Logo von Wiki-Watch

Wiki-Watch ist eine Website, die eine automatische Bewertung nach äußeren, nicht inhaltlichen, Kriterien von Artikeln der Wikipedia anbietet. Die Seite wurde 2010 von zwei Lehrbeauftragen an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder installiert und firmiert unter dieser institutionellen Anbindung. Durch die "Wiki-Watch"-Software werden beispielsweise Wikipedia-Artikel hinsichtlich der Anzahl von Belegen oder Artikelautoren auf erwartete "Plausibilität" automatisiert bewertet; ebenfalls werden statistische Informationen zu Wikipedia-Aktivitäten angeboten, unter anderem zu den zuletzt meistbearbeiteten Artikeln.

Trägerschaft und Organisatoren

Bearbeiten

Träger von Wiki-Watch ist die Arbeitsstelle Wiki-Watch im Studien- und Forschungsschwerpunkt Medienrecht der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Die Leiter des Projektes sind Wolfgang Stock und Johannes Weberling. Stock ist geschäftsführender Gesellschafter der Beratungsagentur für Öffentlichkeitsarbeit Convincet GmbH und besonders auf Strategie- und Krisenkommunikation spezialisiert; er ist auch Hochschullehrer an der Viadrina-Universität und Journalist. Weberling ist als Rechtsanwalt in privater Praxis tätig mit den Schwerpunkten Medien- und Arbeitsrecht, und bekleidet als Jurist und Historiker ebenfalls die Funktion eines Hochschullehrers an der gleichen Universität. Die Arbeitsstelle wird aus Drittmitteln und Spenden finanziert.[1]

Bewertung von Wikipedia-Artikeln

Bearbeiten

Die Artikelbewertung soll Lesern Anhaltspunkte für die Verlässlichkeit eines Artikels liefern[2] und erfolgt nach eigens entwickelten Algorithmen, die jedoch nach Kritik zurzeit modifiziert werden. Bewertet wird in den Artikeln die Anzahl der Autoren, Bearbeitungen, Anzahl und Qualität der Quellen, Exzellent- und Lesenswertstatus des Artikels, sowie Reverts und Konflikte um Inhalte. Eine Anregung für die Wiki-Watch-Artikelbewertung war nach eigenen Angaben die Schweizer Internetseite wikibu.ch, die seit Juni 2009 existiert,[2] von der es sich aber durch die höhere Gewichtung der Quellenangaben[3] und die geringere Gewichtung der Besucherstatistiken unterscheidet. Darüberhinaus können statistische Daten zu jedem Artikel eingesehen werden, wie beispielsweise die Zugriffshäufigkeit auf die Seiten und wie oft der Artikel innerhalb der Wikipedia verlinkt ist.[4] Die Bewertungskriterien werden kritisiert. So sei es nicht nachvollziehbar, wann welche Quelle als „zuverlässig“, „unzuverlässig“ oder gar „umstritten“ bezeichnet werde.[5]

Im Wiki-Watch-Blog wird von einem Bloggern eingewandt, dass zahlreiche Quellen und Autoren nicht automatisch zu einem zuverlässigeren Artikel führten. Ein Wikipedia-Autor nennt die Betreiber „selbsternannte Kritiker“ und „Zensoren“. Weil es keine Wahrheit gäbe, könnte es auch bei Wiki-Watch nur einen Standpunkt geben. Diesen nehme Wiki-Watch aber gar nicht für sich in Anspruch, sondern bitte um „fachliche Kritik“ und warne, dass die automatische Bewertung eine menschliche nicht ersetzen könne, sondern für diese nur Hinweise liefere. Wiki-Watch liefere eigentlich nur eine vereinfachte Prozedur der Bewertung für Laien, welche erfahrene Wikipedianutzer durch Verfolgen der Artikelentstehnung mit etwas mehr Aufwand selbst vornehmen könnten.[3] In Zukunft soll in Wiki-Watch bei den aufgerufenen Artikeln durch einen Editwar umstrittene Passagen mit rot und konsensfähige mit grün gestaltet werden.[6] Instrumente wie Wiki-Watch stellen gemäß der Medienwissenschaftlerin Daniela Pscheida einen Versuch dar, das „klassische Wissensideal“ innerhalb der Wikipedia durch Kontrollmechanismen zu stärken, während Anhänger einer neuen Wissenskultur in ihnen eine Beschneidung des partizipativen Potenzials sähen.[1]

Seit 23. Dezember 2010 werden in der Artikelbewertung von Wiki-Watch mit Hilfe der WikiTrust-API Textteile, die wenig vertrauenswürdig sind, weil sie von wenig vertrauenswürdigen Autoren bearbeitet wurden, gekennzeichnet, indem sie orange hinterlegt werden.

„Exklusiver Einblick“

Bearbeiten

Die „Exklusiver Einblick“ genannte Übersicht zeigt Listen mit den meist gelesenen, den am häufigsten editierten Artikeln, den stärksten Veränderungen, sogenannten Editwars, aktuell gesperrten Lemmata und Löschanträge. Zum anderen finden sich dort Informationen darüber, welcher Autor am meisten schreibt, Seiten sperrt oder Löschanträge stellt.[7] Diese Listen enthalten Zusammenfassungen von Daten, aus der Wikipedia.[2]

Umfrage unter Administratoren im Oktober 2010

Bearbeiten

In die Öffentlichkeit trat Wiki-Watch zunächst mit einer Befragung der Wikipedia-Administratoren.[8] Trotz der für eine Umfrage relativ hohen Rücklaufzahl der Antworten von 21,4 % der angefragten Administratoren ist die Aussagekraft jedoch gering, denn die Umfrage wurde nicht nach Kriterien ausgewertet, die eine Repräsentativität dieser Stichprobe herstellen könnten.[9][10] Die Umfrage unter den Administratoren stieß bereits in der Vorbereitungsphase auf teilweise harsche Kritik; so wurde unter anderem die fehlende Gewährleistung der Anonymität der zu befragenden Administratoren bemängelt, ebenso, dass die Erhebung kein wissenschaftliches Forschungsdesign aufweise.[11] Trotz dieser Mängel halten die meisten Medien das Ergebnis für berichtenswert und fassen zusammen, der „typische Administrator [sei] männlich, 40 Jahre alt und linksliberal eingestellt, arbeite täglich mehr als zwei Stunden in der Wikipedia und den meisten machte es keinen Spaß. 38 % klagen über einen rüden Umgangston“.[2]

Reaktion in den Medien

Bearbeiten

Eine Berichterstattung zur Internetplattform Wiki-Watch begann ab dem 22. Oktober 2010 zunächst in Agenturmeldungen, die von verschiedenen Zeitungen übernommen wurden.[12][13][14][15] Seit dem wurde sporadisch über Wiki-Watch berichtet, auch über den deutschen Sprachraum hinaus. Im Januar 2011 erschienen weitere Artikel im Standard[16] und in der Frankfurter Neuen Presse. Mit der Einführung der neuen Domain Wiki-Watch.org für die englischsprachige Wikipedia am 13. Januar 2011 wurde auch in englisch und spanisch über Wiki-Watch berichtet. Das ZDF Mittagsmagazin hat auch Wolfgang Stock dazu interviewt. Mitglieder von Wikimedia-Vereinen wie Christoph Breitler oder Friedhelm Greis äußerten sich positiv über Wiki-Watch.

Reaktion in der Wikipedia

Bearbeiten

Die Administratoren der Wikipedia sollen nach Angaben der Berliner Zeitung von Wiki-Watch nicht begeistert sein. Sie hielten Ende Oktober 2010 einen Wikipedia-Artikel über Wiki-Watch nicht für „enzyklopädisch relevant“.[3] Das ZDF bezeichnet diese Löschung als „pikant“.[2] Auch in der TAZ wurde die Löschung des Artikels thematisiert und die Adminstratoren als mürrisch eingeschätzt, weil sie den Artikel wegen "Relevanzproblemen" in den „virtuellen Papierkorb“ befördert hätten.[17]

Die Frankfurter Allgemeine meint, gerade daran, dass der Wiki-Watch-Artikel von Wikipedia sofort wieder gelöscht wurde, könne man sehen, dass Wiki-Watch ein wichtiges Instrument zur kritischen Beobachtung der Wikipedia sei.[18]

Ähnliche Projekte, die sich mit Wikipedia beschäftigen

Bearbeiten

Wikiscanner versucht die Autoren der Artikel herauszufinden und zu präsentieren. Wikibu verfolgt ähnliche Ziele wie Wiki-Watch, indem eine Bewertung der Artikel hinsichtlich Zuverlässigkeit der Informationen vorgenommen wird.[1]

Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b c Miriam Hollstein: Undurchschaubare Wissensmacht. In: Welt am Sonntag. 31. Oktober 2010, S. 4.
  2. a b c d e Alfred Krüger: Aufpasser für Wikipedianer: Portal ‚Wiki-Watch‘ will Online-Lexikon durchsichtiger machen. In: heute online. ZDF, 3. November 2010, abgerufen am 4. November 2010.
  3. a b c Berliner Zeitung: Alex zuverlässiger als Ku'damm, 29. Oktober 2010
  4. Information über die Bewertungsgrundlagen im Wiki-Watch-Blog
  5. 5 Sterne bei Wiki-Watch – Nach welchen Kriterien vergeben wir unsere formale Bewertung? Beiträge im Wiki-Watch-Blog.
  6. http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3956&Alias=Wzo&cob=525188
  7. Ben Schwan: Wissenschaftliches Projekt Wiki-Watch: Wikipedia von innen. In: taz. 2010-10-27.
  8. http://www.tagesspiegel.de/medien/wiki-watch-de-unter-der-lupe/1970488.html
  9. [1] Pressemitteilung der Europa-Universität Viadrina, abgerufen am 24.Oktober 2010].
  10. dpa: Mehr als zwei Stunden am Tag für die Wikipedia. 22. Oktober 2010, abgerufen am 24. Oktober 2010.
  11. Wikipedia-Diskussion im Vorfeld der Untersuchung
  12. dapd: WikiWatch geht online. Hessische Allgemeine, 22. Oktober 2010, archiviert vom Original am 24. Oktober 2010; abgerufen am 24. Oktober 2010.
  13. Miriam Hollstein: Die Kontrolle der Kontrolleure. In: Welt am Sonntag. 31. Oktober 2010, S. 4.
  14. Miriam Hollstein: Wikipedias unübersichtliche Wissensmacht. In: Die Welt. 31. Oktober 2010, S. 4.
  15. Ben Schwan: Wissenschaftliches Projekt Wiki-Watch: Wikipedia von innen. In: taz. 27. Oktober 2010
  16. Artikel vom 5. Januar 2011 im Standard
  17. http://www.taz.de/1/netz/netzkultur/artikel/1/wikipedia-von-innen/
  18. Daniel Grinsted: Die Lotsen bleiben an Bord. Auch bei Wikipedia tobt der Streit um die Gorch Fock. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31. Januar 2011, S. 33.


[Kategorie:Website]] [Kategorie:Forschungsprojekt]]