Staatliche Verfolgung und Repression
BearbeitenDie staatliche Verfolgung von Prostituierten bzw. der Prostitution ist begrifflich in mehrfacher Hinsicht voraussetzungsvoll.
Zum einen ist aufgrund der 6000 jährigen Geschichte der Prostitution nicht immer eindeutig inwieweit ein moderner Staatsbegriff zugrundegelegt wird und es sich um eine tatsächliche aktive oder duldende Verfolgungspraxis eines Staates und seiner Organe wie Justiz, Polizei, Militär und Verwaltung oder um die Verfolgung durch außerstaatlichen Einrichtungen wie religiöse Institutionen und zivilgesellschaftliche Gruppen wie z.B. religiöse Eiferer oder Anhänger der Sittlichkeitsbewegungen handelt.
Zum anderen besitzt der Begriff der Prostitution eine Unschärfe, da er historisch oftmals gleichgesetzt wurde mit jedweder Sexualpraxis, die den jeweiligen kulturellen Normen widersprach (z.B.: Ehebruch, Promiskuität, etc.).
Ferner ist der Begriff der Verfolgung nicht immer von der staatlichen Regulation zu unterscheiden und muss zudem im Kontext der jeweils gängigen Sanktionspraxis bei Verstössen gegen rechtlich kodifizierten oder religiös-kulturell überlieferten Normen gedeutet werden.
Zudem wurden nicht alle staatlichen Verfolgungen für alle Prostituierten gleichmaßen sondern oftmals nur für bestimmte Prostitutionsformen wie Strassen- oder Militärprostitution, un- oder registrierte Prostitution, für bestimmte Ethnien, Geschlechter oder Religionen von Prostituierten oder für bestimmte Sexualpraxen (Homosexualität, Oral- und Analverkehr, u.a.) und Körperstellungen (insb. Abweichung von der Missionarsstellung), angewandt.
Zusammenfassend lassen sich grob folgende Verfolgungspraxen unterscheiden die oftmals als Kombination auftraten:
- Informatorische Zwangsmaßnahmen wie Zwangsregistrierung und Meldepflichten.
- Kennzeichnung sowohl durch reversible äußere Symbole wie verpflichtende aber auch verbotene Kleidung, Frisuren, Schmuck, etc. als auch durch irreversible körperliche Kennzeichnung wie Brandmale, Tätowierungen und Verstümmelungen.
- Geografische Verbote und Zwangsmaßnahmen wie Sperrbezirke, Zugangsverbote, Ausgangssperren, Hausarrest, Kasernierung, Deportation und Gefängnis.
- Entzug bürgerlicher Rechte und Zwangsbehandlungen wie Einschränkung der Rechtfähigkeit, Heiratsverbot, Fürsorgeaufsicht, Entzug der Kinder, medizinische Zwangsuntersuchungen und -behandlung, Zwangssterilisation, Zwangsabtreibung, Umerziehung und Zwangsarbeit.
- Körperliche Bestrafung wie Schläge, Auspeitschen, Vergewaltigung, Zwangsprostitution, Folter, Verstümmelung und Hinrichtung.
- Gezielte Infektion mit Geschlechtskrankheiten.
Generell wurde und wird die Bekämpfung der Prostitution sowie die Verfolgung und Diskriminierung von Prostituierten mit der Sorge um den allgemeinen sittlichen und gesundheitlichen Zustand der Gesellschaft begründet, zugleich aber auch zur Durchsetzung rigider Wert- und Moralvorstellungen wie Arbeits- und Ausbildungsverbot für Frauen oder diesbezügliche Beschränkungen, Abtreibungsverbot, Strafbarkeit homosexueller Handlungen usw. genutzt.
Frühgeschichte
BearbeitenBereits in den ersten frühgeschichtlichen Rechtstexten lassen sich Kleidungsvorschriften für Prostituierte finden. So ist den mittelassyrischen Rechtssammlungen zu entnehmen, dass die unerlaubte Verwendung eines Schleiers für Sklavinnen und Dirnen unter Strafe stand.[1] Dieses Verhüllungsverbot für Prostituierte und Sklaven diente der sozialen Deklassierung und Stigmatisierung als "öffentliche Frauen" sowie zur Unterscheidung von respektablen freigeborenen Ehefrauen oder monogamen Konkubinen. Unverschleierte Frauen galten entsprechend als sexuell nicht respektabel. Verstösse gegen das Verhüllungsverbot und die Denunziationspflicht wurden mit öffentlicher Entkleidung, Stockschlägen, Übergießen mit Erdpech, Marterung der Ohren ("[...] Ohren werden sie durchbohren, mit einer Schnur durchziehen und nach hinten binden [...]")[2] und Fronarbeit bestraft. Einschränkend ist allerdings zu ergänzen, dass dies zum einen nicht für die Beteiligten an kultisch und staatsreligiös eingebetteten prostitutiven Handlungen innerhalb des Tempels galt (vgl.-> Tempelprostitution) und zum anderen der Übergang von öffentlichen Prostituierten und Sklaven fließend war.[3]
Unter den vielfältigen religiösen und säkularen Prostitutionsformen der Induskulturen ist von den ursprünglich meist männlichen Hijras bekannt, dass an Ihnen Kastrationen durchgeführt wurden.[4][5] Berichtet wird auch von Implantation mit Ringen und Perlen am Penisschaft sogenannter "Lustknaben" zur Verbesserung der Penetrationseigenschaft[6] sowie von Tätowierungen.[7][8]
Antike
BearbeitenIm Zuge der Säkularisierung der Prostitution im Hellenismus fiel die Prostitution zunehmend unter staatliche Kontrolle. Kennzeichen waren die Einrichtung von Gebäuden (porneia), die Festlegung von Preisen, die Einführung öffentlicher Register und die Pflicht die Einnahmen je nach Prostitutionsform vollständig oder teilweise an die Polis abzuführen. Deikriden (gr.: "ausgestellte Mädchen") waren meist Sklaven die in den Fenstern und Türen der Bordelle ausgestellt wurden und das unterste Prostitutionssegment darstellten. Ihnen war es in den meisten Städten verboten, sich vor Einbruch der Dunkelheit auf der Strasse zu zeigen, damit respektable Frauen ihr Anblick erspart blieb. Männliche Prostituierte unterlagen besonderen staatlichen Kontrollen.[9][10]
Im antikem Roms unterlag die Prostitution von 500 v. Chr. an der staatlichen Kontrolle durch einen staatlichen Censor. (vgl.: Frauen im Alten Rom Neben der Residenzpflicht in bestimmten Gebäuden nach hellenistischen Vorbild, galten je nach Rang der Prostituierten differenzierte Kleidungsvorschriften. So war Purpur als Kleidungsfarbe und das Aufstecken der Haare verboten. Männliche Prostituierte wurden oftmals von Gladiatorenschulen an wohlhabende männliche wie weibliche Kunden ausgeliehen. Erst mit Kaiser Konstatin erlangten Prostituierte, die eine eigene Wohnung besaßen eine gewisssen Rechstsicherheit, als sexuelle Übergriffe auf sie ungesetzlich und mit den Vergehen an Ehefrauen und Jungfrauen gleichgestellt wurden.[11]
Kastrationen männlicher Prostituierte finden sich sowohl im hellenistischen Griechenland als auch im antiken Rom der Kaiserzeit. Je nach erwünschter prostitutiver Sexualpraxis wurden entweder Penis und Hoden entfernt (lat. castratis), die Hoden abgerissen (lat.spandones; die Halbkastrierten) oder -um die Erektionsfähigkeit zu erhalten- zerquetscht (lat.thilibia).[12] Ausgeprägte Kastrationskulturen (vgl.: Eunuchen, Kastraten) sind auch aus China, dem vorderen Orient und dem europäischen Mittelalter bekannt. Der Übergang von Prostitution über tänzerische und musikalische Unterhaltung bis hin zu hohen religiösen und verwaltungstechnischen Ämtern, war allerdings fließend.
Mittelalter
BearbeitenIn der Standesgesellschaft des Mittelalters des 14. und 15. Jahrhunderts zählten Prostituierte wie Leibeigene, Juden, Zigeuner sowie Angehörige bestimmter Berufsgruppen wie Henker, Totengräber oder Abdecker zu den sogenannten unehrlichen Leuten und galten als mit dem Schandmal (macula infamiae)[14] geschlagen. Dies galt im besonderen, wenn sie ihre Gewerbe selbstständig und außerhalb geschlossener Siedlungen ausübten.
Begrifflich war der Ausdruck Prostituierte allerdings unscharf, da "jede Handlung die auf die Befriedigung der eigenen oder fremden Sinneslust gerichtet ist und das Schamgefühl in geschlechtlicher Hinsicht verletzt"[15] in der kirchlichen Gesetzgebung als Unzucht und insbesondere aller Formen des außerehelichen Geschlechtsverkehr als Hurerei bezeichnet wurden, unabhängig davon, ob damit Geld verdient wurde oder nicht. Zudem unterlagen Prostituierte in Form sogenannter Sendgerichte oftmals der geistlichen Gerichtsbarkeit.[16][17] Prostituierte waren von bestimmten Rechten (Lehnsfähigkeit, Gundbesitz, u.a.), städtischen Ämtern oder Zünften ausgeschlossen. Ob und wie scharf die Diskriminierung praktiziert wurde, war jedoch nach Ort und Zeit verschieden. Während z.B. im Bereich der Hanse gewerblich strikte Ausschlussregeln galten, existierten im Süden und Westen Deutschlands durchaus eigene (niederrangige) Zünfte.[18][19] Die Prostitution war daher jederzeit von kirchlichen oder weltlichen Staatsgewalten verfolgbar, aber gleichzeitig u.a. aus ökonomischen Gründen vielfach geduldet und lokal z.B. bei öffentlichen Veranstaltunen weitgehenden akzeptiert.[20][21]
Auch die Kennzeichnung durch sogenannte Schandmale bzw. Schandfarben war üblich, indem Prostituierte speziellen Kleiderordnungen unterworfen wurden, die ihnen das Tragen bestimmter Schuhe, Bänder, Umhänge oder Schleier vorschrieb bzw. verbot. Nach der Frankfurter Kleiderordnung von 1488 mussten sich Prostituierte so kleiden, dass ihr geringeren Wert sichtbar war. Meist war die Schandfarbe gelb, aber auch rot, grün oder weiß war möglich. Die Kleidervorschriften jeder Stadt waren verschieden: Gelbes Tüchlein an der Achsel in Wien, Schleier mit einem grünen Strich in Augsburg, gelbe Verbrämung (Saum) in Frankfurt a. M., ein rotes Käppeli in Zürich und Bern, ein gelbes Abzeichen in Regensburg. In den südlichen Niederlanden mussten Ehebrecherinnen, Kupplerinnen und Prostituierte gelbe Mäntel tragen. Gelb galt als die Schandfarbe schlechthin und war vorgeschrieben um Prostituierte in die Nähe jüdischer Einwohner zu rücken. Ferner war vielfach das Haar offen zu tragen und entsprechend das Hochstecken bzw. das Bedecken der Haare für Prostituierte verboten.[22] Verstösse gegen Kleider- und Bordellordnungen, aber auch Verstösse gegen die allgemeine Sittsamkeit wie Unzucht, Untreue, etc. konnten wie andere Gesetzesverstösse auch mit einer Brandmarkung bestraft werden.[23][24] Ein mögliches Brandmal wegen Prostitution war die Figur eines Mannes ohne Kopf auf der Stirn.[25] Doch auch das Brandmarken auf Rücken, Schulter, Oberarm oder Wange war möglich.[26][27]
Literarische Hinweise auf ein Brandmal in Form einer schwarzen heraldischen Lilie (Fleur-de-Lys) auf der linken Schulter als Zeichen für eine Prostituierte, lassen sich im Roman "Die drei Musketiere" von Alexander Dumas finden.
Auszug aus der Polizeiverordnung für ein gesetzmäßiges „Hurenhaus“ im Mädchenkloster zu Avignon, Erlassen am 8. August 1347 von Königin Johanna I.[28] |
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Wie bei mittelalterlichen Rechtsverstössen weit verbreitet, mussten verurteilte Prostituierte Objekte anfertigen lassen, die zusammen mit einem Hinweis auf die Tat im Gerichtssaal oder auf öffentlichen Plätzen (Pranger) zur Schau gestellt wurden.[29][30]
In Norditalien und England begann die öffentliche Kontrolle der Prostitution bereits im 13. Jahrhundert mit der Einrichtung von besonderen Hurenvierteln mit Residenzpflicht und festgelegten Steuerverpflichtungen, die zur Finanzierung von Kirchenbauten z.B. dem Petersdom genutzt wurden.
Im 15. Jahrhundert dominierte die organisierte Bordellprostitution halb Europa. Öffentliche Registrierungen und regelmäßige Kontrollen der Prostituierten waren ebenso die Norm, wie das Prostitutionsverbot an bestimmten kirchlichen Feiertagen und ausdifferenzierte Bordellvorschriften hinsichtlich verbotener Sexualpraktiken wie Anal- und Oralverkehr oder Abweichung von der Missionarsstellung, dem Verbot jüdischer und muslimischer aber auch verheirateter Freier, Verbot von unentgeltlichem Geschlechtsverkehr, u.a.
In England war es Prostituierten verboten zu heiraten.
Im späten Mittelalter war das Phänomen der Gruppenvergewaltigung weit verbreitet, dass von kirchlichen Vertretern und Stadträten gebilligt wurde, denn Geschlechtsverkehr mit einer Prostituierten gegen ihren Willen galt als legal. Mit dem Ruf "Hure" legalisiert, überfielen junge Männer Frauen die sich alleine an außergewöhnlichen Zeiten an außergewöhnliche Orten aufhielten.[31][32]
Im Rahmen der christlichen Inquisition wurden zahlreiche Prostituierte als Hexen verbrannt.[33][34]
16. und 17. Jahrhundert
BearbeitenInsbesondere in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhundert kam es in Europa zu einer heftigen moralischen Säuberungsbewegungen mit drastischer staatlichen Verfolgung von Prostituierten, da sie für die Verbreitung der aus Amerika eingeschleppten Syphilis verantwortlich gemacht wurden. Angefangen in protestantischen Ländern wurden Bordelle geschlossen, die Prostitution verboten und Prostituierte an den Pranger gestellt, das Kopfhaar rasiert, die Ohren abgeschnitten, ausgepeitscht, ins Zuchthaus gesperrt, der Stadt verwiesen oder hingerichtet. Im Zuge der Gegenreform wurde diese Praxis auch zunehmend in den katholischen Ländern etabliert, wenn auch weniger drastisch.
In der dänischen Stadt Helsingǿr verlanget König Frederik II im Juli 1574 vom Stadtrat: "sämtliche Prostituierte festzunehmen, sie öffentlich auszupeitschen und aus dem Stadttor zu treiben. Wenn sich eine Frau zurück wagte, sollten ihr die Ohren abgeschnitten werden. Kam sie zum drittenmal zurück, sollte sie in einen Sack gebunden und versenkt werden".[35] In Toulouse wurden verurteilte Prostituierte zu einem Felsen mitten im Fluss gebracht und: "steckt sie in einen Eisenkäfig und senkt sie dreimal hinab, aber nicht solange, dass sie ertrinkt"[36] Der dänisch-norwegische König Christian III befahl 1546 alle Prostituierte aus den Krankenhäusern auszuweisen. In der Mitte des 16. Jahrhundert war der Großteil der Bordelle geschlossen. Ehemalige Prostituierte wurden als "reuige Sünderinnen" in Klöstern und Konventen verbracht, wo sie Arbeiten für die Eigentümer verrichten mussten.[37]
Im Japan des 17. Jahrhundert wurde die Prostitution vom amtierenden Shogun in Edo (heutiges Tokyo) staatlich organisiert. Das Resultat war eine von Mauern begrenzte Stadt in der Stadt namens Yoshiwara die den komplexen japanischen Prostitutions- und Liebeskulten vorbehalten war. Neben differenzierten Kleidungs- und Frisurvorschriften sowie weitreichende monetäre Abgabepflichten an sekundäre Dienstleister wie Vermieter, Träger, Sänger, etc. durften Prostituierte aufgrund der erotischen Bedeutung weiblicher Füße, keine Schuhe tragen. Durch die besondere Verbindung von Liebe und Tod in Japan wurde von Prostituierten als Liebesbeweis Tätowierungen, das Herausreißen von Fingernägeln, die Amputation von Zehen- und Fingergliedern oder der gemeinsamer Selbstmord Shinjū erwartet.[38] Durch die US-amerikanische Bombardierung von Yoshiwara im März 1945 starben 400 Prostituierte und einige hundert ertranken bei dem Versuch sich im Sumida-Fluss zu retten.[39]
18. und 19. Jahrhundert
BearbeitenIn diese Zeit stieg die Bordellprostitution erneut an und insbesondere in der Belle Époque wurde die Prostitution in der Malerei (Toulouse-Lautrec, Manet, Cézanne, Morel-Retz, Jean-Louis Feraud, Degas, Liebermann, Munch, u.a.) und der Literatur (Dumas, Balzac, Zola, Flaubert, Hugo, Baudelaire, u.a.) thematisiert. Ursächlich für den Aufschwung der Prostitution war u.a. die sexualfeindliche ideologische Entwicklung in der Medizin mit der Bekämpfung der Masturbation, der Homosexualität sowie der weiblichen Sexualität. So sollten, um Gesundheitsschäden zu vermeiden, Ehefrauen nicht öfter als einmal im Monat Geschlechtsverkehr haben, während Männer mindestens jeden vierten Tag den Koitus vollziehen sollten. Während die Bordelle ein weites Spektrum von luxueriösen Villen bis hin zu billigen Absteigen umfassten, waren die Bordellordnungen hinsichtlich Arbeits- und Essenszeiten, Freizeit, u.a. über fast alle Preiskategorien hinweg nahezu identisch rigide und ähnelten Klöstern, was auch die synonyme Verwendung der Begriffe "Äbtissin" und "Bordellwirtin" erklärt. Bordellwirtinnen durften nicht heiraten und die Prostituierten waren ihr weitgehend zu Gehorsam verpflichtet. Der Tagesablauf der Prostituierten war straff durchorganisiert. Beziehungen zu Männern außerhalb der Bordelle waren verboten und Besuche zu Hause wurden nur äußerst selten erlaubt. Bordelle unterlagen Auflagen der Gesundheitsbehörden und Prostituierte mussten sich polizeilich registrieren lassen und regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen unterziehen, wobei es immer wieder zu Übergriffen und Repressalien durch Mediziner und Polizeikräften kam. Wiederholt legten daher Prostituierte wie 1867 in der französischen Stadt Parthenay Feuer im Bordell, um sich zu befreien.[40]
Die in Frankreich praktizierte staaliche Reglementierung basierte auf den Arbeiten des französischen Arztes Alexandre Jean Baptiste Parent-Duchatelet die er 1835 unter dem Titel De la Prostitution dans la ville de Paris, considérée sous le rapport de l’hygiène publique, de la morale et de l’administration (Prostitution in der Stadt Paris, in Bezug auf die öffentliche Gesundheit, Moral und Verwaltung)[41] veröffentlichte. Bereits 1870 hatten ganz Europa und große Teile der Welt die französische réglementation de la prostitution von Parent-Duchatelet übernommen. Die polizeiliche Registrierung von Prostituierten und ihre regelmäßige medizinische Kontrolle mit gynäkologischen Instrumenten war zur Weltnorm geworden und galt insbesondere innerhalb der internationalen Ärzteschaft sowie des Polizei- und Militärwesens als „einzig denkbare Lösung gegen sexuelle Unmoral und Geschlechtskrankheiten.“[42]
Auszug aus den Ausführungen über die "Kuppelei und Bordellwirtschaft" im Preußischen Landrecht II. 20 von 1795 :[43] |
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Die Bestrafung von Prostituierten erfolgte in der Regel immer dann, wenn gegen die Kontroll-, und Meldeauflage verstoßen wurde. Durch die Melde- und Registrierungspflichten machten sich jedoch alle Frauen mit außerehelicher Sexualität der Prostitution verdächtigt. Mit Zuchthaus besonders strafbewehrt war, wenn die Prostituierte sich trotz Wissen über Geschlechtskrankheiten weiter prostituierte. Dies führte zu einem Anstieg willkürlicher Beschuldigungen und der Entstehung der Sittenpolizei, welche die Einhaltung der Prostitutionsgesetze durch unangemeldete Kontrollen und Prüfungen von Beschuldigungen überwachte und Verdächtigte der medizinischen Zwangsuntersuchung und -behandlung zuführte.[44]
Ende des 19. Jahrhundert geriet die regelemntierte Prostitution durch den Moralismus und Abolitismus der Sittlichkeits- und bürgerlichen Frauenbewegung in die Kritik. Ihre Forderung war sämtliche Formen der Prostitution zu verbieten und alle Prostituierten gesetzlich zu verfolgen. Die Bekämpfung der Prostitution war dabei eingebettet in den Kampf gegen Empfängnisverhütung, Homosexualität, Masturbation, Alkoholismus und Spielsucht, die als Ursachen für den allgemeine Sittenverfall der Zeit ausgemacht wurden. Es kam zu Patrouillen von Prostitutionsgegnern in den einschlägigen Stadtteilen der Großstädte. Dabei kam es zu teilweise gewalttätigen Übergriffen gegen Prostituierte aber auch zu Befreiungsaktionen tatsächlich oder vermeintlich eingesperrter Prostituierter und ihre anschließende Verbringung in Einrichtungen zur Wiedereingliederung.[45]
1. Weltkrieg
BearbeitenIm Zuge der allgemeinen Kriegsbegeisterung vollzogen sich auch in den Vorstellungen von Sittlichkeit und Moral erhebliche Änderungen. Bisherige Vorstellungen und Gebote wurden als einengend wahrgenommen und Sexualität durch eine "Erotisierung des Militärischen und einer Militarisierung der Erotik entgrenzt". Psychoanalytisch wird die Massenbegeisterung bei Kriegsausbruch als kollektiviert "legitimierte, erlaubte Triebausbrüche“ gedeutet, welche sich gegen eine als "einengend empfundene bürgerlich-puritanisch Keuschheitsvorstellung" richtete.[46]
Mit Kriegsbeginn erfolgte eine die gesamte Bevölkerung umfassende räumliche Trennung bisheriger Geschlechterbeziehungen. Der überwiegende Teil der männlichen Bevölkerung Europas war aus den normalen Verhältnissen gerissen und kam daher als Verbraucher der Kriegsprostitution in Betracht.[47]. Die Militärprostitution des 1. Weltkriegs unterschied sich jedoch von den Bisherigen. Zum einen waren aufgrund des Stellungskrieges feste Gebäude nötig und zum anderen bekam die Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten rasch eine militärstrategische Relevanz. Versuche insbesondere aus medizinischen Kreisen, angesichts des Infektionsrisikos "den Geschlechtsverkehr für Soldaten gänzlich zu verbieten",[48] wurden von der Militärführung mit dem Hinweis: "ein Verbot widerspräche dem soldatischen Empfinden"[49] abgelehnt. Gab es zu Kriegsbeginn durchaus "mobile Feldfreudenhäuser" für Offiziere, wurden Anfang 1915 zuerst an der westlichen und später an den östlichen Frontabschnitten in allen Kampfgebieten in kurzer Entfernung von den Kampflinien feste Feldbordelle eingerichtet.[50]
Feldbordelle waren weitgehend in die Militärorganisation eingegliedert. Öffnungszeiten, Preise, Leistungen und Kontaktzeiten waren detailliert vorgeschrieben. Bewachung und die Einhaltung der vorgeschriebenen Trennung militärischer Ränge sowie der Maßnahmen und Verfahren zur Vorbeugung von Infektionen wurde von Militärangehörigen durchgeführt. Soldaten wurden regelmäßig auf bestehende Geschlechtskrankheiten genital inspiziert und geschlossen ins Feldbordell abkommandiert. Dort hatten sie sich vorher und nachher unterschiedlichen medizinischen Behandlungen zu unterziehen. Neben äußerlichen Genitalpräparaten wie Salben (z. B.: Borvaseline) und Seifen, gab es Einspritzungen in die Harnröhre mit dem Silberpräparat Protargol („Tripperspritze“).[52]
Geschlechtsverkehr außerhalb der Feldbordelle war verboten. Zur Durchsetzung des Verbots waren Feldbordelle meist eingezäunt und bewacht. Straßen und Privatwohnungen wurden von der militärischen Sittenpolizei kontrolliert, überwacht und durchsucht um unkontrollierte Prostitution zu verhindern. Verstösse wurden mit medizinischen Zwangsuntersuchungen, –behandlungen und -einweisungen sowie der Verpflichtung zur militärischen Sittenkontrolle mit regelmäßigen medizinischen Kontrollen der verdächtigten Frauen geahndet. Widerholte Verstöße führten zu Gefängnis und Zuchthausstrafen. Die Folge waren Zwangseinweisungen und Zwangsprostitution in Militärbordellen.
Hunger und Armut der Zivilbevölkerung und der kaufkräftige Sold der Soldaten führten zu einem raschen Ansteigen der Prostitution. Sexuelle Leistungen gegen Gütern des täglichen Bedarfs wurde zu einem gängigen Tauschgeschäft zwischen weiblichen Zivilisten und männlichen Soldaten. Ein typischer Preis war ein Kommissbrot,[54] aber auch bereits für ein Stück Seife oder einige Zigaretten boten sich Prostituierte an.[55]
Die interne Verwaltung der Bordelle wurde von der deutschen Besatzungsarmee in Belgien wenig beeinflusst.[56] Die Bordellwirtin wurden meist von den Kommandanturen eingesetzt oder anerkannt und Hausordnungen genehmigt. Hygienisch-medizinische Angelegenheiten oblagen den deutschen Polizeiärzten. Die Prostituierten durften das Bordell nicht verlassen und mussten Nahrung, Kleidung und Miete überteuert bei der Leiterin erwerben.[57] Unter den Insassinnen befanden sich frühere Prostituierte, verarmet Frauen die sich unregistriert prostituiert hatten und der "gewerbsmäßigen Unzucht" Verdächtigte. Letztere stammten häufig aus Denunziationen wegen Verbreitung von Geschlechtskrankheiten.[58] Ferner gab es Überschneidungen von Prostitution und militärischen Hilfsdiensten. Anfänglich waren es weibliche Heimatfreiwillige später aber zunehmend in den besetzten Gebieten zwangsrekrutierte Frauen die militärische Versorgungsarbeiten wie Nähen, Kochen, Pflegen, Betreuen und Unterhalten ausführten. In der Stadt Lille im belgischen Besatzungsgebiet wurden Männer und Frauen im Alter von 14 bis 55 als Zivilarbeiterbataillone zwangsrekrutierte. Im ostpreußischen Besatzungsgebiet befahl der Gouverneur Bierfreund am 28. August 1914[59] dass, alle Frauen gegen Bezahlung den Angehörigen des russischen Heeres die Wäsche zu waschen haben.
In der österreichisch-ungarischen Armee sehr weit verbreitet war eine, vermutlich ironisch gemeinte[61], Dienstanweisung mit dem Titel: "Organische Bestimmungen über die Auftsellung, Organisation, den Betrieb und militärische Leitung, Unterstellung und Verwaltung von mobilen Feld- und Reserve-Freudenhäusern (Feldbordellen respektive Feldpuffs)". In Anlehnung an die Verfahrensweise bei "wegen Gefährsmängel" ausgemusterten Militärpferden[62] heißt es dort unter Punkt 7 Weibliches Personal: "Das weibliche Personal gliedert sich in drei Gruppen a) Offiziersmädchen, b) Mannschaftshure 1. Klasse und c) Mannschaftshure 2. Klasse. Letztere führen auch die Bezeichnung "Schützengrabenmenscher". Das Vorrücken aus der Kategorie b) oder c) in die Kategorie a) ist ausgeschlossen […] Sich für die Kategorie a) infolge Abnützung nicht mehr eignende Individuen werden in die Kategorie b) übersetzt.[…] Eignet sich ein Schützengrabenmensch auch für diesen Zwecke nicht mehr, so ist es mit dem verkehrten Kaiserbrande auf der linken Hinterbacke zu versehen, auszumustern und bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit ausgiebig angesteckt dem Feinde zu übergeben".[63]
Ob und inwieweit von dieser Dienstanweisung gebraucht gemacht wurde, ist nicht bekannt. Ob es sich um eine aktive Forderung oder aber eine duldende Praxis der Militärführung handelt, ist unklar.
Die sanitäre Kontrolle der bordellierten Prostitution durch die Militärbehörden erwies sich als unzureichend, um die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten aufzuhalten. Der Wegfall industrieller und gewerblicher Arbeitsplätze aufgrund der Besatzungspolitik und der Militarisierung der Wirtschaft führte zu einem raschen Anstieg der wirtschaftlichen Not der Zivilbevölkerung. Durch den Militärdienst der sexuell aktiven männlichen Bevölkerung fehlten einerseits Familienernährer, was die Armut der Familien verschärfte und erhöhte sich anderseits die Nachfrage nach käuflicher Sexualität.[64] Zeitgenössische Beobachter beschreiben die Situation mit: "Dem Krieg als großen Kuppler".[65] Im Ergebnis stieg sowohl die behördlich kontrollierte als auch die unregistrierte sogenannte „geheime“ Strassen- und Wohnungsprostitution. Der folgende rasche Anstieg der Geschlechtskrankheiten verschärfte die Maßnahmen der zuständigen Behörden gegen die Geheimprostitution: Jedes Haus konnte jederzeit bei Verdacht der Geheimprostitution von der Polizei durchsucht, und verdächtigte Frauen festgenommen, gynäkologisch untersucht und in geschlossenen Einrichtungen behandelt und der kontrollierten Prostitution unterstellt werden.[66] Die kaiserliche deutsche Zivilverwaltung Polen vom 22.6.2015 bedrohte "Frauenspersonen die, obwohl sie wissen, dass sie geschlechtskrank sind, mit Männern verkehren, mit Gefängnisstrafen von zwei Monaten bis zu einem Jahr".[67] In elsässischen Gaede wurden gemäß Verordnung des Oberkommandos vom 21.3.2016 "alle Zivilpersonen die außerehelich geschlechtlich verkehren, obwohl sie wissen oder annehmen können geschlechtskrank zu sein", mit Geldstrafe oder bis zu einjähriger Haft bestraft.[68] Im polnischen Twoski wurde ein Arbeitshaus für "renitente" Prostituierte errichtet [69]
Weimarer Republik
BearbeitenDie Gesetzesänderungen der Weimarer Republik führte zu einer kurzzeitigen Lockerung der polizeilichen Reglementierung der Prostitution. Im Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten von 1927 wurde das polizeiliche Reglementierungssystem abgeschafft und stattdessen eine freiwllige Gesundheitskontrolle eingeführt die nun von den Gesundheitsbehörden übernommen wurden und insbesondere polizeiliche Willkür verhindern sollte. Denn § 361 Nr. 6 StGB vom 15. Mai 1875 besagte: "Mit Haft wird bestraft eine Weibsperson, welche polizeilichen Anordnungen zuwider, gewerbsmäßige Unzucht betreibt".[70] Da die polizeilichen Anordnungen deren Nichtbeachtung die Strafbarkeit begründete, nicht näher gesetzlich erläutert wurden, kam es zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit und Willkür durch die Polizeibehörden.[71] Neben der gängigen Verpflichtung zur ärztlichen Kontrolle und nur in bestimmten Straßen zu arbeiten, konnten polizeiliche Anordnungen auch das Verbot umfassen mit bestimmten Männern zu verkehren oder bestimmte Lokalitäten aufzusuchen sowie in bestimmten Straßen oder sogar Häusern zu wohnen (sogenannte Kasernierung der Prostitution). Zudem musste der Polizei zu jeder Tag und Nachtzeit Eintritt in die Wohnung gewährt sowie Vorkehrungen getroffen werden, dass die Polizei auch bei Abwesenheit die Wohnung betreten konnte und der Polizei regelmäßig ein aktuelles Bild zur Verfügung gestellt werden.[72]
Mit der Gesetznovelle von 1927 machte sich nur noch strafbar "wer öffentlich in einer Sitte und Anstand verletzenden oder anders belästigenden Weise zu Unzucht auffordert oder sich dazu anbietet". Prostitution galt jedoch weiterhin als sittenwidriges Rechtsgeschäft im Sinne des § 138 I BGB.[73] Während sich die expliziten Prostitutionsgesetze ausschließlich an weibliche Prostituierte richteten, waren sie Regelungen der männlichen Prostitution im Strafgesetzbuch zu finden, der die allgemeine Strafbarkeit männlicher Homosexualität regelte. Dort hieß es in § 175: „Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.“[74]Dabei wurde zwischen "qualifizierten Fälle" und "einfacher Homosexualität" unterschieden. So war für die einfache Homosexualität (der Freier) eine Gefängnisstrafe vorgesehen, wohingegen für die qualifizierten Fälle (Prostituierter) eine Zuchthausstrafe mit schwerster körperlicher Zwangsarbeit von bis zu fünf Jahren vorgesehen war.[75]
Nationalsozialismus
BearbeitenIm Nationalsozialismus wurden Prostituierte im besonderen Maße staatlich verfolgt und kriminalisiert, denn sie galten als minderwertig, asozial, schwachsinnig, gefühlskalt und nicht bereit zur ehrlichen Arbeit.[76] Nach § 361 Nr. 6 RStGB vom 1. Juni 1933 wurde mit Haft bestraft „wer öffentlich in auffälliger Weise oder in einer Weise, die geeignet ist, einzelne oder die Allgemeinheit zu belästigen, zur Unzucht auffordert oder sich dazu anbietet.“
Flankiert wurde diese Regelung durch die Haftandrohung bei „gewohnheitsmäßige gewerbliche Unzucht in der Nähe von Kirchen oder in Wohnungen in denen Kinder im Alter zwischen drei und 18 Jahren wohnen“, (Nr. 6a), „in der Nähe von Schulen oder anderen zum Besuch durch Kinder oder Jugendliche bestimmten Örtlichkeiten“ (Nr. 6b) oder „in einer Gemeinde mit weniger als zwanzigtausend Einwohnern oder einem anderweitig durch die obersten Landesbehörde verbotenen Ort“ (Nr. 6c)[77][78]
Die Einführung des Gewohnheitsverbrechergesetz ("Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung") am 24. November 1933 (RGBl. I S. 995), ermöglichte es, Prostituierten die gegen § 361 Nr. 6 RStGB verstoßen hatten, in ein Arbeitshaus einzuweisen, in dem die Betroffenen zu einem geordneten Leben erzogen werden sollten.[79]
Das Sterilisationsgesetz das am 1. Januar 1934 unter den Namen "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" (RGBl. I, S. 529) in Kraft tratt, ermächtigte die Gesundheitsbehörden zu überprüfen, ob eine Prostituierte die Voraussetzung für eine Zwangssterilisation erfüllte.
Die Maßnahmen nach § 361 Nr. 6 RStGB wurden mit dem Erlass des Reichs- und Preußischen Minister des Innern vom 14. Dezember 1937 zur "Vorbeugende[n] Verbrechensbekämpfung durch die Polizei" noch verschärft. Mit diesem Erlass wurde eine Einweisung sogenannter Asozialer in ein Konzentrationslager möglich, auch wenn keine expliziter Gesetzesverstoß vorlag. Hierunter fielen auch Prostituierte.[80]
Prostituierte wurden wie psychisch Kranke, Alkoholiker und Drogenabhängige, Landstreicher und Bettler, Pazifisten, u.a. als asoziale bzw. arbeitsscheue kategorisiert und trugen in Konzentrationslagern den schwarzen Winkel.
Die nationalsozialistische Verfolgung und Diskriminierung der Prostituierten diente jedoch weniger der Abschaffung der Prostitution sondern vielmehr deren Kontrolle. Hintergrund der Kontrolle war zum einem einen Anstieg der männlichen Homosexualität sowie eine Verbreitung von Geschlechtskrankheiten unter den Militärangehörigen zu verhindern.[81]
- Der Geschlechtsverkehr mit nicht kontrollierten weiblichen Personen muss daher unterbunden werden, soweit dies irgend möglich ist. Nachdem eine Kontrolle der Prostituierten nur bei Insassen der Bordelle möglich ist, erscheint es vom hygienischen und disziplinären Standpunkt zweckmäßiger, geeignete, unter ärztlicher Kontrolle stehenden Bordelle für deutsche Soldaten freizugeben, als der Möglichkeit Vorschub zu leisten, dass ein deutscher Soldat der wilden Prostitution zum Opfer fällt“
Walther von Brauchitsch, Oberbefehlshaber des Heeres
- Wehmachtsbordelle
- Lagerbordelle
Silke Schäfer: „Zum Selbstverständnis von Frauen im Konzentrationslager. Das Lager Ravensbrück“. Dissertation an der Fakultät I Geisteswissenschaften der Technischen Universität Berlin.Februar 2002. Online Florian Rübener: „Frauen in Konzentrationslagern: Eine geschlechtsspezifische Studie zu Überlebensstrategien und Alltag“ Diplomica Verlag 2013. ISBN: 978-3-8428-8610-0
Bereits am 9. September 1939 gab der Reichsinnenminister einen Erlaß heraus, der die polizeiliche Behandlung der Prostitution im Operationsgebiet der deutschen Wehrmacht neu regeln sollte. Er hatte das Ziel, gesundheitliche Schädigungen der Wehrmachtsangehörigen zu verhindern, indem die wilde Prostitution auf Straßen und Plätzen polizeilich untersagt und verfolgt werden soll. Die Gewerbszucht durfte "nur in besonderen Häusern" unter Aufsicht des deutschen Sanitätswesens unterhalten werden. Ein grundsätzliches Verbot der geschlechtlichen Betätigung hielt man für "inopportun, weil dadurch die Zahl der Notzuchtverbrechen und die Gefahren von Verstößen gegen den Paragraphen 175 RStGB (Verbot von homosexuellen Handlungen) steigen würde."
Als Frankreich besetzt war, stellte sich bald heraus, daß sich unter den Soldaten in ungewöhnlichem Umfang Geschlechtskrankheiten ausbreiteten. Daher wurde am 29. Juli 1940 angeordnet, daß Wehrmachtsbordelle einzurichten seien. Dazu sollten unter den in großer Anzahl in Frankreich vorhandenen Freudenhäusern solche ausgesucht werden, die den deutschen hygienischen Ansprüchen genügten. Die dort tätigen Frauen mußten mehrmals wöchentlich von französischen Ärzten untersucht werden, und das unter Aufsicht von Wehrmachtärzten. "Der Geschlechtsverkehr mit gesundheitlich nicht kontrolliertem weiblichen Personal muß unterbunden werden, soweit das möglich ist", las man in einem Befehl des Oberbefehlshaber des Heeres, Walther von Brauchitsch, in dem gleichzeitig von den deutschen Soldaten "auf geschlechtlichem Gebiet Selbstzucht" gefordert wurde mit dem Zusatz: "Vor allem für die verheirateten Soldaten ist dieses Gebot eine Selbstverständlichkeit."
In diesen Wehrmachtsbordellen waren sowohl in Polen als auch in Frankreich "vorher bereits bekannte und überwachte Prostituierte" tätig oder solche Frauen, die "durch Bekanntgabe zur Meldung für die Bordelle gewonnen" worden waren. Da Prostitution auch häufig Ansatzpunkte für militärische Spionage bot, wurde verlangt, daß die Prostituierten "politisch unverdächtig" zu sein hatten.
Die Wehrmachtsbordelle wurden von den zuständigen Militärdienststellen eingerichtet, die Durchführung war unterschiedlich: Sanitätsärzten, Ortskommandanten, Truppenkommandeuren usw. wurde die Aufgabe übertragen. Alle Bordelle standen unter der Aufsicht der Hygieniker des Wehrmacht-Sanitätswesens. "Von den Stadtverwaltungen, vereinzelt auch von den Ortskommandeuren wurden Verwalter oder Verwalterinnen eingesetzt, bei denen die Mädchen meist in fester Position waren."
Nach Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges und der Eroberung großer Gebiete im Osten wurde das Problem nicht zuletzt dadurch schwierig zu lösen, weil im kommunistischen Staat die offizielle Prostitution verboten war. So grassierte bald wilde Prostitution mit den damit verbundenen gefährlichen Folgen. Daher befahl das Oberkommando des Heeres im März 1942 die Einrichtung von überwachten und ärztlich kontrollierten Wehrmachtbordellen auch in der Sowjetunion, nachdem sich in größeren Orten ein heimlicher unkontrollierter Bordellbetrieb entwickelt hatte. Offensichtlich diente diese wilde Prostitution auch der Nachrichtenbeschaffung für die Partisanenverbände. Daher wurde angeordnet, daß die unkontrollierte Prostitution auf Straßen und Plätzen streng verfolgt werde. In den Wehrmachtbordellen auch in der UdSSR mußten sich die Frauen regelmäßig von einheimischen Ärzten unter deutscher Aufsicht untersuchen lassen.
Da es offiziell Prostituierte in der Sowjetunion nicht gab, wurden sie neu angeworben. Es ist nicht auszuschließen, daß dort, wo man nicht genügend viele Freiwillige fand, Frauen unter Druck gesetzt wurden, in den offiziellen Häusern dem Gewerbe nachzugehen.
Was in Wehrmachtbordellen geschah, seien sie im Westen, seien sie im Osten etabliert, war strikt geregelt. Mit den Prostituierten wurden beiderseits kündbare Arbeitsverträge geschlossen. Die Preise standen fest und auch der Anteil, den die Frauen davon bekamen. Die Soldaten mußten sich von einem der in jedem Bordell eingerichteten deutschen Sanitätsposten registrieren lassen und sich anschließend einer Schutzbehandlung ("Sanierung") unterziehen, die auf einem Laufzettel bestätigt wurde, auf dem vermerkt war, welche Prostituierte aufgesucht worden war. Stellte man nachher bei einem Soldaten eine Krankheit fest, ohne daß er seine Sanierung nachweisen konnte, wurde er wegen Selbstverstümmelung bestraft. Kranke Prostituierte wurden, wie die Archivunterlagen ausweisen, Krankenhäusern zugeführt und dort bis zur Gesundung behandelt. Entzogen sich Prostituierte der Behandlung, wurden sie bei Festnahme bestraft und den offiziellen Häusern zugeführt. Steckten kranke, weil unkontrollierte Prostituierte wiederholt Soldaten an, wurden sie in Lager - auch Konzentrationslager - eingewiesen. Wie die Berichte der zuständigen Sanitätsoffiziere belegen, wurde durch solche Maßnahmen die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten wirksam bekämpft.
Im islamischen Recht ist für eine Reihe von Delikten zwingend die Todesstrafe vorgeschrieben. Dazu zählt neben der Homosexualität bei Männern u.a. auch Inzest, definiert als Verkehr mit Personen, mit denen kein Ehevertrag geschlossen wurde. Die Art der Hinrichtung obliegt dabei im Ermessen des Schariarichters. Für Ehebruch ist die Steinigung zwingend.[82]
D Dazu kam, dass Prostituierte auch öffentlich stigmatisiert wurden: Im Mittelalter mussten Prostituierte besondere Schleier und Bänder tragen. Noch bis in die Moderne hinein wurden Frauen und Männern, die in den Verdacht der Prostitution gerieten, in Akten als „sexuell auffällig“ oder „abnorm“ geführt. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden diese systematisch deportiert und mussten einen Schwarzen Winkel tragen. Das KZ Ravensbrück ist ein Synonym für die Kasernierung von Prostituierten und deren Missbrauch. Bis heute wurde keine der misshandelten Frauen entschädigt, da die Angst vor Schande und Diskriminierung viele dazu veranlasste, besser zu schweigen, als sich zu äußern.
Einzelnachweise
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