Dass ich mich als Sexist, Nationalist oder Rassist bezeichne heißt nicht, dass ich diese Ideologien gut finde. Ganz im Gegenteil, wie hoffentlich die meisten Leute bin ich der Ansicht, dass man sie im menschlichen Miteinander nicht vermissen würde. Grundsätzlich tut man einem Menschen unrecht, wenn man ihn anhand von Eigenschaften be- und verurteilt, für die er nichts kann und die sich auch nicht ändern lassen.
Nun ist es aber so, dass es trotz vieler Absichtserklärungen noch immer Blondinen- Türken- oder Negerwitze in der Welt gibt; oft von Leuten zum Besten gegeben, die den Vorwurf des Sexismus/Nationalismus/Rassismus im Brustton der Überzeugung von sich weisen. Wie geht das also zusammen, dass jemand, der für die Völkerverständigung ist (ein guter Freund von mir), während eines WM-Vorrundenspiels Deutschland–Ghana wiederholt flache Negerwitze macht, Dachau-Sprüche loslässt und auch sonst alle möglichen nationalistischen Klischees zu Erfüllen versucht? Wie kommt es, dass Politiker den Hidschab als ein Symbol der Unterdrückung der Frau verdammen, gleichzeitig aber nichts Schlechtes an High-Heels und Miniröcken finden? Was steckt dahinter, dass einer die Nationalmannschaften "scheiße" findet, in denen "ja eh nur Eingebürgerte und Schwarze spielen"?
Sexismus, Nationalismus und Rassismus sind feste Bestandteile unserer Gesellschaft und, obwohl oberflächlich verfehmt, unterschwellig akzeptiert. Das heißt nicht, dass jemand, der Frauen für schlechte Autofahrer hält, ein Unmensch ist. Im Gegenteil, man wäre erstaunt, wie viele Anhänger dieser Stereotype höflich, ehrlich und freundlich sind und freiwillig niemandem etwas zu leide tun würden. Auch ich verfalle in einschlägige Denkmuster, wenn mir die ARD den Medaillenspiegel bei Olympia vorlegt und die Athleten aus Deutschland ganz oben liegen. Ressentiments werden uns in Familie, Schule und Freundeskreis eingeimpft wie den Menschen früherer Zeit Aberglaube, Gottesfurcht und Scham. Die wenigsten von uns sind völlig frei von solchen Vorurteilen, deshalb wäre es verlogen, auf andere mit dem Finger zu zeigen und sie zu tadeln. Das befreit uns aber nicht von der Pflicht, an uns zu arbeiten und zu versuchen, diese Stereotype so weit wie möglich abzulegen. Fehler sind erlaubt, aber nicht, sich auf ihnen auszuruhen.
Nationalismus, Sexismus und Rassismus haben noch nichts Gutes geschaffen, aber in der Gestalt von etwa Patriotismus, Girl Power oder der Leitkultur finden sie breite Zustimmung. Es fällt mir deshalb in der Wikipedia oft schwer zu vermitteln, warum ich etwa die Kategorie:Person nach Ethnie ablehne. Viele glauben, ich will sie als fanatische Rassisten diffamierenund sie in die Nähe von Neonazis stellen. Darum geht es mir aber nicht: Ich will auf Denkmuster hinweisen, die Menschen auf unzulässige Weise in Schubladen stecken, die wissenschaftlich absolut überholt sind und ohne die Wikipedia-Artikel mit Sicherheit besser wären.
In diesem Sinne sind also meine Babels zu verstehen: Ja, ich habe sexistische Vorurteile. Ja, ich hege nationalistische Ressentiments. Ja, ich habe rassistische Tendenzen. Ich bin mir aber dessen bewusst und versuche, mich nicht von ihnen irreführen zu lassen. Und das erwarte ich auch von jedem anderen.