Bundessicherheitsrat

deutscher Kabinettsausschuss für Sicherheits- und Rüstungsfragen

Der Bundessicherheitsrat (BSR; bis 28. November 1969 Bundesverteidigungsrat) ist ein Kabinettsausschuss der deutschen Bundesregierung, der zu Fragen der Sicherheitspolitik, insbesondere auf allen Gebieten der Verteidigung sowie der Abrüstung und Rüstungskontrolle, berät.[1] Öffentlich in Erscheinung tritt er vor allem im Zusammenhang mit der Genehmigung von Rüstungsexporten. Den Vorsitz führt der Bundeskanzler. Seine Gründung wurde vom Kabinett Adenauer II am 6. Oktober 1955 beschlossen. Am 21. Oktober 1955 erfolgte die konstituierende Sitzung.

Arbeit und Aufgaben

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Im Jahr 1955 wurden die alliierten Dienststellen in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich aufgelöst (siehe Deutschlandvertrag und Österreichischer Staatsvertrag), die Bundesrepublik Deutschland trat der NATO bei und der Warschauer Pakt wurde gegründet. In dieser Zeit war der Rat als ein Kabinettsausschuss der Bundesregierung für die Sicherheitspolitik gegründet worden, der so ausgestaltet war, dass sogar in der Geschäftsordnung die Möglichkeit zur Bildung interministerieller Ausschüsse vorgesehen war.[2]

Seit den 1980er Jahren verengte sich allerdings die Bedeutung des Bundessicherheitsrates und sein Tätigkeitsfeld beschränkte sich im Wesentlichen auf die Rüstungsexportpolitik, die im Grundgesetz (Art. 26 Abs. 2) geregelt ist.

Im Koalitionsvertrag der rot-grünen Bundesregierung 1998 wurde dem Bundessicherheitsrat erstmals wieder mehr Bedeutung zugesprochen:

„Die neue Bundesregierung wird dem Bundessicherheitsrat seine ursprünglich vorgesehene Rolle als Organ der Koordinierung der deutschen Sicherheitspolitik zurückgeben und hierfür die notwendigen Voraussetzungen schaffen. […] Die transnationale europäische Rüstungsindustrie wird für ihre Exporttätigkeit einem verpflichtenden europäischen Verhaltenskodex unterworfen. Die neue Bundesregierung wirkt darauf hin, daß ein Transparenzgebot und der Menschenrechtsstatus möglicher Empfängerländer dabei als Kriterien enthalten sein sollen. Der nationale deutsche Rüstungsexport außerhalb der NATO und der EU wird restriktiv gehandhabt. Bei Rüstungsexportentscheidungen wird der Menschenrechtsstatus möglicher Empfängerländer als zusätzliches Entscheidungskriterium eingeführt. Die neue Bundesregierung wird jährlich dem Deutschen Bundestag einen Rüstungsexportbericht vorlegen.“

Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen von 1998

Seit 2015 heißt es in dessen Geschäftsordnung:

„Der Bundessicherheitsrat berät Fragen der Sicherheitspolitik, insbesondere auf allen Gebieten der Verteidigung sowie der Abrüstung und Rüstungskontrolle. Er trifft Vorentscheidungen, soweit sie möglich sind, oder bereitet die einschlägigen politischen Entscheidungen der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers oder der Bundesregierung vor. Der Bundessicherheitsrat kann endgültig entscheiden, soweit nicht nach dem Grundgesetz oder einem Bundesgesetz ein Beschluss der Bundesregierung erforderlich ist. Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates sind geheim.“

§ 1 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrats[3]

Die stärkere Gewichtung der Lage in den Empfängerländern der Rüstungsexporte hat die Entscheidungen im Sicherheitsrat schwieriger gemacht. Während in den Regierungen vor Bundeskanzler Gerhard Schröder auf eine einvernehmliche Entscheidung des geheim tagenden und seine Mitglieder zu Verschwiegenheit anhaltenden Rates geachtet wurde, wurden jetzt Mehrheitsentscheidungen eingeführt und immer öfter gelangen auch Tagungspunkte in die Presse.

In seiner Eigenschaft als ständigem Kabinettsausschuss steht er zum einen dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages als einem Parlamentsausschuss und zum anderen dem Sicherheitskabinett als informeller, nur gelegentlich einberufener Gesprächsrunde gegenüber.[4] Von 1964 bis 1967 existierte zudem ein eigenes Bundesministerium für die Angelegenheiten des Bundesverteidigungsrates.

Wichtige Beschlüsse und Themen (Auszug)

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Von den laut Rüstungsexportbericht (erster Bericht 1999) etwa 10.000 genehmigungspflichtigen Rüstungsexporten pro Jahr gelangen nur die politisch bedeutsamsten in die Öffentlichkeit.

Mitglieder

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Amt Amtsinhaber Amtsantritt
Bundeskanzler
 
Olaf Scholz 8. Dezember 2021
Chef des Bundeskanzleramts
 
Wolfgang Schmidt 8. Dezember 2021
Bundesministerin des Auswärtigen
 
Annalena Baerbock 8. Dezember 2021
Bundesminister der Verteidigung
 
Boris Pistorius 19. Januar 2023
Bundesminister der Finanzen
 
Jörg Kukies 7. November 2024
Bundesministerin des Innern und für Heimat
 
Nancy Faeser 8. Dezember 2021
Bundesminister der Justiz
 
Volker Wissing 7. November 2024
Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz
 
Robert Habeck 8. Dezember 2021
Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

(seit der Bundestagswahl 1998)

 
Svenja Schulze 8. Dezember 2021
Beratende Mitglieder
Generalinspekteur der Bundeswehr   Carsten Breuer 17. März 2023
Chef des Bundespräsidialamtes[9] Dörte Dinger März 2022
Chef des Presse- und Informationsamtes
 
Steffen Hebestreit 9. Dezember 2021
Beauftragter der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle

Andere Bundesminister nehmen bei Bedarf mit beratender Funktion an den Sitzungen teil.

Gesetzliche Grundlage

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Grundlage für die Kontrolle des Rüstungshandels in der Bundesrepublik Deutschland ist Art. 26 Abs. 2 Grundgesetz: „Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“ Die im Grundgesetz vorgesehene nähere Regelung sollen zwei Gesetze gewährleisten: das Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG) und das Außenwirtschaftsgesetz (AWG).[10]

Rechtsgrundlagen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern sind das KrWaffKontrG, das AWG und deren Außenwirtschaftsverordnung (AWV). Rechtsgrundlagen für die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern (Güter, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können) ist neben dem AWG und der AWV die EG-Dual Use-Verordnung. Geregelt wird die Kontrolle sensitiver Ausfuhren und Verbringungen (Ausfuhren innerhalb der Europäischen Gemeinschaft) sowie bestimmter sensitiver Dienstleistungen (technische Unterstützung) und in gewissem Umfang auch der Transithandel. Zuständige Behörde ist für Dual-Use-Güter das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Zu beachten sind außerdem die EG-Verordnungen zur Umsetzung wirtschaftlicher Sanktionsmaßnahmen (Embargos) gegen bestimmte Länder.

Der Bundessicherheitsrat unterliegt nur eingeschränkter parlamentarischen Kontrolle durch den Deutschen Bundestag in Form von Frage- und Informationsrechten.[11] Allerdings kann keine Entscheidung getroffen werden, die einen Beschluss des Bundestages erfordert, wenn das Grundgesetz oder ein Bundesgesetz das so fordern. Dies war z. B. der Fall, als über die Auslandseinsätze der Bundeswehr im Parlament entschieden werden musste.[12]

Organisatorische und politische Einordnung in die Regierungsarbeit

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Der Bundessicherheitsrat fällt als Gremium aus Ministern und dem Bundeskanzler in den Bereich des exekutiven Gestaltungsspielraums der Bundesregierung. Dadurch gibt es keine parlamentarische Kontrolle oder irgendeine Form der Rechenschaftspflicht gegenüber dem Bundestag, welche der Bundessicherheitsrat nicht selbst vorher definiert hätte.

Siehe auch

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Literatur

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  • Robert Glawe: Der Bundessicherheitsrat als sicherheits- und rüstungspolitisches Koordinationselement. In: Deutsches Verwaltungsblatt 2012, S. 329 ff.
  • Jan Zähle: Der Bundessicherheitsrat. In: Der Staat. Band 44, 2005, S. 462 ff.
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  • Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates vom 12. August 2015 (BT-Drs. 18/5773)

Einzelnachweise

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  1. § 1 Abs. 1; 2 S. 1 Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates
  2. Judith Siwert-Probst: Die klassischen außenpolitischen Institutionen. In: Wolf-Dieter Eberwein, Karl Kaiser (Hrsg.): Deutschlands neue Außenpolitik, Band 4: Institutionen und Ressourcen. Oldenbourg, München 1998, ISBN 3-486-56115-4, S. 13–28, hier S. 18 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. BT-Drs. 18/5773.
  4. Arndt Schmehl, Der Staat, Band 44 (2005), S. 470.
  5. Politik kompakt: Schwan will DDR nicht "Unrechtsstaat" nennen. In: sueddeutsche.de. 17. Mai 2010;.
  6. Deutschland verkauft Saudi-Arabien 200 Kampfpanzer, Der Spiegel, abgerufen am 2. Juli 2011.
  7. Regierungspressekonferenz vom 25. Januar 2023. Abgerufen am 7. Februar 2023.
  8. Matthias Gebauer, Gerald Traufetter, Marina Kormbaki: (S+) Ukraine: Bundesregierung genehmigt Lieferung von 178 Leopard-1-Panzern. In: Der Spiegel. 7. Februar 2023, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 7. Februar 2023]).
  9. § 2 und § 3 der Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates vom 12. August 2015 (BT-Drs. 18/5773)
  10. Zeit zum Handeln – Die Geschäfte mit der Folter stoppen (Memento des Originals vom 14. Mai 2006 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www2.amnesty.de, amnesty, Deutschland
  11. BVerfG, Urteil vom 21. Oktober 2014 – 2 BvE 5/11 –, bundesverfassungsgericht.de.
  12. BVerfG, Urteil vom 7. Mai 2008 – 2 BvE 1/03 –, BVerfGE 121, 135 – Luftraumüberwachung Türkei