Karpow, Olha Kobyljanska (Die Scholle, 1902), Nikolai Semjonowitsch Leskow (Liebe in Bastschuhen, 1863), Fedor Ivanovich Panaferov, A. Pestukhin, Alexei Feofilaktowitsch Pissemski, Michail Alexandrowitsch Scholochow, Iwan Sergejewitsch Turgenew (Neuland, 1877), Aleksei Artamonovich Tveriak und Peter Ivanovich Zamoyski.[5]

Bedeutende Bauernromane sind aber auch in der ungarischen (Zsigmond Móricz: Gold im Kote, 1910; Cécile Tormay: Mensch unter Steinen, 1911), italienischen (Gabriele D’Annunzio, Grazia Deledda; Ignazio Silone: Fontamara, 1933), französischen (Honoré de Balzac: Die Bauern, 1844; Émile Zola: Die Erde, 1887), flämischen (Stijn Streuvels), niederländischen (Geert Mak: Wie Gott aus Jorwert verschwand, 1996), britischen (Thomas Hardy: Tess von den d’Urbervilles, 1891) und isländischen Literatur (Halldór Laxness: Sein eigener Herr, 1934–1936) zu finden.

Mit Die gute Erde, dessen Handlung im Kaiserreich China angesiedelt ist, hat 1931 auch die Amerikanerin Pearl S. Buck einen viel beachteten Bauernroman publiziert. Andere amerikanische Bauernromane handeln, wie etwa John Steinbecks Der fremde Gott (To a God Unknown, 1933) oder die autobiografische Unsere-kleine-Farm-Reihe von Laura Ingalls Wilder vom Leben der nordamerikanischen Siedler. So auch Steinbecks Sammelband Das Tal des Himmels (The Pastures of Heaven, 1932), dessen zwölf Erzählungen ebenfalls das Leben kalifornischer Pioniere zum Thema haben. In Haiti schrieben Philipp Thoby-Marcelin, Pierre Marcelin und Jean-Baptiste Cinéas in den 1930er und 1940er Jahren mehrere literaturgeschichtlich wichtige Bauernromane.

Mit Memed mein Falke hat 1955 auch der türkische Schriftsteller Yaşar Kemal einen wichtigen Bauernroman vorgelegt. Als die ersten bedeutenden Autoren von Bauernprosa in Indien gelten Premchand (Die Kuhschenkung, 1936) und Manik Bandopadhyay. In der Volksrepublik China publizierte Zhou Libo 1957 einen großen Bauernroman Umwälzungen im Bergdorf (山乡巨变, Shanxiang ju bian), in dessen Mittelpunkt die Landreform und Kollektivierung unter der kommunistischen Führung stehen.[6] In Korea war Yi Kwang-su bereits 1933 mit einem großen Bauernroman, 흙 (Hŭk, „Die Erde“), hervorgetreten. 1969–1994 folgte Park Kyung-ni mit ihrer vielbändigen Familiensaga 토지 (Toji, deutsch: Land).

Literatur

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  • Peter Zimmermann: Der Bauernroman. 1975
  • Günter Helmes: „Manche freut der Regen, die haben noch Korn vom vorigen Jahr, die brauchen keins.“ Landleben, Landwirtschaft und Kapitalismus in Adam Scharrers Bauernroman Maulwürfe (1933). Mit einleitenden Hinweisen auf Anna Seghers’ Der Kopflohn (1933) In: Jahrbuch zur Kultur und Literatur der Weimarer Republik, Bd. 15, 2011/12, S. 147–176.

Einzelbelege

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  1. Dorfgeschichte. In: Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur. S. 182 f.
  2. http://www.westfr.de/ns-literatur/kap-1.htm
  3. Scharrer, Adam. Abgerufen am 14. Februar 2022.
  4. Oskar Maria Graf: Der harte Handel. Abgerufen am 14. Februar 2022.
  5. A. Reviakin: Russian Peasant Literature. Abgerufen am 11. Februar 2022.
  6. Chinese novelist Zhou Libo remembered. Abgerufen am 15. Februar 2022.