Berjosowka (Kaliningrad, Gwardeisk)
Berjosowka (russisch Берёзовка, deutsch Groß Ottenhagen) ist ein Ort in der russischen Oblast Kaliningrad. Er gehört zur kommunalen Selbstverwaltungseinheit Stadtkreis Gwardeisk im Rajon Gwardeisk.
Siedlung
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Geographische Lage
BearbeitenBerjosowka liegt an der Regionalstraße 27A-025 (ex R508), 23 Kilometer südöstlich der Oblasthauptstadt Kaliningrad (Königsberg) und 19 Kilometer südwestlich der Rajonshauptstadt Gwardeisk (Tapiau). Innerorts zweigt eine Nebenstraße in südliche Richtung zur Ortsstelle des inzwischen erloschenen Dorfes Polessje (Klein Ottenhagen) ab. Die nächste Bahnstation ist Oserki-Nowyje (Groß Lindenau) an der Bahnstrecke Kaliningrad–Tschernyschewskoje (Königsberg–Eydtkuhnen/Eydtkau), einem Teilstück der einstigen Preußischen Ostbahn, zur Weiterfahrt nach Litauen und in das russische Kernland.
Geschichte
BearbeitenDas bis 1946 Groß Ottenhagen[2] genannte ehemalige Kirch- und Gutsdorf ist eine Gründung des Deutschen Ordens aus dem Jahre 1332. Am 30. April 1874 wurde das Dorf Sitz und namensgebend für den neu errichteten Amtsbezirk Ottenhagen[3] im Landkreis Königsberg (Preußen) und im Regierungsbezirk Königsberg der preußischen Provinz Ostpreußen.
Am 1. Dezember 1910 zählte der Gutsbezirk Ottenhagen 113 und die Landgemeinde Groß Ottenhagen 654 Einwohner.[4] Nachdem am 17. Juli 1927 die Gutsbezirke Ottenhagen und Waldhof (russisch: Saizewo, nicht mehr existent) in die Landgemeinde Groß Ottenhagen eingegliedert worden waren, wurde der Name des Amtsbezirks Ottenhagen und „Amtsbezirk Groß Ottenhagen“ umbenannt. Die neu formierte Gemeinde mit den auch schon vorher zugehörigen Ortschaften Ottenmühle und Vorwerk Schäferei zählte im Jahre 1933 849 und 1939 bereits 875 Einwohner.[5] Ab 1939 wurde sie dem fusionierten Landkreis Samland zugeordnet.
In Folge des Zweiten Weltkrieges kam Groß Ottenhagen mit dem nördlichen Ostpreußen zur Sowjetunion. 1947 erhielt der Ort die russische Bezeichnung „Berjosowka“ und wurde gleichzeitig dem Dorfsowjet Oserski selski Sowet im Rajon Gwardeisk zugeordnet.[6] Von 2005 bis 2014 gehörte Berjosowka zur Landgemeinde Oserkowskoje selskoje posselenije und seither zum Stadtkreis Gwardeisk.
Amtsbezirk (Groß) Ottenhagen 1874–1945
BearbeitenIn den 1874 errichteten Amtsbezirk Ottenhagen (ab 1927: Amtsbezirk Groß Ottenhagen) waren anfangs zwölf Landgemeinden (LG) bzw. Gutsbezirke (GB) eingegliedert:[3]
Name | Russischer Name nach 1945 |
Bemerkungen |
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Gauleder Forst (GB) | 1929 in die Landgemeinde Klein Ottenhagen eingegliedert | |
Groß Lindenau (LG) | Oserki | |
Groß Ottenhagen (LG) | Berjosowka | |
Klein Lindenau (GB) | Osjorskoje | 1928 in die Landgemeinde Klein Ottenhagen eingegliedert |
Klein Ottenhagen (LG) | Polessje | |
Neu Lindenau (LG) | Datschnoje | |
Ottenhagen (GB) | Berjosowka | 1927 in die Landgemeinde Groß Ottenhagen eingegliedert |
Rosengarten (LG) | Sapadnoje | 1935 in die Landgemeinde Worienen eingegliedert |
Schäferei (LG) | 1925 in die Landgemeinde Seewalde eingegliedert | |
Seewalde (LG) | Trubnoje | |
Waldhof (GB) | Saizewo | 1927 in die Landgemeinde Groß Ottenhagen eingegliedert |
Worienen (LG) | Pestschanoje | |
ab 1930: Groß Barthen (LG) |
Osjornoje | vorher im Amtsbezirk Friedrichstein |
Am 1. Januar 1945 bildeten noch sieben Gemeinden den Amtsbezirk Groß Ottenhagen: Groß Lindenau, Groß Ottenhagen, Klein Ottenhagen, Neu Lindenau, Seewalde, Worienen und Groß Barthen.
Vorgeschichtliches Gräberfeld
BearbeitenIn den 1920er Jahren wurde bei Groß Ottenhagen ein weitflächiges vorgeschichtliches Gräberfeld entdeckt[7]. Die Erkundungen leitete der ostpreußische Prähistoriker Herbert Jankuhn. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gelten die Funde als verschollen. In den Jahren 2003/04 fanden neue Untersuchungen unter dem Kieler Archäologen Timo Ibsen statt, der noch auf zahlreiche Fundskizzen aus dem Nachlass Herbert Jankuhns zurückgreifen konnte. Für das Gräberfeld konnten drei Belegungszeiträume festgestellt werden[8]:
- 30 v. Chr. bis 480 n. Chr. = römische Kaiserzeit, gekennzeichnet durch Körper- und Brandbestattungen
- nach 375 n. Chr. = Zeit der Völkerwanderung, ausschließlich Brandbestattungen
- 10. und 11. Jahrhundert n. Chr. = frühes Mittelalter, unter den menschlichen Brandbestattungen lagen unverbrannte Pferdebestattungen.
Ausgrabungen aus prußischer Zeit
BearbeitenBei Ausgrabungen im Jahre 1928 entdeckte man Reste prußischer Schilde. Sie waren mit Bronzebeschlägen ausgestattet. Im Innern fand man Reste von Holz und Leder und Textilien aus Leinen. In der Mitte des Schildes befand sich ein kegelförmiger Schildbuckel aus Eisen. Die vorhandenen Teile ließen einen gerundeten länglichen Schild von 70 cm Länge und 50 cm Breite ausmachen.
Kirche
BearbeitenKirchengebäude
BearbeitenDie Kirche in Groß Ottenhagen[9], von der heute nur noch die Turmruine[10] steht, dürfte einen Vorgängerbau aus der Zeit um 1340 gehabt haben. Das nachfolgende Gebäude – ein verputzter Feldsteinbau mit Ziegelecken und dem vorgelegten Westturm – stammt aus dem 15. Jahrhundert. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das Kirchenschiff durch Querarme erweitert. Die bis 1945 erhaltene Ausstattung stammte aus den Jahren 1715 bis 1720.
Kirchengemeinde
BearbeitenDie Gründung der Kirche in Groß Ottenhagen geht auf die Zeit um 1340 zurück[11]. Im Jahre 1547 wurde hier ein lutherischer Prediger erwähnt. Bis 1945 gehörte das Kirchspiel Groß Ottenhagen zum Kirchenkreis Königsberg Land I (südlich des Pregel) in der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union.
Heute liegt Berjosowka im Einzugsbereich der in den 1990er Jahren neu entstandenen evangelisch-lutherischen Gemeinde in Gwardeisk (Tapiau), eine Filialgemeinde der Auferstehungskirche in Kaliningrad (Königsberg) in der Propstei Kaliningrad[12] der Evangelisch-lutherischen Kirche Europäisches Russland.
Kirchensiegel
BearbeitenAuf außergewöhnliche Weise hat sich das Jahrhunderte alte Kirchensiegel Groß Ottenhagens erhalten. Es konnte durch die Kriegswirren hindurch bis in den Westen gerettet werden und befindet sich heute im Preußenmuseum Nordrhein-Westfalen in Minden.[13]
Literatur
Bearbeiten- Timo Ibsen, Konstantin N. Skvorzov: Das Gräberfeld von Berezovka / Gross Ottenhagen - Ein wiederentdeckter Bestattungsplatz des 1. Jahrtausends n. Chr. im Kaliningrader Gebiet - mit einem Beitrag von Susan Möller-Wiering 2004
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Таблица 1.10 «Численность населения городских округов, муниципальных районов, муниципальных округов, городских и сельских поселений, городских населенных пунктов, сельских населенных пунктов» Программы итогов Всероссийской переписи населения 2020 года, утвержденной приказом Росстата от 28 декабря 2021г. № 963, с данными о численности постоянного населения каждого населенного пункта Калининградской области. (Tabelle 1.10 „Bevölkerungsanzahl der Stadtkreise, munizipalen Rajons, Munizipalkreise, städtischen und ländlichen Siedlungen [insgesamt], städtischen Orte, ländlichen Orte“ der Ergebnisse der Allrussischen Volkszählung von 2020 [vollzogen am 1. Oktober 2021], genehmigt durch die Verordnung von Rosstat vom 28. Dezember 2021, Nr. 963, mit Angaben zur Zahl der Wohnbevölkerung jedes Ortes der Oblast Kaliningrad.)
- ↑ D. Lange, Geographisches Ortsregister Ostpreußen (2005): Groß Ottenhagen
- ↑ a b Rolf Jehke, Amtsbezirk Ottenhagen/Groß Ottenhagen
- ↑ Uli Schubert, Gemeindeverzeichnis, Landkreis Königsberg
- ↑ Michael Rademacher: Landkreis Samland. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
- ↑ Durch den Указ Президиума Верховного Совета РСФСР от 17 ноября 1947 г. «О переименовании населённых пунктов Калининградской области» (Verordnung des Präsidiums des Obersten Rats der RSFSR "Über die Umbenennung der Orte der Oblast Kaliningrad" vom 17. November 1947)
- ↑ Berjosowka - Groß Ottenhagen bei ostpreussen.net
- ↑ Grabungsbericht der Universität Kiel ( vom 7. Januar 2010 im Internet Archive)
- ↑ Walther Hubatsch, Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreußens, Band II: Bilder ostpreussischer Kirchen, Göttingen, 1968, Seite 54
- ↑ Bild der Ruine des Kirchturms von Groß Ottenhagen
- ↑ Walther Hubatsch, Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreußens, Band III: Dokumente, Göttingen, 1968, Seite 462
- ↑ Evangelisch-lutherische Propstei Kaliningrad ( vom 29. August 2011 im Internet Archive)
- ↑ Kraemer, Am Körper versteckt. Das Kirchensiegel Ottenhagen und seine Geschichte, in: Preußische Allgemeine Zeitung/7. Januar 2006