Friedrich-Wilhelm Kliem, Lagerführer der Hamburger Außenlager Neugraben und Tiefstack. SS-Hauptscharführer Friedrich-Wilhelm Kliem
Friedrich-Wilhelm Kliem (geb. 25. Dezember 1896 in Paderborn; gest. nach 1955), war ein deutscher Tischler, SS-Hauptscharführer und Lagerführer der Hamburger Frauen-Konzentrationslager Neugraben und Tiefstack.
Lebensweg
BearbeitenNach dem Besuch der Volksschule erlernte Kliem das Tischlerhandwerk. Seine Tischlerlehre schloss er mit der Meisterprüfung ab und arbeitete zunächst als selbstständiger Tischlermeister. Ende August 1939 wurde er dann zur Wehrmacht eingezogen und bis Mai 1944 an der Ostfront eingesetzt. Danach wurde er aus Altersgründen – Kliem war knapp 48 Jahre alt – aus dem Truppendienst entlassen und kurz darauf von der Allgemeinen SS im Rang eines Hauptscharführers übernommen; das entsprach dem Rang eines damaligen Oberfeldwebels der Wehrmacht. Von Juli bis Oktober 1944 diente Kliem im Außenlager Dessauer Ufer des KZ Neuengamme in Hamburg-Veddel in der Schreibstube. Am 18. Oktober 1944 übernahm er als Kommandant die Lagerleitung der Außenlager Neugraben und Tiefstack in Hamburg. In Neugraben wurden rund 500 Frauen zum Arbeitseinsatz gezwungen; sie mussten für die Firmen Prien und Wesseloh beim Bau von Behelfswohnheimen sowie im Wasserleitungs- und Straßenbau arbeiten. Zudem mussten sie für die Firma Malo Fertigbauteile für Behelfsunterkünfte herstellen. Im Februar 1945 wurden das Lager Neugraben nach Hamburg-Tiefstack verlegt. In den letzten Kriegsmonaten, bis zur Auflösung des Lagers Tiefstack am 7. April 1945, mussten die Frauen Aufräumarbeiten in Harburg übernehmen, vor allem nach Bombenangriffen.
Unter Kliems Leitung wurden die Zwangsarbeiterinnen geschlagen und auch auf andere Weise misshandelt. So berichtet die 1913 in Hamburg geborene Inhaftierte Erna Fuchs, Kliem habe sie ausgepeitscht, bis sie bewusstlos geworden sei, nachdem sie sich geweigert hatte, ihm zu sagen, von wem sie ein kleines Lebensmittelpaket erhalten hatte, mit dem sie im März 1945 bei der Kontrolle am Lagereingang erwischt worden war.[1]
Überliefert ist auch eine Beschwerde über Misshandlungen von Gerd Bucerius. Der spätere CDU-Bundestagsabgeordnete und Herausgeber der liberalen Wochenzeitung Die Zeit war von 1943 bis 1945 stellvertretender Geschäftsführer der Sperrholzfabrik Diago-Werke, auf deren Gelände sich das Außenlager Tiefstack des KZ Neuengamme befand. Am 26. März 1945 schrieb er an den Kommandanten des KZ Neuengamme:
„Es erscheint uns auch nicht unbedenklich, dass HSchF. Kliem [Hauptscharführer Friedrich-Wilhelm Kliem, Lagerleiter des Außenlagers Tiefstack] die seinem Lager angehörigen Frauen derart schlägt, dass das Geschrei dieser Frauen von den ebenfalls in unserem Werk beschäftigten Italienern und von anderen Gefolgschaftsmitgliedern angehört werden kann. […] Vorfälle dieser Art müssen notwendigerweise zu einer Erschütterung des Vertrauens und der Disziplin führen. Es erscheint uns deshalb notwendig, dass die vorgesetzte Dienststelle des HSchF. Kliem von ihnen Kenntnis erhält.“
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, im November 1945, wurde Kliem verhaftet und musste sich im Juli 1946 im Rahmen der Neuengamme-Prozesse im Hamburger Curio-Haus wegen Misshandlungen von Lagerinsassinnen in den Außenlagern Neugraben und Tiefstack verantworten. Ein britisches Militärgerichte verurteilte Lagerführer Kliem 1946 zu 15 Jahren Haft. Er wurde jedoch aufgrund guter Führung bereits im Jahr 1955, also nach neun Jahren Haft, vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Sein weiterer Lebensweg ist nicht bekannt.
Rohstoffe und Quellen
BearbeitenHamburg.de, Dokumente der NS-Dabeigewesenen
BearbeitenFriedrich-Wilhelm Kliem (25. Dezember 1896 Paderborn – Todesdatum nicht bekannt) Tischlermeister, Soldat, SS-Hauptscharführer Adresse: nicht bekannt Wirkungsstätte: Außenlager Hamburg-Veddel, Dessauer Ufer / Freihafen ; Außenlager Neugraben, Falkenbergsweg ; Außenlager Tiefstack, Andreas-Meyer-Straße
Nach dem Besuch der Volksschule erlernte Kliem das Tischlerhandwerk. Bevor er Ende August 1939 zur Wehrmacht eingezogen wurde, war er als selbstständiger Tischlermeister tätig. Er war bis Mai 1944 an der Ostfront eingesetzt, danach wurde er aus Altersgründen aus dem Dienst in der Truppe entlassen und kurz darauf von der Allgemeinen SS im Rang des Hauptscharführers übernommen. Von Juli bis Oktober 1944 diente Kliem im Außenlager Dessauer Ufer des KZ Neuengamme in der Schreibstube. Am 18. Oktober übernahm er als Kommandant die Lagerleitung der Außenlager Neugraben und Tiefstack in Hamburg. In Neugraben wurden rund 500 Frauen zum Arbeitseinsatz gezwungen; sie mussten für die Firmen Prien und Wesseloh. beim Bau von Behelfswohnheimen tätig werden sowie im Wasserleitungs- und Straßenbau. Zudem mussten sie für die Firma Malo Fertigbauteile für Behelfsunterkünfte herstellen. Im Februar 1945 wurden das Lager Neugraben nach Hamburg- Tiefstack verlegt. Bis zur Auflösung des Lagers mussten die Frauen in den letzten Kriegsmonaten verschiedenste Aufräumarbeiten in Harburg übernehmen. Kliem wurde im November 1945 verhaftet und musste sich im Juli 1946 im Rahmen der Neuengamme-Prozesse im Hamburger Curio-Haus wegen Misshandlungen von Lagerinsassinnen verantworten. Er wurde zu einer 15jährigen Gefängnisstrafe verurteilt, im Jahr 1955 aufgrund guter Führung frühzeitig aus der Haft entlassen. Text: Katharina Tenti Quellen: Hans Ellger: Zwangsarbeit und weibliche Überlebensstrategien. Die Geschichte der Frauenaußenlager des Konzentrationslagers Neuengamme 1944/45, Berlin 2007; Hans Ellger: Hamburg-Neugraben, in: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors.Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 5 Hinzert, Auschwitz, Neuengamme, München 2007, S. 412-413.
Hamburg.de, Dokumente der NS-Dabeigewesenen, Friedrich-Wilhelm Kliem, https://www.hamburg.de/clp/dabeigewesene-dokumente/clp1/ns-dabeigewesene/onepage.php?BIOID=343&qN=Kliem
offenes-archiv.de 2019
BearbeitenFriedrich-Wilhelm Kliem, Lagerführer der Hamburger Außenlager Neugraben und Tiefstack, in britischer Haft, 3. Januar 1946 Wegen Misshandlungen in den Außenlagern Neugraben und Tiefstack verurteilten britische Militärgerichte 1946 Lagerführer Kliem zu 15 Jahren Haft sowie sechs Zollbeamte und drei Aufseherinnen zu Haftstrafen zwischen 6 Monaten und 3 Jahren. Das Lagerpersonal hatte zunächst in Neugraben und dann in Tiefstack Dienst versehen.
Rathausausstellung 2019, Das KZ-Wachpersonal nach Kriegsende, S. 42, https://media.offenes-archiv.de/Rathausausstellung_2019_Stadt_42.pdf
offenes-archiv.de 2004
BearbeitenVon sechs der acht Hamburger Frauenaußenlager sind die ehemaligen Lagerführer heute namentlich bekannt: SS-Unterscharführer Walter Kümmel leitete die Lager Eidelstedt und Wedel, SS-Unterscharführer Johannes Heinrich Steenbock und SS-Sturmscharführer Friedrich Wilhelm Hinz leiteten das Lager Wandsbek, SS-Hauptscharführer Friedrich-Wilhelm Kliem und SS-Untersturmführer Otto Schulz leiteten die Lager Neugraben und Tiefstack, SS-Oberscharführer Leonhard Stark und Hauptmann Mercker leiteten das Lager Sasel. Über die meisten Lagerführer liegen bis heute nur wenige Informationen vor.
Die Lagerführung Rathausausstellung 2004, Frauenaußenlager, 34 https://media.offenes-archiv.de/Rathausausstellung_2004_Frauenau%C3%9Fenlager_34.pdf
KZ-Gedenkstätte Neuengamme
BearbeitenHamburg-Tiefstack
Leiter des Frauenaußenlagers Hamburg-Tiefstack war SS-Hauptscharführer Friedrich-Wilhelm Kliem. Zeitraum: 8. Februar 1945 bis 7. April 1945
KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Hamburg-Tiefstack, https://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/geschichte/kz-aussenlager/aussenlagerliste/?tx_camps_camps%5Bcamp%5D=44&cHash=6ad688bca611f64734a86f3b9f4172ea
Hamburg-Neugraben
Kommandant des Frauenaußenlagers Hamburg-Neugraben war SS-Hauptscharführer Friedrich-Wilhelm Kliem. Zeitraum: 13. September 1944 bis 8. Februar 1945 https://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/geschichte/kz-aussenlager/aussenlagerliste/hamburg-neugraben/
Eine der Hamburgerinnen dieses Außenlagers, die die Zeit von 1933 bis 1945 überlebte und nur ganz selten über das erlittene Unrecht sprach, war Erna Fuchs. Sie wurde 1913 in Hamburg geboren und lebte mit den Eltern und sechs Geschwistern in der Hamburger Neustadt. Ihr Vater war Schneidermeister. Nach dem Schulabschluss war sie bis 1935 als ausgebildete Tänzerin auf Tournee. Dann kam das Berufsverbot für sie und von der „staatlichen Dienstelle für Judeneinsätze“ wurde sie in einem Betrieb in Lokstedt zur Zwangsarbeit eingesetzt. [...]
Vom Außenlager Dessauer Ufer kam sie in die Außenlager Neugraben und Tiefstack.
Sie konnte einen der Bewacher überreden, ihre Schwester zu benachrichtigen, dass sie wieder in Hamburg ist. Die Schwester konnte immer wieder Kontakt zu Erna aufgenommen und ihr gelegentlich Lebensmittel zustecken und ein paar Worte mit ihr sprechen. Im März 1945 wurde Erna bei der Kontrolle am Lagereingang mit einem kleinen Lebensmittelpaket erwischt. Sie weigerte sich, den Namen des Gebers zu nennen. Der Neugrabener Lagerleiter Kliem peitschte sie daraufhin bis zur Bewusstlosigkeit aus.
15.04.2021 Bericht: Erinnerung an die Frauen des Außenlagers Neugraben, Heiner Schultz von der Initiative „Gedenken in Harburg“, https://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/nachrichten/news/erinnerung-an-die-frauen-des-aussenlagers-neugraben/
Das KZ Neuengamme und die Stadt Hamburg
BearbeitenMaterialien für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit
S. 17: Q5 Beschwerde über Misshandlungen Gerd Bucerius, der spätere CDU-Bundestagsabgeordnete und Herausgeber der liberalen Wochenzeitung »Die Zeit«, war von 1943 bis 1945 stellvertretender Geschäftsführer der Sperrholzfabrik Diago-Werke, auf deren Gelände sich das Außenlager Tiefstack des KZ Neuengamme befand. Am 26. März 1945 schrieb er an den Kommandanten des KZ Neuengamme: „Es erscheint uns auch nicht unbedenklich, dass HSchF. Kliem [Hauptscharführer Friedrich-Wilhelm Kliem, Lagerleiter des Außenlagers Tiefstack] die seinem Lager angehörigen Frauen derart schlägt, dass das Geschrei dieser Frauen von den ebenfalls in unserem Werk beschäftigten Italienern und von anderen Gefolgschaftsmitgliedern angehört werden kann. […] Vorfälle dieser Art müssen notwendigerweise zu einer Erschütterung des Vertrauens und der Disziplin führen. Es erscheint uns deshalb notwendig, dass die vorgesetzte Dienststelle des HSchF. Kliem von ihnen Kenntnis erhält.“ The National Archives, London, WO 235/149
Jörg Peter Müller (Autor), Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg (Herausgeber), Das KZ Neuengamme und die Stadt Hamburg, Materialien für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit, Hamburg 2020, S. 17, Quelle Q5, Beschwerde über Misshandlungen, unter Bezug auf: The National Archives, London, WO 235/149, https://www.hamburgische-buergerschaft.de/contentblob/13706660/35dfd634bd751d8f76c0e9d1bc9951fe/data/eine-stadt-und-ihr-kz-unterrichtsmaterial.pdf
Zeitschrift für Geschichtswissenschaft
BearbeitenS. 539: Vor allem in den Prozessen zu den Frauenaußenlagern, in denen das Gewaltaufkommen verglichen mit den Verhältnissen in den Männeraußenlagern geringer war, wurden die Lagerkommandanten deutlich härter bestraft als ihre Untergebenen. So erhielten die Kommandanten der Lager Neugraben/Tiefstack und Sasel, Friedrich Wilhelm Kliem und Leonhard Stark, jeweils eine Haftstrafe von 15 Jahren, während die Aufseherinnen und Aufseher dieser Lager zu maximal zwei (Neugraben/Tiefstack) bzw. sechs Jahren (Sasel) verurteilt wurden. Anders die Urteile in Fällen, in denen einzelnen Aufsehern oder Kapos nachgewiesen wurde, dass sie persönlich einen Häftling getötet hatten. Der Kommandant des Außenlagers Ahlem, Otto Fritz Harder, erhielt, wie auch Kliem und Stark, eine Haftstrafe von 15 Jahren, während ein Wachposten und ein Hundeführer zum Tod verurteilt wurden.
Alyn Bessmann / Marc Buggeln, Befehlsgeber und Direkttäter vor dem Militärgericht. Die britische Strafverfolgung der Verbrechen im KZ Neuengamme und seinen Außenlagern, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 53. Jahrgang 2005, Heft 6, S. 522–542, https://www.geschichte.hu-berlin.de/de/bereiche-und-lehrstuehle/dtge-20jhd/dokumente/publikationen/publikationen-buggeln/Befehlsgeber%20und%20Direkttaeter%20vor%20Militaergericht-%20Zfg%202005.pdf
Verlinken in:
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Heiner Schultz von der Initiative „Gedenken in Harburg“, Bericht: Erinnerung an die Frauen des Außenlagers Neugraben, 15. April 2021, https://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/nachrichten/news/erinnerung-an-die-frauen-des-aussenlagers-neugraben/