Der Verleger Eugen Diedrichs lud 1917 und 1918 in drei Tagungen eine handverlesene Auswahl von Intellektuellen, Politikern, Künstlern und Wissenschaftlern auf die Burg Lauenstein ein, um über Modelle für die Zukunft Deutschlands zu beraten. Die Lauensteiner Tagungen sollten Herausforderungen, Utopien und Lösungen für Deutschland mit Mitteln der Moderne aufzeigen, zeigten aber eher die Konfliktlinien der kommenden Jahre auf. Neben den vaterländischen Bewegungen und der sozialdemokratisch geprägten Arbeiterbewegung sollte Lauenstein eine dritte Basis schaffen, die eines deutschen Aufbruch aus der schöpferischen Geisteskraft. Grundlage war die Notwendigkeit aufgrund des Kriegsverlaufes und der Änderungen im Oberkommando die Kriegsziele neu zu definieren, die Osterbotschaft des deutschen Kaisers, und die Friedensresolution des Reichstages. Das Jahr 1917 war geprägt von der materiellen Not der Bevölkerung, dem Sterben an der Front, den Auswirkungen der russischen Revolution, dem Kriegseintritt der USA und dem Wissen, dass jeder Ausgang des Krieges eine Zeitwende bringen würde.
In der Weimarer Republik blieb die Burg Lauenstein bis 1931 ein Ort für Tagungen vor allem für Jugendbewegungen.
1. Lauensteiner Kulturtagung
BearbeitenDatum: 29. bis zum 31. Mai (Pfingsten) 1917
Organisator: Eugen Diedrichs, Max Maurenbrecher,
In der Einladung zum zweiten Treffen legte Diederich eine unvollständige Teilnehmerliste des ersten Treffens bei. Zu jedem Namen notierte er den Beruf und Wohnort. Mitgereiste Frauen wurden nicht aufgezählt. So fehlt zum Beispiel Marianne Weber auf der Liste mit 54 Namen:
Name | Bemerkung von Diedrichs |
---|---|
Knud Ahlborn | Arzt, München |
Hermann Barge | Gymnasiallehrer, Leipzig |
Diedrich Bischoff | Bankdirektor, Leipzig |
Blauert | Rektor, Weida |
Oskar Bulle | Schillerstiftung, Weimar |
August Caesar | Pfarrer, Jena |
Otto Corbach | Schriftsteller, Zehlendorf |
Otto Crusius | Geheimrat, München |
Richard Dehmel | Schriftsteller, Hamburg |
Dünnebier | Archidiakonus, Neustadt an der Orla |
Paul Ernst | Schriftsteller, Neustadt am Südharz |
Arthur Feiler | Redakteur FAZ, Frankfurt |
Alfred Fischer | Pfarrer, Berlin |
Karl Giannoni | Mödling |
C. Heinke | Professor, TU München |
Bernhard Hell | Freie Schulgemeinde, Wickersdorf |
Theodor Heuss | Redakteur "März", Heilbronn |
Hildebrandt | Professor Charlottenburg |
Heinrich Hirth | Gymnasiallehrer, Rudolfstadt |
K. Th. Hoffmann | Lehrer, Nürnberg |
Jegerlehner | Schriftsteller, Bern |
Hans Kampffmeyer | Landeswohnungsinspekteur, Karlsruhe |
Siegfried Kawerau | Landsberg |
Jasper Klumker | Professor, Frankfurt |
Ernst Krieck | Mannheim |
Kurt Kroner | Bildhauer, Berlin |
Paul Lensch | M.d.R. Neubabelsberg |
Graf Otto von Lerchenfeld | Köfering |
Werner Mahrholz | Schriftsteller, München |
Max Maurenbrecher | Schriftsteller, Weimar |
Friedrich Meinecke | Professor, Berlin |
Overmann | Archivar, Erfurt |
Franz Pauli | Arolsen |
Resch | Professor, Greiz |
Rodi | Bürgermeister, Niederlahnstein |
Ferdinand Jakob Schmidt | Professor, Grunewald |
Harald Schulz-Hencke | Unterarzt, Karlsruhe |
Wolfgang Schumann | Schriftsteller, Dresden |
Gerhard Seeliger | Professor, Leipzig |
Franz Staudinger | Professor, Darmstadt |
Erich Trummler | Student, München |
Carl Emil Uphoff | Maler, Worpswede |
Wilhelm Vershofen | Schriftssteller, Jena |
Alfred Vierkandt | Professor, Groß-Lichterfelde |
Robert von Erdberg | Volksbildungsbewegung |
Selma von Lengefeld | Weimar |
Walter von Molo | Schriftsteller, Frohnau bei Berlin? |
Wolfgang Wallach | Student, München |
Max Weber | Professor, Heidelberg |
Eduard Wechßler | Professor, Marburg |
Richard Wirth | Patentanwalt, Frankfurt |
Eduard Weitsch | Direktor Handelsfachschule, Meiningen |
Josef Winckler | Schriftsteller, Moers |
Paul Zaunert | Schriftsteller, Kassel |
„Zwei Typen stehen sich in unserem politischen Leben gegenüber, die Völkischen und die Intellektuellen, selbst in den Kreisen der Jugendbewegung sind diese Gegensätze ausgeprägt."[1]
"Denn Lauenstein markiert einen Einschnitt in der deutschen Intellektuellengeschichte. Lauenstein bekräftigte nicht die idealistischen Wertetafeln, die Diederichs als einer der letzten freiprotestantisch vagabundierenden Bildungsbürger von seinen Autorengruppen erwartete. Lauenstein testete bereits die Positionskämpfe des ideologisch hochfragmentierten 20. Jahrhunderts: in der Spannweite vom asketischen Rationalismus zum mystischen Erlebniskult, vom völkisch-extremen Nationalismus zum anarchischen Pazifismus, vom organizistischen und geistesaristokratischen Antiparlamentarismus zum demokratischen Interessen- und Wertepluralismus."[2]
„Tagelang wird geredet, diskutiert, draußen auf den Schlachtfeldern Europas trommelt der Krieg, wir warten, warten, warum sprechen diese Männer nicht das erlösende Wort, sind sie stumm und taub und blind, weil sie nie in den Schützengräben gelegen, nie die verzweifelten Schreie der Sterbenden, nie die Klage zerschossener Wälder gehört, nie die trostlosen Augen verjagter Bauern gesehen haben? […] Die Tagung in Lauenstein hat mich tief enttäuscht. Große Worte wurden gesprochen, nichts geschah.“ Toller
2. Lauensteiner Kulturtagung
BearbeitenDatum: 29. September bis zum 3. Oktober 1917
Organisator: Eugen Diedrichs
Teilnehmer: 60
Diedrichs fertigte auch zu dieser Tagung eine Teilnehmerliste an und versendete sie quasi als Werbung für die Qualität der Teilnehmenden an die Eingeladenen der dritten Tagung.
3. Lauensteiner Kulturtagung
BearbeitenDatum: Pfingsten 1918
Organisator: Eugen Diedrichs
Die Tagung von 1918 hatte einen ganz anderen Charakter als die beiden vorhergehenden. Nach der Absage von Max Weber dominierten Personen wie der junge Schuhmann die Tagung. War zuvor nach einem generationenübergreifenden Austausch gesucht worden, stand jetzt die Sichtweise und Politik der Jugend im Mittelpunkt der Vorträge und Diskussionen. Mit dem verlorenen Weltkrieg (die Lage zeichnete sich immer deutlicher ab) endete auch eine Philosophische und politische Epoche. Dieser Fokus auf Strömungen neuer und jugendlicher Sichtweisen sollte bis 1931 prägend für Lauenstein werden.
Tagungen bis 1931
BearbeitenJugendtagungen 1919/1920
Auf der Burg trafen sich die Vertreter der thüringischen Volkshochschulbewegung ebenso wie später die „Soziale Arbeitsgemeinschaft Berlin-Ost“ (SAG) um Friedrich Siegmund-Schultze, einem Pionier der christlichen Friedensbewegung.
Die Internationale Sommerschule der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit 1922
1922 hielten Anita Augspurg und Gustava Lida Heymann auf der Burg die Sommerakademie der „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“ ab, an der auch der Philosoph Bertrand Russell teilnahm.
Am 18. Juni 2024 jährt sich zum 100. mal der „Lauensteintag“, der Tag an dem Rudolf Steiner, aus Koberwitz kommend, die junge sich in Gründung befindende, heilpädagogische Initiative in Jena auf dem Lauenstein besuchte. Der Tag wird seit dem in vielen Einrichtungen weltweit gefeiert, als Gründungstag der anthroposophischen Heilpädagogik.
Gründung des Jungdeutschen Bundes, dessen pathetisches Gelöbnis als „Lauensteinformel“ bekannt wurde, über die so genannte „Neue Schar“ des Lebensreformers Muck-Lamberty, der als esoterischer Heilsbringer singend, tanzend und predigend durch das Thüringer Land zog, bis zu den Tagungen der Jungschmiede, die ihr Handwerk angesichts des fortschreitenden Industrialisierung grundlegend erneuern wollten.
Zu Beginn der 1930er Jahre riefen Ernst Niekisch (1930) und Otto Straßer (1931) ihre Anhänger auf der Burg zu Reichstagungen zusammen. Straßer gründete in Lauenstein die „Schwarze Front“ als nationalsozialistischen Kampfbund.
Rezeption
BearbeitenHundert Jahre nach der ersten Tagung veranstaltete das Deutsches Literaturarchiv in Marbach eine Tagung mit dem Titel "Die Ideen von 1917. Debatten auf Burg Lauenstein über die Neuordnung Deutschlands nach dem Krieg". An der Tagung von 2017 nahmen als Referenten teil:
Sonja Asal
Teresa Löwe-Bahners
Jan Eike Dunkhase
Michael Pilz
Karin Priem
Frank Trommler
Carolin Vogel
Meike G. Werner
Das Institut für Fränkische Landesgeschichte (IFLG) veranstaltete 2022 eine Tagung unter dem Titel "Weimar – Republik der Möglichkeiten".
Weblinks
Bearbeitenhttps://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783110446531-021/html
Literatur
BearbeitenErnst Toller: Eine Jugend in Deutschland. Amsterdam: Querido Verlag 1933 EA.
Marianne Weber: Max Weber. Ein Lebensbild. Tübingen: Mohr-Siebeck 1926. EA
Meike G. Werner, Hrsg.:Ein Gipfel für Morgen. Kontroversen 1917/18 um die Neuordnung Deutschlands nach dem Krieg auf Burg Lauenstein. Göttingen: Wallstein 2021. (= Marbacher Schriften NF Bd. 18).