Sylter Biikenbrennen ist das Relikt an ein ehemaliges Opferfest Wotan zu Ehren. Die Biiken (Strohhaufen nach Christian Peter Hansen) wurden am Vorabend des Petritages auf heiligen Opferhügeln entzündet. Forscher meinen, das Wort Biiken aus dem Sölring, der alten Sylter Sprache, wäre gleichbedeutend mit dem englischen Wort beacon für Leuchtfeuer. Der Sylter Petritag am 22. Februar ist gleichbedeutend mit dem Kathedra Petri (Fest). Dieser Tag war nachweislich seit dem 17. Jahrhundert der Hauptfeiertag der Sylter und wurde vermutlich stets am 22. Februar gefeiert. Siehe dazu Jens Booysen (1765-1833, Kapitän und Ratmann): "Sonst hat man hier keine öffentlichen Lustbarkeiten als blos am Petri Tage, da sehr viele junge Leute sich, insonderheit in Keitum versammeln und tanzen."

Geschichte

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Erste Überlieferungen

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Erstmalig offiziell erwähnt wird das Wort Biiken am 12. August 1809 durch Erasmus Fangel (Pastor in Keitum auf Sylt von 1785 bis 1833) der in einem Bericht an die Kanzlei in Kopenhagen schreibt "Auf dem Tipkenhoog werden am Abend vor dem Petritage die Biiken abgebrannt, d. h. eine Theertonne und eine Menge Strohbunde, wobei die Jugend des Dorfes um die Feuer herumtanzt und zuweilen ein Lied anstimmt, das sich auf die Verbrennung der Hexen bezieht." [1].

Die nächste Quelle zum Biiken bietet der Reiseschriftsteller Johann Georg Kohl (1808–1878), der im 19. Jahrhundert die Marschen und Inseln der Schleswig-holsteinischen Westküste bereiste und dabei auch über die Insel Sylt und den alten Wodanskult berichtet:

„Nicht alle Hügel, welche man auf der Insel findet, sind Grabhügel gewesen. Man vermuthtet vielmehr, theils aus den Namen, welche sie führen, theils aus dem Umstande, daß man in ihnen, wenn man nachgrub, weder Steinkammern, noch Urnen, noch sonstige Ueberreste von Menschen oder Gerätschaften fand, daß manche von ihnen zu anderen Zwecken gedient haben mögen.(…)

Andere heißen "Hilligenhooger" (heilige Hügel) oder "Wednshooger" (Wodanshügel), und man glaubt, daß sie ehemals heilige Opferhügel waren. Auf einigen dieser Hügel zündeten die Leute noch im vorigen Jahrhundert an gewissen Festtagen große Feuer (Biiken genannt) an, und Weiber und Männer tanzten durcheinander um sie herum. Bei diesem Tanze pflegten sie auszurufen: "Wedke teare! Weadke teare!" (Wodan zehre!). Ehemals mochten sie ihren Gott damit bitten wollen, ihr Opfer freundlich anzunehmen; jetzt mag es nur noch eine hohle Phrase und ein bloßer Ausruf sein, der nur für die Alterthumsforscher Bedeutung hat. Es giebt noch jetzt alte Leute auf der Insel, die sich jener mit Hügeltänzen verbundenen Biikenfeuer sehr wohl erinnern und denen dieser Wodansruf noch ganz geläufig ist.

Die Hügeltänze und der Wodansruf haben jetzt aufgehört, aber das Biikenbrennen kennt man noch heutigen Tages."“

Christian Peter Hansen und seine Überlieferungen von den Biiken und den Opferhügeln

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Der Keitumer Lehrer, Küster und Chronist Christian Peter Hansen (1803-1879) berichtet in seinen Schriften ausführlich über die Sylter Opferhügel, den Wodanskult und den Petritag:

Fast bei jedem Dorfe waren Opferhügel und Steinaltäre. Der Heiligenört ist noch bekannt als ein Hauptopferplatz der heidnischen Sylterfriesen aus alter Zeit; aber die Morsumer und Archsumer der neuen Zeit pflegten noch lange dort am Abende vor dem Petrifest den 22. Februar ein Opfer- oder Biekenfeuer zu brennen alljährlich.

Die Tinnumer hätten demnach sowohl einen nördlich gelegenen wednshoog als Opfer- und Biikenhügel benutzt als auch einen südlich gelegenen wetthoog. Die Keitumer benutzten den westlich gelegenen winjhoog bis zum 17.Jahrhundert als Opferhügel, bis sie dann auf den östlich am Wattenmeer gelegenen Tipkenhoog auswichen.

"Das Dorf Heidum oder Alt-Keitum war gleichsam von einem Kranze heidnischer Opfer- oder Götzenhügel umgeben. (…) Sie opferten auf heiligen Hügeln dem Wedn und dem Thor. sowie der Todesgöttin Hel . Im Nordwest auf einer Anhöhe nahe am Dorfe liegt noch ein Rest des alten Opfer- oder Biikenhügels Winjhoog oder wednshügel. Er war dem Wedn, Weda oder Wodan geweihet. Die Friesen dachten sich den Weda als den obersten Kriegsgott, der den Seekriegern nicht alleine Glück in Schlachten, sondern auch guten Wind auf ihren Fahrten gab. Sie opferten ihm, bevor sie im Frühjahre ihre Seezüge antraten, auf den Wedns - oder Winjhüglen Theertonnen, zündeten ein großes Strohfeuer am Abende vor dem 22. Februar auf diesen Hügeln an, tanzten rings um das Feuer und riefen oder sangen "Vikke tare!" (Lieber Wotan zehre, nimm unser Opfer an!).[2] Dies erklärt auch, weshalb der deutsche Pastor 1809 aus "Vikke" oder "Wedke" Wikke für witch gleich Hexe herausgehört hatte.

Aus dem Petritag wird das Biikenbrennen

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Aus den Überlieferungen von C.P. Hansen: Von allen diesen drei Festen des Weda, Thor und der Freia sind noch manche Reste übrig auf Sylt; sie haben nur einen christlichen Anstrich und einen Sinn erhalten. Das Fest des Weda heißt jetzt Petristuhlfest, ist aber im Grunde noch ein Abschiedsfest der Seefahrer.[3]

Die Umwandlung des Wodanstages, der seit alter Zeit auch immer ein Thingtag gewesen ist (am 22. Februar fand nachweislich in historischer Zeit Thing in Keitum statt), in das Fest Petristuhlfeier, auf Sylt Petritag genannt, geht auf den Papst Gregor im 6. Jh. n. Chr. zurück. Im Zuge der christlichen Missionierung efolgte die Umwandlung heidnischer Kulte und Festtage in christliche Feiertage[4] sowie vermutlich auf König Kanut (Knut der Große) 995-1035, König von Dänemark, Norwegen und England. In seinem Schreiben aus Rom Ostern 1027 beteuert er, dass er fortan sein Leben diesem Heiligen (Petrus) weihen wolle, denn dieser habe von Jesus die Macht erhalten, zu binden und zu lösen, im Himmel und auf Erden. Auf König Kanut geht zudem der Kirchenbau im Herzogtum Schleswig ab dem 11. Jahrhundert zurück.[5]

Die Sylter als Verehrer der nordischen Gottheiten

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Johann Friedrich Camerer, ein Gelehrter in dänischen Diensten überliefert ebenfalls, anlässlich seines Besuches auf Sylt:

„Noch eines habe ich nur annoch zu bemerken nöthig erachtet, wie das Volk zum Tanzen, und läppische Lieder dabey zu singen geneigt, wobei die Alten- und Jungen auf ihren Hochzeiten und anderen Gastereyen, alte Götzen- und Heldenlieder, in ihrer Sprache untereinander einmüthig singen.“

Die Biiken in der frühen Literatur

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Der Vater von C.P.Hansen, Japp Peter Hansen, schrieb 1809 ein Bühnenstück mit dem Namen "Der Geizhals oder der Silter Petritag" wo er im ersten Aufzug sagen lässt: "Ein Jöl' ön Kaglaun üs en Biiken" auf Deutsch: "Ein Feuer im Kachelofen, wie ein Biiken." [6] C. P. Hansen überliefert, dass die Rantumer (Anmerkung: Rantum war bis zum 16. Jahrhundert der größte Ort auf der Insel Sylt) von Alters her eine Ehre darin suchten, "unter allen Inselfriesen das größte Biikenfeuer zu brennen, bis sie einst - der Sage nach - von dem Teufel, der die Gestalt eines Pudels angenommen und ihr bereits verbanntes Biiken immer wieder anschürte, geäfft wurden."[7]

Literatur

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  • Jens Booysen: Beschreibung der Insel Sylt, 1828, Nachdruck 1976, Herausgeber Manfred Wedemeyer, Schleswiger Druck-und Verlagshaus
  • 259. Das Biikenbrennen. in: Karl Müllenhoff, Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg, Kiel 1845, S. 174–175 (online).
  • Christian Peter Hansen, Der Sylter Friese, 1860
  • Christian Peter Hansen Sagen- und Erzählungen der Sylter Friesen, 1875, Verlag Lühr & Dirks, Garding
  • Karl Kersten, Peter La Baume, Vorgeschichte der Nordfriesischen Inseln, Wachholtz Verlag Neumünster, 1958
  • Johann Georg Kohl Reisen in Dänemark und den Herzogthümern Schleswig und Holstein, Band 2 Inseln und Halligen, 1846
  • Timothy Bolton: Cnut the Great. Yale University Press, New Haven 2017
  • Johann Friedrich Camerer, Nachricht von der Insel Sylt, 1756, Nachdruck Hörnum Archiv Bild J. Schwarz 1987
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Einzelnachweise

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  1. Laut einer handschriftlichen Abschrift im Landesmuseum Schloß Gottorf, das Original befindet sich im Rigsarkivet in Kopenhagen in Dänemark.
  2. aus: Sagen und Erzählungen der Sylter Friesen. S. 23
  3. Sagen und Erzählungen der Sylter Friesen, 1875
  4. Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum (HE), Beda Venerabilis, 731
  5. vgl. Heimreich, Camerer
  6. Nahrung für Leselust in Nordfriesischer Sprache, Druck von Fr. Roßberg, Westerland, 3. Auflage 1896
  7. Sagen und Erzählungen der Sylter Friesen, C. P. Hansen, Garding 1874, Verlag Lühr & Dirks

Kategorie:Sylt Kategorie:Feuerbrauchtum Kategorie: Opferfeste Kategorie:Paganismus