M. Jope & Co. war eine deutschlandweit bekannte Frottierweberei in Tübingen, die 1920 gegründet und 1977 durch Konkurs aufgelöst wurde. Sie produzierte und vertrieb Handtücher, Waschlappen, Badetücher und Bademäntel und belieferte vornehmlich den Facheinzelhandel im Inland und in den angrenzenden westeuropäischen Staaten.

Geschichte

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Anfänge

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M. Jope & Co. wurde 1920 von Max Jope (1890–1983) und Max Hüttig als offene Handelsgesellschaft gegründet. Jope wuchs rasch und erwarb 1924 in Tübingen in exponierter Lage an der verkehrsbelebten Kreuzung der B27 Wilhelmstraße / Stuttgarter Straße ein Grundstück und erstellte ein markantes Fabrikgebäude.[1]

Frottierwebereien gehörten im Bezirk Tübingen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den größten Arbeitgebern. So beschäftigte die ebenfalls 1920 gegründete Württ. Frottierweberei in Tübingen-Lustnau, bekannt mit der Marke „Egeria“, bis zu 1500 Arbeitnehmer. In Reutlingen wurde in 1927 Möwe-Werk GmbH & Co. KG gegründet, die über 800 Arbeitnehmer beschäftigte und in Mössingen entstand auch 1927 die Frottierweberei Eugen Mehl GmbH.[1]

Die Nachkriegszeit

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Während des Zweiten Weltkriegs kam die Produktion zum Erliegen. Nach Kriegsende erholte sich das Unternehmen bei einer starken Nachfrage sehr rasch. Es entstanden Zweigwerke in Pfrondorf, Unterjesingen und Remmingsheim. In Pfrondorf erstellte Max Jope auf eigenem Grund und Boden ein modernes Werk; an den beiden anderen Orten waren die Geschäftsräume gepachtet. 1960 beschäftigte Jope über 500 Arbeitnehmer.

Fritz Jope, ein promovierter Jurist und einem abgeschlossenen Studium am Textiltechnikum in Reutlingen und Sohn von Max Jope, trat 1951 als weiterer haftender Gesellschafter in das Unternehmen ein. Als 1962 der Gründungsgesellschafter Max Hüttig starb, folgte ihm seine Witwe Klara Hüttig nach, ebenfalls als haftende Gesellschafterin. Als sie 1975 starb, sah der Gesellschaftsvertrag aus dem Jahre 1956 vor, dass ihre Erben ausscheiden und nur abzufinden sind. Zu einer Abfindung kam es nicht, da das Kapitalkonto von Klara Hüttig negativ war.[1]

Der Niedergang

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Schon 1973 musste das Unternehmen starke Umsatzrückgänge hinnehmen. Der Grund war der Wettbewerbsdruck ausländischer Importe, insbesondere aus China und Brasilien. Dazu kam die Hochzinspolitik der Jahre 1973 und 1974 mit Zinsen bis zu 15 % für Bankkredite. Dies führte zu einer zusätzlichen Belastung für das Unternehmen. Am 24. Juni 1975 kam es zu einem Hochwasserschaden: Der Goldersbach, der an der Fabrik vorbeiführte, trat über die Ufer und überschwemmte die Fertigungsräume. Das Unternehmen bezifferte seinen Schaden auf 1,5 Mio. DM. Die Württembergische Gebäudebrandversicherungsanstalt ersetzte jedoch nur 400.000 DM für Gebäude- und Maschinenschäden.  

Ab 1974 arbeitete das Unternehmen mit Verlusten. Die Umsätze sanken von 10,3 Mio. DM im Jahr 1974 auf 9,2 Million DM in 1976. Jope steuerte dagegen. Das Werk in Pfrondorf wurde stillgelegt, die Immobilie verkauft und der Erlös zur Rückführung der Bankkredite verwandt. Das Personal wurde von 232 Arbeitnehmer in 1974 auf 168 Arbeitnehmer im Oktober 1977 reduziert.

Alle diese Maßnahmen reichten nicht aus, die Zahlungsunfähigkeit zu verhindern. Anfang September 1977 konnte das Unternehmen die Löhne für den Monat August nicht mehr bezahlen. Fritz Jope hoffte, die Zahlungsunfähigkeit mit einem Kredit der Württembergischen Bank abwenden zu können. Die Verhandlungen scheiterten jedoch. Am 21. Oktober 1977 beantragte er beim Amtsgericht Tübingen die Eröffnung eines Konkursverfahrens für das Unternehmen, für sich selbst und seinen Vater Max Jope. Der zuständige Richter Klaus Stähle sah von einer sofortigen Konkurseröffnung ab und bestellte den Stuttgarter Rechtsanwalt Volker Grub zum Sequester, der überprüfen sollte, ob überhaupt genügend Masse zur Verfügung stand, um ein Konkursverfahren durchführen zu können.[2][1]

Der Konkurs

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Das Konkursverfahren folgte der damals gültigen Konkursordnung von 1877, was zur Folge hatte, dass das Unternehmen unter Auseinandersetzungen der Verfahrensbeteiligten stillgelegt wurde:

Arbeitnehmer stellen Arbeit ein

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Die Belegschaft zählte noch 168 Arbeitnehmer. Im Laufe des Monats Oktober 1977 hatten bereits 52 Arbeitnehmer ihr Arbeitsverhältnis mit einer eigenen fristlosen Kündigung zum 31. Oktober 1970 beendet. Am 20. Oktober 1977, einen Tag vor dem Konkursantrag, fand eine Belegschaftsversammlung statt, in der mit Unterstützung des zuständigen Gewerkschaftssekretärs beschlossen wurde, alle Arbeit sofort einzustellen.

Der Sequester

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Als der Sequester Volker Grub einen Tag später, am 21. Oktober 1977, kam, standen alle Maschinen still, kein Mitarbeiter war anwesend außer dem Gewerkschaftssekretär und Fritz Jope. Grub regte an, die Arbeitnehmer sollten ihre Arbeit sofort wieder aufnehmen, um die Rohwaren ordnungsgemäß verwerten zu können. Die Wertschöpfung würde vor allem den Arbeitnehmern zugutekommen. Dem widersprach der Gewerkschaftssekretär. Der Betriebsrat war nicht ansprechbar, da auch dessen Mitglieder zu Hause waren. Erst die Drohung, dem Gericht zu empfehlen, ein Konkursverfahrens mangels Masse abzuweisen, ließ den Betriebsrat umdenken. Der Betriebsrat hätte sonst ohne Bezahlung, in wahrscheinlich leeren und unbeheizten Räumen die notwendigen Berechnungen für das Konkursausfallgeld durchführen und Verdienstbescheinigungen und Zeugnisse selbst schreiben müssen.

Konkurseröffnung

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Der Sequester empfahl dann dem Gericht, das Konkursverfahren zu eröffnen. Am 1. November 19977 wurde über das Vermögen von Max und Fritz Jope sowie dem Unternehmen M. Jope & Co. ein Konkursverfahren eröffnet. In allen drei Verfahren wurde Volker Grub auch zum Konkursverwalter bestellt.[3]

Betriebsstilllegung

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Der Konkursverwalter verfügte angesichts der desolaten Situation des Unternehmens dessen Stilllegung. Betroffen waren davon auch die Zweigwerke in Unterjesingen mit 20 Arbeitnehmern und Remmingsheim mit 16 Arbeitnehmern.

Die vorhandenen Rohwaren sollten ausproduziert und verkauft werden. Dafür schloss der Konkursverwalter mit 34 Arbeitnehmern Zeitarbeitsverträge ab. Bis Ende Jahresende 1977 war die Verwertung fast abgeschlossen. Nur wenige Mitarbeiter waren für Aufräumungsarbeiten und Verwaltung noch bis längsten zum 30. Juni 1978 tätig. Der Konkursverwalter verkaufte die restlichen Warenbestände in einem Werksverkauf im Unternehmen in Tübingen.[3]

Die Bank

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Die Württembergische Bank hatte sich alle Kundenforderungen als Sicherheit abtreten lassen und forderte nun die Kunden auf, nur noch an die Bank zu zahlen. Eine solche Offenlegung bewirkte häufig, dass die Kunden ihr Zahlungen gänzlich einstellten. Damit hatte das Unternehmen nur noch unbedeutende Zahlungseingänge.

Der Konkursverwalter stellte die rechtliche Wirksamkeit der Abtretung in Frage, weil an die Bank auch Forderungen von Lieferanten von Jope aus vereinbarten Eigentumsvorbehaltsrechten unzulässigerweise mitabgetreten wurden. Damit erreichte der Konkursverwalter eine Freigabe der Forderungen durch die Bank.[3]

Die Allgemeine Ortskrankenkasse Tübingen hatte noch nach dem Konkursantrag, am 28. Oktober 1977, Pfändungen wegen rückständiger Beiträge veranlasst. Außerdem machte sie Rechte aus einem Sicherungsübereignungsverträgen vom 2. Mai 1977 über 5000 fertige Bademäntel im Verkehrswert von 0,6 Mio. DM und das gesamte Warenlager vom 14. Oktober 1977, geltend. Der Konkursverwalter einigte sich mit der Krankenkasse dahingehend, dass die rückständigen Beiträge im Rang einer Masseforderung, also bevorrechtigt, anerkannt werden. AOK gab damit die übereigneten Warenbestände frei.[3]

Staatsvertrag mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft

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Der Vertreter von Jope in der Schweiz beantragte nach Konkurseröffnung wegen offener Provisionen bei schweizerischen Beitreibungsämtern die Pfändung von Warenforderungen von Jope gegen Schweizer Kunden. Diesen Anträgen wurden zunächst stattgegeben. Dagegen wendete sich der der Konkursverwalter unter Berufung einen 150 Jahre alten Staatsvertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Krone von Württemberg vom 12. Dezember 1825, mit dem eine Konkurseröffnung auch im anderen Land Geltung hat. Es war fraglich, ob dieser Staatsvertrag noch gültig war, denn es war nicht eindeutig, ob das Land Baden-Württemberg oder Teile von ihm Rechtsnachfolger des Königreichs Württemberg sind.

Das Schweizerische Bundesgericht bestätigte in einem Rechtsstreit, der über drei Instanzen geführt wurde, mit Urteil vom 4. Juli 1978, Az. B 54/78/kw, dass dieser Staatsvertrag immer noch Geltung hat und auf die Beziehung zwischen Jope und ihrem Schweizer Vertreter anzuwenden ist. Dabei wurde eine Reihe von völkerrechtlichen Fragen geklärt. Der Konkursverwalter konnte danach die Forderungen gegen Schweizer Kunden einziehen.[4]

Sozialplan

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1977 bestand bereits die Verpflichtung von Unternehmen, bei Massenentlassungen mit dem Betriebsrat einen Sozialplan zu vereinbaren, mit dem die gekündigten Mitarbeiter Entschädigungszahlungen erhalten. Im Konkurs eines Unternehmens war streitig, ob diese Zahlungsansprüche einfache Konkursforderungen oder sofort bezahlbare Masseschulden sind. Als das Bundesarbeitsgericht mit einem Urteil vom 13. Dezember 1978 entschied, dass diese Ansprüche Konkursforderungen im ersten Rang sind und vor allen übrigen Konkursgläubigern beglichen werden müssen, einigte sich der Konkursverwalter mit dem Betriebsrat am 16. März 1979 auf einen Sozialplan, der zu Zahlungsansprüchen der Arbeitnehmer über 0,5 Mio. DM führte und vom Konkursverwalter auch unverzüglich ausbezahlt wurde.[5]

Die Immobilie

Für das Betriebsanwesen in der Wilhelmstraße Nr. 154 in Tübingen gab es zunächst keine Kaufinteressenten. Die Stadt Tübingen erklärte gutachterlich, es habe nur den Wert von Grund und Boden abzüglich der Abbruchkosten des Gebäudes. Außerdem werde das Grundstück für eine Straßenerweiterung benötigt. Der Konkursverwalter verkaufte das Anwesen später an einen Stuttgarter Bauträger nur zum Bodenwert. Das Gebäude wurde abgerissen, und mit einem Studentenwohnheim bebaut. Die Stadt Tübingen erhielt Grundstücksflächen zur Erweiterung der vielbefahrenen Kreuzung übereignet.[3]

Das Ende von Jope

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1981 wurde das Konkursverfahren von M. Jope & Co. sowie die Konkursverfahren über die Privatvermögen von Max Jope und Fritz Jope beendet. Nur die bevorrechtigten Forderungen aus Arbeitsverhältnissen erhielten Zahlungen, alle übrigen Gläubiger gingen leer aus.[3][6][7]

Einzelnachweise

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  1. a b c d Volker Grub: Bericht des Konkursverwalters in den Konkursverfahren M. Jope & Co., Max Jope und Dr. Fritz Jope vom 16. Dezember 1977, Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, Y 517
  2. Jope wirft das Handtuch, Schwäbisches Tageblatt vom 22. Oktober 1977
  3. a b c d e f Volker Grub: Schlussbericht im Konkursverfahren der M. Jope & Co. vom 5. Juni 1981, Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, Y 517
  4. Schweizer Bundesgericht: Urteil vom 4. Juli 1978, Az. B 54/78/kw, Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, M. Jope & Co., Y 517
  5. Sozialplan steht, Schwäbisches Tagblatt vom 17. März 1979
  6. Volker Grub: Schlussbericht im Konkursverfahren Max Jope vom 2. Dezember 1981, Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, Y 517
  7. Volker Grub: Schlussbericht im Konkursverfahren Fritz Jope vom 27. November 1981, Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, Y 517

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