Grotte von Spy

Die Grotte von Spy liegt am Ufer des Flusses Orneau, in der Nähe von Spy, nordöstlich von Jemeppe-sur-Sambre, in der Provinz Namur, in Wallonien in Belgien. Die Höhle besteht aus zahlreichen kleinen Gängen und Kammern, zählt zu den bedeutendsten paläolithischen Stätten Europas und gilt als außergewöhnliches Kulturerbe Walloniens.

Schädel „Spy 2“

Seit den Amateuruntersuchungen im späten 19. Jahrhundert haben Archäologen und Amateure bei Ausgrabungen alle Sedimentablagerungen in der Höhle entfernt. 1886 wurden Neandertalerfossilien von hervorragender Qualität entdeckt, was dazu beitrug, dass die Wissenschaft des 19. Jahrhunderts einen Paradigmenwechsel verursachte und die gefundenen Fossilien von „Engis 2“ (in den Schmerling-Höhlen) und Neandertal 1 anerkannte und den Wandel von Arten im evolutionären Kontext akzeptierte.

Die Ausgrabung wurde vom Archäologen Marcel de Puydt (1855-1940) und dem Geologen Max Lohest (1857-1926) durchgeführt. Der Paläontologe und Zoologe Julien Fraipont (1857–1910) veröffentlichte den Fund im American Anthropologist. Die Fundstücke der ältesten Ausgrabungen waren vermischt, was die Interpretation erschwerte. Darüber hinaus sind die Veröffentlichungen von de Puydt, Lohest und Fraipont hinsichtlich der Anzahl der Schichten zwiespältig. Es wird angenommen, dass eventuell mehr als sieben paläolithische Nutzungsebenen gab, von denen drei den Neandertalern und dem Moustérien und vier dem modernen Menschen und dem Jungpaläolithikum zugeschrieben werden. Die bei den ersten Ausgrabungen entdeckten Skelette wurden „Spy 1“, vermutlich eine Frau, und „Spy 2“, ein junger Mann, genannt und auf etwa 34.000 v. Chr. datiert. Eine Analyse von 2014 kam zu dem Schluss, dass sie wahrscheinlich mehr als 40.000 Jahre alt sind.

Die Identifizierung der Überreste eines Neandertalerkindes, „Spy 6“, wurde 2010 veröffentlicht. Sie erfolgte anhand der Unterkieferreste: Das Kind starb vermutlich im Alter von etwa 18 Monaten, wodurch die Neandertalerreste von Spy die jüngsten in Nordwesteuropa datierten sind. Ein Artikel in Anthropologica et Præhistorica besagt, dass die Ausgräber von Spy nicht glaubten, dass die Überreste begraben wurden, dies wird jedoch mittlerweile allgemein akzeptiert.

2018 gelang es DNA aus einem oberen rechten Backenzahn „Spy94a“ zu extrahieren, der auf etwa 39.150–37.880 v. Chr. datiert wurde. Die Forscher glauben, dass er zu „Spy 1“ gehört. Analysen zeigen, dass „Spy94a“ männlich war. Im Vergleich zu anderen Neandertalern, ist „Spy94a“ genetisch am nächsten zu „Goyet Q56-1“ aus den Höhlen von Goyet und steht späteuropäischen Neandertalern am nahe.

Es wurden fast 12.000 Tierreste aus dem Pleistozän entdeckt, darunter die Knochen von Pferden, Höhlenbären, Höhlenhyänen, Rentieren, Wollnashörnern und Mammuts. Alle Ebenen enthielten Mammutreste, darunter eine (im Kontrast zu anderen Fundorten) abnorme Anzahl von Backenzähnen. Es wird vermutet, dass die Neandertaler Mammutköpfe an die Höhle brachten und die Gehirne aßen. Da viele der Backenzähne nicht abgenutzt waren, handelte es sich vermutlich um sehr junge Kälber,

In Spy wurden auch Belege für eine Anwesenheit anatomisch moderner Menschen im Jungpaläolithikum gefunden. Nach einem 2013 veröffentlichten Bericht weisen Schnittspuren an Knochen, eine Speerspitze aus dem Aurignacien und Überreste mit Ockerspuren darauf dass er Spy mindestens dreimal aufgesucht hat: vor etwa 34.500 Jahren, vor 33.000 Jahren und vor 26.000 Jahren. In der Höhle wurden Anhänger und durchbohrte Perlen aus Mammutelfenbein gefunden, die vermutlich von modernen Menschen erstellt wurden.

Höhlen mit Neandertalerresten in Belgien: 1 Schmerling-Höhlen (Engis); 2 Grotte la Naulette; 3 Grotte von Spy; 4 Grottes des Fonds-de-Forêt; 5 Couvin-Trou de l'Abîme; 6 Grotte Scladina; 7 Walou; 8 Höhlen von Goyet.

Literatur

Bearbeiten
  • Michel Toussaint, Stéphane Pirson: Neandertal Studies in Belgium: 2000–2005. In: Periodicum Biologorum. 108 (3): (2006). S. 373–387. ISSN 0031-5362.
  • Patrick Semal et. al.: New data on the late Neandertals: direct dating of the Belgian Spy fossils (PDF). In: American Journal of Physical Anthropology. 138 (4): (2009). S. 421–428.
  • Isabelle Crevecoeur et al.: The Spy VI child: A newly discovered Neandertal infant. In: Journal of Human Evolution. 59 (6): (2010). S. 641–656.
  • Mietje Germonpré, Mircea Udrescu, Evelyne Fiers: Possible evidence of mammoth hunting at the Neanderthal site of Spy (Belgium). In: Quaternary International. 337: (2013). S. 28–42.
Bearbeiten

Koordinaten fehlen! Hilf mit.


Kategorie:Archäologischer Fundplatz (Neandertaler) Kategorie:Archäologischer Fundplatz in Belgien Kategorie:Archäologischer Fundplatz in Europa Kategorie:Fundstätte homininer Fossilien in Europa Kategorie:Geographie (Provinz Namur)