Islamfeindlichkeit bezeichnet die kategorische Abwertung und Benachteiligung von Muslimen und die Feindseligkeit ihnen gegenüber, die mit der Zugehörigkeit der Betroffenen zum Islam begründet und gerechtfertigt wird. Die Islamfeindlichkeit konstruiert ein Negativbild des Islams und der Muslime sowohl theoretisch als auch praktisch, indem sie in einen Diskurs verschiedene Vorstellungen über Muslime und den Islam transportiert und gleichzeitig in – von allen Beteiligten oft als alltäglich empfundenen – Handlungen dazu beiträgt, dass diese Vorstellungen umgesetzt werden. Damit schafft die Islamfeindlichkeit eine Wirklichkeit, in der es als normal gilt, Muslime als grundsätzlich verschieden von Nichtmuslimen anzusehen und sie folglich auch ungleich zu behandeln. [1]

Islamfeindlichkeit gilt als relativ junges Phänomen und hat erst seit den letzten Jahren mediale Aufmerksamkeit erfahren. Die Anfänge der modernen Islamfeindlichkeit reichen jedoch weit ins 20. Jahrhundert zurück und haben mehrere historische Vorläufer, etwa im mittelalterlich-christlichen Bild des Islams, aber auch im westlichen Orientalismus der Neuzeit.[2] Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Islamfeindlichkeit setzte vergleichsweise spät ein. Die erste umfassende Studie des Phänomens sowie der Versuch einer Definition stammen aus dem Jahr 1997. Benennung, Einordnung und Reichweite des Begriffes sind seitdem umstritten. Neben Islamfeindlichkeit existieren auch die konkurrierenden Bezeichnungen und Konzepte Islamophobie, Antiislamismus oder antimuslimischer Rassismus, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte und Wertungen bei der wissenschaftlichen Betrachtung des Phänomens setzen.[3] Umstritten bleibt auch, ob Islamfeindlichkeit als Form des Rassismus oder aber als eine nahe verwandte Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit betrachtet werden sollte.[4]

Definition

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Islamfeindlichkeit ist eine Ideologie, die Muslime als homogene Gruppe konstruiert, deren Mitglieder in ihrem Handeln in erster Linie durch ihre Religion, den Islam bestimmt werden. Andere persönliche Identitäten – etwa als Mutter, Staatsbürger, Vereinsmitglied oder Anhängerin einer politischen Richtung – treten dem gegenüber in den Hintergrund. Diese imaginäre, einheitliche Gruppe von Muslimen repräsentiert im Weltbild der Islamfeindlichkeit die soziale Seite des Islams. Den anderen Teil bildet in dieser Wahrnehmung die islamische Lehre und Weltanschauung, die als ebenso einheitlich begriffen wird und laut der Islamfeindlichkeit das Denken und die Ideologie aller Muslime repräsentiert. Zusammen bilden Muslime und Islam eine Antithese zum Rest der Gesellschaft: Sie werden von der Islamfeindlichkeit als das durchweg negativ bewertete „Andere“ begriffen, das nicht zur sozialen Gemeinschaft gehört, sondern sie vielmehr bedroht. Die von Muslimen vertretenen und im Islam verfassten Ansichten widersprechen der Islamfeindlichkeit zufolge menschlichen Werten fundamental, weshalb sowohl der Islam als auch die soziale Gruppe der Muslime von ihr abgelehnt wird. [1]

 
Die Islamfeindlichkeit identifiziert Menschen anhand äußerlicher Merkmale, die ihrer Vorstellung des Islam entstammen, als Muslime. Darunter fallen häufig auch Sikhs, deren Bärte und Kopfbedeckung als typisch muslimisch interpretiert werden. Tatsächlich berücksichtigt die Islamfeindlichkeit das Selbstverständnis der Menschen, über die sie spricht, nicht.

Die Zugehörigkeit eines Menschen zum Islam macht die Islamfeindlichkeit an äußeren Zeichen fest, etwa das Tragen eines Kopftuches, eines Vollbartes oder eines Turbans, die als typisch für Muslime und den islamischen Glauben erachtet werden, aber auch an islamischen Vornamen oder einer Herkunft aus einem mehrheitlich muslimischen Land. Diese Identifikation einer Person als Muslim kann, muss sich aber nicht mit deren Selbstbild decken, sie kann auch Personen treffen, die sie schlichtweg ablehnen, weil sie sich nicht als Muslime sehen. Gleiches gilt für die Beziehungen von Muslimen zum Islam: Die Islamfeindlichkeit geht davon aus, dass der Islam für alle Muslime verbindlich und ein ambivalentes Verhältnis (etwa in Form von religiösen Zweifeln oder der Ablehnung von Teilen der Lehre) zwischen Muslimen und der islamischen Lehre unmöglich ist. Dies dient ihr als Begründung dafür, das Negativbild des Islams, das sie an vermeintlichen oder tatsächlichen Elementen seiner Lehre festmacht, auch auf die von ihr vorgestellte Gruppe der Muslime zu übertragen. Die Islamfeindlichkeit definiert die Muslime und den Islam also von außen und schreibt ihnen Eigenschaften zu, die nicht aus dem Selbstbild der Betroffenen stammen.

Das Bild der Islamfeindlichkeit von Islam und Muslimen, das sie selbst als „Wissen“ begreift, wird sowohl über Diskurse – also die Thematisierung und Diskussion sowie deren Rezeption durch Dritte – als auch über Handlungen konstruiert, transportiert und gefestigt. Dabei weist Islamfeindlichkeit stets auf die Ungleichheit von Muslimen hingewiesen, die aus deren angeblicher negativer Andersartikeit resultiert. Diese Negativität wird in islamfeindlichen Diskursen und Handlungen als Legitimation benutzt, um Muslime anders zu behandeln als andere Menschen; in der Regel negativ. Auf diese Art und Weise wird die Gruppe der Muslime nicht nur hypothetisch von außen konstruiert, sondern auch tatsächlich: Indem Muslime anders als andere Menschen und Gruppen behandelt werden, wird eine reale Grundlage zur Abtrennung, Unterscheidung und Diskriminierung geschaffen. Die vormals imaginäre Definition der Muslime durch die Islamfeindlichkeit wird dadurch handfest. Menschen, die sich zuvor nicht als Muslime definiert hätten, tun dies nun, weil

Begriffsinhalt und -geschichte, Abgrenzung von und Verortung in anderen Konzepten (Rassismus, Antisemitismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit)

Islamfeindlichkeit kann – je nach zeitlichem, regionalem und politischem Kontext – sehr verschiedene Formen annehmen. Sie weist jedoch in der Regel zentrale Bilder und Vorstellungen von Muslimen und Islam auf, die sich in allen Formen wiederfinden.

Funktion

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Mechanismen, gesellschaftliche Auswirkungen

Geschichte

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Die Frage, ob Islamfeindlichkeit mit der mittelalterlichen Aggression des christlichen Europas gegen die muslimischen Reiche in Europa, Nordafrika und Asien identisch ist, wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Ähnliches gilt für den Orientalismus des 19. und 20. Jahrhunderts. Konsens ist aber, dass die zeitgenössische Islamfeindlichkeit viele Motive aus der Zeit der Kreuzzüge, der Türkenkriege und des Orientalismus übernommen hat. Zu den wichtigsten dieser Elemente gehören die Darstellung von Muslimen als gewalttätig, übersexualisiert und unzivilisiert und ein angeblicher Antagonismus zwischen christlich-aufgeklärtem Westen und einem romantisierten und ursprünglichen, aber auch irrationalen muslimischen Orient. Da Islamfeindlichkeit auch innerhalb von gleichen Zeiträumen sehr unterschiedliche Formen annehmen kann, fällt es schwer, klare Start- oder Endpunkte für ihre Entwicklung festzulegen. Allerdings lassen sich grob zwei Phasen – spätes 20. und frühes 21. Jahrhundert – festmachen. [5]

20. Jahrhundert: Aufkommender Antagonismus

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Ein einschneidendes Ereignis in der Geschichte der modernen Islamfeindlichkeit: Die Machtübernahme Ruhollah Chomeinis im Iran 1979. Die Islamische Revolution wurde als fundamentaler Konflikt zwischen westlichen und islamischen Werten interpretiert

Die häufige Behauptung, die Geburtsstunde der modernen Islamfeindlichkeit seien die Anschläge vom 11. September 2001 gewesen, lässt sich so nicht halten. Die einschneidenden Ereignisse für die heutige Form der Islamfeindlichkeit liegen vielmehr in den 1970er und 1980er Jahren und sind sowohl in den westlichen Gesellschaften als auch der politischen Entwicklung der muslimischen Staaten zu suchen. Zu ersten Konflikten zwischen islamisch und kapitalistisch geprägten Staaten kam es im Israelisch-Palästinensischen Konflikt und während der Ölkrisen ab 1973. Beide Ereignisse wurden aber damals noch nicht primär in religiösen, sondern in nationalen Kategorien verstanden. [6] Für Aufsehen in der westlichen Öffentlichkeit sorgte aber vor allem die Iranische Revolution von 1979, bei der die iranische Bevölkerung den vom Westen gestützten Reza Schah Pahlavi stürzte. In der Folge setzte sich ein radikal islamistisches Regime unter Ruhollah Chomeini an die Spitze des Staates. Von den westlichen Medien wurde die Revolution vor allem als Konflikt zwischen westlichen Werten und Interessen und denen des Islam interpretiert und dargestellt. Gleichzeitig wurde der Islam in dieser Berichterstellung mit den gleichen Attributen versehen wie bereits im Orientalismus: Rückständig, gewaltbereit, unaufgeklärt; eine Religion, die vor allem durch das Schwert verbreitet werde. Dieser aufkommende Antagonismus zwischen Westen und Islam blieb aber zunächst wenig wirkmächtig, unter anderem weil er von der kapitalistisch-kommunistischen Konfrontation im Kalten Krieg überdeckt wurde. 1988 erschien Salman Rushdies Buch Die satanischen Verse, in dem er auf die „Satanischen Verse“ Bezug nahm und den Propheten Mohammed auftreten ließ. Von vielen Muslimen wurde das Werk als blasphemisch und als Herabwürdigung des Islam interpretiert. Zwar verbot der Staat Indien das Buch als erstes, die größte Aufmerksamkeit erregte aber 1989 die Fatwa Chomeinis gegen Rushdie, in der er zu dessen Tötung aufrief. Rushdie musste untertauchen, Übersetzer des Buches wurden von Angreifern ermordet oder schwer verletzt. Weltweit kam es von Protesten gegen die Satanischen Verse. Eine angebliche öffentliche Verbrennung des Buches durch eine Gruppe muslimischer Briten wurde von den Medien aufgegriffen und mit den Bücherverbrennungen der NS-Zeit verglichen. Damit wurden nicht nur die Negativbilder des Islams befeuert, die zehn Jahre zuvor aufgekommen waren. Die christlich geprägten Mehrheiten im Westen entwickelten auch das erste Mal ein Bewusstsein dafür, dass Muslime nicht nur in Asien und Nordafrika, sondern auch in den nationalen Gesellschaften Europas und Nordamerikas lebten. Gleichzeitig wurden in der medialen Darstellung alle Muslime gleichgesetzt und in die Nähe Chomeinis gestellt. [7]

 
Die Kulturkreise der Welt nach Samuel P. Huntington mit einer klaren Unterscheidung zwischen westlicher (dunkelblau) und islamischer Welt (grau schraffiert). Kulturalistische Theorien wie die vom Kampf der Kulturen stellen den Islam als inkompatibel mit der westlichen Ktur dar trugen gegen Ende des 20. Jahrhunderts entscheidend zum Verständnis von Muslimen als Agressoren bei.

Etwa im gleichen Zeitraum kam es zu einem Wandel im Selbstbild vieler Minderheiten in Westeuropa. Gastarbeiter, Auswanderer aus den ehemaligen Kolonien und deren Nachkommen lebten in großer Zahl in westlichen Staaten. Sie hatten sich selbst lange Zeit anhand nationaler oder ethnischer Kategorien definiert. Dies entsprach nicht immer der Wahrnehmung von Behörden und Regierungen; so wurden beispielsweise muslimische Pakistanis, buddhistische Singhalesen oder hinduistische Inder im Vereinigten Königreich seit den 1950er Jahren unterschiedslos zunächst über Hautfarbe (colour), Rasse (race) und schließlich „Blackness“ definiert und zusammengefasst. Alle diese Kategorien hatten gemein, dass sie von außen aufgeprägte Bezeichnungen waren und dem Selbstbild der bisweilen miteinander im Konflikt stehenden Gruppen widersprachen. Viele aus Südasien stammende Minderheiten verstanden sich nie als Schwarze und fühlten sich in diesem Minderheitendiskurs missachtet. Auch wenn die britische Rassendefinition später auch auf „monoethnische“ Religionsgemeinschaften ausgedehnt wurde (etwa Sikhs oder Juden), fanden etwa aus Pakistan stammende Briten weder als Pakistanis noch als Muslime oder gar Briten im eigentlichen Sinn Anerkennung. Gleichzeitig verabschiedete sich der rassistische Diskurs ab den 1970er Jahren von klassischen rassistischen Argumentationsmustern und zielte auch auf Eigenschaften und Merkmale von Minderheiten, die sich nicht mit einem biologistischen Rassismus deckten. Sowohl das Bedürfnis der Minderheiten, sich selbst entsprechend ihrer politischen Bedürfnisse zu definieren als auch das Aufkommen des „Neuen Rassismus“ führte dazu, dass sich Pakistanis, Bangladeshis oder Inder zunehmend entlang ihrer Religion definierten. Aus „Asians“ wurden so Muslime, Hindus und Sikhs. [8] Diese Redefinition zunächst der britischen Minderheiten ging in den westlichen Medien zeitlich mit der Wahrnehmung des Islams als äußere Bedrohung einher. Die Protestakte kleiner, radikaler Gruppen wurden als Haltung „des Islams“ beziehungsweise „der Muslime“ interpretiert und damit die nationalen muslimischen Minderheiten mit islamistischen Fundamentalisten gleichgesetzt. Ähnliche Entwicklungen spielten sich wenige Zeit später in Frankreich ab, wo die aus den ehemaligen Kolonien stammenden muslimischen Bevölkerungsgruppen zunehmend als Teil eines globalen, homogenen Islams wahrgenommen wurden. [9]

Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks fiel der Kommunismus als imaginierte Bedrohung der westlichen Welt und als gemeinsamer Feind des Westens und islamistischer Bewegungen weg. Der Fokus verlagerte sich damit auf den vermeintlichen Gegensatz zwischen westlicher und islamischer Kultur. Dazu trugen auch Werke wie Samuel P. Huntingtons Kampf der Kulturen bei, das die Welt in monolithische, religiös-kulturell definierte und unvereinbare Blöcke einteilte und die Zunahme von Konflikten zwischen diesen Weltteilen voraussagte. Auseinandersetzungen wie der Zweite Golfkrieg, der Bosnienkrieg oder der erste Tschetschenienkrieg wurden zunehmend als Kampf zwischen christlichem Westen und islamischem Osten interpretiert. [10]

21. Jahrhundert: Blüte der Islamfeindlichkeit

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Die Anschläge vom 11. September 2001 wurden zum Ausgangspunkt einer neuen Welle der Islamfeindlichkeit: Sie wurden als Angriff auf westliche Werte wie Freiheit und Fortschritt verstanden und als Legitimation zum Kampf gegen den weltweiten Islamismus herangezogen. Gleichzeitig kam es zu einer Gleichsetzung von Muslimen als Gruppe mit islamistischen Terroristen.

Obwohl die Stereotypen und Bilder aus diesem Diskurs an Bedeutung gewonnen hatten, standen sie bis zum Ende des 20. Jahrhunderts nicht im Zentrum öffentlicher und politischer Wahrnehmung. Die Kriege im Irak, auf dem Balkan und in Tschetschenien waren auf beiden Seiten stark ethnisch und politisch dominiert, Religion spielte nicht notwendigerweise eine dominante Rolle. Dies änderte sich mit den Anschlägen vom 11. September 2001. Die Attacken islamistischer Terroristen schufen nicht nur ein Bewusstsein für die Existenz eines religiös motivierten Terrorismus. Sie boten in der Folge auch den Rahmen für einen Diskurs, in dem dieser Terrorismus, der Islam und die Muslime weltweit gleichgesetzt oder zumindest in eine große ideologische Nähe zueinander gesetzt wurden. Tendenzen dazu hatte es schon früher gegeben,[11] aber erst durch die enorme mediale Wirkung der Anschläge von 2001 gelangten diese Interpretationsmuster ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit. Die Terroranschläge dienten nicht nur als Legitimation für Militäreinsätze gegen vermeintlich oder tatsächlich islamistische Regimes und Terrorgruppen in der Welt. Sie boten über die Gleichsetzung des Islams mit dem Terrorismus auch die Grundlage für einen islamfeindlichen Diskurs in den westlichen Staaten, der sich um die nationalen Minderheiten drehte. [12]

Rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien in Westeuropa wandten sich Muslimen als neuem Feindbild zu und forderten ihre Entfernung aus der Gesellschaft, während ihnen in den 1990er Jahren noch Asylbewerber und Arbeitsmigranten als zu bekämpfendes Übel gegolten hatte. Der islamfeindliche Diskurs hielt aber auch in die etablierte Politik und in die Mainstream-Medien Nordamerikas, Australiens und Europas Einzug. So wurde die Frage nach der Vereinbarkeit des Islams und damit der Muslime mit den Grundsätzen westlicher Gesellschaften gestellt. Über Minderheiten wurden nicht länger als Albaner, Marokkaner oder Pakistanis gesprochen, sondern als Muslime. Die Darstellung islamisch geprägter Länder als unterentwickelt, das Bild des Islam als antiliberale Ideologie und die Vorstellung von Muslimen als tendenziell reaktionär und frauenfeindlich eingestellten Menschen wurden von vielen Medien unreflektiert übernommen und diskutiert. Muslime wurden als potentielle Terroristen gesehen und etwa im Flugverkehr verschärften Sicherheitskontrollen unterworfen. Im Zuge der Mohammed-Karikaturen kam es 2005 zu einer Empörung unter einigen Muslimischen Gruppen, die von der westlichen Medien mehrheitlich als Ausdruck eines Angriffs auf Meinungs- und Religionsfreiheit dargestellt wurde. Die Islamfeindlichkeit beschränkte sich nicht nur auf Worte, es kam zu Schändungen von Moscheen, Morden wie dem an Marwa El-Sherbini oder den Anschlägen von Anders Behring Breivik, der die „Islamisierung Europas“ als Grund für seine Taten angab. Die Opfer solcher Angriffe waren nicht nur Muslime, sondern auch Menschen, die für solche gehalten wurden, etwa Sikhs in Großbritannien. Der islamfeindliche Diskurs wurde dadurch befördert, dass er nicht auf erfundenen Ereignissen oder Haltungen basierte, sondern auf wirklich vorhandene Islamisten und Terroranschläge verweisen konnte. Er konnte weitgehend unwidersprochen behaupten, dass die Ablehnung und Bekämpfung von Muslimen aus ihren Taten resultiere und somit die Muslime selbst für die Islamfeindlichkeit verantwortlich seien. Dies begann sich erst durch die Anstrengungen islamischer Verbände, antirassistischer Organisation und staatlicher Stellen zu ändern, die Islamfeindlichkeit nicht nur als Diskriminierung anprangerten, sondern auch ihre wissenschaftliche Erforschung forderten und förderten. Dessen ungeachtet ist Islamfeindlichkeit weiterhin in allen Teilen der westlichen Gesellschaften verbreitet und wird nach Ansicht vieler Wissenschaftler immer noch nicht ausreichend bekämpft. [13]

Forschungs- und Begriffsgeschichte

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Die erste Verwendung des Begriffs „Islamophobie“ stammt aus dem Jahr 1921. In ihrem Werk L'Orient vu par L'Occident kritisierten Étienne Dinet und Sliman Ben Ibrahim die Mohammed-Biographie des Jesuitenpaters Henri Lammens, in der dieser das Leben des Propheten einseitig negativ und in Verkennung der historischen Quellen dargestellt habe. Die Unterstellung Lammens, Mohammed sei ein verschlagener Lügner gewesen, der einem Dolchmörder gleich gehandelt hätte, bezeichneten Dinet und Ben Ibrahim als „Anfall eines islamophoben Fieberwahns“ (französisch „accès de délire islamophobe“) und unterstellten Lammens damit eine persönliche Abneigung gegen den Islam beziehungsweise Mohammed.[14] Angeblich benutzten die iranischen Mullahs den Begriff „Islamophobie“ in den 1980er Jahren, um säkular orientierte Oppositionelle als unislamisch zu brandmarken; sie lehnten Verodnungen wie das Verhüllungsgebot aufgrund einer Abneigung gegen den Islam ab. Im heutigen sozialwissenschaftlichen Kontext wurde der Begriff wohl zuerst Ende der 1980er Jahre von Tariq Modood, einem muslimischen Forscher am britischen Policy Studies Institue. Wahrscheinlich stammt er aber aus den britischen muslimischen Gemeinschaften selbst, die damit am Anfang der 1980er Jahre die ihnen entgegenschlagende Abneigung und Diskriminierung bezeichneten. Der antirassistische britische Runnymede Trust war 1994 die erste nichtmuslimische Instanz, die den Begriff aufgriff und Islamfeindlichkeit in dem Bericht A Very Light Sleeper: The Persistence and Dangers of Anti-Semitism als dem Antisemitismus ähnlich einstufte. Dieser Bericht bildete unter anderem die Basis für die Schaffung der Commission on British Muslims and Islamophobia (CBMI), die mit dem Phänomen der Islamfeindlichkeit beschäftigen sollte. [15]

1997 erschien schließlich mit Islamophobia: A Challenge for Us All. Report of the Runnymede Trust Commission on British Muslims and Islamophobia die erste wissenschaftliche Publikation, die sich vorrangig mit der Definition, Beschreibung und Verortung von Islamfeindlichkeit beschäftigte.[16] Herausgeber des meist kurz Runnymede Report genannten Berichts waren der Runnymede Trust und die CBMI. Der Bericht kam zu dem Schluss, dass Islamfeindlichkeit auf einer „geschlossenen Weltsicht“ beruhe. Damit nahm der Bericht auf ein Konzept des US-amerikanischen Sozialpsychologen Milton Rokeach; eine Herangehensweise, die nicht nur wegen ihres Hangs zum Behavioralismus kritisiert wurde. Chris Allen bemängelte unter anderem auch die fehlende historische Verortung, die vorgefassten Urteile der Studie und fehlende theoretische Grundlagen für die Herleitung der Islamfeindlichkeits-Definition. Weiterhin kritisierte er latent islamfeindliche Positionen in der Studie selbst, die Muslimen unterstelle, für Islamfeindlichkeit mitverantwortlich zu sein. [17]

Literatur

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  • Cris Allen: A Brief History of Islamophobia. In: Arches Quarterly 4 (7), 2010. S. 14–23.
  • Chris Allen: Islamophobia. Ashgate Publishing, London 2010. ISBN 978-0-7546-5139-0.
  • Étienne Balibar: Is there a ’Neo-Racism’? In: Étienne Balibar, Immanuel Wallerstein: Race, Nation, Class: Ambiguous Identities. Verso, London und New York 1991. ISBN 0-86091-542-5, S. 17–28.
  • Jocelyn Cesari: Introduction. In: Jocely Cesari: Muslims in the West after 9/11. Religion, Politics and Law. Routledge, Abingdon 2010. ISBN 0-415-77655-4, S. 1–6.
  • Thomas Deltombe: L’Islam imaginaire. Éditions La Découverte, Paris 2005. ISBN 2-7071-4672-2.
  • Étienne Dinet, Sliman Ben Ibrahim: L'Orient vu par L'Occident. H. Piazza & P. Geuthner, Paris 1921.
  • Peter Gottschalk, Gabriel Greenberg: Islamophobia. Making Muslims the Enemy. Rowman & Littlefield, Lanham 2008. ISBN 0-7425-5286-1.
  • Robert Miles, Malcolm Brown: Racism. Second Edition. Routledge, London und New York 2003. ISBN 0-415-29677-3.
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Commons: Islamfeidlichkeit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Allen 2010b, S. 190.
  2. Allen 2010b, S. 141–142.
  3. Shooman 2011. Abgerufen am 4. September 2011.
  4. Allen 2010b, S. 151–153.
  5. Allen 2010a, S. 14–15.
  6. Gottschalk & Greenberg 2008, S. 37–40.
  7. Allen 2010b, S. 38–44.
  8. Allen 2010a, S. 16–18.
  9. Allen 2010b, S. 38–44.
  10. Allen 2010b, S. 38–44.
  11. Brown 2000, S. 82–83.
  12. Cesari 2010, S. 1–4.
  13. Allen 2010b, S. 101–111.
  14. Dinet & Ben Ibrahim 1921, S. 37–38.
  15. Allen 2010b, S. 5–14.
  16. Allen 2010b, S. 52.
  17. Allen 2010b, S. 58–72.

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