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Liebe Leser und Autoren,

meine anfängliche Begeisterung für die Wikipedia ist inzwischen durch eine Reihe von Erlebnissen der Ernüchterung gewichen. Ich habe mehrfach erlebt, wie die gewissenhafte Arbeit mehrerer Wikipedianer durch einen einzelnen Administrator als Unsinn abgewertet und in die Tonne getreten wurde. Ich habe in vielen Diskussionen erlebt, dass Argumente nichts bewirken und mit haltlosen Spekulationen vom Tisch gewischt werden. Konservative Meinungen von Alteingesessenen ersticken jeden Ansatz von Fortschritt im Keim. Meinungsbilder werden durch Admins eilig gestoppt, wenn die Gefahr besteht, daß sie in die falsche Richtung laufen könnten.

Worin liegen nun diese Erscheinungen begründet? Zuerst mal muß man die Frage nach den Machtstrukturen stellen. Wer hat hier Macht und welche Auswirkungen hat das?

Im Gegensatz zu einem Staatsgebilde gibt es in der Wikipedia keine Regierung. Es gibt aber eine Art Polizei, die Administratoren nämlich. Gesetze gibt es auch nicht (bis auf ein paar grundlegende Richtlinien), aber es gibt eine volatile Sammlung von Regeln. Diese Regeln sind jedoch nicht bindend und haben eher beratenden Charakter.

Die Zusammenarbeit vieler Leute funktioniert dabei erstmal anarchisch, d.h. jeder macht was er will, bis er durch andere Wikipedianer mittels Korrektur oder sogar Revertierung und Löschung gebremst wird. Das würde eigentlich ganz gut funktionieren, wenn da nicht die Willkürherrschaft der Administratoren wäre.

Man möchte meinen, daß die Regeln durch Konsensfindung entstanden sind und sich durch Diskussionen und Konsensfindung auch weiterentwickeln können. Tatsächlich finden auch Diskussionen statt. Beteiligt sind daran leider nicht alle Wikipedianer, obwohl sie es könnten. Nicht einmal ein repräsentativer Querschnitt ist unter den am aktivsten Diskutierenden auszumachen, wohl aber eine überdurchschnittliche Präsenz an Administratoren. Das ist auch nicht verwunderlich, denn Administrator wird nur, wer zu den aktivsten und diskussionsfreudigsten Benutzern zählt.

Genau dadurch entsteht aber eine cliquenbildende Feedback-Schleife: Die Administratoren sind durch ihre Diskussionsfreudigkeit maßgeblich an den Konsensfindungen beteiligt und bestimmen damit in überdurchschnittlicher Weise die aufgestellten und gelebten Regeln. Diese Regeln tragen zwangsläufig auch zur Meinungsbildung bei vielen anderen Benutzern bei und pflanzen sich letztlich auch in der Wahl von weiteren Administratoren fort.

Es ist eine Binsenweisheit, daß Macht korrumpiert. Die Macht eines Administrators besteht darin, im Zweifelsfall Inhalte zu löschen und Benutzer zu sperren. Man sollte annehmen, daß ein Administrator einfach die Argumente aus den Diskussionen sichtet, unvoreingenommen bewertet und eine mehrheitlich akzeptierte Entscheidung trifft. Das ist leider nur Wunschdenken. Natürlich hat ein Administrator eine eigene Sichtweise, natürlich hat er Vorlieben und natürlich trifft er eine Entscheidung, die seinen eigenen Vorlieben am nahesten kommt. Die vorliegenden Argumente bewertet er zwangsläufig mit seiner eigenen Voreingenommenheit, und Argumente, die ihm nicht passen, sieht er gar nicht als Argumente an.

Administratoren glauben an das, was sie tun. Sie glauben auch, immer das Richtige zu tun. Ich habe in Diskussionen oft beobachten können, daß eine Infragestellung der Macht der Administratoren, und sei es auch nur der Versuch der Erfassung einer mehrheitlichen Meinung zu einem oft praktizierten Adminverhalten, eine heftige allergische Reaktion von Seiten der Admingemeinde hervorruft. Kein Administrator möchte auch nur das kleinste Bisschen Macht oder Entscheidungsfreiheit abgeben. Jede irgendwie geartete Einschränkung, oder auch nur der Verdacht darüber, führt unweigerlich zu einer Abwehrhaltung, bei der jede fruchtbare Diskussion endet.

Ich glaube, die Admins tun das gar nicht mal absichtlich. Menschen sind eben so. Menschen können sich der korrumpierenden Wirkung der Macht nicht entziehen.

Ich möchte mit diesen Gedanken die Wikipedia-Idee wirklich nicht in den Schmutz ziehen, aber in dem jetzigen Zustand sehe ich kein geeignetes Betätigungsfeld für die fruchbare und schöpferische Entwicklung einer herausstechenden, einzigartigen und qualitativ hochwertigen Enzyklopädie. Ich werde die Wikipedia jetzt für eine Weile einfach nur beobachten. Vielleicht entstehen ja doch irgendwann einmal positivere Strukturen, und vielleicht packt mich dann auch wieder der Ehrgeiz, in Artikeln oder Diskussionen mitzuwirken. Bis dahin wünsche ich allen Lesern, Autoren und auch Administratoren viel Spaß, Kraft und gesunden Menschenverstand bei der Arbeit, sowohl in der Wikipedia, als auch im wirklichen Leben.

Vielleicht gibt es Hoffnung.