Benutzer:Markus Skubic/Doppelt außergewöhnlich

Doppelt außergewöhnlich (twice-exceptional, abgekürzt 2e) bezeichnet Personen, die gleichzeitig hochbegabt sind und eine Lernstörung oder Behinderung aufweisen. Diese Kombination bringt besondere Herausforderungen, aber auch einzigartige Chancen mit sich. Die Hochbegabung kann die Erkennung und den Umgang mit den Lernschwierigkeiten maskieren, während die Lernschwierigkeiten die Entfaltung der Hochbegabung beeinträchtigen können. Daher ist es wichtig, diese Personen frühzeitig zu identifizieren und ihnen die notwendige Unterstützung und Förderung zukommen zu lassen.[1] Die besondere Kombination von Stärken und Schwächen erfordert ein individuelles Vorgehen in der Förderung und im Umgang mit diesen Personen.

Charakteristika

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Doppelt außergewöhnliche Personen zeichnen sich durch eine komplexe Kombination von Stärken und Schwächen aus. Ihre Hochbegabung zeigt sich oft in Bereichen wie Kreativität, Problemlösungsfähigkeit, analytisches Denken und sprachliche Begabung. Helga Simchen beschreibt in ihrem Buch "ADHS und Hochbegabung", dass 2e-Kinder oft ein hohes Maß an Neugier und Motivation zeigen, wenn sie mit Themen konfrontiert werden, die sie interessieren.[2] Gleichzeitig können sie in anderen Bereichen Schwierigkeiten haben, beispielsweise in der Aufmerksamkeit, der Organisation, der motorischen Koordination oder der sozialen Interaktion. Diese Diskrepanz zwischen Stärken und Schwächen kann zu Missverständnissen und Frustration führen, sowohl bei den betroffenen Personen selbst als auch bei ihrem Umfeld.[3] Oftmals werden die Lernschwierigkeiten aufgrund der Hochbegabung nicht erkannt oder umgekehrt, was zu Fehldiagnosen und unangemessener Förderung führen kann.[4]

Herausforderungen

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Doppelt außergewöhnliche Kinder und Jugendliche stehen vor besonderen Herausforderungen in der Schule, im sozialen Umfeld und im Alltag.

  • In der Schule können sie unterfordert sein und sich langweilen, wenn ihre Hochbegabung nicht erkannt und gefördert wird. Gleichzeitig können sie, wie Simchen betont, durch ihre Lernschwierigkeiten Probleme haben, sich an die starren Strukturen und Regeln des Schulsystems anzupassen.[5] Dies kann zu Schulangst, Leistungsversagen und Verhaltensproblemen führen. Die häufige Folge ist eine negative Selbstwahrnehmung und ein geringes Selbstwertgefühl.[6]
  • Im sozialen Umfeld können 2e-Kinder Schwierigkeiten haben, Freundschaften zu schließen und zu halten. Sie können sich isolieren oder ausgegrenzt fühlen, weil sie anders sind als ihre Mitschüler. Ihre besondere Wahrnehmung und ihre intensiven Interessen können dazu führen, dass sie von Gleichaltrigen nicht verstanden werden.[7]
  • Im Alltag können 2e-Personen durch ihre Lernschwierigkeiten und ihre besondere Wahrnehmung der Welt mit Herausforderungen konfrontiert sein, die sie im Vergleich zu anderen Menschen mehr Energie kosten. Simchen weist darauf hin, dass 2e-Personen oft unter Perfektionismus und Selbstzweifel leiden.[5] Dies kann zu Stress, Überforderung und Erschöpfung führen. Die Bewältigung alltäglicher Aufgaben und die Anpassung an soziale Normen können eine große Herausforderung darstellen.[8]

Identifizierung und Diagnose

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Die Identifizierung von doppelt außergewöhnlichen Personen ist oft schwierig, da sich Hochbegabung und Lernschwierigkeiten gegenseitig maskieren können. Die Hochbegabung kann die Lernschwierigkeiten überdecken, sodass diese nicht erkannt werden. Umgekehrt können die Lernschwierigkeiten die Entfaltung der Hochbegabung behindern, sodass diese nicht sichtbar wird. Eine frühzeitige Diagnose ist jedoch wichtig, um den betroffenen Personen die notwendige Unterstützung und Förderung zukommen zu lassen. Die Diagnose erfolgt in der Regel durch eine Kombination von verschiedenen Verfahren, wie beispielsweise Intelligenztests, Leistungstests, Beobachtungen und Gesprächen mit den betroffenen Personen und ihrem Umfeld. Es ist wichtig, dass die Diagnose von qualifizierten Fachkräften durchgeführt wird, die sowohl mit Hochbegabung als auch mit Lernschwierigkeiten vertraut sind.[9] Simchen plädiert für eine umfassende Diagnostik, die neben Intelligenztests und Leistungstests auch die Beobachtung des Kindes im Alltag und Gespräche mit Eltern und Lehrern umfasst.[5]

Unterstützung und Förderung

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Doppelt außergewöhnliche Personen benötigen eine individuelle Unterstützung und Förderung, die sowohl ihre Hochbegabung als auch ihre Lernschwierigkeiten berücksichtigt.

  • In der Schule kann dies durch spezielle Förderprogramme, die Anpassung des Unterrichts an die individuellen Bedürfnisse und die Zusammenarbeit mit externen Experten erfolgen. Wichtig ist eine frühzeitige Identifizierung und eine angemessene Herausforderung der Hochbegabung, gleichzeitig aber auch die Unterstützung bei den Lernschwierigkeiten. Inklusive Bildungsangebote können dabei helfen, die individuellen Bedürfnisse der Schüler zu berücksichtigen.[10]
  • Im sozialen Umfeld ist es wichtig, dass 2e-Kinder und Jugendliche Verständnis und Akzeptanz erfahren. Sie benötigen die Möglichkeit, sich mit anderen 2e-Personen auszutauschen und soziale Kompetenzen zu erlernen. Selbsthilfegruppen und spezielle Freizeitangebote können dabei helfen, soziale Kontakte zu knüpfen und sich mit anderen 2e-Personen zu vernetzen.[11]
  • Im Alltag können 2e-Personen durch verschiedene Maßnahmen unterstützt werden. Dazu gehören beispielsweise eine strukturierte Tagesplanung, die Verwendung von Hilfsmitteln und die Inanspruchnahme von Therapien. Simchen empfiehlt insbesondere die multimodale ADHS-Therapie, die verschiedene Therapieansätze kombiniert und sowohl die ADHS als auch die Hochbegabung berücksichtigt.[5] Wichtig ist es, die individuellen Stärken und Schwächen zu erkennen und die Umwelt entsprechend anzupassen.[12]

Besondere Herausforderungen im Lebensverlauf

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Kindheit

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Doppelt außergewöhnliche Kinder sind oft neugierig, kreativ und haben ein breites Interessenfeld. Gleichzeitig können sie durch ihre Lernschwierigkeiten und ihre besondere Wahrnehmung der Welt mit Herausforderungen konfrontiert sein, die zu Frustration, Angst und Verhaltensproblemen führen können. Es ist wichtig, dass diese Kinder frühzeitig erkannt und gefördert werden, damit sie ihr volles Potenzial entfalten können. Eltern und Erzieher sollten die individuellen Bedürfnisse des Kindes erkennen und ihm die notwendige Unterstützung bieten.[13]

In der Jugend können die Herausforderungen für doppelt außergewöhnliche Personen zunehmen. Sie müssen sich mit ihrer Identität auseinandersetzen, soziale Beziehungen aufbauen und ihren Platz in der Gesellschaft finden. Gleichzeitig können sie durch ihre Lernschwierigkeiten und ihre Hochbegabung mit besonderen Anforderungen konfrontiert sein, die zu Stress, Überforderung und Selbstzweifeln führen können. In dieser Phase ist es wichtig, dass Jugendliche Unterstützung und Verständnis erfahren, sowohl von ihren Eltern und Lehrern als auch von ihren Freunden und Gleichaltrigen.[14]

Erwachsenenalter

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Im Erwachsenenalter können doppelt außergewöhnliche Personen erfolgreich in verschiedenen Bereichen tätig sein. Sie können ihre Stärken und Talente nutzen, um ihre Ziele zu erreichen und einen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Gleichzeitig können sie aber auch im Erwachsenenalter mit Herausforderungen konfrontiert sein, die sich aus ihrer doppelten Außergewöhnlichkeit ergeben. Es ist wichtig, dass sie lernen, mit ihren Stärken und Schwächen umzugehen und sich selbst zu akzeptieren. Die Entwicklung von Bewältigungsstrategien und die Inanspruchnahme von Unterstützung können dabei helfen, die Herausforderungen des Alltags und des Berufslebens zu meistern.[15]

Gesellschaftliche Bedeutung

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Das Thema der doppelten Außergewöhnlichkeit gewinnt zunehmend an gesellschaftlicher Bedeutung. Immer mehr Kinder und Jugendliche werden mit dieser Diagnose konfrontiert. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft für das Thema sensibilisiert wird und dass die betroffenen Personen die notwendige Unterstützung und Akzeptanz erfahren. Eine inklusive Gesellschaft, die die Vielfalt der Menschen anerkennt und wertschätzt, ist die Grundlage für die Teilhabe und die Entfaltung der Potenziale von doppelt außergewöhnlichen Personen.[16]

Forschung und Ausblick

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Die Forschung zur doppelten Außergewöhnlichkeit steht noch relativ am Anfang. Es gibt noch viele offene Fragen zu den Ursachen, der Identifizierung und der Förderung von 2e-Personen. Zukünftige Forschung sollte sich darauf konzentrieren, die Bedürfnisse dieser Personengruppe besser zu verstehen und wirksame Interventionsmaßnahmen zu entwickeln. Insbesondere die Entwicklung von spezifischen Diagnoseinstrumenten und Förderprogrammen ist ein wichtiger Forschungsschwerpunkt.[17]

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. Karg-Stiftung: Doppelt besonders – Expertise zur Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Hochbegabung und Lernschwierigkeiten. 2013, abgerufen am 20. November 2024.
  2. Simchen, Helga (2022). ADHS und Hochbegabung: Lern- und Verhaltensprobleme trotz hoher Intelligenz. Stuttgart: Kohlhammer.
  3. Baum, S. M., Schader, R. M., & Hélder, A. (2014). Twice-exceptional learners: Characteristics, identification, and educational recommendations. Gifted Child Quarterly, 58(4), 223-234.
  4. Reis, S. M., & McCoach, D. B. (2000). The underachievement of gifted students: What do we know and where do we go? Gifted Child Quarterly, 44(3), 152-170.
  5. a b c d Simchen, Helga (2022). ADHS und Hochbegabung: Lern- und Verhaltensprobleme trotz hoher Intelligenz. Stuttgart: Kohlhammer.
  6. Neihart, M., Reis, S. M., Robinson, N. M., & Moon, S. M. (Eds.). (2002). The social and emotional development of gifted children: What do we know? Waco, TX: Prufrock Press.
  7. Webb, J. T., Meckstroth, E. A., & Tolan, S. S. (1982). Guiding the gifted child: A practical source for parents and teachers. Columbus, OH: Ohio Psychology Publishing.
  8. Silverman, L. K. (2013). Twice-exceptional children: Understanding the unique needs of gifted students with learning disabilities. In J. S. Renzulli (Ed.), Identification and development of giftedness (pp. 461-492). New York, NY: Springer.
  9. Brody, L. E., & Mills, C. J. (1997). Gifted children with learning disabilities: A review of the issues. Journal of Learning Disabilities, 30(3), 282-296.
  10. National Association for Gifted Children. (2019). Redefining giftedness for a new century: Shifting the paradigm. Retrieved from https://www.nagc.org/resources-publications/resources/redefining-giftedness-new-century-shifting-paradigm
  11. Siegle, D., & Reis, S. M. (2012). The social and emotional lives of gifted students: Understanding their challenges and identifying supportive environments. Waco, TX: Prufrock Press.
  12. Dixon, F. A., Yssel, N., McConnell, J. M., & Stillman, J. A. (2013). Differentiation and the brain: How neuroscience supports the learner-friendly classroom. Bloomington, IN: Solution Tree Press.
  13. Lovecky, D. V. (2004). Different minds: Gifted children with AD/HD, Asperger syndrome, and other learning deficits. London: Jessica Kingsley Publishers.
  14. Winner, E. (2000). Gifted children: Myths and realities. New York, NY: Basic Books.
  15. Piechowski, M. M. (2006). "Mellow out," they say. If I mellow out, I'll disappear: Hyper-sensitivity and intensity in gifted adults. In M. M. Piechowski & F. Dixon (Eds.), Living with intensity: Understanding the sensitivity, excitability, and emotional development of gifted children, adolescents, and adults (pp. 411-444). Scottsdale, AZ: Great Potential Press.
  16. National Education Association. (2006). Supporting twice-exceptional students. Retrieved from http://www.nea.org/home/17297.htm
  17. Assouline, S. G., Foley Nicpon, M., & Whiteman, C. (2010). Cognitive and psychosocial characteristics of gifted students with learning disabilities. In S. G. Assouline & M. Foley Nicpon (Eds.), Talent development and gifted education (pp. 143-161). New York, NY: Routledge.