Wie werde ich ein Märtyrer?
BearbeitenMärtyrer zu sein fetzt. Eine nicht unerhebliche Schäfchenschar schart sich um Deinen selbstgeschaufelten Sockel und blökt blickt ehrfürchtig zu Dir hinauf. Deine Nachfahren werden voller Inbrunst von Deinen Taten zu berichten wissen und sich sowohl um den Sockel als auch um Deine Schäfchen sorgen. In Geschichtsbüchern wird man Dir eigene Kapitel widmen, Historiker werden sich im wissenschaftlichen Diskurs um Deine Bedeutung für die allgemeine Geschichtsschreibung die Köpfe heißreden. Bereits zu Lebzeiten wirst Du einerseits Gegenstand kultischer Verehrung und andererseits abgrundtiefer Verachtung sein.
Doch halt! Nicht jeder hat das Zeug zum Märtyrer und endet wahlweise als Fußnote im Heimatkunde-Lehrbuch für Grundschüler, als Randnotiz in Qualitätsmedien oder im Dschungelcamp. Auch -so hört man- fristet so mancher vermeintliche Märtyrer den Rest seiner Tage als Hinterwaldbewohner. Du hast es also in der Hand, ob Dein Ruf als ernsthafter Märtyrer die Zeit überdauern wird oder ob sich nach einiger Zeit kein Schwein mehr für Dich und Dein Märtyrerdasein interessiert. Und wenn Du die folgenden Handlungsempfehlungen beherzigst, wirst Du nicht nur in der Wikipedia den Ruhm erfahren, der Dir als echtem Märtyrer gebührt.
Anleitung
Bearbeiten- Phase 1: Melde einen Benutzer-Account an. Sei möglichst unauffällig und schreibe gute Artikel. Mache Dich in Deiner Freizeit mit den Gepflogenheiten der Wikipedia und deren Folklore vertraut. Lege eine Sockenpuppe an, Du wirst sie brauchen.
- Phase 2: Beteilige Dich an Metadiskussionen und glänze mit Intellektualität und Empathie. Denke immer daran: Metadiskussionen sind wichtig, damit Du von denen, die später zu Dir aufblicken sollen, wahrgenommen wirst. Aber vergiss nicht, Artikel zu schreiben!
- Phase 3: Intensiviere Deine Metaarbeit, indem Du Dich in konfliktträchtigen Bereichen durch sachdienliche Kommentare hervortust und lösungsorientiert mitdiskutierst. Aber vergiss nicht, Artikel zu schreiben!
- Phase 4: Teste Deine Bekanntheit in der Gemeinschaft durch Kandidaturen. Fange zunächst klein an, beispielsweise im Mentorenprogramm, später kannst Du es immer noch als Administrator versuchen. Aber vergiss nicht, Artikel zu schreiben!
- Phase 5: Nun bist Du bekannt genug, um von vielen Schafen wahrgenommen zu werden. Du hast eine oder mehrere Kandidaturen erfolgreich absolviert und Dir einen Namen gemacht. Nun suche Dir ein Konfliktfeld mit den härtestmöglichen Fronten, aber achte darauf, dass es intellektuell nicht zu anspruchsvoll ist, sodass auch die Oma versteht, um was es geht und sich eine Meinung bilden kann. Schließe Dich der Position an, auf deren Seite Du die meisten Schäfchen zu rekrutieren gedenkst. Aber vergiss bei allem nicht, Artikel zu schreiben!
- Phase 6: Du bist kurz vor dem Ziel, wenn das Konfliktfeld ausreichend Aufmerksamkeit erreicht hat, beispielsweise durch eine Umfrage oder ein Meinungsbild. Ab jetzt kannst Du die Artikel Artikel sein lassen, denn Du brauchst Deine gesamte Energie für den Rest Deines Weges.
- Phase 7: Gib Deine Funktionen auf, denn sie würden Dich auf Deinem Weg zum Märtyrer behindern. Jeder Verstoß gegen die Grundprinzipien bringt Dich diesem Ziel näher. Sammle möglichst viele Punkte, zum Beispiel, indem Du Dich von Deiner Sockenpuppe in einen Bearbeitungskrieg verwickeln lässt. Aber vergiss nicht, Anhänger um Dich zu scharen und achte bei der Auswahl darauf, dass sie das Vertrauen der Gemeinschaft haben und ihr Wort von Gewicht ist.
- Phase 8: Dein Sperr-Logbuch hat sich dank der in Phase 7 gesammelten Punkte gut gefüllt, doch trotzdem oder auch gerade deshalb genießt Du durch hartnäckiges Vertreten Deiner Meinung bei Deinen Anhängern hohes Ansehen. Jetzt plane Deinen Abgang.
- Phase 9: Schlage möglichst laut die Tür zu. Wenn Du alles richtig gemacht hast, wirst Du schon bald ein Märtyrer sein. Doch gräme Dich nicht, wenn es bloß zu einem Listeneintrag reicht. Fange einfach nochmal mit Phase 1 an und lerne aus Deinen Fehlern.