Acylcyanide

Chemische Gruppe
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Acylcyanide oder auch Carbonsäurecyanide sind organische Verbindungen, die sich von Carbonsäuren ableiten. Die Hydroxygruppe ist dabei durch eine Nitrilfunktion ausgetauscht. Sie können demnach auch als Nitrile von α-Ketocarbonsäuren aufgefasst werden oder als Pseudocarbonsäurehalogenide (vgl. Pseudohalogene), letzteres jedoch nur formal, da ihr Reaktionsverhalten nicht immer dem von Carbonsäurehalogeniden entspricht.

Allgemeine Struktur der Acylcyanide

Vorkommen

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Himantarium gabrielis

Die Wehrsekrete diverser Bandfüßer der Familie Xystodesmidae enthalten Benzoylcyanid.[1] Himantarium gabrielis aus einer anderen Familie der Bandfüßer verfügt ebenfalls über Benzoylcyanid in seinem Wehrsekret.[2] In der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) wurde als Sekundärmetabolit 4-Hydroxyindol-3-carbonsäurecyanid nachgewiesen, das vermutlich eine wichtige Rolle bei der Verteidigung gegen Pathogene spielt.[3]

Herstellung

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Es sind zahlreiche Synthesen für Acylcyanide bekannt. Eine Möglichkeit besteht in der Umsetzung von Carbonsäurehalogeniden mit Metallcyaniden. Carbonsäurebromide sind dabei besser geeignet als Carbonsäurechloride, die langsam reagieren, v. a. im Fall von Alkyl- statt Arylderivaten. Alkalicyanide sind ungeeignet, da deren gute Löslichkeit zu einem erhöhten pH-Wert und dadurch zu unerwünschten Nebenreaktionen führt. Geeignete Salze sind hingegen Kupfer(I)-cyanid, Quecksilber(I)-cyanid und Silbercyanid, sowie Thalliumcyanid. Neben den Metallcyaniden kann auch Trimethylsilylcyanid eingesetzt werden, was auch eine gute Möglichkeit zur Herstellung von aliphatischen Acylcyaniden ist.[4][5]

In einigen Fällen lassen sich Acylcyanide durch Umsetzung von Carbonsäureanhydriden mit Blausäure bei hohen Temperaturen (240–270 °C) gewinnen. Dies gelingt beispielsweise für Acetylcyanid, Isobutyrylcyanid und Benzoylcyanid.[5]

Aromatische Acylcyanide können auch durch Oxidation entsprechender Cyanhydrine (z. B. Benzaldehydcyanhydrin) mit Chromsäure oder von Arylacetontrilen (z. B. α-Naphthylacetonitril) mit Selendioxid erhalten werden. Eine weitere Methode ist die elektrophile aromatische Substitution von Aromaten mit Dicyan, wobei eine der Nitrilgruppen am Ring angreift und zu einer Imingruppe wird, die sich dann zur Carbonylgruppe hydrolysieren lässt.[5] Zudem können diese unter Palladiumkatalyse durch Cyanocarbonylierung von Aryliodiden mit Kohlenmonoxid und Kaliumcyanid gewonnen werden.[4]

Eigenschaften

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Acylcyanide liegen üblicherweise als farblose Flüssigkeiten oder Feststoffe vor. Ihr Infrarot-Spektrum weist die typischen Banden sowohl für eine C-O-Doppelbindung als auch für eine C-N-Dreifachbindung auf.[4]

Reaktionen

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Acylcyanide sind reaktiv und wirken als Acylierungsmittel. Sie sind hydrolyseempfindlich und zersetzen sich dabei in Blausäure und die entsprechenden Carbonsäuren.[4] Mit Alkoholen können sie analog zu Estern umgesetzt werden, mit Ammoniak und Aminen zu Amiden. Mit starken Säuren können Acylcyanide zu α-Ketosäuren hydrolysiert werden.[5] Acylcyanide wurden schon für diverse Naturstoffsynthesen eingesetzt.[6]

Durch die Stephen-Reduktion mit Zinn(II)-chlorid und Chlorwasserstoff in Ether werden Aminomethylketone erhalten; das Nitril also selektiv zum Amin reduziert.[4] Grignard-Reagenzien addieren an die Carbonylgruppe von Acylcyaniden. Unter Umständen kann das entstehende Zwischenprodukt durch Reaktion mit weiterem Carbonsäurecyanid noch am Sauerstoffatom acyliert werden. In einer Studie wurde bei der Reaktion von Benzoylcyanid ein Keton erhalten, während mit Acetylcyanid ein Cyanhydrinester erhalten wurde.[7] Auch Enolate können an Acylcyanide addiert werden.[4] Aromatische Acylcyanide, z. B. Benzoylcyanid, können unter Palladiumkatalyse, z. B. mit Tetrakis(triphenylphosphin)palladium(0), decarbonyliert werden, wodurch Arylnitrile erhalten werden. Bei aliphatischen Edukten kommt es stattdessen zu einer β-Eliminierung von Blausäure, sodass Alkene erhalten werden.[8] Acylcyanide eignen sich außerdem für die Synthese verschiedener Ringsysteme und die Carbocyanierung von Alkinen.[6]

Einzelnachweise

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  1. S. S. Duffey, M. S. Blum, H. M. Fales, S. L. Evans, R. W. Roncadori, D. L. Tiemann, Y. Nakagawa: Benzoyl cyanide and mandelonitrile benzoate in the defensive secretions of millipedes. In: Journal of Chemical Ecology. Band 3, Nr. 1, 1977, S. 101–113, doi:10.1007/BF00988137.
  2. Ljubodrag V. Vujisić, Ivan M. Vučković, Slobodan E. Makarov, Bojan S. Ilić, Dragan Ž. Antić, Milka B. Jadranin, Nina M. Todorović, Ivan V. Mrkić, Vlatka E. Vajs, Luka R. Lučić, Božidar P. M. Ćurčić, Bojan M. Mitić: Chemistry of the sternal gland secretion of the Mediterranean centipede Himantarium gabrielis (Linnaeus, 1767) (Chilopoda: Geophilomorpha: Himantariidae). In: Naturwissenschaften. Band 100, Nr. 9, September 2013, S. 861–870, doi:10.1007/s00114-013-1086-6.
  3. Jakub Rajniak, Brenden Barco, Nicole K. Clay, Elizabeth S. Sattely: A new cyanogenic metabolite in Arabidopsis required for inducible pathogen defence. In: Nature. Band 525, Nr. 7569, September 2015, S. 376–379, doi:10.1038/nature14907, PMID 26352477.
  4. a b c d e f Siegfried Hünig, Rainer Schaller: The Chemistry of Acyl Cyanides. In: Angewandte Chemie International Edition. Band 21, Nr. 1, Januar 1982, S. 36–49, doi:10.1002/anie.198200361.
  5. a b c d J. Thesing, D. Witzel, A. Brehm: Die Chemie der Acylcyanide. In: Angewandte Chemie. Band 68, Nr. 13, 7. Juli 1956, S. 425–435, doi:10.1002/ange.19560681302.
  6. a b Kamal Usef Sadek, Ramadan Ahmed Mekheimer, Mohamed Abd-Elmonem, Mohamed Hilmy Elnagdi: Aroyl and acyl cyanides as orthogonal protecting groups or as building blocks for the synthesis of heterocycles. In: Molecular Diversity. Band 23, Nr. 4, November 2019, S. 1065–1084, doi:10.1007/s11030-019-09915-w.
  7. Richard F. Borch, Stephen R. Levitan, Frederic A. Van-Catledge: Reaction of acyl cyanides with Grignard reagents. In: The Journal of Organic Chemistry. Band 37, Nr. 5, März 1972, S. 726–729, doi:10.1021/jo00970a012.
  8. Shunichi Murahashi, Takeshi Naota, Nobuyuki Nakajima: Palladium-catalyzed decarbonylation of acyl cyanides. In: The Journal of Organic Chemistry. Band 51, Nr. 6, März 1986, S. 898–901, doi:10.1021/jo00356a029.