Die Diversifikation ist ein Begriff der (biologischen) Evolution. Sie ist ein Maß dafür, wie stark Erbgut verändernde Mutationen in einer Population durchschnittlich auftreten; wie weit Allele durchschnittlich vom Erbgut der Eltern abweichen. Eine große Diversifikation bedeutet, dass bei der Vererbung des Erbguts von den Eltern auf das Kind i.A. viele Mutationen auftreten, das Kind somit „weit entfernt“ von den Eigenschaften der Eltern sein kann. Dies fördert die Vielfalt. Eine geringe Diversifikation steht dafür, dass das Kind-Erbgut i.A. nur wenig Mutationen erfährt, das Kind somit „nahe“ an den Eigenschaften der Eltern liegt und ihnen „stark ähnelt“. Dies stabilisiert die ökologische Nische der Spezies. Die Diversifikation bestimmt somit (u.a.) die Biodiversität.
Große Beachtung findet die Diversifikation im Bereich der Informatik, wo sie im Bereich der „Evolutionären Algorithmen“ maßgeblichen Einfluss besitzt. Als aus der Natur übernommenes Prinzip ist die Diversifikation Teil der Bionik.
Beispiel
BearbeitenDurch die Mutationen des Erbguts einer Tierart von Generation zu Generation passt sich diese den natürlichen Auslesebedingungen immer besser an und findet so ein Optimum/eine „ökologische Nische“.
geringe Diversifikation
BearbeitenEs gibt nur geringe Mutationen, und die Anpassung geschieht zwar langsam, dafür ziemlich zielgerichtet. Ist das Optimum erreicht, ist sichergestellt, dass die Kindgeneration ebenfalls „nahe am Optimum“ liegt.
hohe Diversifikation
BearbeitenEs gibt große Mutationseinflüsse, die eine schnelle Anpassung ermöglichen – dafür gibt es aber auch häufig Kind-Individuen, denen die Vorteile der Eltern durch Mutationen „verloren gehen“, und die bzgl. der Auslesebedingungen „sehr schlecht“ sind.
Problem
BearbeitenEine geringe Diversifikation stellt sicher, dass sich in einem Optimum eine Anhäufung von Individuen einstellt, da die Kinder ja „nahe“ an ihren Eltern liegen. Sofern das Optimum jedoch nur eine lokale Extremstelle der Auslesebedingungen ist, haben Kind-Individuen aus diesem Häufungspunkt keine Möglichkeit mehr, aus dem lokalen Extremum zu „entkommen“ und eine bessere Lösung zu finden.
Ist die Diversifikation = 0, dann sind die Kinder ihren Eltern gleich – sie profitieren maximal von den Vorzügen ihrer Eltern, es kann aber keine Verbesserung mehr stattfinden. Sofern die äußeren Einflüsse eine rasche Anpassung notwendig machen, kann eine zu geringe Anpassungsrate zum Aussterben der Art führen (z.B. zu Beginn einer Eiszeit).
Eine große Diversifikation (also Mutationen, die sich weit vom Genom der Eltern entfernen) ermöglicht hier Abhilfe. Die Kinder können sich schneller auf ein Optimum zu entwickeln, und (sollte es nur ein lokales Optimum sein) haben die Chance, „auszubrechen“ und eine bessere Stelle zu finden. Als Nachteil ergibt sich dann jedoch, dass die Vorzüge und die Eignung, aufgrund derer die Eltern zur Vererbung befähigt/bevorzugt waren, sich weniger auswirken. Dies kann im Extremfall das Finden von optimalen Eigenschaften gänzlich verhindern – die Kinder „erben gar nichts mehr“ von den Eltern, ihre Eigenschaften sind zu sehr zufällig, die Entwicklung hat ihre „Zielrichtung“ auf das Optimum verloren.
Untere und obere Schranke der Diversifikation für eine mögliche Verbesserung der Population beschreiben das Evolutionsfenster.
Lösungsansätze
BearbeitenBeispiel „Verinselung“: Man betrachte die Individuen als „auf Extremstellen-Inseln lebend“. Die Diversifikation sei eher gering, so dass die Population sich zwar langsam, aber sehr zielgerichtet auf das naheliegendste Extremum zu entwickelt (selbst wenn es nur eine lokale Extremstelle ist). Die Gefahr besteht, dass sich die Population auf „eine Insel einschießt“, obwohl diese nicht das globale Optimum ist.
Nach n Generationen wird die Mutation für eine Generation stark erhöht; die Kind-Individuen werden von der „aktuellen Extremums-Insel“ „aufs Meer hinaus“ geschickt. Die Kinder landen vermutlich im Wasser und nicht direkt wieder auf einer Insel; aber es ist nun möglich, dass ein Kind dabei derart geprägt wurde, dass sich von ihm ausgehend die Evolution auf das absolute Optimum zuentwickeln würde. Den Kindern wird nun einige Generationen (m) Zeit gegeben, „ihre Insel zu finden“ (getrennte Populationen, Verinselung, jede Population hat für eine Weile „ihre eigene abgeschirmte Insel“). Danach werden alle Individuen wieder zusammen gebracht (incl. der anfänglichen Ursprungs-Insel), womit „schlechte Inseln“ wegfallen und die beste gefundene zur neuen „Heimatinsel“ wird (p Generationen).
Das „aufs-Meer-Schicken“ wird alle (n+m+p) Generationen wiederholt.
- n .. (lokales) Optimum auf der (aktuellen) Heimatinsel finden
- 1 Generation „Spread-Out“
- m .. jede Insel optimiert „für sich“
- p .. Wettkampf der Insel-Besten
Wichtige Anwendungsfälle
BearbeitenDie Diversifikation ist im Rahmen der natürlichen Evolution nur schwer in messbare Zahlenwerte zu fassen, da eine „Entfernung“ zwischen Eltern und Kind hier schwer zu definieren ist. Wesentlichen Einfluss und diesbezügliche Untersuchungen gibt es aber im Rahmen von Evolutionsalgorithmen, also Computersimulationen der Vererbung, die i.A. als Strategien zum Lösen komplexer nicht-analytischer Problemstellungen verwendet werden (Genetischer Algorithmus).
Weblinks
Bearbeiten- Diversifikation als Gegenstand der Quantitativen Genetik
- Adaptive Random Search with Intensification and Diversification combined with Genetic Algorithm, Seite 10
- Schriften zu Genetischen Ressourcen; Schriftenreihe des Informationszentrums für Genetische Ressourcen (IGR) / Zentralstelle für Agrardokumentation und -information (ZADI); Band 11: Populationsgenetische Untersuchung von Blei (Abramis brama), Güster (Abramis bjoerkna), Plötze (Rutilus rutilus) und Rotfeder (Scardinius erythrophthalmus) aus Gewässern des nordostdeutschen Tieflandes : genetische Variabilität, genetische Distanz, unterbundener Individuenaustausch, Verinselung, Heterozygotie