Synkretismus der Philister

Bearbeiten

Besonders im 12. und 11. Jhd. lassen sich archäologisch sehr viele Unterschiede zwischen philistäischen und nicht-philistäischen Orten erkennen (s. die Seiten Philister, Keramik der Philister und Religion der Philister). Fast alle diese materiellen Charakteristika verschwanden aber im Laufe der Zeit bis zum 8. Jhd., während gleichzeitig und auch später in jedem kulturellen Bereich sehr viele Einflüsse aus anderen Kulturen aufgenommen wurden. Dieses Maß an Akkulturation ist ungewöhnlich für Palästina. Um nur ein Beispiel zu nennen: Bei den benachbarten Phöniziern, die als Volk von Seefahrern mit besonders vielen Kulturen in Kontakt kamen, lässt sich gerade im Bereich der Religion, in dem man bei den Philistern den kulturellen Wandel am deutlichsten ablesen kann, Kontinuität bis zur hellenistischen Zeit und darüber hinaus feststellen.[1]

Bis in die 90er Jahre herrschte daher überwiegend das Verständnis, die Philister seien im 10. von den Kanaanäern in ihren Städten „assimiliert“ worden und mit dem Verschwinden der materiellen Kultur der Philister sei demnach auch die philistäische Kultur selbst verschwunden.[2] Seymour Gitin und Bryan Stone haben dies mit zwei klassischen Artikeln etwas anders konzipiert. Gitin nämlich hat diesen Aspekt der philistäischen Kultur als Überanpassungsfähigkeit beschrieben: Bis zum 7. Jhd. hätten die Philister so viele Einflüsse aus der Umgebung aufgenommen und waren „so flexibel und so sehr pluralistisch geworden, dass [darüber] ihr einstiger einzigartiger kultureller Kern verloren gegangen war“,[3] was sie entscheidend geschwächt hätte. Stone dagegen hat die philistäische Fähigkeit zur Akkulturation umgekehrt als kraftspendende Fähigkeit zur „Levantisierung“ gefasst, mithilfe derer sich die Philister erst derart erfolgreich in die Region der Levante einhausen konnten.[4] Die meisten jüngeren Entwürfe liegen zwischen diesen beiden Polen und beschreiben diesen synkretistischen Aspekt der philistäischen Kultur neutraler. Wahrscheinlich am weitesten geht dabei Louise Hitchcock, wenn sie die so sehr anpassungsfähige philistäische Kultur und Identität gar nicht mehr in stabile Phasen gliedert, sondern beschreibt als formativen „Prozess transkultureller Dialoge (oder sogar Polyloge), Begegnungen und Interaktionen“[5] – typisch für die Kultur der Philister wäre dann gar nicht dieses oder jenes stabile kulturelle Merkmal, sondern nurmehr die Grundstruktur, beständig offen und im Fluss zu sein und derart fortwährend kulturelle Einflüsse von anderen Kulturen aufzunehmen.

Diese Eigenart philistäischer Kultur macht es archäologisch gesehen gleichzeitig ab dem 10. Jhd. immer komplizierter, Philister als Philister identifizieren zu können. Entsprechend gibt es bei jeder der im Folgenden nachgezeichneten Epochen Historiker, die annehmen, nun seien die Philister endgültig unter- und in anderen Völkern aufgegangen. Gelegentlich spricht man daher in der Forschung bes. ab dem 10. / 8. / 6. Jhd. z. B. von „Kanaano-Philistern“, „Neo-Philistern“ oder „Post-Philistern“ und ab dem 4. Jhd. nicht mehr von „philistäischen“, sondern von „griechischen Städten“ oder noch allgemeiner von „südlichen „“Küstenstädten“ – oft nur, um damit auszudrücken, dass sich nun die klassische materielle Kultur der Philister nicht mehr nachweisen lässt, manchmal aber auch, um wirklich auszudrücken, dass jetzt auch die Philister selbst ausgestorben seien.

  1. Z. B. Mark Woolmer: A Short History of the Phoenicians. I.B. Tauris, London / New York 2017, ISBN 978-1-78076-617-1. S. 105–108.
  2. Vgl. Bryan J. Stone: The Philistines and Acculturation: Culture Change and Ethnic Continuity in the Iron Age. In: Bulletin of the Americal Schools of Oriental Research. Band 298, 1995. S. 7–32, hier 10.
  3. Seymour Gitin: Last Days of the Philistines. In: Archaeology. Band 45, Nr. 3, 1992. S. 26–31, hier 31.
  4. Vgl. Bryan J. Stone: The Philistines and Acculturation: Culture Change and Ethnic Continuity in the Iron Age. In: Bulletin of the Americal Schools of Oriental Research. Band 298, 1995. S. 7–32, hier 24 f.
  5. Louise A. Hitchcock: „Transculturalism“ as a Model for Examining Migration ot Cyprus and Philistia at the End of the Bronze Age. In: Ancient West and East. Band 10, 2011. S. 267–280, hier 273 f.