Von Hund und Altengrotkau

Bearbeiten

Karl Gotthelf, Reichsfreiherr von Hund und Altengrotkau (* 11. September 1722 in Unwürde, Oberlausitz; † 8. November 1776 in Meiningen, Herzogtum Sachsen-Meiningen) stammte aus altem schlesischen Adel und besaß bedeutende Güter in der Lausitz. Besondere Bedeutung erlangte er als Gründer und Oberhaupt der Strikten Observanz, der größten und bedeutendsten freimaurerischen Hochgrad-Organisation auf dem europäischen Kontinent im 18. Jahrhundert.[1]:144

Erste Kontakte zur Freimaurerei

Bearbeiten

1741 war Karl Gotthelf von Hund anlässlich der Kaiserkrönung Karls VII. in Frankfurt am Main und wurde dort in eine Freimaurerloge aufgenommen.[2]. In Gent wurde v. Hund zum Meister erhoben und in Brüssel in den ersten höheren Grad aufgenommen, wobei er den Ritternamen Chevalier de l'Epée („Ritter vom Degen“ oder „Carolus eques ab ense“) erhielt.[1]:148 1742 hielt er sich in Paris auf, wo er unter dem Einfluss einer vornehmen Dame zum Katholizismus konvertiert sein soll. Im Dezember 1742 fungierte er in Paris als Aufseher und im Januar 1743 als Meister vom Stuhl der Loge „Zu den drei Compassen“.[1]:149 Nach v. Hunds eigenen Angaben wurde er während seines Aufenthaltes in Paris zwischen Dezember 1742 und November 1743 in einen „besonderen Orden“ aufgenommen. Die „unbekannten Oberen“ des Ordens hätten ihn zum „Heermeister“ (Provinzial-Großmeister) der VII. Ordensprovinz (Deutschland) ernannt mit dem Auftrag, den Templerorden wieder zu errichten. Dies gilt als Beginn der Strikten Observanz.

Unter Berufung auf sein damals abgelegtes Schweigegelübde verweigerte v. Hund jahrelang weitergehende Auskunft. Nachdem jedoch Betrüger entlarvt worden waren, die sich z. B. wie Georg Friedrich von Johnssen als Abgesandte der unbekannten Oberen ausgegeben und Logen usurpiert hatten, verlangten v. Hunds Anhänger Beweise für seine Berufung. Auf dem Konvent der Strikten Observanz 1775 in Braunschweig erklärte v. Hund: Er sei 1743 in Paris von Lord Kilmarnock und anderen schottischen Rittern in den neuen Orden aufgenommen und dem Prinzen Charles Edward Stuart, einem hohen Ordensoberen, vorgestellt worden. Zunächst habe er Lord Kilmarnock für den Großmeister gehalten. Später sei ihm klar geworden, dass dahinter eine andere Person verborgen sei, zu der es aus politischen Gründen keine Verbindung geben durfte. Schließlich sei ein Emissär der „Ritter vom roten Federbusch“ bei ihm erschienen, habe von großen Besitzungen des Ordens in Labrador gesprochen und ihm Aktien zu 10.000 Pfund angeboten. Um sich an diesen Unternehmungen zu beteiligen, sei der erste Operationsplan (1754/1755) erarbeiten worden. Später habe er diese Versprechungen als Betrug erkannt, daraufhin die Überweisungen eingestellt und alle Verbindungen abgebrochen. Unter Tränen erklärte er, dass er wegen seines Eids nicht mehr sagen könne. Zum Beweis legte er noch sein „Heermeisterpatent“ vor. Das verschlüsselte Patent konnte bis heute nicht entziffert werden. Der Ritter vom roten Federbusch und andere von v. Hund erwähnte Personen sind nicht zu identifizieren.[1]:149–150

Nach heutigem Stand der Forschung gilt als sicher: „Es gab eine auf britischem Boden entstandene (oder vielleicht nur projektierte) Organisation, in die v. Hund in Paris aufgenommen wurde; dieser Organisation gehörten hochrangige Freimaurer und eben auch Nicht-Freimaurer an, ebenso fanden sich in dieser Vereinigung Stuart-Anhänger wie auch Männer …, die nicht zu den Sympathisanten der Stuarts zu rechnen waren. Eine ähnliche Organisation, wie jene, die der Freiherr v. Hund später unter dem Namen Strikte Observanz aufbaute, war auf den britischen Inseln … nicht zu finden; und auch für Nordamerika ließ sich bislang nichts Derartiges nachweisen.“ An v. Hunds Aufnahme in den Orden wirkten Männer mit, die hohe Ämter in der englischen und schottischen Freimaurerei innehatten. Einige von ihnen gehörten zur Partei der Suarts und nahmen auch 1746 auch an der Schlacht bei Culloden teil. Alexander Montgomerie, 10th Earl of Eglinton stand noch bis etwa 1756 in Verbindung mit v. Hund.[1]:154–155 Die Beziehungen v. Hunds zu dem angeblichen französischen Tempelherrenorden sind verworren und nicht mehr aufzuhellen. Die überlieferten Tagebuchaufzeichnungen Hunds geben jedenfalls hierüber keine Auskunft.

Hunds Wirken für die Strikte Observanz

Bearbeiten

Karl Gotthelf von Hund kehrte 1747 von seiner Bildungsreis zurück. 1749 gab er gemeinsam mit dem zweiten Patronatsherren, Heinrich Adolf von Gersdorff, den Auftrag zum Neubau der Kirche in Oberkittlitz. 1750 kaufte er das Gut Niederkittlitz, so dass nun Ober- und Niederkittlitz wieder in einer Hand waren. Bauherr des Schlosses Niederkittlitz war entgegen der verbreiteten Ansicht wahrscheinlich nicht v. Hund, sondern schon nach 1702 der Vorbesitzer, Hans Wenzel II. von Gersdorff.[3]:171–172 Von Hund lebte von den Einkünften seiner Rittergüter Unwürde, Kittlitz, Lieske, Großschweidnitz, Bärwalde, Mönau mit Rauden, Gebelzig, Jerchwitz, Groß Saubernitz, Sandförstgen, Zoblitz und Lipsa. Wenn er nicht auf Reisen war, bewohnte er das Schloss Unwürde, er führte einen großen Haushalt und liebte erlesene Pferde.[3]:169–170

Acht Jahre nach seiner Aufnahme in den geheimen Orden und nach mehreren vergeblichen Versuchen, mit dem Thronprätendenten Charles Edward Stuart oder anderen Ordensoberen in England in Kontakt zu treten, unternahm v. Hund erste Schritte zur Wiedererrichtung des Templerordens. Es kann angenommen werden, dass er seinem eigenen Plan folgte, auch wenn er stets behauptete, nach den Vorgaben und Befehlen der Ordensoberen zu handeln. Grundlegend war v. Hunds Entscheidung, für den Aufbau des neuen Ordens, das Europa überspannende Netz der Freimaurerlogen zu benutzen. 1751 gründete er als erste Loge der Strikten Observanz auf seinem Gut Unwürde die Freimaurerloge Zu den drei Säulen nach dem schottischen System. Die Loge bestand anfangs nur aus v. Hund und seinem Jugendfreund Wolf Christian von Schönberg (1727–1786), Landeshauptmann der Oberlausitz, der den Ritternamen „Ritter vom roten Löwen“ erhielt. Beide bildeten 1751 das Kapitel von Droyßig als Kern der Ordensgemeinschaft. Sie folgten damit dem verbreiteten Irrtum, die Niederlassung der Chorherren vom Heiligen Grab in Droyßig sei eine Niederlassung der Templer gewesen. Zunächst nahm v. Hund nur Standesgenossen und Rittergutsbesitzer seiner nächsten Umgebung in den Orden auf: 1752 Ernst Gottlob von Kiesewetter (1729–1778) auf Weicha, Amtshauptmann des Görlitzer Kreises, als „Ritter vom Diamant“ („Eques ab adamante“); Johann Erdmann von Gersdorff (1726--1803) auf Wurschen als „Ritter von der Distel“ („Eques a carduo“), Johann Ernst von Gersdorff (1726–1789) als „Ritter von der Schlange“ („Eques a serpente“); Ingenieurleutnant Johann Wilhelm Mylius (†1791) „Ritter vom Stern“ („Eques a stella“) legte als Ordenskanzler weitreichende Pläne für eine wirtschaftliche Betätigung des Ordens vor. [3]:168

  HUNDS HÖHERE GRADE

Hund nahm bald nach Gründung seiner Loge in Unwürde Verbindung auf zu Christian Adam von Bieberstein, der 1749 in Naumburg die Loge „Zu den drei Hammern“ als erste Schotten-Loge in Deutschland gegründete hatte. Beide Logen erarbeiteten in den Jahre bis 1754 gemeinsam die Grundlagen des Systems der Strikten Observanz.[4]

Grundzüge des Hundschen Systems

Bearbeiten

(Quellen für das folgende sind[5]:25–28 und [1]:160–167)

  • Im Zentrum stand die von Hund weiterentwickelte (historisch nicht haltbare) Legende, der Templerorden sei im Mittelalter nur äußerlich zerstört worden, der eigentliche Orden habe sich nach Schottland retten können und dort im Geheimen fortbestanden. Nur Eingeweihte wüssten die Namen der Großmeister, die nach den in Frankreich auf dem Scheiterhaufen verbrannten Führern den Orden leiteten. Die Identität der lebenden Anführer des Ordens und des derzeitigen Großmeisters, der Unbekannten Oberen, dürfe nicht preisgegeben werden. Die Legende legte zudem eine Verbindung zu den Jakobiten nahe.
  • Der fortbestehende Templerorden habe die ewigen Wahrheiten und die wahren Geheimnisse des Templerordens bewahrt.
  • Die Strikte Observanz verstand sich als Ritterorden, der auf der Freimaurerei aufbaute. Die Rittergrade waren höhere Grade der Freimaurerei, die Geheimwissen bearbeiteten, das über die traditionellen Erkenntnisstufen der Johannislogen hinausging. Die Ritter bildeten den Inneren Orden der Strikten Observanz und verstanden sich nicht mehr als Freimaurer, sondern als Tempelherren. An die Stelle der egalitären Prinzipien der englischen Freimaurerei traten im Orden der Strikten Observanz die Hierarchie- und Wertvorstellungen der Ständegesellschaft des 18. Jahrhunderts, ergänzt um einen sozialständischen Elitebegriff. Ritter konnten nur Adlige, Offiziere vom Hauptmann aufwärts, höhere Zivilbeamte mit Sitz und Stimme in einem Landeskollegium und Persönlichkeiten von besonderen Verdiensten werden. Daneben gab es die Klasse der Armiger in die nichtadlige Akademiker aufgenommen werden konnten, sofern sie sie als Geistliche, Beamte, Gelehrte, Advokaten oder Ärzte mindestens den Ratstitel besaßen. Sie gehörten zum Inneren Orden, bekamen aber keinen Ritterschlag. Die soziale Exklusivität des Inneren Ordens wurde auch durch hohe Aufnahmegebühren gesichert.
  • Die traditionellen Freimaurerlogen wurden nur als zeitweiliger Organisationsrahmen und als Rekrutierungsfeld der Strikten Observanz gesehen. Sie würden sich auflösen, sobald der Tempelherrenorden eines Tages offiziell wieder hergestellt werde.
  • Die Mitglieder verpflichteten sich, „bei Verlust unserer Ehre und des ewigen Anschauens Gottes“ strengsten Gehorsam gegen die Ordensoberen zu üben, tiefstes Stillschweigen zu wahren, Ordensstrafen auf sich zu nehmen. Der Orden war streng hierarchisch gegliedert. Im Orden herrschte strenge militärische Disziplin. Es war verpönt, Anordnungen der Ordensoberen auf ihre Beweggründe und Zweckmäßigkeit zu hinterfragen. Die Ritter durften nur mit ihrem Ritternamen genannt werden, der ihnen zusammen mit dem Rittergrad verliehen wurde.
  • Der Operationsplan (1754) stellt der Strikten Observanz als ökonomisches Ziel die Gewinnung großer finanzieller Mittel durch Aufnahmegebühren, Jahresbeiträge und Spenden der Mitglieder sowie durch eigene wirtschaftliche Tätigkeit (Bergbau, Manufakturen, Handel). Mit diesen Mitteln wollte sich der Orden an englischen Koloniegründungen in Nordamerika beteiligen oder selbst Land erwerben für die Gründung einer Adelsrepublik. Außerdem sollte ein Kapitalstock aufgebaut werden für eine Versicherung und Alterversorgung der Ritter. Vorbild war auch hier die Tradition des Templerordens, der nur dem Papst und keinem Landesherrn unterstanden und sich im großen Maßstab als Geldverleiher betätigt hatte.
  • Die territoriale Gliederung des Ordens folgte einer rekonstruierten Gliederung des alten Templerordens und verwendete die Ortsbezeichnungen der ehemaligen Templerniederlassungen, v. Hund war Heermeister des Ordens und Provinzial der VII. Provinz.

V. Hund legte die Ordensstruktur und Ordensämter fest, definierte die höheren Grade und entwarf Zeremonien, Rituale, eine Kleiderordnung, ein Chiffriersysteme für die geheime Korrespondenz. Über allem stand das Bestreben nach materieller Absicherung des Ordens und seiner Mitglieder. Dazu erarbeitete Johann Christian Schubart Edler von Kleefeld ab 1762 den Ökonomischen Plan, der Kapitalakkumulation und eigene Wirtschafts- und Handelstätigkeit des Ordens vorsah.

Der Orden verbreitete sich zunächst nur langsam, was zum Teil durch die Belastungen des Siebenjährigen Krieges zu erklären ist. Im Siebenjährigen Krieg stand v. Hund fest zu Österreich und Kursachsen. Seine Güter waren abwechselnd in preußischer und österreichischer Hand. Er hasste Friedrich II. Das politische Misstrauen Friedrichs II. gegen v. Hund und die Strikte Observanz hatte also einen realen politischen Grund. Kaiserin Maria Theresia ernannte v. Hund wegen seiner Verdienste um Österreich zum wirklichen Geheimen Rat und erhob ihn in den Reichsfreiherrenstand. // Auf dem Konvent in Altenberge präsentierte sich Hund als Provinzial-Großmeister von Deutschland. Man glaubte ihm und bestätigte ihn als Heermeister der VII. Ordensprovinz. // Hund regierte die VII. Provinz unumschränkt bis 1772, als der Konvent in Kohlo erstmals die Mitglieder des Provinzkapitels wählte. Das Ordensdirektorium hatte zunächst in Dresden seinen Sitz, ab 1775 in Braunschweig unter dem Vorsitz von Oberstleutnant Ernst Sigismund Baron v. Lestwitz, dem maurerischen Berater Herzog Ferdinands von Braunschweig. Der Hochgradorden war militärisch-hierarchisch organisiert und forderte blinden Gehorsam gegenüber den Befehlen der Ordensoberen. Die in den bisherigen Logen englischer Art übliche demokratische Verwaltung und die Wahl der Beamten waren abgeschafft. Die Strikte Observanz übernahm die regionale Gliederung des historischen Ordens in Ordensprovinzen, wenn auch in anderen Grenzen. Die VII. Ordensprovinz an Elbe und Oder umfasste Norddeutschland, Dänemark, die Niederlande, Böhmen, Polen, Livland und Kurland. Sie war in Präfekturen gegliedert, in Brandenburg-Preußen die Präfekturen Templin (Berlin), Appelstädt (Breslau) und Königsberg. // Das Hochgradsystem hatte sieben sehr teure Grade. Die ersten drei Johannisgrade Lehrling, Geselle, Meister waren der Freimaurerei entlehnt. Der Grad des schottischen Meisters war eine Art Gericht über den Kandidaten. Den fünften und sechsten Grad des Novizen (Maître élu, Chevalier de l’aigle) und des Tempelritters (Templer, Chevalier illustre) soll v. Hund, so Runkel, aus dem Gedächtnis niedergeschrieben haben. Nach dem Siebenjährigen Krieg erhielt der sechste Grad drei Klassen, Eques (Ritter), Socius und Armiger. Zuletzt kam ein siebter Grad hinzu, der Eques professus (Chevalier sublime). Die Besitzer des 6. und 7. Grades bildeten den Inneren Orient.[6]

Die Berliner Loge „Zu den drei Weltkugeln“, Mutterloge aller Freimaurer in Preußen, trat 1764 dem Orden bei. Johann Joachim Christoph Bode wurde 1766 Schatzmeister der VII. Provinz der Strikten Observanz und missionierte in Holland und Russland. Um 1768 hatte die Strikte Observanz in Sachsen und Schlesien Fuß gefasst und sich erfolgreich nach Norddeutschland (Hamburg, Bremen, Stettin), ins Rheinland und nach Kopenhagen, Wien, Prag Warschau, Ungarn und die Schweiz ausgebreitet. [5]:34

Liste der Mitglieder (des inneren Ordens) der Strikten Observanz

Bearbeiten
  • Johann Lorenz Daniel Succow (1722—1801), 1756 Professor der Physik in Jena; Mitglied der Jenaer Loge „Zu den drei Rosen", 1773 der Weimarer Loge „Amalia", Freimaurer der Strikten Observanz („Eques a Capite ursi").[7]:132
  • In Straßburg arbeiteten die beiden der Strikten Observanz zugehörigen Logen „La Candeur" und „Le Parfait Silence". In diesem System war die Stadt seit 1775 Sitz des Hochkapitels der V. Provinz (Burgund). [7]:133
  • Adrian (von) Riedl (1746-1809), 1771 Hofkammerrat, 1772 Wasser-, Brücken- und Straßenbaukommissar in München, 1790 geadelt, Direktor des Generalbaudirektoriums, zuletzt Landbauinspektor und kgl. bayer. Baurat; 1775 Mitglied der Loge „Zur Behutsamkeit" („Archimedes"), Freimaurer der Strikten Observanz („Eques ab Incude").[7]:51
  • Maximilian Joseph (1756-1825), 1795 Herzog von Zweibrücken, 1799 Kurfürst, 1806 König von Bayern; 1778 Mitglied der Straßburger Loge „La Candeur", Freimaurer der Strikten Observanz („ab Aquila jovis").[7]:135
  • Johann Theodor Heinrich Graf Topor Morawitzky von Rüdnitz (1735-1810), 1764 Hofrat, 1769 Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften, 1779—91 Präsident der Oberlandesregierung in München; 1775 Mitgründer und Meister vom Stuhl der Loge „Zur Behutsamkeit" („Yorick"), Freimaurer der Strikten Observanz („a Corde flagrante").[7]:137
  • Wolfgang Heribert Freiherr von Dalberg (1749-1806), kurpfälzischer Finanzpräsident, Geh. Rat und 1779—1802 Intendant des Mannheimer Nationaltheaters; Mitglied der Wetzlarer Loge „Joseph zu den drei Helmen", Freimaurer der Strikten Observanz („a Tumba sacra"). Dalberg hatte 1776 bei Kurfürst Carl Theodor vergeblich um die Genehmigung zur Gründung einer Loge dieses Systems in Mannheim nachgesucht (vgl. Schwarz 29 f.)[7]:144
  • Adolph Franz Friedrich Ludwig Freiherr von Knigge (1752-96), weimarischer Kammerherr, Schriftsteller; 1773 Mitglied der Kasseler Loge „Zum gekrönten Löwen", 1779 Freimaurer der Strikten Observanz („a Cygno").[7]:160
  • Johann Wilhelm Ellenberger, gen. Kellner von Zinnendorf (1731-82), Dr. med., preußischer Militärarzt, zuletzt 1778-79 Generalfeldstabsmedikus; 1757 Mitglied der halleschen Loge „Philadelphia zu den drei goldenen Armen", 1758 der Breslauer Loge „Zu den drei Totengerippen", 1764—66 Freimaurer der Strikten Observanz („a Lapide nigro"), 1769 Gründer und bis 1776 Vorsitzender Meister der Berliner Loge „Zu den drei goldenen Schlüsseln", 1770 Gründer, 1780 Großmeister der „Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland". [7]:144
  • Carl Herzog von Södermanland war 1779 ein Bruder Gustavs III. als Heermeister der VII. Provinz der Strikten Observanz eingesetzt worden.[7]:174
  • Die Loge „Zu den drei Weltkugeln" war 1766 dem System der Strikten Observanz beigetreten. Berlin bildete seit 1772 die exempte Präfektur „Templin".[7]:177
  • Gottlieb Franz Freiherr von Gugomos (ca. 1742-1816), freimaurerischer Hochstapler, 1776 Veranstalter des Wiesbadener Konvents. In seinem Widerruf von 1780 (in Winfried Dotzauer [Hg.]:Quellen %ttr Geschichte der deutschen Freimaurerei im 18. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des Systems der Strikten Observanz Frankfurt a. M. 1991, 248 f.) gab er an, daß er seine Lehren „aus der Schule des Menschenfeindes" bezogen habe. Vgl. ferner Lang 24-67.[7]:178
  • Johann Christian Joseph Freiherr von Waldenfels (1742—96), Reichskammergerichtsassessor in Wetzlar; Kanzler der Frankfurter Ordenspräfektur der Strikten Observanz („a Cubo aureo"); Illuminat („Chabrias"), im Frühjahr 1783 wegen seiner (gleichzeitigen) Mitgliedschaft bei den Gold- und Rosenkreuzern ausgeschlossen. [7]:182
  • Gerhard Matthäus Wallacher (1744-1806), Dr. jur., Advokat in Frankfurt, 1784 Ratsmitglied, 1787 Senator, 1800 Jüngerer Bürgermeister, 1802 Schöffe; Freimaurer der Strikten Observanz („a Cyano") und Meister vom Stuhl der Loge „Zu den drei Disteln", nach deren Vereinigung mit der Loge „Zur Einigkeit" 1786 Zweiter Aufseher der Provinzialgroßloge.[7]:182
  • Johann Georg Wendelstadt (1744—1819), Mitglied der Neuwieder Loge „Caroline zu den drei Pfauen", Freimaurer der Strikten Observanz („a Serpente"); 1778 Mitglied in Knigges „Orden der Freundschaft"; als Illuminat „Averroes".[7]:182
  • Johann Joachim Christoph Bode (1730-93) vertrat die These, die Freimaurerei sei von den Jesuiten unterwandert bzw. begründet worden. Er war hoher Funktionär der Strikten Observanz („a Lilio convallium") und trat nach dem Konvent von Wilhelmsbad im August 1782 den Illuminaten bei („Aemilius").[7]:193
  • Johann Caspar Aloys Graf Basselet von La Rosee (1747-1826), 1767 kurbayer. Kämmerer und Hofrat, 1772 Mitglied der Bayer. Akademie der Wissenschaften, 1782 Revisions- und Appellationsgerichtsrat, 1791 Wirkl. geh. Rat in München; Sekretär der Loge „Zur Behutsamkeit" („Socrates"), Freimaurer der Strikten Observanz („a Laurea")[7]:199
  • Maximilian Clemens Joseph Graf von Seinsheim (1751-1803), 1779-83 Wirkl. geh. Rat und Vizepräsident des Geistl. Rats, 1783-85 Vizepräsident der Oberlandesregierung und Minister in München, dann in pfalz- zweibrückischen Diensten, 1794 Hofratskanzler in der Regierung von Neuburg, 1799—1802 Präsident des Geistl. Rats; 1775 Mitglied der Bayer. Akademie der Wissenschaften; Zeremonienmeister der Loge „Zur Behutsamkeit" („Callimachus"), Freimaurer der Strikten Observanz („ab Oliva"), Illuminat („Alfred")[7]:199
  • Ernst Friedrich Hektor Falcke (1751—1809), Hof- und Konsistoriakat in Hannover, 1806 Geh. Justizrat; Mitglied und bis zu seinem Tode Meister vom Stuhl der dortigen Loge „Friedrich zum weißen Pferde", Freimaurer der Strikten Observanz („a Rostro"); im Illuminatenorden („Epimenides") August 1782 Regent und Inspektor der Provinzen Ober- und Niedersachsen, welches Amt er wegen seiner (gleichzeitigen) Mitgliedschaft bei den Gold- und Rosenkreuzern im Oktober 1783 abgeben mußte.[7]:200
  • Georg Ernst (von) Rüling (1748-1807), Hof- und Kanzleirat in Hannover, 1792 Oberappellationsrat in Celle, Jugendfreund Knigges; Mitglied der Göttinger Loge „Augusta zu den drei Flammen", 1775 Freimaurer der Strikten Observanz („a Spelunca"); Illuminat („Simonides").[7]:202
  • Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel (1721-92), Bruder des regierenden Herzogs Carl I. (1713—80), Feldherr im Siebenjährigen Krieg; seit 1740 Freimaurer, 1772 Nationalgroßmeister aller Schottischen Logen der Strikten Observanz („a Victoria"). Ihm hatte Lessing den ersten Band der Gespräche gewidmet.[7]:214
  • Ernst Werner von Raven (1727-87), Ritterschaftsdeputierter in Rostock; Freimaurer der Strikten Observanz („a Margarita"), handelte auf dem Konvent von Kohlo 1772 im Auftrag Starcks die Vereinigung von Strikter Observanz und Klerikat aus.[7]:215
  • Carl Eberhard Freiherr von Wächter (1746-1825), Advokat in Stuttgart, 1779 kgl. dänischer Kammerherr und Gesandter; Mitgründer der Stuttgarter Loge „Zu den drei Zedern", Freimaurer der Strikten Observanz („a Ceraso"), Teilnehmer des Wilhelmsbader Konvents; 1783 Illuminat. Vgl. Lang 141-55. - Die Ergebnisse von Wächters Reise hatten einerseits die Templerlegende der Strikten Observanz erschüttert, andererseits Hoffnungen auf neue, in Italien zu findende „geheime Wissenschaften" geweckt.[7]:216
  • Carl Anders af Plommenfeldt, geb. Plomgren (*l75o), 1770 geadelt, 1777 kgl. Zeremonienmeister in Stockholm, 1782 wegen Hochverrats zum Tode verurteilt, daraufhin aus Schweden geflohen; Mitglied des Stockholmer Kapitels der Strikten Observanz („a Stella irranaculata"), 1778 Teilnehmer des Konvents von Wolfenbüttel.[7]:216
  • Amand Philipp Ernst von Ebersberg, gen. von Weyhers und Leyen (1747-1803), fuldaischer Oberamtmann in Brückenau, Burgmann in Friedberg; 1777 erster Meister vom Stuhl der Gersfelder Loge „Wilhelmine zu den drei Buchen", ferner Mitglied der Logen „Zur beständigen Einigkeit" in Biebrich bei Wiesbaden und „Charlotte zu den drei Nelken" in Meiningen, Freimaurer der Strikten Observanz („a Lilio rubro"); Illuminat („Cleanthes"), bis ca. Juni 1783 Provinzial für den Kurrheinischen Kreis („Crescens").[7]:221
  • August Friedlich Carl Wilhelm von Sachsen-Meiningen (1754-82), seit 1775 regierender Herzog; 1775 Mitglied der Meininger Loge „Charlotte zu den drei Nelken", 1776 Freimaurer der Strikten Observanz („a Zelo flagranti"), dort zunächst Protektor Frankens, ab 1781 der VIII. Provinz (Oberdeutschland).[7]:222
  • Wilhelm Friedrich Freiherr von Gleichen gen. Rußwurm (1717-83), Militär und privatisierender Naturforscher, kulmbachischer Geh. Rat auf Schloß Greifenstein bei Karlstadt; 1741 Mitgründer und bis 1756 Meister vom Stuhl der Bayreuther Loge „Zur Sonne", Freimaurer der Strikten Observanz („ab Unicorno aureo"). [7]:224
  • Johann August (Freiherr von) Starck (1741-1816), 1766 Konrektor in Wismar, 1769-77 Professor der Theologie und Hofprediger in Königsberg, seit 1781 Oberhofprediger in Darmstadt; 1767 Mitgründer der Wismarer Loge „Zu den drei Löwen", Freimaurer der Strikten Observanz („ab Aquila fulva"), Gründer des templerischen „Klerikats". Später einer der wichtigsten publizistischen Gegner der Illuminaten [Der Triumph der Philosophie im Achtzehnten Jahrhunderte, 2 Bde., Germantown [d. i. Augsburg] 1803).[7]:253
  • Carl Landgraf von Hessen-Kassel (1744-1836), kgl. dänischer Feldmarschall, 1764 Präsident des Kriegsrats, 1768 Gouverneur von Schleswig und Holstein; Freimaurer seit 1775, führendes Mitglied der Strikten Observanz („a Leone resurgente"), 1786 Provinzialgroßmeister für Dänemark, 1792 Generalgroßmeister des ganzen Ordens; 1783 Illuminat („Aaron").[7]:254
  • Friedlich Wilhelm Freiherr von Canitz und Dallwitz (1747-1805), Offizier und Hofmarschall in Kassel; Mitgründer der dortigen Loge „Zum gekrönten Löwen", Freimaurer der Strikten Observanz („a Templo aperto"), mit dem Namen „Lucus Hermelion ab Auditz" im Führungskreis der Kasseler Gold- und Rosenkreuzer, August 1781 Illuminat (Ordensname unbekannt).[7]:266
  • Franz Dietrich Freiherr von Ditfurth (1738-1813), 1765 Kanzleiassessor und Hofrat in Braunschweig, 1773 Reichskammergerichtsassessor in Wetzlar; 1772 Mitgründer, 1777-93 Meister vom Stuhl der Loge „Zu den drei Helmen", Freimaurer der Strikten Observanz („ab Orno"), 1777 Präfekt von „Rittersfelde" (Frankfurt), Teilnehmer der Konvente in Wolfenbüttel und Wilhelmsbad, 1783 Mitgründer des Eklektischen Bunds.[7]:282
  • Johann Benjamin Koppe (1750-91), seit 1776 o. Prof. der Theologie in Göttingen, 1778 auch Direktor des Predigerseminars und Universitätsprediger; 1779 Meister vom Stuhl der Göttinger Loge „Augusta zu den drei Flammen", Freimaurer der Strikten Observanz („a Sto. Johanne"); Illuminat („Ac[c]acius").[7]:316
  • Carl Wilhelm Robert (1740-1803), Professor zunächst der Theologie, dann der Rechte und der Philosophie in Marburg; mehrmals Meister vom Stuhl der dortigen Loge „Zu den drei Löwen", Freimaurer der Strikten Observanz („a Face"), Illuminat („Thomas Aquinas").[7]:387
  • August Carl Bernhard Freiherr Schuler von Senden (1752-1833), Advokat und Hofrat in Braunschweig, 1784 Reichskammergerichtsassessor in Wetzlar, zuletzt hessen-darmstädtischer Gesandter in Berlin; 1777 Mitglied der Braunschweiger Loge „Zur gekrönten Säule", später der Wetzlarer Loge „Joseph zu den drei Helmen", Freimaurer der Strikten Observanz („ab Ancora").[7]:388
  • Caspar Friedrich (von) Hofmann (1740-1814), 1760 Dr. jur., 1761 Reichskammergerichtsadvokat, 1769 Kammergerichtsprokurator in Wetzlar, Ratskonsulent der Stadt Frankfurt a. M., 1799 geadelt; 1771/72 Mitglied der Wetzlarer Loge „Joseph zu den drei Helmen", 1777 Freimaurer der Strikten Observanz („ab Hespero").[7]:393
  • Johann Gotthard Hert (1745-1809), Dr. jur., 1766 Advokat, 1781 Reichskammergerichtsprokurator; 1772 Mitglied der Loge „Joseph zu den drei Helmen", 1777 Freimaurer der Strikten Observanz („ajanua clausa"). [7]:393
  • Carl Georg Freiherr von Riedesel zu Eisenbach (1746-1819), Erbmarschall, Dr. jur., 1771 württembergischer Kammerherr, Regierungsrat und Hofgerichtsassessor in Stuttgart, 1778 Reichskammergerichtsassessor in Wetzlar, 1807 kgl. württemb. Wirkl. Geh. Rat in Stuttgart, 1811-17 Staatsrat; 1772 Mitglied der Wetzlarer Loge „Joseph zu den drei Helmen", 1778 Mitglied der Stuttgarter Loge „Zu den drei Zedern", 1783 der Wetzlarer Schottenloge „Joseph zum Reichsadler", Kommissar des Kapitels „Rittersfelde" der Strikten Observanz („a Tribus castellis"), 1785 Mitglied der Gießener Loge „Ludwig zu den drei goldenen Löwen"; im Illuminatenorden Provinzial von Dacia (Oberrheinischer Kreis), 1783 Präfekt in Wetzlar („Valerius").[7]:428
  • Friedrich Jacob Dietrich von Bostell (1744-1810), Reichskammergerichtsassessor in Wetzlar, sachsen-meiningischer Hofrat; Mitglied und zeitweise Deput. Meister der Wetzlarer Loge „Joseph zu den drei Helmen", Freimaurer der Strikten Observanz („a Talpa") und „Provisor domorum" der VIII. Ordensprovinz; im Illuminatenorden Superior der Wetzlarer Minervalkirche.[7]:428
  • Friedrich Carl von Schweitzer (1749-1808), Advokat in Frankfurt a. M., 1771 Dr. jur., 1783 Senator, später mehrmals Jüngerer Bürgermeister; 1772 Mitglied der Wetzlarer Loge „Joseph zu den drei Helmen", dann der Frankfurter Loge „Zu den drei Disteln", Freimaurer der Strikten Observanz („ab Ancora"), 1783 Übertritt zur Loge „Zur Einigkeit".[7]:432
  • Georg Ernst Freiherr von und zu Gilsa (1740-98), hessen-kasselscher Obrist und Obereinnehmer in Treysa; Sekretär der Marburger Loge „Zum gekrönten Löwen", Freimaurer der Strikten Observanz („a Falcone").[7]:436

Johann VI. und die wettinische Kirchenpolitik

Bearbeiten

Nach dem Kirchenrecht stand der Bischof allein an der Spitze seiner Diözese. Als geistlicher Oberhirte war er Lehrer und Prediger und hatte die Aufsicht über den Klerus, den Gottesdienst und die religiöse Praxis der Laien. Durch die Verleihung der Regalien war er zugleich Lehnsmann des Kaisers und weltlicher Herrscher in seinem Territorium, dem Hochstift, und hatte als Reichsbischof Sitz und Stimme im Reichstag. Diese bischöflichen Rechte gerieten jedoch zunehmend in Konflikt mit den landesherrlichen Machtansprüchen, so dass sie am Ende des 15. Jahrhunderts zum Teil nicht mehr durchsetzbar waren. Die Bistümer Meißen, Merseburg und Naumburg standen unter Schutzherrschaft der Wettiner. Für das Bistum Meißen wurde in der Leipziger Teilung von 1485 festgelegt, dass Kurfürst Ernst von Sachsen und Herzog Albrecht von Sachsen die Schutzherrschaft gemeinsam innehatten, aber Georg der Bärtige, der seit 1488 im albertinische Sachsen regierte, übte sie praktisch allein aus.

Wie die Bischöfe des 15. Jahrhunderts allgemein, so agierte auch Johann VI. in einem Feld mehr oder weniger umfassender Reformversuche, wie sie die Reformkonzilien von Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449) beschlossen hatten. Die Kirchenpolitik Georgs des Bärtingen stand in dieser Reformtradition. „Der tief im Glauben verwurzelte Herzog versuchte im Verlaufe seiner Regierung, die offen zutage liegenden negativen Erscheinungen des kirchlichen Lebens zu überwinden und auf diese Weise die Kirche zu reformieren. Bei der praktischen Umsetzung seiner Ideen geriet er mit den Bischöfen von Meißen und Merseburg in Zwiespalt.“[8] Ein besonderes Anliegen Georgs war es, die Zuständigkeit der geistlichen Gerichte auf Entscheidungen in Ehesachen und über Vergehen von Geistlichen zu beschränken.

Aus dem Streit über die Zuständigkeit der geistlichen Gerichte entwickelte sich ein offener Machtkampf zwischen Herzog Georg und Bischof Johann VI., der acht Jahre andauerte.[9]:191–204 Am Anfang stand die Geldforderung eines Pirnaer Bürgers gegen einen bischöflichen Amtmann. Im Herbst 1502 forderte der Herzog den Bischof auf, den Kläger gemäß dem Urteil des herzoglichen Gerichts zu befriedigen. Dagegen verwahrte sich Johann, der Herzog hätte die Klage nicht annehmen dürfen, sondern den Kläger an das bischöfliche Gericht verweisen müssen. Georg antwortete scharf: Aus der „fürstlichen oberkeit“ ergebe sich seine Verpflichtung, das Recht in seinem Lande zu wahren. Für den Herzog unterstand der Bischof der wettinischen Landesherrschaft und Obergerichtsbarkeit. Der Bischof hielt diesen Grundsatz für inakzeptabel und verschärfte den Konflikt. Zunächst behinderte er die wettinische Steuererhebung in Dörfern des Hochstifts, hielt im November 1502 zwanzig vom Herzog angeforderte gerüstete Reiter zurück, und bestritt schließlich grundsätzlich Georgs Recht auf Heerfolge. Auf diese Verletzung seiner ureigensten Interessen reagierte der Herzog mit der schärfsten Strafe, die er gegen einen Geistlichen verhängen konnte: Er sperrte ihm die Temporalien und sandte den Dresdner Amtmann Balthasar von Grauschwitz in das Stiftsgebiet, wo er den Untertanen Zinszahlung, Dienste oder Gehorsam gegenüber dem Bischof verbot. Die Temporaliensperre sei der „lindeste Weg“, um auf Johanns „eigensinnigkeit, trotzikeit und verachtunge unsrer zcustendigen gebote und gerechtikeit“[10] zu reagieren. Der Bischof geriet in die Defensive und bot wiederholt Verhandlungen an, doch der Herzog erklärte, er werde die Auseinandersetzung fortsetzen „biß so lang sulchs unrecht bey uns abgetragen und wir unssers gemutt gsenfft wert“.[11]

„Zwischen Bischof und Landesherr war ein offener Machtkampf entbrannt. An den Koordinaten frühmoderner Landesherrschaft – Gerichtshoheit, Heerfoge, Besteuerung – mußte sich die ständische Qualität des Meißner Bischofs entscheiden. Landsässiger Vasall des wettinischen Territorialstaats oder gleichrangiger und unabhängiger Reichsstand lauteten die Alternativen.“[12]

Der Streit gefährdete zunehmend die militärische Sicherheit, da andere versuchten, ihn für ihre eigenen Ziele auszunutzen. Georg von Guttenstein (Jiří z Gutštejna), Herr auf der böhmischen Burg Gutštejn, hatte im Burgundischen Erbfolgekrieg an der Seite von Albrecht dem Beherzten, Georgs Vater, gekämpft. Weil Georg seine Forderung nach einer angemessenen Bezahlung für diese Dienste ablehnte, erklärte Guttenstein ihm die Fehde. Am 28. November 1504 überfiel Guttenstein das bischöfliche Bischofswerda, raubte die Stadtkasse, plünderte die Stadt und zog sich noch am selben Tag mit reicher Beute und etwa 30 Bürgern als Geiseln zurück.[13] Bischof Johann, der trotz dringender Aufforderung des Herzogs nicht in der Lage war, seine Orte Bischofswerda und Stolpen zu schützen, zog sich nach Wurzen zurück. Georg verlegte eine Garnision nach Bischofswerda und setzte einen Amtmann ein, der für mehrere Jahre die bischöflichen Einnahmen aus Stadt und Amt konfiszierte.

Als 1508 der bischöfliche Prokurator vor einem päpstlichen Delegationsgericht[14] in Leipzig den Vorwurf erhob, Herzog Georg habe Bischofswerda unrechtmäßig besetzt, hetze das Domkapitel gegen den Bischof auf und versuche Druck auf das päpstliche Gericht auszuüben, sah der Herzog darin eine persönliche Beleidigung und zwang den Bischof, sich von den Äußerungen seines Prokurators zu distanzieren. In der Sache blieb Johann jedoch auf Konfrontationskurs und verbot den Stadträten von Stolpen und Bischofswerda, sich der Gerichtsbarkeit Herzog Georgs zu unterwerfen. Andererseits verweigerte der Herzog 1508 die Übergabe eines in Dresden inhaftierten, des Mordes verdächtigen Priesters an die bischöfliche Gerichtsbarkeit.[15] Auf diese kalkulierte Verletzung des privilegium fori reagierte Johann mit äußerster Schärfe und verhängte das Interdikt über die Residenzstadt Dresden, so dass der Gottesdienst sogar in der Hofkapelle eingestellt werden musste.

Im Herbst 1508 bot der Merseburger Bischof Thilo von Trotha seine Vermittlung an. Der Herzog legte eine lange Liste von Gravamina gegen Johann vor, die er zur Grundlage von Verhandlungen erklärte: Nicht nur die Landsässigkeit des Bischofs und seine Leistungen an die Wettiner sollten festgeschrieben werden, sondern auch seine Kooperation mit der landesherrlichen Kirchenreform. Johann war dazu noch nicht bereit. Georg suchte, ihn immer mehr zu isolieren, indem er auch das Umfeld des Bischofs auf seine Seite zog, z.&nbsp:B. den Amtmann und den Generaloffizial in Stolpen. Das Meißner Domkapitel stand ohnehin auf der Seite des Landesherrn. Ein Vermittlungsversuche der Ernestiner 1510 wurde von Georg abgeblockt. Das Wiederaufleben einer alten Fehde brach schließlich den Widerstand des Bischofs: Ritter Johann von Köckeritz auf Elsterwerda erkannte die Schwäche des Bischofs und griff 1509 die Pfarrer von Elsterwerda und Ortrand an. Der Stolpener Offizial erschien vor dem Herzog und bat im Namen des Bischofs um Schutz. Georg ließ Elsterwerda durch zwei Amtleute gewaltsam einnehmen, wollte dies aber ausdrücklich als Vorleistung für einen reuigen Untertan verstanden wissen. Seine Rechtsauffassung wurde in dem Schreiben an Köckritz deutlich: Er bezeichnete Johann als seinen treuen Landsassen und die Pfarrer als seine herzoglichen Untertanen. Als Johann danach aber immer noch nicht einlenken wollte und der Offizial erneut um Schutz bitten musste, weil Köckeritz wieder angriff, da erklärte Georg, solange der Bischof sich nicht entschuldige, sei ihm der Schutz verwehrt. Denn die landesherrlichen Rechte über den Bischof seien der Preis für den Schutz.

Im Frühjahr 1511 war Johann schließlich bereit, Abbitte zu leisten und sich dem Herzog zu unterwerfen. Am Ostersamstag erschien er auf dem Meißner Burgberg, bat den Herzog um Beendigung des Konflikts, erkannte die Rechtmäßigkeit der zwischenzeitlichen Schutzverweigerung an, bat erneut um Schutz für die Zukunft, entschuldigte sich für die Aussage seines Prokurators vor dem päpstliche Gericht und versprach, sich in allen strittigen Fragen gegen den Herzog zu verhalten, wie es seine Vorfahren getan hatte. Der abschließende Schiedsspruch, den je zwei Räte beider Seiten ausgearbeitet hatten, entsprach in allen Punkten den Forderungen des Herzogs: Die Wettiner übernahmen wieder die Vertretung des Bischofs im Reich – Schutzverwandtschaft trat an die Stelle von Reichsstandschaft. Mit der Verpflichtung, das Bischofsschloss auf dem Meißner Burgberg zu Ende zu bauen, wurde die Mediatisierung des Meißner Bischofs symbolisch sichtbar, er wurde in die Rolle eines am Hofe seines Herrn wohnenden Vasallen verwiesen.[12]:203

„Neben dem Entgegenkommen Johanns in konkreten, strittigen Einzelfällen waren einige Zugeständnisse von grundsätzlicher Bedeutung. Dazu gehörten die lang umstrittene Visitation und Reform der Frauenklöster durch den Bischof unter Beteiligung landesherrlicher Räte und die Beschränkung der geistlichen Gerichtsbarkeit auf geistliche Streitfälle. Erstmals vermochte der Albertiner, einen sächsischen Bischof vertraglich zur Kirchenreform zu verpflichten. Georgs Vision einer landesherrlich dominierten Kooperation mit den Bischöfen in Sachen Kirchenreform war damit Realität geworden.“

Christoph Volkmar: Reform statt Reformation, S.204, [12]

Beim Amtsantritt Bischof Johanns befand sich das Hochstift Meißen in einer prekären finanziellen Lage. Sein Vorgänger, Johann V. von Weißenbach hatte Schulden in Höhe von 21.475 Gulden hinterlassen. Davon konnte Johann VI. etwa 8.500 Gulden mit Hilfe eines Rechtsgutachtens zurückweisen, das Johann von Breitenbach an der Juristenfakultät der Universität Leipzig erstellt hatte. Um die Wirtschaftsführung des Hochstifts grundlegend zu modernisieren, leitete Johann VI. ein Reformprogramm ein. Er strich überflüssige Stellen, verpachtete unrentable Wirtschaftseinheiten oder schloss sie ganz, so zum Beispiel das Viehhaus in Stolpen, das Bischofsschloss in Liebethal wurde abgerissen und der Wirtschaftsbetrieb mit dem in Stolpen zusammengelegt. Er ließ Viehweiden und Fischteiche anlegen (z. B. in Seeligstadt und Wilschdorf), Schäfereien einrichten und Mühlen in Schmölln und bei Wurzen bauen, Ödland urbar machen, neues Land kaufen und einige Dörfer bei Wurzen erwerben. Auf diese Weise konnte er in wenigen Jahren die Schuldenlast tilgen und erhebliche Einnahmen erzielen.[16]:127[17]:50–67

Zum Reformprogramm gehörte auch die Modernisierung der Stiftsverwaltung. Johann VI. ließ Rechte und Pflichten genau aufzeichnen und führte eine akribische Rechenschaftslegung ein. Das 1495 verfasste Liber Salhusii enthält Abschriften aller für Herrschaft und Verwaltung des Hochstifts wichtigen Urkunden: eine Übersicht des an Untertanen verlehnten Besitzes, ein Verzeichnis der bischöflichen Einkünfte, eine Auflistung der Kirchgemeinden und der von ihren Pfarrern an den Bischof zu entrichtenden Abgaben. Eine zweite Sammelhandschrift, Bischof Salhausens Lehnbuch enthält die Abschriften der unter Bischof Johann zwischen 1488 und 1518 ausgestellten Lehnbriefe, Schiedsverträge und Privilegien der Stiftsstädte Stolpen, Bischofwerda, Mügeln und Wurzen.[16]:127

Wurzen wurde von Johann VI. als Bischofssitz aufgewertet. Er residierte in Wurzen fast so oft wie in Meißen und damit weit häufiger als seine Vorgänger.

Bautätigkeit

Bearbeiten

In baulicher Hinsicht ließ Bischof Johann die Kreuzkirche in Dresden, die Kirchen in Stolpen, Bischofswerda, Göda, Briesnitz, Coswig, Zschauitz, Alt- und Neu-Mügeln, dann die Pfarrgebäude von Wurzen, Thallwitz, Tätzschwitz und Röcknitz, sowie die bischöflichen Schlösser instand setzen. Von 1491 bis 1497 baute er für 14.000 Taler das Schloss Wurzen von Grund auf, versah es mit zwei Türmen und einem Torturm, mit Gefängnissen sowie dem Burggraben. Als man in der Nähe von Wurzen zwei Steinbrüche fand, „duabus lapidicinis inventis,“ schenkte Johann dieser Stadt besonderes Wohlwollen. Er baute hier ein Kornhaus mit zwei Mühlen sowie den hohen Chor des Domes, legte neue Kapellen an und bestimmte eine davon zu seiner Grabstätte. Er errichtete zugleich zwei Altäre zu Ehren der heiligen Anna und Maria, der Heiligen Johannes und Donatus sowie drei steinerne Heiligenstatuen.

 
Missale Misniense (1495) mit Bischofswappen Johanns VI.

Johann hielt an der katholischen Glaubenstreue bis an sein Lebensende fest, tat sehr viel für die Hebung des kirchlichen Lebens, gab 1502 der Kirche zu Kamenz die Erlaubnis, zum Fest der Kreuzauffindung einen feierlichen Umgang „cum figuris“ zu halten und spendete reichliche Ablässe. Johann sorgte für die Anstellung einer größeren Anzahl Geistlicher in seinem Bistum und für die Verbesserung ihres Einkommens. So legte er den Inhabern einiger Oberlausitzer Pfarreien die Pflicht auf, einen der sorbischen Sprache mächtigen Hilfsgeistlichen zu halten, da zuweilen einzelne Pfarrer zur Ersparung von Unkosten jährlich lieber nur einmal einen sorbischen Vikar zur Abnahme der Beichte kommen lassen wollten. Auch auf liturgischem Gebiet war Johann in seinem Amt aktiv. So verbesserte er nicht bloß die Statuten des Meißner Domkapitels, sondern ließ auch Messbücher, Gebetbücher, Lesebücher und Gesangbücher drucken und ermahnte 1500 die Geistlichen in Guben, wohllautenden Kirchengesang zu üben. Im Archiv in Weimar befinden sich noch die Grundzüge einer neuen Ordnung des Kirchengesangs, welche auf seine Veranlassung auch in Kraft trat.

Seine in bescheidenen Verhältnissen lebenden Verwandten soll er reichlich unterstützt haben, so dass sie zu den Gütern Lauenstein, Trebsen, Schieritz, Tetschen noch Püchau kaufen konnten, wobei allerdings Nachweise fehlen, ob die Mittel aus dem bischöflichen Einkommen oder aus seinem Patrimonialvermögen gegeben wurden.

Liturgische Bücher und Handschriften

Bearbeiten

Johann VI. nutzte die von Johannes Gutenberg 1450 in Mainz erfundene Technik des Buchdrucks mit beweglichen Lettern zur Verbreitung liturgischer Texte und kirchlicher Ordnungen im Bistum und ließ während seiner Amtszeit etwa 20 Bücher auf eigene Kosten zunächst bei Peter Drach in Speyer, später in Leipzig drucken.[16]:128 1495 erschien bei Konrad Kachelofen in Leipzig das Missale Misnense, ein Messbuch für das Bistum Meißen, das er zuvor vonAndreas Proles einer gründlichen Revision hatte unterziehen lassen. Weitere Ausgaben folgten 1500, 1503 und 1510.[18][18]:103/109 1504 erschienen die Synodalstatuten, eine Ordnung für die Priester des Bistums mit Vorschriften für deren Lebensführung und der Bestimmung, dass die Messe in lateinischer Sprache, die Predigt aber in der Muttersprache zu halten sei, weshalb die Priester in der Ober- und Niederlausitz angehalten wurden, die sorbische Sprache zu erlernen oder einen sorbischen Hilfsgeistlichen einzustellen. Johann VI. ließ ab 1502 mehrfach Breviere drucken und gab 1512 das Benediktionale des Bistums Meißen heraus, in dem die liturgischen Riten für Weihen und Segnungen sowie die Ordnungen für kirchliche Feste enthalten waren.[18]:111[16]:128

Meißner Chorbücher: Einige Prachthandschriften, die zu den größten erhaltenen Handschriften des Mittelalters zählen, gehen auf Johann VI. zurück. Er ließ zwischen 1500 und 1506 in Leipzig acht Chorbücher anfertigen, die die lateinischen Psalmen und Gebete für den Chorgesang im Meißner Dom enthalten. Die acht Bände bestehen aus zwei fast identischen Gradualien für das Winter- und zwei für das Sommerhalbjahr, zwei fast identischen Antiphonalen für das Winter- und zwei für das Sommerhalbjahr. Sie standen paarweise in der Mitte des Chores und mussten sehr groß sein, damit die Chorherren, Vikare und Priester, die auf beiden Seiten im Chorgestühl saßen, die Texte und Noten aus der Ferne sehen konnten. Alle acht Codices sind mit prächtigen Buchmalereien, Initialen und Zierseiten geschmückt. Ein Band umfasst zwischen 275 und 337 Pergamentblätter von ca. 65 cm Breite und 80 cm Höhe und wiegt zusammen mit den lederbezogenen Holzdeckeln ca. 45 kg, jedes Blatt kostete etwa 6 Gulden. Nach Einführung der Reformation in Meißen gingen die Chorbücher in den Besitz des Landesherrn über. Im Jahre 1580 gelang es dem inzwischen ebenfalls evangelisch gewordenen Naumburger Domkapitel, die kostbaren Bände für den eigenen Gottesdienst zu erwerben. Sie blieben bis ins 19. Jahrhundert in Benutzung. Heute werden sie in der Naumburger Domstiftsbibliothek aufbewahrt und sind als Naumburger Chorbücher bekannt. Im Jahr 2015 wurden sie an der Universitätsbibliothek Leipzig digitalisiert.[16]:128[19][20]


Ein besonderer Schatz der Naumburger Domstiftsbibliothek: die acht großformatigen (etwa 60 x 80 cm) und reich mit Miniaturen ausgestatteten Chorbücher, die Anfang des 16. Jahrhunderts im Auftrag des Meißner Bischofs Johannes VI. von Saalhausen und seines Domkapitels für den Meißner Dom entstanden. Durch die Ereignisse der Reformation in landesherrliche Hände gelangt, konnten die überaus wertvollen Pergamenthandschriften durch diplomatisches Geschick zur weiteren liturgischen Nutzung in den Besitz des Naumburger Domkapitels wechseln. Bis in das 19. Jahrhundert fanden sie für das nach wie vor abgehaltene Stundengebet Verwendung[20]

Oberlausitzer Grenzurkunde

Bearbeiten

Alle Dörfer des Eigens sind sogenannte Waldhufendörfer und tragen deutsche Namen, was auf eine planmäßige Besiedlung im Verlauf der Deutschen Ostsiedlung hinweist; trotzdem finden sich auch Anzeichen für eine bereits deutlich früher erfolgte sorbische Besiedlung. So weist das Zinsregister des Klosters St. Marienstern 1374 eine, für Waldhufendörfer untypische, sehr starke Differenzierung der bäuerlichen Abgaben auf, was als Anzeichen einer bereits im 12. Jahrhundert erfolgten Besiedlung durch sorbische Bauern gedeutet werden kann. Die mit den höchsten Abgaben belegten Hufen lagen meist im Dorfkern, teils auch in der Nähe eines Burgwalls, weshalb sie als Besiedlungskern gedeutet werden. An diese schlossen sich dann weitere sorbische und später deutsche Siedler an, die von den deutschen Grundherren mit immer günstigeren Abgabenverpflichtungen ausgestattet wurden. Die charakteristische Siedlungsform der Waldhufendörfer entstand dann in einem bis ins 19. Jahrhundert andauernden Prozess, in dem sukzessiv die Bauern ihre Höfe auf ihr jeweiliges Flurstück verlegten.

Der Zusatz „auf dem Eigen“ macht deutlich, dass es sich bei dem Eigenschen Kreis nicht um ein Lehen handelt, sondern um Eigenbesitz (mittelhochdeutsch eigen: Eigentum, ererbtes Grundeigentum) des Klosters St. Marienstern.[21]

bezieht sich auf den seit 1261 nach und nach an das Kloster Marienstern gekommenen Eigenschen Kreis um Bernstadt, eine von der Pließnitz durchflossene Lößlandschaft.

HOV Bernstadt a. d. Eigen</ref> Muster:Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen. Hrsg. von Ernst Eichler und Hans Walther. Bd. 2: M–Z (= Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte. Bd. 21) Akademie-Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-05-003728-8, S. 561 f. (online als PDF bei SLUB – Qucosa).</ref>


Gerhard Billig zur Grenzurkunde

Bearbeiten
  • S.134 Kittlitz 1161 einzige Erwähnung eines Herrensitzes in der Oberlausitz im 12. Jh. /

S.137 Kirche von Jauernick ist eine der ältesten Kirchen der Oberlausitz. Ib umschreibt die Pließnitzlandschaft, den Eigenschen Kreis, der vom Bistum Meißen in den Besitz des Klosters Marienstern gelangte. /S.139 Dem Bischof gelang keine dauernde Herrschaftsverwirklichung auf dem Gebiet des Eigen. / S.138 Das fortifikatorische Zentrum der im Eigen zu erkennenden Kleinregion bildet ohne Zweifel der ovale Ringwall auf dem Gipfel des Hutberges bei Schönau. Seine Funde belegen eine rund 500-jährige Nutzung vom ausgehenden 10. bis zum 15. Jahrhundert. /

  • S.140 Abschnitt II erfasst die Südostecke des alten Gaues Milska. / S.141 Das fortifikatorische Zentrum stellt im Norden des Gebiets der zweiteilige Burgwall auf dem Gipfel des Rotsteins dar. Der bischöfliche Besitz geht auf eine grundlegende Schenkung von Kaiser Heinrich II. im Jahr 1007 zurück, damals hieß der Burgward Ostrusna. Meiche und Jänecke erhärten die Identität Ostrusna-Dolgowitz durch die Kontinuität bischöflichen Besitzes und durch die Gauzugehörigkeit, die aus dem Ansprechen der Grenze zwischen Budissin und Zagost eindeutig hervorgeht. So (142) verbietet sich die Gleichsetzung mit Ostritz, das ursprünglich nicht zum Gau gehörte und zu dieser Zeit eindeutig böhmisch war, obwohl sie vom Namen her sprachlich möglich wäre.
  • S.146 des Burgwardmittelpunktes Seitschen mit dem Kern Kleinseitschen und der Erweiterung Großseitschen
  • enthält Wesentliches zu Mark, Gau, Burgwardbezirk, Nisan, Zagost, Teilung der Oberlausitz 1268(S.159 ff)
  • Burgbezirke als Untergliederung von Gauen (S.34) Die Burgwardorganisation brachte also die erste staatliche Herrschaftsstruktur, die bis in den Kleinraum vordrang. Sie knüpfte an die vorgefundene Raumeinteilung an, verband sich aber politisch-rechtlich mit deutsch-feudalen Prinzipien, die letztlich in karolingischen Mustern wurzelten. Im Blickpunkt ihrer Einführung in den südlichen Marken steht dabei das Datum der Bistumsgründungen in Merseburg, Zeitz und Meißen 968, wobei die dort waltenden Markgrafen mit Namen genannt werden. Die Bischofskirchen aller drei Diözesen liegen innerhalb der zentralen Burgen. Damit erweist sich neben der Missionierung der Funktionskomplex der Burgen mit militärischen und verwaltungsmäßigen Aufgaben im Sinne des fränkischdeutschen Staatswesens wirksam. Beides setzte qualitativ einen Neubeginn. / Die Mark als erobertes Land war Königsland, der Markgraf persönlicher Träger der Herrschaft und Beauftragter des Königs. Die Durchsetzung der königlichen Herrschaft in voller Breite sicherte das territorial orientierte Netz der Burgwarde. Deren weitgehend anonyme Besatzung war wie das Amt des Markgrafen direkt auf den König bezogen und a priori nicht erblich.(S.35) // Die Wachkornabgabe aber wurzelt mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Burgwardorganisation und betrifft allgemein nur Orte des Altsiedelgebietes.(S.37) // Aus dem Normalbild der Burgwardverfassung heben sich die beiden frühen Landesburgen Meißen und Bautzen heraus. Ihre übergeordnete Stellung erhellt allein schon daraus, dass ihr Name auf die Landschaft übertragen wurde. Im Jahr 1046 heißt die Mark offiziell belegt march(i)a Missenensis. Als der Gauname Milska/Milzane allmählich aus dem Gebrauch verschwand, wurde die Oberlausitz als Land Bautzen, terra Budusin, bezeichnet.(S.39)

Max Jänecke: Die Oberlausitzer Herrschaften : spezielle und allgemeine Probleme aus ihrer Geschichte und historischen Topographie. Hrsg.: Lars-Arne Dannenberg, Gerhard Billig (= Beihefte zum Neuen Lausitzischen Magazin). Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften, Görlitz 2019, ISBN 978-3-9819612-2-5 (Reprint der Dissertation, Leipzig, 1923).

  • Zu Abschnitt VI: S.153 Abschnitt VI hat keine Überschrift. Zur Identifizierung des Priszez-Ortes ergeben sich Schwierigkeiten, die Alfred Meiche aufzeigte und mit Prischwitz lösen wollte; Max Jänecke hingegen — unter Vorrang der historisch-topographischen Verhältnisse — deutete auf Prietitz als Mittelpunkt eines hypothetischen Burgwards, aus dem ein letzter bischöflicher Bezirk hervorging, was jedoch im Gegensatz zu den vorangehenden Teilstücken die Urkunde selbst nicht vermerkt. // S.154: Die Nordgrenze des beschriebenen Bereichs wird durch die Urkunde für die Kamenzer Kirche von 1225 bestätigt, ist aber 1263 beseitigt — das heißt, nachkoloniale Veränderungen von Herrschaftsbereichen entwickeln sich über die Oberlausitzer Grenzurkunde hinaus weiter. Mit den agri antiquitus exculti ist der frühe Landesausbau urkundlich erwähnt. / S.156: Zu beachten ist für den Siedlungsablauf die Umlegung der Flur des offensichtlich alten Ortes nach Gelängeprinzip, was ähnlich auch Wiesa betrifft. Im Vergleich zu den Umlegungen auf dem Eigen (zweites Viertel 13. Jahrhundert) ist die Datierung des Wechsels der Besitzer zwischen 1241 und 1263 zu beachten. Der Wechsel in Prietitz erscheint kompliziert und vielfältig, das Ende der Befestigung des Burgwardmittelpunktes dadurch modifiziert und die Zuordnung der Funde mehrdeutig, weil auf dem Burgberg eine Georgenkapelle angelegt wurde. Walter Frenzel vermutet höheres Alter und denkt an eine Missionsstation.

aus Kaiserstraße

Bearbeiten

Außerdem kann geschlussfolgert werden, dass die Kaiserstraße im 13. Jahrhundert eine Art „topografische Basis“ für die Grenzfestlegung in der Oberlausitz darstellte, die durch unklare Besitz- und Grenzverhältnisse als Folge der Ostsiedlung in diesem Gebiet notwendig geworden war. Eine Kommission aus 12 Vertrauensleuten des böhmischen Königs und des Meißner Bischofs bestimmte in den Jahren 1213 bis 1223 die strittigen Grenzen fest. Das Protokoll dieser Kommission war die Grundlage für die OL Grenzurkunde, mit der Wenzel I. 1241 diese Grenzen anerkannte. wurden in den Jahren 1213 und 1223 etappenweise durch königlich-böhmische und bischöflich-meißnische Beamte als Landvermesser neue Grenzfestlegungen getroffen, die in einem wichtigen Dokument, der „Oberlausitzer Grenzurkunde“ vom 7. Mai 1241, bestätigt wurden. Damit waren die Grenzen der nebeneinander liegenden böhmischen und meißnischen Burgwarde (Burgbezirke) endgültig fixiert worden.

Vorgeschichte der Grenzurkunde

Bearbeiten

Aus den unterschiedlichen und teils widersprüchlichen Formulierungen in den vier Exemplaren der Grenzurkunde hat Richard Jecht ihre Entstehung rekonstruiert:[22]:72-73

  1. 1213 fand durch 12 Männer eine Scheidung der Burgwarde innerhalb der Länder Zagost und Budissin statt.
  2. Darauf unternahmen 1223 dieselben Männer, offiziell von dem König Otakar und dem Kronprinzen Wenzel, der damals dux Budissinensis war, sowie von dem Bischof Bruno beauftragt, eine neue Berainung ähnlichen Inhalts. Sie fertigten darüber ein Protokoll, das sich auch auf ihre frühere Arbeit von 1213 stützt und uns in den späteren schriftlichen Niederschlägen erhalten ist.
  3. Auf Grund dieses Berainungsprotokolles von 1223 wurden 1228 durch Vermittlung des Bischofs Siegfrid von Mainz behufs Vollziehung durch die beiden böhmischen Könige zwei Urkunden ausgefertigt, sie wurden aber nicht vollzogen.
  4. Im Jahre 1241 wurde endlich die (erhaltene) Urkunde von dem König Wenzel vollzogen.

Um die Sache noch mehr zu veranschaulichen, wollen wir die einzelnen Abschnitte der Urkunde auf die in Frage kommenden Jahre verteilen. Ich betone zuvor noch einmal, daß die 4 Exemplare vom Anfang bis zum Ende 1241 niedergeschrieben sind. Von ihren Teilen aber entstammen ursprünglich den Jahren 1241 a) am Eingange nur die Worte in C und D (Nos) Wenzeslaus dei gracia rex Boemorum quartus omnibus in perpetuum. Cum clare memorie; b) der Schluß, nämlich die Zeugenreihe und die Datierung mit der Indiktion in D und A. 1228 a) Der gesamte erste Teil der Urkunde bis Zeile 18 pertinentiis subnotatis mit den wenigen Ausnahmen unter 1241. b) Wohl die Worte gegen den Schluß hin, Zeile 98—106: Quia vero bis voluerit evitare1. 1223 a) Der ganze Kern, d. h. das eigentliche Grenzprotokoll der distinctores von Zeile 19—97: A Niza bis Extremitates — sunt distincte; b) die Indiktion in C und wahrscheinlich auch in B. 1213 Teile des Kerns von 1223. Will man demnach der Grenzurkunde ein Jahr zufügen, so kann das nur 1223 sein.

Jecht vermutet, dass 1228 die böhmischen Könige die Urkunde nicht ratifizierten, weil sie mit dem Ergebnis unzufrieden waren. Aber nach der Schlacht bei Wahlstatt am 7.April 1241 König Wenzel Einfälle der Mongolen in Mähren und der Oberlausitz fürchtete, Verbündete brauchte und deshalb am 7.Mai 1741 die Urkunde auf dem Königstein unterzeichnete gemeinsam mit dem Meißner Bischof Konrad.

  • Nr. 121. 1241. 7. Mai - K[önig] Wenzel von Böhmen bestätigt zur Beseitigung fernerer Streitigkeiten die von Eingesessenen der Oberlausitz festgestellten Grenzen der bischöflichen Güter und der der böhmischen Krone. In: Ernst Gotthelf Gersdorf (Hrsg.): Codex diplomaticus Saxoniae regiae (= Hauptteil II - Die Urkunden der Städte und geistlichen Institutionen in Sachsen). Band 2 - Urkundenbuch des Hochstifts Meißen. Giesecke & Devrient, Leipzig 1864, S. 109–112 (isgv.de – Text von Original A im Hauptstaatsarchiv Dresden).
  • Krzysztof Fokt: Terrra Zagozd - Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte der Oberlausitz. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte. Band 84, 2014, S. 223–239, doi:10.52411/nasg.Bd.84.1013.S.223-239. // S.226 Eine Entscheidung, ob der Name *Zagozd einen ganzen Gau oder lediglich Besitzungen der Bischöfe bezeichnet, „ist möglich, weil der uns überlieferte Text dieser Quelle grundsätzlich aus zwei Hauptschichten besteht. Das sind nämlich die eigentliche Grenzurkunde, die Ergebnis der kommissarischen Güterumrainung war,14 und die Bestätigungsurkunde, die zur Bekräftigung der 1223 durchgeführten Grenzscheidung diente. Dieser Zweischichtigkeit der Oberlausitzer Grenzurkunde verdankt die bisherige Forschung nicht nur zwei höchst interessante Zeugenlisten,15 sondern auch zwei unterschiedliche Begriffe von *Zagozd. … Es stellt sich demnach heraus, dass die Grenzscheidung von 1223 zwischen der bischöflichen und königlichen Herrschaft im Rahmen der bereits vorhandenen Territorialeinheiten Bautzen und *Zagozd erfolgte.“ S.227-229 Fehlinterpretation Meiches bei Abschnitt Ib der Grenzurkunde. Richtig ist nach Fokts Ansicht, den Abschnitt Ib als Südgrenze gegen Böhmen zu verstehen, sie endete westlich der Neiße, um Ostritz oder südlich von Zittau. Dass die Westgrenze der Gebiete meist nicht beschrieben wird, erklärt sich daraus, dass sie nicht umstritten waren. // S. 231 Grenze zwischen Zagost und Budissin lag vor Arbeit der Berainungskommission fest, wahrscheinlich schon bei Ersterwähnung von Zagost 1144, und entsprach vermutlich dem Jauernicker Urpfarrprengel, der sich demnach an Neiße, Pließnitz und Weißem Schöps ausdehnte, von Tauchritz im Süden bis Kunnersdorf im Norden (etwa 17 km). // S.231 „Vermutung, dass es die ganze Ostoberlausitz sei, die sich in den Jahren 1144 bis 1228 unter dem Begriff *Zagozd versteckt hat, wird auch dadurch untermauert, dass nach Aussage der Urkunde Königs Konrad III. von 1144 es dort nicht nur bischöfliche Besitzungen gab, sondern auch landesherrliche.“ // S.236 „Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass der Wald (*gozd), hinter dem Gau *Zagozd lag, sich westlich von dem Altsiedelland um Görlitz, Jauernick, Nieda und Ostritz erstreckte und eine Abgrenzung des Neißegebiets (*Zagozd) von dem Spreegebiet (Bautzener Land) bildete. Einen solchen Grenzwaldstreifen hat bereits 1923 Max Jänecke auf siedlungsgeschichtlichen Grundlagen rekonstruiert. Er soll sich im Süden über die Wasserscheide von Neiße und Spree und weiter nördlich von Weißem und Schwarzem Schöps ausgebreitet haben. Überreste dieses vermuteten Grenzwaldes sind bis heute erhalten: die Wälder um Kottmar und Sonnenhübel, der Berthelsdorfer Forst, der Große Nonnenwald, die Königshainer Berge. Der Verlauf dieses Grenzstreifens entsprach vermutlich im Wesentlichen der einstigen Grenzzone zwischen *Milcane und *Bûžuncane. … Dafür sprechen wenigstens siedlungsgeschichtliche Hinweise, die auf dem Gebiet der späteren Oberlausitz zwei Siedlungsinseln, auf dem Bautzener Gefilde sowie an der Neiße und an deren Zuflüssen (um Görlitz, Nieda, Ostritz und Seidenberg), rekonstruieren lassen, zwischen welchen sich ein Waldstreifen ausbreitete.“ // S.237 „Vermutlich erst die aus den Bedürfnissen der Landesverwaltung resultierende Neuschöpfung der Pfiemysliden, die nach 1142 auf Konrad den Großen übergegangen ist, wurde unter diesem neuen Landesherrn mit Bezug auf den um Bautzen üblichen Sprachgebrauch umbenannt. Bei der Ersterwähnung von *Zagozd 1144 wurde der Restteil des Reichslehens Milska als Miltse bezeichnet.“ // S. 238 Urkunden der Bischöfe von Meißen und Herrscher von Böhmen aus dem 12. und 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts, die Gebiete der späteren Oberlausitz betreffen, können uns für diesen Landstrich nur zwei Territorialbezeichnungen übermitteln, nämlich Bautzen und *Zagozd. Erst ab 1268 treten an ihre Stelle die bei einer Erbteilung der Askanier entstandenen Länder Bautzen und Görlitz. // zweite Přemyslidenherrschaft in Bautzen und Görlitz (1158–1253)
  • Alfred Meiche: Die Oberlausitzer Grenzurkunde vom Jahre 1241 und die Burgwarde Ostrusna, Trebista und Godobi. In: Neues Lausitzisches Magazin. Band 84, 1908, S. 145–251 ([3]).
  • Albert Schiffner: Die zwischen der Krone Böhmen und dem bischöflichen Meißnischen Stuhle in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts aufgerichtete vorzüglich die Oberlausitz betreffende Grenzbestimmungsurkunde. In: Neues Lausitzisches Magazin. Jahrgang 1834 Hefte I.,II.,III. Görlitz 1834, S. 42–69, 195–226, 320–355 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 7. Mai 2024]).
  • Jecht schreibt auf S.71 „Somit ist ganz sicher als Jahr, in welchem die Berainungskommission ihr Protokoll aufnahm, das Jahr 1223 erwiesen.“ „Somit kann kein Zweifel sein, daß die Männer schon vor ihrer Berainungsarbeit von 1223, die ihnen von den zwei Parteien anvertraut wurde, die Grenzen der Burgwarde innerhalb beider Länder [Zagost und Budissin] festgestellt haben.“ S.72: „Fassen wir unsere Ergebnisse zusammen:[22]
  1. 1215 fand durch 12 Männer eine Scheidung der Burgwarde innerhalb der Länder Zagost und Budissin statt.
  2. Darauf unternahmen 1223 dieselben Männer, offiziell von dem König Otakar und dem Kronprinzen Wenzel, der damals dux Budissinensis war, sowie von dem Bischof Bruno beauftragt, eine neue Berainung ähnlichen Inhalts. Sie fertigten darüber ein Protokoll, das sich auch auf ihre frühere Arbeit von 1213 stützt und uns in den späteren schriftlichen Niederschlägen erhalten ist.
  3. Auf Grund dieses Berainungsprotokolls von 1223 wurden 1228 durch Vermittlung des Bischofs Siegfried von Mainz behufs Vollziehung durch die beiden böhmischen Könige zwei Urkunden ausgefertigt, sie wurden aber nicht vollzogen.“ Jecht vermutet, dass 1228 die böhmischen Könige die Urkunde nicht ratifizierten, weil sie mit dem Ergebnis unzufrieden waren. Aber nach der Schlacht bei Wahlstatt am 7.April 1241 König Wenzel Einfälle der Mongolen in Mähren und der Oberlausitz fürchtete, Verbündete brauchte und deshalb am 7.Mai 1741 die Urkunde auf dem Königstein unterzeichnete gemeinsam mit dem Meißner Bischof Konrad. (Zeugen der Unterzeichnung s.S.77, Namen der Scheideleute S. 78)

[Die 4 erhaltenen Exemplare der Grenzurkunde wurde alle 1241 niedergeschrieben, Teile daraus entstammen aber Niederschriften aus den Jahren 1228, 1223 und 1213.]

  1. Im Jahr 1241 wurde endlich die (erhaltenen) Urkunden von dem König Wenzel vollzogen.“
  • S.84: Aufgabe der Grenzkommission war es, die Grenzen zwischen den Ländern Zagost und Budissin sowie die bischöflich meißnischen Grenzen zu bestimmen. Nach einhelliger Auffassung ist Zagost der Queiskreis, die Herrschaft Seidenberg und Friedland und das Weichbild Zittau. Der Zagost stand zunächst ganz unter der Herrschaft des Bischofs. 3 vollständig umzirkte Gebiete: Eigen, Dolgowitz und Doberschau.
  • S.85-86 Die Urkunde lässt erkennen, dass die Grenzfeststellung durch die als Folge der zunehmenden Kolonisation neugegründenten und nue zu gründenden Dörfer veranlasst ist. Deshalb vermeidet die Urkunde Ortschaften als Grenzscheiden anzugegeben. Unter den etwa 100 angegebenen Umrainungspunkten sind am häufigsten Wasserläufe (größere Bäche, kleine Rinnsale und deren Quellen), nämlich 45, dann folgen 20 Berge und Hügel, 12 Straßen, Wege und Steige,
  • S.87 Der König von Böhmen und der Meißner Bischof standen sich damals als zwei sich gleich dünkende Oberherrschaften gegenüber.
  • S.88-94 bringt den Wortlauft der Oberlausitzer Grenzurkunde mit Anmerkungen zu den Unterschieden zwischen den 4 Fassungen.

Domstift / Domkapitel Bautzen

Bearbeiten

Das Domkapitel (obersorbisch Tachantski kapitl oder Domstift (obersorbisch Tachantstwo) Bautzen war die Leitungskörperschaft des Doms St. Petri zu Bautzen in administrativen und liturgischen Fragen. Es wurde zwischen 1213 und 1218 vom Meißner Bischof Bruno II. als Kollegiatstift gegründet. An der Spitze des Kapitels standen der Dompropst und sein Stellvertreter, der Domdekan. Das Domstift in Bautzen war nach dem Meißner Domstift die wichtigste Einrichtung des Bistums Meißen. Eine besondere Bedeutung erhielt es mit Einführung der Reformation als einzige weiter bestehende katholische Institution. Der letzte Bischof Johann IX. von Haugwitz ernannte vor seinem Rücktritt 1559 den Dekan des Bautzner Domstifts Johann Leisentrit zum Administrator der beiden zu Böhmen gehörenden Lausitzen und der Reste des Bistums Meißen, 1567 wurde Leisentrit durch den Papst in diesem Amt bestätigt. Bis zur Wiedereinrichtung des Bistums Meißen im Jahr 1921 hatte der Administrator seinen Sitz im Domstift Bautzen.

Das Ensemble der Domstifts-Gebäude in Bautzen wird verkürzt auch einfach als Domstift bezeichnet.

Hermann Kinne: Das Kollegiatstift St. Petri zu Bautzen von der Gründung bis 1569. In: Das (exemte) Bistum Meißen. Band 1. De Gruyter, Berlin 2014, ISBN 978-3-11-033223-0 (germania-sacra.de).

  • Die 1569 dem Bautzener Kapitel übertragene geistliche Administratur auf römisch-katholische Teile der Oberlausitz sicherte dem Stift den Fortbestand bis in die Gegenwart und zugleich die geschlossene Erhaltung seines Urkunden- und Aktenbesitzes. Der schriftlichen Überlieferung lassen sich detaillierte Informationen zum Stiftungswesen, dem Verhältnis zur Stadt, zum Landesherrn und zu anderen geistlichen Einrichtungen entnehmen. Nicht zuletzt dem Weiterbestehen des Bautzener Kollegiatstiftes unter Dekan Johannes Leisentritt verdankt die Oberlausitz ihre besondere Stellung als bikonfessionelles Nebenland der böhmischen Krone. Ein umfangreicher Besitzkatalog und die Viten der Dignitäre und Kanoniker bieten eine breite Materialbasis auch für weitergehende Fragestellungen.



Feudalwirtschaft, Geldwirtschaft im MA

  • Pfründe = Praebende, Tafelgut = Kammergut = Mensalgut
  • Abgaben: Gebühren für kirchliche Akte: z.B. Cathedraticum geht an den Bischof = Altarzins auch Gebühr für Priesterweihe, Spenden, Kollekten
  • Pachten, Feudalrente, Feudalabgaben
  • Zehnt, Zehntherrschaft: Das Recht auf Zehnterhebung wurde verpachtet, verkauft und verschenkt. Zehntherrschaft wurde ürsprünglich nur von Klöstern (Klosterzehnt), kirchlichen Stiftungen oder Domkapiteln ausgeübt. Zehnthof, Zehnscheuer, Großzehnt wird auf Großvieh erhoben, Kleinzehnt wird auf Feldfrüchte und Kleinvieh erhoben, Kreuzugszehnt zeitlich befristete Abgabe zur Finanzierung eines Kreuzzugs, Bergzehnt im Bergbau
  • Ablass, Stiftungen: Memorialwesen speziell Memorialstiftungen.
  • Kauf auf Zehnt (mit Rückkaufsrecht)
  • Zinskauf = Tausch eines Geldbetrags gegen ein jährliches Einkommen, galt eher als ein Kauf denn als ein Kredit
  • Rentenkauf, Ewiggeld
  • Steuer wurde meist vom weltlichen Landesherrn festgesetzt
  • Ämter mit Archidiakonen zur Verwaltung der Territorien des Hochstifts und der Einnahmen Amt (historisches Verwaltungsgebiet)

Literatur

Bearbeiten
Bearbeiten

Erklärungen

Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b c d e f Hermann Schüttler: Zum Verhältnis von Ideologie, Organisation und Auswanderungsplänen im System der Strikten Observanz. In: Monika Neugebauer-Wölk, Richard Saage (Hrsg.): Die Politisierung des Utopischen im 18. Jahrhundert. Vom utopischen Systementwurf zum Zeitalter der Revolution (= Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung). Band 4. Niemeyer, Tübingen 1996, ISBN 3-484-81004-1, S. 143–168.
  2. die erste „stehende“ Loge in Frankfurt entstand erst 1742, denkbar ist aber die Aufnahme in eine „ambulante“ Loge
  3. a b c Matthias Donath: Schloss und Rittergut Kittlitz. In: Peter Altmann, Lars-Arne Dannenberg (Hrsg.): Kittlitz. Dorf und Herrschaft in der Geschichte 1160–2010. Gunter Oettel, Görlitz -Zittau 2010, ISBN 978-3-938583-55-5, S. 161–178 (Auch die Deutung von Architekturdetails als „freimaurerisch“ ist nach Donath nicht zu halten).
  4. Friedrich Ludwig Schröder: 'Materialien zur Geschichte der Freymaurerey seit der Wiederherstellung der großen Loge in London, 5717. 2. Auflage. Band 1. Geheimdruckerei, Rudolstadt 1806, S. 182 ff. ([https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10446413?page=5).
  5. a b Joachim Bauer, Gerhard Müller: „Des Maurers Wandeln, es gleicht dem Leben“ - Tempelmaurerei, Aufklärung und Politik im klassischen Weimar. 1. Auflage. Hain-Verlag, Rudolstadt 2000, ISBN 3-89807-007-7.
  6. Karlheinz Gerlach: Freimaurerei im Alten Preußen 1738 – 1806 (= Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei. Band 14,1). Studienverlag, Innsbruck Wien 2014, ISBN 978-3-7065-5199-1, S. 121–122.
  7. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac ad ae af ag ah ai aj ak al am Reinhard Markner , Monika Neugebauer-Wölk, Hermann Schüttler (Hrsg.): Die Korrespondenz des Illuminatenordens. Band 1. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2005, ISBN 978-3-484-10881-3.
  8. Reiner Groß: Geschichte Sachsens. Edition Leipzig, Berlin 2001, ISBN 3-361-00505-1, S. 46–47
  9. Quelle der folgenden Darstellung ist das Kapitel "Bischöfe und Domkapitel" in Christoph Volkmar: Reform statt Reformation. Die Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen 1488–1525. Mohr Siebeck, Tübingen 2008, ISBN 978-3-16-149409-3.
  10. Herzog Georg in einem Brief an den Bischof vom 28. November 1502, zitiert nach Volkmar, S. 195.
  11. so in einem Brief vom 30. November 1502, zitiert nach Volkmar, Reform statt Reformation S. 195
  12. a b c Christoph Volkmar: Reform statt Reformation. Die Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen 1488–1525. Mohr Siebeck, Tübingen 2008, ISBN 978-3-16-149409-3.
  13. für eine ausführliche Beschreibung des Überfalls siehe Karl Wilhelm Mittag: Chronik der königlich sächsischen Stadt Bischofswerda. Nach Acten des dasigen Rathauses und nach Urkunden des königlich sächsischen Haupt-Staats-Archivs, des Meißner Schrifts-Archivs und des geheimen Finanz-Archivs bearbeitet. Friedrich May, Bischofswerda 1861 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  14. ein Delegationsgericht war vom Papst beauftragt, in Einzelfragen seine Richterfunktion wahrzunehmen
  15. Georg der Bärtige hatte schon 1503 beim Besuch des Päpstlicher Legaten Raimund Peraudi in Meißen das Recht gefordert, straffällig gewordene Geistliche zu verhaften.
  16. a b c d e Matthias Donath, Lars-Arne Dannenberg, Alexander Wieckowski: Bischof Johann VI. von Meißen (1444–1518) und die Familie von Salhausen in Sachsen und Böhmen. In: Sächsische Heimatblätter. Band 64, Nr. 2, 2018, S. 123–142, doi:10.52410/shb.Bd.64.2018.H.2.S.123-142.
  17. Julius Leopold Pasig: Johannes VI. Bischof von Meissen: ein Beitrag zur sächsischen Kirchen- und Landesgeschichte, insbesondere zur Geschichte des Hochstifts Meissen. J. C. Hinrichs, Leipzig 1867 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  18. a b c Julius Leopold Pasig: Johannes VI. Bischof von Meissen: ein Beitrag zur sächsischen Kirchen- und Landesgeschichte, insbesondere zur Geschichte des Hochstifts Meissen. J. C. Hinrichs, Leipzig 1867 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  19. Universitätsbibliothek Leipzig
  20. a b Karin Welck, Holger Kunde: Die Naumburger Chorbücher: Liturgische Prachthandschriften des ausgehenden Mittelalters. Michael Imhof, Petersberg 2016, ISBN 978-3-7319-0409-0.
  21. Eintrag: Bernstadt a.d. Eigen in Ernst Eichler, Hans Walther (Hrsg.): Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen. I A–L. Akademie-Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-05-003728-8, S. 63 ([1] online als PDF).
  22. a b Richard Jecht: Neues zur Oberlausitzer Grenzurkunde. In: Neues Lausitzisches Magazin. Band 95. Görlitz 1919, S. 63–94 ([2] [abgerufen am 6. Mai 2024]).