Kommunistischer Widerstand
Bearbeiten1933 - 1935
BearbeitenObwohl die KPD bereits in den vorherigen Jahren mehrfach die Arbeit im Untergrund vorbereitet hatte, kam die massenhafte Verfolgung von kommunistischen Funktionären im Frühjahr 1933 für viele Mitglieder als Schock.[1] Anfänglich betrachteten hochrangige Kommunisten die Herrschaft des Nationalsozialismus als zeitweiliges Phänomen vor einer proletarischen Revolution.[2] Schon in Zeiten der Weimarer Republik rückte die KPD den Faschismus der Nationalsozialisten außerdem in eine Reihe mit dem Schlagwort des "Sozialfaschismus", der die Sozialdemokraten als linke Ausprägung des Faschismus betrachtete.[3] Die Sozialfaschismusthese - schließlich von der Komintern durch die Idee einer linken Einheitsfront gegen den Faschismus ersetzt - verhinderte bis 1935 eine öffentliche Zusammenarbeit mit Sozialdemokraten.
Nach den Verhaftungen von kommunistischen Funktionären im Frühjahr 1933 begann der Übergang in die Untergrundarbeit. Die KPD etablierte Ende Mai eine Auslandsleitung in Paris[4] und viele Kommunisten emigrierten. Organisatorisch beibehielt die kommunistische Partei in Deutschland die drei Ämter des politischen, organisatorischen und Agitpropleiter auf der Bezirksebene. Die Widerstandsarbeit wurde bis 1935 hauptsächlich durch die Inlandsleitung (auch Zentrale Operative Leitung ( ZOL) genannt) in Berlin koordiniert.[5] Insbesondere auf der Stadt- und Kreisebene mussten nach den massenhaften Verhaftungen im Frühjahr 1933 neue Funktionäre gefunden werden. Diese weitestgehende Beibehaltung der zentralistischen Strukturen brachte den Vorteil, dass zerschlagende Organisation von Funktionären schnell wieder aufgebaut werden konnten. Sie erleichtere jedoch - da diese Strukturen bekannt waren - auch die Arbeit der Gestapo.[6]
Der Widerstand konzentrierte sich anfangs insbesondere auf dem Drucken von Schrifterzeugnissen wie Zeitschriften (z.B. die Rote Fahne), Schriften und Aufrufen. In grenznahen Regionen wurden Druckerzeugnisse auch über die Grenze geschmuggelt, so z.B. das Braunbuch.[7] Auch kleinere Sabotageaktionen waren Teil des Widerstandes. Vielfach wurden alte Routinen, wie das Abstempeln der Mitgliedskarte und Kassierung der Beiträge im Untergrund fortgeführt.[8]
In den Jahren 1934/1935 wurde der kommunistische Widerstand stark geschwächt: Die Gestapo setzte Spitzel und V-Leute ein und überwachte Verbindung von kommunistischen Funktionäre, die sie dann häufig innerhalb in Massenverhaftungen verhaftete.[9] Die Gestapo verhörte und folterte viele Kommunisten. Daraufhin wurden sie meist in Gruppen vor den Gerichten angeklagt und verurteilt.[10] Die massenhaften Verhaftungen sorgten für eine weitere Isolierung der verschiedenen kommunistischen Gruppen.[11]
1936 - 1939
BearbeitenMit der Brüsseler Konferenz der deutschen KPD im Oktober 1935 beendete sich ein Umdenkprozess, der in einer neuen Strategie resultierte: Die Sozialfaschismusthese wurde durch eine Volksfrontpolitik ersetzt[12] Bereits im März 1935 war ein neues Team der Berliner Inlandsleitung verhaftet worden.[5] Man entschied daraufhin sich für eine Restrukturierung: Von nun an sollte die Widerstandsarbeit aus den Nachbarländern mithilfe von sechs Abschnittsleitungen koordiniert werden. Diese Abschnittsleitungen wurden mit der Zeit jedoch zunehmend irrelevanter, da die Exilführung häufig den Kontakt zu Widerstandsgruppen komplett verlor.[13]
Die Aktivität des Widerstandes ging in den Jahren ab 1936 stark zurück, was sich beispielhaft an den illegalen Schrifterzeugnissen zeigt: "Während 1936 etwa 1 500 000 illegale Flugblätter und Schriften festgestellt wurden, sank ihre Zahl bis 1938 auf kaum 100 000, von denen die meisten aus dem Ausland stammten..." [14]. Auch die politischen Verhaftungen nahmen ab.[15] In dieser Zeit verlor der kommunistische Widerstand seinen Massencharakter, den er in den Jahren 1933 -1935 noch besessen hatte. Zahlreiche Kommunisten (ca. 4500, so Herlemann[16]) gingen 1936 nach Spanien um in dem dortigen Bürgerkrieg zu kämpfen.
1939 - 1945
BearbeitenDer Hitler-Stalin Pakt wurden von den meisten deutschen Kommunisten mit Verwunderung aufgefasst.[17] Der Zweite Weltkrieg verschlechterte weiter die Organisation der Partei, da vielfach die bereits schwachen Kontakte ins Ausland komplett abbrachen.[18] Das lag auch daran, dass kommunistische Funktionäre in den Nachbarländern wie z.B. Niederlande und Frankreich interniert wurden. Zu diesem Zeitpunkt existierten zwar in einigen Großstädten lose Gruppen, die jedoch nicht mit Moskau Kontakt hielten und - im Vergleich zu den Aktivitäten ab 1941 - sich noch stärker zurückhielten.[19] Der Aufbau einer neuen innerdeutschen Leitung (die die Abschnittsleitungen wieder ersetzten sollte) ab Herbst 1939 ging nur langsam voran.[20] Letztlich gelang es Wilhelm Knöchel als einziger der designierten Inlandsleitung im Januar 1942 nach Deutschland einzureisen. Seine Knöchel-Seng Gruppe, die vor allem publizistisch und organisatorisch tätig war, kommunizierte über eine Komintern-Stelle in Amsterdam mit der Parteileitung in Moskau. Sie agierte hauptsächlich in Westdeutschland. Von einer zentralen Inlandsleitung kann jedoch nicht die Rede sein, da hierfür die Kontakte zu vielen anderen kommunistischen Widerstandsgruppen fehlten.[21]
Viele der kommunistischen Einzelgruppen wurden im Frühjahr 1942 zerschlagen, darunter die jüdisch-kommunistische Baum Gruppe, die Uhrig-Römer Gruppe und die Schulze-Boysen Gruppe. Die Knöchel-Seng Gruppe wurde im Frühjahr 1943 zerschlagen. Die Gruppe um Anton Saefkow, Franz Jacob und später Bernhard Bästlein ( Saefkow-Jacob-Bästlein-Organisation) baute ab 1943 wieder ein beträchtliches Widerstandsnetz auf. Saefkow und Jacob hatte im Juni 1944 auch Kontakt zu Julius Leber und Adolf Reichwein. Die Gruppe, die vor allem in und um Berlin agierte, hatte auch Kontakt zu vielen weiteren Widerstandsgruppen in Sachsen (Schumann-Gruppe), Thüringen (Neubauer-Poser-Gruppe) und Sachsen-Anhalt.[22] Im Herbst 1943 entstand aus den verschiedenen Widerstandsgruppen die neue Inlandsleitung der KPD[23], auch wenn ein Kontakt zur Exilführung in Moskau schwierig aufrecht zu erhalten war.[24] Die Saefkow-Jacob-Bästlein Organisation, sowie die weiteren Widerstandsorganisationen wurde im Juli 1944 nach Verhaftungswellen stark geschwächt bzw. komplett zerschlagen.[25]
Belege
Bearbeiten- ↑ Beatrix Herlemann: Kommunistischer Widerstand. In: Wolfgang Benz, Walter H. Pehle (Hrsg.): Lexikon des deutschen Widerstand. S Fischer, Frankfurt am Main 2001, S. 28–29.
- ↑ Francis L. Carsten: Widerstand gegen Hitler. Die deutschen Arbeiter und die Nazis. Insel Verlag, 1996, S. 47.
- ↑ Allan Merson: Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland. Pahl-Rugenstein, Bonn 1999, S. 36–38.
- ↑ Beatrix Herlemann: Kommunistischer Widerstand. In: Wolfgang Benz, Walter H. Pehle (Hrsg.): Lexikon des deutschen Widerstand. S Fischer, Frankfurt am Main 2001, S. 30.
- ↑ a b Allan Merson: Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland. Pahl-Rugenstein, Bonn 1999, S. 95.
- ↑ Allan Merson: Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland. Pahl-Rugenstein, Bonn 1999, S. 51–52.
- ↑ Beatrix Herlemann: Kommunistischer Widerstand. In: Wolfgang Benz, Walter H. Pehle (Hrsg.): Lexikon des deutschen Widerstand. S Fischer, Frankfurt am Main 2001, S. 32.
- ↑ Allan Merson: Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland. Pahl-Rugenstein, Bonn 1999, S. 51–52, 97.
- ↑ Francis L. Carsten: Widerstand gegen Hitler. Die deutschen Arbeiter und die Nazis. Insel Verlag, 1996, S. 101–106.
- ↑ Allan Merson: Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland. Pahl-Rugenstein, Bonn 1999, S. 66–71.
- ↑ Francis L. Carsten: Widerstand gegen Hitler. Die deutschen Arbeiter und die Nazis. Insel Verlag, 1996, S. 112.
- ↑ Allan Merson: Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland. Pahl-Rugenstein, Bonn 1999, S. 198.
- ↑ Hermann Weber: Kommunistischer Widerstand gegen die Hitler-Diktatur 1933 - 1939. S. 15.
- ↑ Francis L. Carsten: Widerstand gegen Hitler. Die deutschen Arbeiter und die Nazis. Insel Verlag, 1996, S. 159.
- ↑ Hermann Weber: Kommunistischer Widerstand gegen die Hitler-Diktatur 1933 - 1939. In: Beiträge zum Widerstand 1933 - 1945. Nr. 33. Berlin 1989, S. 16 (gdw-berlin.de [PDF]).
- ↑ Beatrix Herlemann: Kommunistischer Widerstand. In: Wolfgang Benz, Walter H. Pehle (Hrsg.): Lexikon des deutschen Widerstand. S Fischer, Frankfurt am Main 2001, S. 36.
- ↑ Allan Merson: Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland. Pahl-Rugenstein, Bonn 1999, S. 209.
- ↑ Allan Merson: Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland. Pahl-Rugenstein, Bonn 1999, S. 215.
- ↑ Beatrix Herlemann: Der deutsche kommunistische WIderstand während des Krieges. In: Beiträge zum Widerstand 1933 - 1945. Nr. 35. Berlin 1989, S. 7–8 (gdw-berlin.de [PDF]).
- ↑ Allan Merson: Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland. Pahl-Rugenstein, Bonn 1999, S. 216–219.
- ↑ Beatrix Herlemann: Der deutsche Widerstand während des Krieges. 1989, S. 13–14.
- ↑ Beatrix Herlemann: Der deutsche kommunistische Widerstand während des Krieges. In: Beiträge zum Widerstand 1933 - 1945. Nr. 35, 1989, S. 14–15 (gdw-berlin.de [PDF]).
- ↑ Wolf Gruner: Saefkow-Jacob-Gruppe. In: Wolfgang Benz, Walter H. Pehle (Hrsg.): Lexikon des deutschen Widerstands. S.Fischer, Frankfurt am Main 2001, S. 288–290. ; ebenso bei Merson, S.266
- ↑ Allan Merson: Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland. Pahl-Rugenstein, Bonn 1999, S. 266 - 268.
- ↑ Allan Merson: Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland. Pahl-Rugenstein, Bonn 1999, S. 270.