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siehe auch: gleichnamiger Eintrag in der Wikipedia [1]
siehe auch: eigene Homepage [2]

Wer bin ich und wenn ja, wieviele?

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Ich bin keine „Sockenpuppe“

Ich bin, um gleich den zweiten Teil der Überschrift zu beantworten, keine "Sockenpuppe". Es gibt mich in der Wikipedia nur einmal und dies unter der wahren Identität Andreas Kalckhoff, der auf seiner Homepage (siehe oben) identifiziert und kontaktet werden kann. Ich bin unter diesem Namen auch in jedem Telefonbuch zu finden. Wie der Benutzer Janpol [[3]], der zu meiner Generation gehört, bin ich der Meinung, daß "die Vorteile einer völligen Offenheit (...) wichtiger (sind) als die Gefahren, Opfer von Vandalen (oder Stalkern) zu werden". Wie er bin ich der Meinung, daß man "nur dann offen und flüssig mit anderen kommunizieren kann, wenn (man weiß), mit wem (man) es zu tun (hat)". Auch wenn man sich aufgrund des Schreibstils und der Argumentation meist ein rechtes gute Bild davon machen kann, mit wem es zu tun hat, schadet das Pseudonym der Wahrhaftigkeit der Diskussion. Es ist ein Spiel mit verdeckten Karten. Das Problem, das Wikipedia mit "Sockenpuppen" hat, belegt die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben. Wer seine Meinung oder seine Produktivität in die Öffentlichkeit trägt, sollte auch keine Furcht haben, dazu zu stehen. Wie sollte ich mich trauen, einen Leserbrief zu schreiben, wenn ich Angst vor Drohbriefen hätte? Soviel Zivilcourage muß schon sein! (Auch n a c h '68.)

Um politischen Spekulationen zuvor zu kommen: Ich bin ein Linker

Damit sind wir beim Thema Politik. Die politische Gesinnung und Weltanschauung spielt, entgegen aller gegenteiligen Beteuerung vieler (deutschen) Wiki-Mitarbeiter, offensichtlich doch eine gewisse Rolle bei den Urteilen der "Sichter" und Administratoren. Dies mag auch mit ein Grund sein, warum man sich gerne hinter Pseudonymen versteckt: Man kann dann nicht hinsichtlich seiner sonstigen internetkundigen Aktivitäten überprüft werden. Die politischen oder anderweitigen Interessen, die einen bei seinen vorgeblich objektiven Handlungen und Urteilen leiten (interessegeleitete Wissenschaft - ein wichtiges 68er-Thema!), werden damit verschleiert. Bei diesem Spiel mache ich nicht mit. Also:

Ich gehöre der Generation der Achtundsechziger an, ich habe gegen die Notstandsgesetze demonstriert (die ich heute noch trotz aller Terrorismushysterie für überflüssig halte), habe die Studentenbewegung wohlwollend begleitet, ohne dabei dauerhaft aktiv zu werden und bezeichnete mich als Maoisten. Mein Pragmatismus riet mir jedoch, nach der Willy-Wahl (wer weiß noch, wann das war? Melden!) in die SPD einzutreten, um im Münchner Glockenbachviertel den neuen linken Ortsvereinsvorstand zu stützen. Ich war als Juso aktiv, habe als Parteisoldat viele Wahlkämpfe mitgemacht, in München, Gießen und Stuttgart. Als die SPD die Grundgesetzänderung zum Asylrecht mit beschlossen hat, bin ich ausgetreten. Diese Entscheidung, von der der ehemalige Münchner „Einserjurist“ und spätere Justizminister Hans-Jochen Vogel, damals meinte, sie sei möglicherweise verfassungswidrig, dann aber im Parlament den Mund nicht aufmachte, gab mir das Gefühl, meine politische Heimat verloren zu haben. Seither wähle ich strategisch, aber natürlich links.

Meine wissenschaftlichen Interessen

Ich habe in München bei Karl Bosl Bayerische Geschichte im Hauptfach und in den Nebenfächern Mittelalterliche Geschichte und Politische Wissenschaft studiert. Bei Bosl hat mich weniger der Gegenstand interessiert als vielmehr die landesgeschichtliche Methode, die mit ihrem sozialgeschichtlichen Ansatz damals revolutionär war. Bosl hielt auch viel von der französischen Mentalitätsgeschichte, was mich auf meine spätere Arbeit bei August Nitschke vorbereitete. Bei aller Begeisterung für „Strukturen“, mit der er zur Zeit der Studentenbewegung auf der Höhe der Zeit war, stand für ihn allerdings immer der Mensch, insbesondere in der Gestalt des „kleinen Mannes“, im Mittelpunkt des Interesses. Die Frage „Wie verhalten sich Menschen in der Geschichte und warum?“ führt wiederum geradewegs zur Historischen Verhaltensforschung und Anthropologie (Historische Anthropologie) (siehe unten).

Während des Studiums habe ich als Historiker hauptsächlich das Mittelalter und in Politischer Wissenschaft die Dritte Welt studiert. Ursprünglich nur an Neuerer Geschichte interessiert - schon zu Schulzeiten hatte ich mich intensiv mit amerikanischer Geschichte beschäftigt - faszinierte mich nun am Mittelalter die damals völlig andere Mentalität: Vieles, was dem modernen Menschen an der mittelalterlichen Politik unverständlich erscheint, wird erklärlich, wenn man akzeptierte, daß diese Menschen anders dachten und die Welt anders wahrnahmen als heutige Beobachter. Dies wiederum traf sich mit der Erfahrung, daß auch die oft noch vormodernen Gesellschaften der Dritten Welt mental in einer anderen Welt leben als moderne Europäer und Amerikaner.

Mehr zufällig ergab sich aus einem Vortrag im Doktorandenseminar mein Promotionsthema „Nationalismus im Spätmittelalter“, das ursprünglich Irland, Schottland, Sizilien und Flandern umfassen sollte, von mir dann aber auf Schottland begrenzt wurde. Bosl (Karl Bosl) liebte vergleichende Studien nicht nur aus Europa, sondern aus der ganzen Welt, Bayern war für ihn letztlich nur ein quellenmäßig naheliegender Studiengegenstand. Als Linker war ich ein absoluter Gegner des Nationalismus, den ich bis dahin nur in der Form des nationalen Chauvinismus kannte. Im Verlauf der Arbeit mußte ich jedoch erkennen, daß er auch revolutionäre Aspekte hat und Triebkraft für Befreiungskriege ist. Dies war eine nicht ganz neue Erkenntnis, aber in einer Zeit, als die Linke den Vietnamkrieg nur als antiimperialistische und antikapitalistische Veranstaltung sah und nicht auch als nationalen Befreiungskrieg erkannte, durchaus gegen den Zeitgeist. Die Einleitung und Schlußbetrachtung der gedruckten Dissertation kann man auf meiner Homepage ([4]|[5]) nachlesen.

Mein Leben als Wikipedianer

Mein Leben als Wikipedianer ist relativ kurz, dauert aber doch schon zwei Jahre.

Juli 2007 schrieb ich einen Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung zu Larry Sanger, „Über die neue Politik des Wissens (21.07.2007):

Sanger erweckt den Anschein, als wollten die Wikipedia-Macher die Mitwirkung von Experten an der Wikipedia völlig ausschließen und ein reines Dilettantenlexikon produzieren. In Wirklichkeit geht es um die Frage, ob Experten – wie bei professionellen und kommerziellen Wissenssammlungen – institutionelle Präpotenz genießen („eine Sonderrolle spielen“) oder ihr Expertenwissen wie jeder andere Wikipedia-Teilnehmer einbringen sollen. Die Frage ist, ob sie als „wissenschaftliche Berater“ eine redaktionelle Rolle und damit in gewisser Weise ein Zensoramt ausüben oder nicht vielmehr „privat“ Korrekturen an falschen Inhalten vornehmen sollen. Dabei können sie sich ohne weiteres als Experten zu erkennen geben - durch das Gewicht ihrer Argumente, durch ihren wissenschaftlichen Stil und sogar durch den Nachweis ihrer eigenen Veröffentlichungen und akademischen Grade. Sicher besteht die „Weisheit der Masse“ nicht im erfolgreichen Gummibärchenzählen. Die Erkenntnis wissenschaftlicher Zusammenhänge ist schon komplexer. Aber zweifellos gilt auch: je größer die wissenschaftliche Gemeinschaft und je schneller der Wissensaustausch, desto wahrscheinlicher ist, daß Bullshit nicht dauerhaft durchkommt, sondern daß sich Expertenwissen durchsetzt. Auf der anderen Seite kann eine kleine Expertengemeinde den größten Unsinn produzieren, wozu es zahllose wissenschaftsgeschichtliche Beispiele gibt. Und schließlich sollte man erwähnen: Die Wikipedia ersetzt nicht professionelle Enzyklopädien (->Enzyklopädie), sondern ergänzt sie.

Ich habe also, wie man sieht, das Wikipedia-Prinzip verstanden. Inwieweit diese Sicht zu optimistisch ist und mehr Hoffnung als Realität widerspiegelt und Larry Sanger nicht am Ende doch Recht hat, wird sich in den folgenden Blogs zu meiner Wikipedia-Erfahrung als Benutzer zeigen.

Als gelernter Historiker habe ich mein (Berufs-) Leben lang als Redakteur, Lektor, Fachjournalist und Publizist gearbeitet. Zu meinen Tätigkeiten gehörte auch die Abfassung von Lexikon-Artikeln. Ich bin also vom Fach. Da die Begeisterung für eine Idee und eine fachliche Ausbildung gut zusammen passen, ergab sich beinahe notwendig, daß ich für Wikipedia auch aktiv wurde. Als ich einen Eintrag zur "Historischen Verhaltensforschung" suchte, in der ich selbst tätig gewesen war, fand ich nichts und wurde stattdessen freundlich aufgefordert: Erstelle die Seite „Historische Verhaltensforschung“ in diesem Wiki. Ich fing damit an, erst einmal zu suchen, welche Vertreter dieser Schule denn überhaupt in der Wiki aufscheinen, und mußte feststellen, daß selbst ihr Gründer August Nitschke nicht vorkam. Ich flickte also für meinen ehemaligen Chef und akademischen Lehrer aus Material der Stuttgarter Uni-Site sowie eigenen Erinnerungen eine einigermaßen adäquate Biographie zusammen, um wenigsten diese Lücke zu schließen. Der Artikel ist bis heute fast unverändert. Er würde es aber durchaus verdienen, weiter ausgebaut zu werden.

Dann fand ich in der Wikipedia Henning Eichberg, einen meiner Vorgänger an Nitschkes Institut … doch das ist ein eigenes Thema. Dazu spät in den Blogs.

Nur soviel will ich hier noch sagen: Mein erstes Projekt ist die Darstellung der „Historischen Verhaltensforschung“, die eng mit August Nitschke und seien Schülern verknüpft ist. Sie ist heute dem Namen nach weitgehend vergessen, spielte aber eine wichtige Rolle in Deutschland als Teil der von Frankreich ausgehenden Mentalitätsgeschichte und als Vorläufer der „Historischen Anthropologie“ (Historische Anthropologie), die in vieler Hinsicht gleiche oder ähnliche Methoden verwendet und gleiche Untersuchungsgegenstände hat. Mit diesem Lemma sollen vorhandene oder neu anzulegende Biographien verlinkt werden von Leuten, die in der Historischen Verhaltensforschung gearbeitet oder diese weiterentwickelt haben. Da ich diese Arbeit nicht alleine bewältigen kann, stehe ich in Kontakt mit möglichen Mitautoren oder Zuarbeitern.

Dienstag/ Mittwoch, 8./ 9. Juli 2009

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Dies ist ein längerer Eintrag, der die Erfahrungen von zwei Jahren, hauptsächlich aber der letzten Tage zusammenfasst.

Meine Begrüßung als „Benutzer“

Meine Erfahrung als Bearbeiter per „IP“ war rundherum positiv. Ich war erstaunt, wie einfach das Einstellen eines Artikels war. Da ich damals nicht viel Zeit hatte, war ich auch froh, daß ich mich nicht umständlich anmelden und registrieren mußte, obwohl ich später erfuhr, dass auch die Benutzeranmeldung ziemlich unbürokratisch abläuft. Hier werden die Schwellen niedrig gehalten, das fand ich gut. Heute denke ich etwas anders darüber: Die Identität des registrierten Benutzers sollte nicht nur durch die IP festgestellt werden können, sie sollte auch als „Karteikarte“ bei einem redaktionellen Gremium hinterlegt sein. Dabei sollten durchaus Dinge wie Ausbildung. Beruf, Hobbys und Interessen abgefragt werden. Man muss dabei ja den Bewerber nicht zum Antworten zwingen.

Diesmal, es war vor fünf Tagen, wollte ich keinen neuen Artikel anlegen, sondern einen älteren bearbeiten. Meiner Meinung nach war er in einem Zustand, der eine Runderneuerung verlangte: chaotische Gliederung, schlechtes Deutsch, politisch tendenziöser Schlag und jede Menge fehlende Information. Ich entwarf also eine neue Gliederung, verteilte die vorhandene Informationsbasis darüber, brachte den Text, wo es nötig war, in ein gutes Deutsch, ohne den Sinn gewisser Formulierungen zu verfälschen und ergänzte Fehlendes. Ich tat also meine Arbeit, wie ich sie als Redakteur und Lektor gelernt habe. Ich schwöre, ich habe in meinem Leben Aufsätze schon radikaler verändert und umgeschrieben als diesen Artikel!

Ich stellte ihn abends um 21.47 Uhr ein. Elf Minuten später wurde folgende Nachricht für mich abgesetzt (die ich freilich erst am nächsten Tag wahrnahm):

Guten Tag Kalckhoff, ich habe gesehen, dass Du neu angemeldet bist und Dich gleich in ein umstrittenen „heißen“ Artikel stürzt. In Wikipedia gibt es leider verschiedene „heiße Artikel“, die immer wieder von politisch motivierten Benutzern heimgesucht werden, wo dann unnötige und unschöne weltanschauliche Streitigkeiten stattfinden. Ich möchte Dir keine bösen Absichten unterstellen und ordne Dich noch nicht zu dieser Sorte von Benutzern ein, möchte aber anmerken, dass der Inhalt Deiner Edits dem klassischen Bild eines politisch motivierten Benutzers entsprechen. Ich kann mich natürlich auch irren und vielleicht bist Du Dir dessen ja auch nicht bewußt. Bitte begründe also Deine Änderungen in dem entsprechenden Artikel auf der Diskussionsseite. Ich empfehle auch wärmstens folgende Richtlinien zu lesen und zu beachten: WP:WWNI, WP:BNS, WP:KPA, WP:QA, WP:BLG und WP:TF. Vielen Dank.

Diese Nachricht stammte vom letzten Bearbeiter des Artikels, der, wie aus der Diskussion zu ersehen ist, seine Bearbeitung mit Zähnen und Klauen verteidigt. Die Grammatikfehler hier entsprechen denen seiner Bearbeitung. Der Artikel stand am nächsten Tag unverändert im Netz, meine Bearbeitung war vom „Sichter“, wohl mit Zustimmung eines Administrators, komplett verworfen worden.

Der Ton dieser Begrüßung hat mich empört. Ich habe darauf, ich sage es vorweg, falsch reagiert, nämlich emotional. Doch der Reihe nach. Zum allgemeinen Verständnis muß ich sagen, um welchen Artikel es geht.

Dass ich mich als Benutzer anmeldete, hatte durchaus einen Grund oder besser zwei. Zum einen hatte ich vor, in der Wikipedia ein größeres Projekt zu verwirklichen, bei dem ich gerne die institutionellen Vorteile der Registrierung nutzen wollte. Zum anderen wusste ich, daß es bei meinem ersten Einsatz in dieser Sache zu Schwierigkeiten kommen würde. Mein Projekt ist die Historische Verhaltensforschung, und es gibt zu diesem Thema bisher fast keine Informationen. Es gibt kein eigenes Stichwort, und die einzigen Personen, die damit ausdrücklich in Verbindung stehen, sind (in alphabetischer Reihenfolge) Johannes Burkhardt, Henning Eichberg, Andreas Kalckhoff und August Nitschke. „Nitschke“ hatte ich schon selbst angelegt, „Burkhardt“ wollte ich mir für später aufheben, da ich ihn nur sehr flüchtig kenne und erst wieder einen Kontakt suchen muss, und meine eigenen Verdienste um die HVF sind vergleichsweise bescheiden. Blieb also erst mal Eichberg, mit dem ich seit unserer gemeinsamen Arbeit an der Universität Stuttgart unregelmäßigen, aber stetigen Kontakt pflege. Damit begann das Problem.

Eichbergs jugendliche Karriere als Rechtsradikaler (er bezeichnet sich für diese Zeit selber so) war mir bekannt. Ich wusste, daß er in Deutschland – obwohl mehrmals an erster Stelle auf universitären Berufungslisten – keine Berufung bekam, weil die Gremien jedesmal zurückzuckten, sobald Eichbergs Vergangenheit ruchbar wurde. Daß Eichberg im Verlauf der siebziger Jahren vom rechtsextremen Rand abrückte und schließlich zum Grünen und Linken wurde, zählte dabei wenig, ebenso Ehrenerklärungen honoriger Persönlichkeiten oder ehemaliger politischer Gegner. Immerhin bekam er eine zweijährige Lehrstuhlvertretung. Dann gab er in Deutschland auf und ging in ein Land, von dem er annahm, dass man politische Jugendsünden etwas gelassener ansah. Und tatsächlich: obwohl Dänemark aus historischen Gründe bestimmt keine Veranlassung hat, rechtsradikalen Strömungen aus Deutschland gegenüber tolerant zu sein, wurde er hier fairer behandelt als im eigenen Land. Man akzeptierte, daß ein Mensch seine Ansichten ändern kann.

Ich habe Eichberg 1978 als jemanden kennengelernt, der keinerlei rechtsradikale oder gar extremistische Positionen vertrat. Er wurde weder von Kollegen noch von Studenten angefeindet, seine Vorlesungen waren gut besucht, die Diskussionen in den Seminaren offen und freundlich. Da ich selbst über Nationalismus und Regionalismus promoviert habe, deckte sich unsere Interesse an den Phänomenen Volk und Nation, doch stimmte ich auch seinen geläuterten Ansichten darüber nur teilweise zu. Ich kritisierte seinen Volksbegriff als altmodisch und seinen Identitätsbegriff als verschwommen, seine sozialpolitischen Analysen hielt ich für nicht immer zutreffend. Doch fand ich bei ihm nicht den geringsten Hinweis auf eine nationalchauvinistische oder gar faschistische Gesinnung. Andernfalls wären wir nie Freunde geworden.

Ich tat mich indes, bevor ich mich an seinen Wikipedia-Eintrag machte, etwas im Internet um und stellte fest, daß es in Deutschland immer noch eine Szene gibt, die Eichbergs Vergangenheit gegenüber unversöhnlich ist und ihm seine Wandlung zum Linken nicht glaubt, sondern in ihr eine besonders abgefeimte Unterwanderungsmethode rechtsradikalen Gedankenguts erkennt. Viele Einträge sind einfach böswillig und paranoid, andere nur lächerlich. Der Wikipedia-Artikel erschien mir nicht so, sonst wäre ich vorsichtiger gewesen. Ich sah zwar eine gewisse Bereitschaft des oder der Autoren, den Verdikten der Rechtsextremismusforschung über Eichberg einseitig zu folgen, aber da diese nicht allzu penetrant war, dachte ich, es würde möglich sein, durch ergänzende Informationen ein gewisses Gleichgewicht herzustellen. Es hatte zuvor schon einige Änderungen gegeben, die in diese Richtung gingen. Was mir noch auffiel war, daß die Beschäftigung mit dem „politischen Eichberg“ überproportional viel Platz einnahm gegenüber der Darstellung seiner wissenschaftlichen Leistung.

Wie ich feststellen mußte, hatte ich mich schwer geirrt. Ich reichte am nächsten Tag noch einmal meine Begründung nach, die offensichtlich – vielleicht durch eine Fehlbedienung meinerseits – verschwunden war. Die Begründung (nachzulesen in der Diskussion zu meiner Benutzerseite) entspricht sinngemäß dem, was ich hier berichtet habe. Darauf erhielt ich von dem Bearbeiter und Beobachter des Eichberg-Artikels folgende Replik:

OK, dann folgendes, wir erstellen die Biografien deskriptiv anhand von seriösen Quellen. Wenn sein wissenschaftliches Werk bedeutender sein soll als sein politisches Wirken, so ist das anhand seriöser Literatur deskriptiv darzustellen. Eigene Wertungen sind eigentlich nicht erlaubt und tangieren WP:NPOV und WP:TF. Ich habe Deine Änderungen gelesen und habe eigentlich bei fast jedem Satz meine Zweifel.
Ich gebe Dir mal ein Beispiel. Du schreibst z.B. "danach begründete er zusammen mit August Nitschke an der Universität Stuttgart die Historische Verhaltensforschung." In der seriösen Literatur wird alleine von Nitschke gesprochen. Eichberg wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt.

Ich habe daraufhin versucht, in mehreren Diskussionsbeiträgen meine Motive darzustellen und meine Bearbeitung weitergehend zu begründen, habe dabei aber auch einiges Unfreundliche über den aktuellen Bearbeiter des Artikels gesagt, der mich so „nett“ begrüßt hatte. Daraufhin schrieb mir ein Administrator:

Moin, Willkommen! Ich würde mit begriffen wie "zensor" usw. in der Wikipedia vorsichtig umgehen. Dein aggressiver stil ist auch interessant - so wird es sicherlich nix mit deinem anliegen.

Da ich mich ein bisschen schuldig fühlte, versuchte ich die Wogen zu glätten, und schrieb zurück:

Hallo [xy], danke für die Begrüßung. Es tut mir leid, wenn ich auf den Benutzer:[xy] verbal überreagiert haben sollte. Ich hatte eigentlich nicht vor, den Wikipedia-Frieden durch Aufgeregtheiten zu stören. Aber die Art, wie mich [xy] gleich zur Begrüßung angegangen ist, war auch nicht dazu angetan, eine kameradschaftliche Atmosphäre herzustellen. Das war auch nicht der Ton, den ich aus Redaktion und Lektoraten gewöhnt bin. Dort freut man sich nämlich, wenn ich etwas abliefere (und man würde mir geradezu um den Hals fallen, wenn es umsonst wäre), und man unterstellt mir als Autor oder Rezensent nicht sachfremde Motive. Ich muß mich an den etwas raueren Ton einer wohl im Schnitt doch sehr jugendlichen Community erst noch gewöhnen. Aber da Du mich jetzt für den "Zensor" schiltst, nehme ich an, daß Du den Ton des Benutzers [xy] auch nicht billigst. Also nichts für ungut!

Darauf bekam ich die Antwort:

Ich billige gar kein rauen ton, muss aber karlv zu gute stehen, dass er schon jahrelang hier gute arbeit macht; und dann kommen irgendwelche "neuen" user und wissen alles besser; das gluabe ich dann nicht, sondern tippe auf WP:SOP oder jemand, der von jemanden genau auf das schon seit jahren umstrittene thema vorgeschickt wurde - wobei das ja nur tippen ist, denn bei dir ist es ja sicherlich alles anders. Gruß

Einen Schlagabtausch muss ich dem geduldigen Leser noch antun. Ich schrieb (auszugsweise) zurück:

(…) was soll das heißen: "Da kommen irgendwelche 'neuen' user und wissen alles besser"? Wo sind wir denn - auf einem Schiff, wo der Neue erst mal unter dem Kiel durchgezogen wird? Und selbst wenn neu: Man könnte ja auch mal bisschen Respekt vor einer Biographie und vor ausgewiesener Professionalität haben, wenn einem schon jemand begegnet, der seine Identität offenlegt! Das täte dem egalitären Prinzip der Wikipedia, an das ich übrigens glaube, keinen Abbruch (…)

Aber der Administrator wusste noch einen draufzusetzen (ebenfalls auszugsweise):

Hier hat keiner vorrechte, hier gilt nur das bessere argument im dikurs mit, am besten, sehr guten BEL|belegen. Trotzdem hat hier eigentlich jeder seinen ruf - und den allerschlechtesten ruf haben sockenpuppen (…)

Ich breche hier die Wiedergabe der illustren Korrespondenz ab. Mittlerweile hat sich ein anderer Benutzer mit eingeschaltet, der auch nicht so toll findet, was der Administrator da so von sich gibt. Ich bringe die Zitate hier nur deshalb, um an ihnen einige Probleme der Wikipedia aufzuzeigen. Dazu im übernächsten Abschnitt.

Selbstkritik und Reue

Ich gebe zu, ich habe Fehler gemacht, wie sie vielleicht viele Anfänger bei der Wikipedia machen. Es sind dies freilich nur zum Teil Fehler, vor denen die Wikipedia-Hilfe warnt. Der erste Fehler war, daß ich die Diskussion zum Artikel nicht durchgelesen habe. Davor kann ich – mit den Wikipedia-Machern – jetzt alle andern Neulinge wirklich dringend warnen. Das Problem dabei ist: Diese Diskussionen sind oft nervig und tröge. Man braucht viel Geduld und Gleichmut, dies über sich ergehen zu lassen und möglicherweise auch noch die Versionsgeschichte durchzuackern. Das ist wirkliche Knochenarbeit und nicht vergnügungssteuerpflichtig. Im Gegenteil, dafür müßte man eigentlich Schmerzensgeld kriegen. Das gilt auf jeden Fall für den Eichberg-Artikel.

Aber es wäre notwendig gewesen. Dann wäre ich nicht so frappiert gewesen über die rotzige Begrüßung des Artikel-Betreuers. Dann hätte ich gewusst, mit wem ich es zu tun habe. Ich hätte kühler reagiert und nicht gegen die Nettikette verstoßen. Vor allem aber hätte ich von Anfang an das machen sollen, was ich später, aber vielleicht schon zu spät nachgeholt habe: Ich hätte in meiner Begründung nicht auf Verständnis und Kollegialität setzen, sondern erst einmal die Arbeit des bzw. der Vorbearbeiter(s) angemessen kritisieren und dann mit der eigenen Bearbeitung warten sollen, um möglichst vielen Benutzern die Zeit zu geben, meine Kritik vorab zu lesen. Dass ich dies alles nicht getan habe, reut mich. Nur muß ich auch sagen, daß ich im richtigen Leben noch nie vor so einer Situation gestanden bin. So ist halt das Netz. Nur, muß es so sein?

Muss die Wikipedia so sein wie sie ist?

Die Wikipedia kann nur so gut sein, wie die Menschen, die sie machen. Aber es gibt auch Strukturen, die Menschen zu dem machen, was sie sind. Menschen kann man meist nicht ändern, Strukturen schon. Ich will keine neue Wikipedia erfinden, es gibt ja eh schon eine Abspaltung ("Nupedia"). Aber davonlaufen ist nicht unbedingt die richtige Antwort auf Schwierigkeiten. Wenn ich die Wikipedia will, muss ich mich um sie kümmern. Kümmern heißt unterstützen, heißt aber auch Kritik üben – sozusagen „fördern und fordern“ (ein Gedanke, der ja nicht falsch ist, bloß weil er politisch missbraucht wurde).

Ich will meine Kritik aus der Erfahrung entwickeln. Was habe ich in den letzten fünf, sechs Tagen gelernt?

Die Benutzer und Administratoren sind nicht immer so nett, wie die Wikipedia-Richtlinien dies eigentlich vorsehen, sondern so wie draußen im richtigen Leben. Das ist normal, aber auch ernüchternd.

Besonders fatal ist, wenn Neulinge mit dieser Realität konfrontiert werden. Ich würde, so hielt man mir gleich in der Begrüßung vor, auf Grund meiner „Edits dem klassischen Bild eines politisch motivierten Benutzers entsprechen“. Hätte man nicht vielleicht erst einmal mit mir über den Bearbeitungsinhalt sprechen soll? Aber nein, das wäre ja nutzlos gewesen, denn der Artikelwächter hatte ja „eigentlich bei fast jedem Satz (seine) Zweifel“. So abgebürstet zu werden, kann einem zarteren Gemüt oder einem Neuling, der etwas jünger und unerfahrener ist, schon heftig zusetzen. Aber, wie aus den Einlassungen des Administrators klar wurde, ist das wohl Absicht, denn da machen die eingesessenen Benutzer "jahrelang hier gute Arbeit, und dann kommen irgendwelche ‚neuen‘ User und wissen alles besser". Na, wo kämen wir denn dahin, der Neue soll erst mal bei Fuß! Und wenn er Widerworte gibt, dann nimmt man eben den großen Stock und verdächtigt ihn als „Sockenpuppe“ (in der Welt draußen nennt man das Strohmann – gut, daß es ein Wiki-Glossar gibt!). Dies ist der schlimmste Vorwurf, den man einem bei Wikipedia machen kann. Freilich gewinnt man mit solchen Methoden keine neuen Mitarbeiter, sondern verscheucht sie ganz schnell.
Nun sind sicher nicht alle Wiki-Mitarbeiter so gestrickt. Auf der anderen Seite werden die meisten Benutzer mit solchen rüden Anreden gar nicht konfrontiert, weil sie sich in thematischen Bereichen bewegen, die weder politisch, noch weltanschaulich aufgeladen sind. Vielleicht gibt es den einen oder anderen wirklich harten Expertenstreit, das weiß ich nicht. Wie auch immer, man kennt bei Wikipedia das Problem, daß Benutzer wegen Unhöflichkeiten und Streitigkeiten genervt das Handtuch werfen und der Community abhanden kommen. Deshalb gibt es, wie ich gelernt habe, zur Abhilfe ein Schiedsgericht. Wie und ob das funktioniert, werde ich vielleicht demnächst in Erfahrung bringen. Dazu dann wieder hier in meinem Wiki-Blog.

Die Wikipedia-Bearbeiter sind zwischen 16 und 96. Woher ich das weiß? Das kann man am Schreibstil, an den Themen und an der Sprachbeherrschung ablesen. Diese Situation ist spannend, aber auch spannungsvoll. Sie erfordert deshalb einen Verhaltenskodex, der sich dem Höflichkeitsstil draußen in Welt annähert.

Die Internetgemeinde wird in weiten Bereichen von einer Jugendkultur beherrscht, die schlampige Grammatik, verballhornte Rechtschreibung, flapsigen bis rüden Ton und eine bisweilen distanzlose Kumpelhaftigkeit als ihren Stil pflegt. Wikipedia ist zweifellos Teil dieser Kultur, ich habe nur nicht geahnt wie sehr. Dieses spätpubertäre Gehabe, in dem sich auch schon etwas gereifterer Damen und Herren noch wohlfühlen, ist Erbe der Achtundsechzigergeneration. Wir selbst haben unsere Kinder anscheinend so erzogen.
Soweit die Selbstkritik. Sie erspart einem indes nicht, sich Gedanken zu machen, ob es nicht auch anders geht. Angesichts der Spannungsbreite von ganz jungen und schon recht alten Benutzern sollte man versuchen, sich auf einer mittleren Ebene der Höflichkeit zu treffen. Zur Höflichkeit gehört auch, daß man ganze Sätze schreibt, sich um ein korrektes Deutsch bemüht und am Ende seinen Text noch mal zur Korrektur durchliest. Wer sich in der Kommunikation nicht diszipliniert, hat meist auch sprachliche und logische Schwierigkeiten, wenn es um Artikel geht. Mancher wird jetzt sagen, ich solle mich nicht so haben, das sei hat geschriebener Sprechstil, und außerdem mache jeder mal Tippfehler. Doch mir hat mein Deutschlehrer beigebracht, wie man spricht, so denkt man. Man lese sich dazu die Zitate oben noch einmal durch. Da sind nicht nur ein paar Tippfehler drin.

Die Rede von der objektiven Wissenschaft ist eine Illusion. Wer sie am Lautesten im Munde führt, ist garantiert selbst der größte Ideologe. Wissenschaft ist immer interessegeleitet. Das muß nichts Böses sein, man sollte nur sein Interesse offenlegen. „Interesse“ heißt in diesem Falle politische und weltanschauliche Sympathien ebenso wie wirtschaftliche Ziele.

Das Problem, das jede wissenschaftliche Forschung und Publizistik hat, verschärft sich, wenn wie bei Wikipedia die Autoren und Bearbeiter mehrheitlich anonym sind. Dann ist der Täuschung und Tarnung Tür und Tor geöffnet. Ich weiß, die Wikipedia-Idee lebt von der Hoffnung, daß sich Milliarden unbekannter kleiner Ameisen letztlich mit ihren Interessen und Egoismen, ihren Stärken und Schwächen bei der Arbeit am gemeinsamen Ziel so abarbeiten, daß am Ende der perfekte Wissenschaftsstaat entsteht. Die Weisheit des Netzes! Vielleicht funktioniert das ja wirklich, aber vorher werden noch viel Blut, Schweiß und Tränen fließen. Was mir jedenfalls im Augenblick mit dem Vorwurf politischer Motivation unter Beteuerung eigener politischer Interesselosigkeit entgegentritt, ist die pure Heuchelei.
Ich weiß nicht, wie das Problem zu lösen ist, aber man sollte es immer wieder ansprechen. Wenn man die Anonymität ganz aufheben würde, verlöre man wohl nicht nur manchen Unfugtreiber und Politagitator, sondern auch manchen Ordinarius, der deshalb heimlich für die Wikipedia schreibt, weil er es für rufschädigend ansieht, als Wikipedia-Autor erkannt zu werden. Außerdem weiß man auch nicht bei jedem Namen, der im Telefonbuch steht, was für ein Kopf dahintersteckt. Das ist schon richtig. Letztlich kann nur Kompetenz erkennen, wo und wie politisches Interesse die Wahrheit verbiegt, wann Informationen zu diesem Zweck unterschlagen werden, wer Objektivität vortäuscht, um seine Propagandabsicht (oder noch niedere Beweggründe) zu verbergen.

Ohne Kompetenz funktioniert Wikipedia nicht. Viele dumme kleine Ameisen ergeben nicht ein schlaue. Kompetenz aber erschöpft sich nicht in administrativen Fähigkeiten und in der Beherrschung eines Wissenschaftsapparats, sondern heißt: Fachwissen! Fachwissen! Fachwissen!

Wenn ich von einem anderen Benutzer aufgefordert werde, meine Bearbeitung quasi Satz für Satz quellenmäßig zu belegen, weil er mir, wie er sagt, keinen einzigen Satz glaubt, weiß ich, daß dieser Mann vom Thema keine oder jedenfalls keine ausreichende Ahnung hat. Ignoranten können nämlich im Unterschied zum Fachmann nicht unterscheiden, was in einem wissenschaftlichen Zusammenhang selbstverständlich und was umstritten ist. Er will, weil er den Stoff nicht beherrscht, alles erklärt und belegt haben. Er beherrscht auch die unterschiedlichen Methoden wissenschaftlicher Disziplinen nicht und stellt deshalb unsinnige Forderungen.
Ich muß das am konkreten Fall erläutern. Deshalb habe ich oben auch etwas ausführlicher zitiert. Auf mein Verlangen, der Kritiker solle doch seine Zweifel detailliert listen, nannte dieser ein Detail: Ich solle belegen, daß Eichberg zusammen mit Nitschke die Historische Verhaltensforschung begründet habe, weil „in der seriösen Literatur alleine von Nitschke gesprochen (und) Eichberg in diesem Zusammenhang nicht erwähnt“ werde. Ich entgegnete erst einmal, daß ich als Zeitzeuge selbst eine Quelle sei, da ich, als diese Forschungsrichtung begründet wurde, mit Nitschke und Eichberg zusammengearbeitet hätte. Das wies er mit den Worten zurück: „Du bist keine Quelle, sonst könnte jeder Quelle spielen und hier einen Ochs vor dem Berg schreiben“ (was immer letzteres heißen mag.) Er schob dann nach, daß er ein Buch von Nitschke („Historische Verhaltensforschung“) angesehen habe, da sei von Eichberg keine Rede, auch nicht in einem weiteren Buch von Dietmar Rothemund („Geschichte als Prozeß und Aussage“).
Nun sind das natürlich keine ausreichenden Gründe. In zwei Büchern nichts gefunden, mein Gott! Aber selbst wenn Nitschke tatsächlich in keinem seiner Bücher und Aufsätze diese dialogische Zusammenarbeit in einem Institut, das in den ersten Jahren nur aus ihm selbst und Eichberg bestand, thematisiert hätte, könnte es doch sein, dass Nitschke jetzt erklärt: Ja stimmt! Was dann? Was wird dann mein Kritiker sagen: Könnte ja jeder kommen und Quelle spielen? Und was ist, wenn Eichberg etwas dazu geschrieben hätte? Ist das dann eine richtige Quelle, weil man ihn gedruckt zitieren kann – oder doch nicht, weil Eichberg ja ein böser Bube ist, der mit allem, was er sagt und schreibt, seine rechtsextremistischen Absichten verschleiert? Jeder, der ein bisschen etwas von Geschichtsschreibung versteht, erkennt die Absurdität der Forderung nach einem gedruckten Beleg in diesem Falle. Denn viele wichtige Dinge passieren, ohne dass es Schriftliches dazu gibt, und man sollte dann froh sein, wenn noch Zeugen leben, die davon erzählen können. Oral History als (wenn auch umstrittene) Quelle ist besser als gar keine. Deshalb frage ich Nitschke auch einfach selbst. Weniger, um meinen Kritiker zu befriedigen, als für den geplanten Artikel über die Historische Verhaltensforschung.
Was ist daraus für Wikipedia zu lernen? Man wird wahrscheinlich, um dauernde Reibungsverluste zu vermeiden, nicht darum herumkommen, sich der Kompetenzfrage institutionell zu stellen. Vielleicht sollte man sich um die Sichtung, Beobachtung, Wartung und Bearbeitung von Artikeln bewerben müssen. Die Bewerbung sollte mit Kompetenznachweisen begründet werden. Hinsichtlich der Bearbeitung macht das natürlich nur bei umfangreicheren Bearbeitungsplänen Sinn. Begutachtungen solcher Bearbeitungsunternehmen müssten von Personen vorgenommen werden, die eine vergleichbare Ausbildung und Kompetenz wie der Bearbeiter haben. In solch eine Richtung sollte man auf jeden Fall diskutieren. Wahrheit läßt sich nur schwer im Dschungelkampf finden. Wahrheitsfindung muß zumindest bis zu einem gewissen Grade organisiert werden.

Dienstag, 14. Juli 2009

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Der Eichberg-Artikel ist seit einer Woche "ungesichtet" - eine Bearbeitung ist so nicht möglich!
Im Augenblick kann ich an dem Eichberg-Artikel nicht weiterarbeiten, weil er seit Tagen ungesichtet ist. Ich will eine in der "Diskussion" angekündigte Änderung an einer Fußnote durchführen, doch wenn ich den Abschnitt "Quellen" bearbeiten will, finde ich keine Fußnoten zum Ändern vor. Der "Artikelwächter" hatte mir empfohlen, geplante Änderungen vorher zur Diskussion zu stellen, was ich in diesem Falle getan habe, doch seit sechs Tagen ist die Leitung tot - keine Stellungnahme, nicht vom Artikelbeobachter, nicht vom zuständigen Administrator, nicht von sonstwem.

Ist Eichberg Mitbegründer der Historischen Verhaltensforschung?
Diese Untätigkeit in Sachen Eichberg könnte ein urlaubsbedingter Ausfall sein, ist es aber offensichtlich nicht, denn der Beobachter findet am 10. Juli Zeit, sich zu wundern, daß ich "als Fachmann nicht in der Lage (bin), innerhalb von nunmehr sieben Tagen einen Beleg für die 'geistige Mit-Urheberschaft' Eichbergs" hinsichtlich der Historischen Verhaltensforschung zu erbringen. Tatsächlich bin ich mit dieser Frage beschäftigt und habe dazu heute einen Diskussionsbeitrag verfasst (siehe "Diskussion" zu Eichberg: "Ist Eichberg Mitbegründer der Historischen Verhaltensforschung?"). Darin erkläre ich, daß es drei Möglichkeiten gebe, das zu klären, und zwar ihrem Erkenntniswert nach in folgender Reihenfolge:

  1. Man kann das Selbstzeugnis der beiden einholen.
  2. Man kann die Zahl und Bedeutung der Arbeiten beider zur HVF für sein Urteil heranziehen.
  3. Man kann Zeugen suchen, die den Sachverhalt mündlich, schriftlich und gedruckt bestätigen.

Punkt zwei habe ich bereits erledigt, warte aber mit der Veröffentlichung noch, bis meine Informationen komplett sind. Nitschke hat mir auf meine Anfrage noch nicht geantwortet, vielleicht ist er ja in Urlaub.

Was der Eichberg-Wächter so behauptet und was daran stimmt
Was Punkt drei angeht, habe ich erst mal die Behauptung des "Artikelwächters" überprüft, daß er in Nitschkes 1981 erschienenem Buch "Historische Verhaltensforschung" nirgendwo Eichberg gefunden habe. Er muss nicht richtig geschaut haben, denn im Register steht Eichberg mit den meisten Zitatstellen (zehn), nur Nitschke selbst hat mehr. Im Literaturverzeichnis liegt Eichberg mit drei Büchern vor Berühmtheiten wie Ariès, Arno Borst, Devereux, Duby, Eibl-Eibesfeld, Eliade, Foucault, Lefevre, Le Goff und gleichauf mit Lévi-Strauss und Sprandel (wieder ausgenommen Nitschke selbst). Tatsächlich steht in diesem Buch nicht, daß Eichberg die HVF mitbegründet habe, aber es steht auch nirgends, daß Nitschke selbst sie erfunden hat, - weil er das in diesem "Arbeitsbuch" (Untertitel) überhaupt nicht thematisiert. "Quellenbasiert" ist eines der Lieblingsworte des "Eichberg"-Beobachters. Aber hier wird klar: Man muss alle Behauptungen und Einträge dieses Benutzers überprüfen. Ich will keine Böswilligkeit unterstellen - Unfähigkeit steht sicher hinter diesem Vorgang.


Donnerstag, 16. Juli 2009

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Quellen und Belege - ein kleiner, aber feiner Unterschied

Was das Problem des Editierens ungesicherter Versionen angeht, war ich im Irrtum. Auch ein "Entwurf" läßt sich Editieren, ich wußte nur nicht mehr, wo man die Belege ("Anmerkungen") bearbeitet - ein Blackout sozusagen, denn ich habe ja erst vor kurzem eine Quellenangabe geändert. Beim Nachlesen unter WP:EN#Einfache Einzelnachweise - Dank des Hinweises eines Benutzer-Kollegen - habe ich dann gelernt, daß "die Begriffe „Quellen“ oder „Quellenangaben“ aufgrund der mehrfachen Wortbedeutung (siehe insbesondere Quelle (Geschichtswissenschaft)) vermieden werden" sollten. Das finde ich sehr richtig und schlage deshalb vor, den entsprechenden Abschnitt im Eichberg-Artikel von "Quellen" in "Belege" umzubenennen.

Zwischen Quellen und Belegen gibt es nämlich einen kleinen, aber feinen Unterschied, den noch nicht alle Benutzer verstanden haben. Die Wikipedia verlangt Belege von den Bearbeitern für ihre Aussagen, nicht Quellen. "Quellen", ob Originalquellen (z. B. Urkunden und Chroniken) oder Sekundärquellen ("Fachliteratur") sind zwar auch Belege, aber Belege können auch ganz anderer Natur sein, etwa mündliche Quellen oder indirekte Nachweise. Der Eichberg-Beobachter hat einen beschränkten Begriff von Beleg, wenn er schreibt: "WP betreibt kein Original Research, sondern gibt einen aktuellen Wissensstand wieder. Ich würde auch nicht auf die Idee kommen, meine eigene Sichtweise zu veröffentlichen um diese später als zitier fähige Information in WP zu verwenden. Das wäre höchst unlauter." Richtig daran ist, daß Lexikonbeiträge keine ausgefallenen Theorien oder einsamen Ansichten vertreten sollen, jedenfalls nicht ohne das Mainstream-Wissen dargestellt und als solches benannt zu haben. Aber jeder, der auf dem eigenen Fachgebiet schon mal in einem älteren (oder auch gar nicht so alten) Lexikon recherchiert hat, weiß, dass "aktueller Wissensstand" oft bedeutet: veraltetes Wissen. Das ist bei gedruckten Lexika nicht zu vermeiden. Die Wikipedia aber lebt unter anderem davon, daß sie quasi stündlich aktualisiert werden kann, indem sie neueste Forschungsergebnisse oder Entwicklungen dem älteren Wissen hinzufügt. Dieses neue Wissen muß nicht durch den Buchdruck geheiligt sein, es kann auch aus dem Internet stammen. Wer das nicht akzeptiert, hat - wie ich glaube - das WP-Prinzip nicht verstanden.

Damit kommt aber dem, was der Eichberg-Beobachter als "eigene Sichtweise" bezeichnet, ein anderer Stellenwert zu, als dieser meint. Will man nicht Fachleute, die mit einem Thema tief verbunden sind und möglicherweise selbst dazu geforscht haben, von Bearbeitungen ausschließen, muß man akzeptieren, daß sie ihre eigenen Sichtweisen mit einbringen. Natürlich müssen sie diese belegen und sie dürfen damit den Artikel nicht dominieren, sondern haben auch ältere, abweichende oder gegenteilige Ansichten gleichwertig darzustellen. Ziel jedes Artikels muss es sein, dem Leser möglichst viele relevante Ansichten zu einem Thema anzubieten, sofern dieses wissenschaftlich, politisch oder weltanschaulich umstritten ist. Was im jeweiligen Falle "relevant" ist, darüber wird man immer wieder mal streiten müssen. Aber auch in diesem Falle gilt: Lieber eine Ansicht zuviel als eine unterdrückt!

Der Eichberg-Beobachter besteht weiter darauf, daß ich meine Behauptung, Eichberg sei ein Mitbegründer der Historischen Verhaltensforschung, mit Sekundärliteratur belege. Nur solch einen Beleg will er als objektiv und Teil des aktuellen Wissensstands anerkennen. Ich kann es nicht anders ausdrücken, ich halte das für laienhaft. Wieso will er eine Sekundärquelle einer Originalquelle vorziehen? Warum beschränkt er Wahrheit auf gedruckte Aussagen Dritter, statt Originalquellen als Belege zuzulassen? Sekundärliteratur verbreitet auch nur Ansichten, die nicht dadurch zuverlässiger werden, dass sie gedruckt und vielleicht bis heute unwidersprochen geblieben sind. Dritte Personen können genauso irren wie Betroffene Angeberei betreiben oder lügen können. Besonders absurd wird es, wenn ex-nihilo argumentiert wird, d. h. eine Aussage getroffen oder bestritten wird, weil etwas anscheinend nicht vorhanden ist. Man kann nicht, weil ein Autor einen Zusammenhang nicht erwähnt, schließen, daß es ihn nicht gibt. Vielleicht weiß der Autor darüber nur unvollständig Bescheid? Oder das Thema interessiert ihn nicht? Im Eichberg-Fall könnte ich den Spieß ja umdrehen und von meinem Kritiker verlangen, er solle eine Sekundärquelle vorweisen, in der steht, Eichberg sei nicht ein Mitbegründer der Historischen Verhaltenforschung. Was für ein Unsinn wäre das!

Außer Originalquellen und Sekundärquellen gibt es eine weitere Form des Belegs, nämlich die Schlussfolgerung. Wenn jemand schreibt, XY sei ein großer Erfinder, und ich stelle fest, daß er lediglich eine einzige Erfindung gemacht hat, die nie in die Produktion ging, darf ich diese Behauptung verneinen. Umgekehrt gilt das aber genauso. Wenn Eichberg in der Zeit, in der Nitschke seine Historische Verhaltenforschung begründet hat, im selben Institut in wenigen Jahren eine vergleichsweise große Anzahl an Publikationen zum selben Thema macht, die vielleicht die seines Lehrers noch übertrifft, darf man schließen, daß der Anteil Eichbergs an Theorie und Praxis der HVF gleich groß ist. Der Beleg dafür ergibt sich aus der Anzahl der einschlägigen Arbeiten.