Zum ersten Mal tauchen sie 1752 bei d’Alembert auf.[1]Euler verband dieses System 1777 mit den analytischen Funktionen.[2] In einem rein funktionentheoretischen Kontext erscheinen sie 1814 bei Cauchy[3] und 1851 in Riemanns Dissertation.[4]
Die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen (CRDG) sind das System von zwei Differentialgleichungen zweier reellwertiger Funktionen in zwei reellen Variablen:
ist in natürlicher Weise ein zweidimensionaler reeller Vektorraum mit der kanonischen Basis. Dies gibt Anlass zu einer natürlichen Identifikation . Ein Punkt hat die reellen kartesischen Koordinaten, oder kurz . Eine komplexwertige Funktion auf einer offenen Teilmenge von kann man daher durch Zerlegung in ihren Real- und Imaginärteil als eine -wertige Funktion von zwei reellen Variablen auffassen.
Ein wichtiges elementares Resultat der Funktionentheorie ist die Beziehung zwischen den Lösungen der Cauchy-Riemannschen Differentialgleichung und den holomorphen (also den auf einer offenen Menge komplex differenzierbaren) Funktionen.
Eine Funktion ist auf nämlich genau dann komplex differenzierbar, wenn ihre Entsprechung
auf (reell) differenzierbar ist und die Funktionen und die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen erfüllen. In diesem Fall gilt .
Insbesondere klärt diese Aussage den Zusammenhang zwischen komplexer und reeller Differenzierbarkeit von Abbildungen der Ebene in die Ebene. Weiter kann sogar gezeigt werden, dass die Begriffe holomorph
und analytisch äquivalent sind. Für weitere äquivalente Charakterisierungen siehe Holomorphe Funktion#Holomorphe Funktionen mehrerer Veränderlicher.
Die zu diesen Matrizen gehörenden linearen Abbildungen sind, sofern und nicht beide null sind, Drehstreckungen im Raum , dabei ist und , wobei der Skalierungsfaktor und der Drehwinkel ist. Diese Abbildung ist somit winkel- und orientierungstreu; das heißt, der (orientierte) Winkel zwischen zwei Kurven in der Ebene bleibt erhalten. Funktionen, die die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen erfüllen und deren Ableitung in keinem Punkt verschwindet, sind also konform.
In diesem Abschnitt wird eine kompaktere Schreibweise der Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen aufgezeigt. Dabei wird ersichtlich, dass in holomorphe Funktionen unabhängig vom komplex konjugierten sein müssen.
Eine komplexe Zahl und ihre komplex konjugierte hängen mit Realteil und Imaginärteil mittels der Gleichungen
zusammen.
Aufgrund dieses Zusammenhangs erscheint es sinnvoll die Differentialoperatoren
zu definieren. Der Operator heißt Cauchy-Riemann-Operator, und der Kalkül dieser Operatoren wird Wirtinger-Kalkül genannt. Mit der komplexen Darstellung der Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen aus dem vorigen Abschnitt erhält man die Gleichung
Hier konnte die partielle Ableitung nach der komplex konjugierten Variable identifiziert werden. Die Gleichung
bzw.
ist eine alternative Darstellung der Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen und bedeutet, dass wenn holomorph ist, es unabhängig von sein muss. Somit können analytische Funktionen als wirkliche Funktionen einer komplexen Variable anstatt einer komplexen Funktion von zwei reellen Variablen angesehen werden.
also mit dem Laplace-Operator. Eine analoge Rechnung gilt für und ergibt .
Aus dem Lemma von Weyl folgt, dass jede Distribution, die die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen im distributionellen Sinn löst, regulär sein muss. Daher sind also auch distributionelle Lösungen der Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen holomorphe Funktionen.[5]
Diese Interpretation verwendet nicht direkt komplexe Variablen. Es sei eine Funktion gegeben mit . Die skalaren Felder und sollen die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen erfüllen (beachte andere Vorzeichenkonvention):
Betrachte nun das Vektorfeld als reeller dreikomponentiger Vektor:
Dann beschreibt die erste Cauchy-Riemannsche Differentialgleichung die Quellenfreiheit:
und die zweite Gleichung beschreibt die Rotationsfreiheit:
Somit ist quellenfrei und besitzt ein Potential. In der Strömungslehre beschreibt solch ein Feld eine zweidimensionale Potentialströmung.
Inhomogene Cauchy-Riemannsche Differentialgleichung in einer Veränderlichen
Die inhomogene Cauchy-Riemannsche Differentialgleichung hat die Darstellung
dabei ist der Cauchy-Riemann-Operator, ist eine gegebene Funktion und ist die gesuchte Lösung. Dass den oben definierten homogenen Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen entspricht, wird weiter oben im Artikel schon angesprochen. Die Theorie der inhomogenen Cauchy-Riemannschen Differentialgleichung ist für Lösungen in verschieden von Lösungen in mit und wird hier in zwei unterschiedlichen Abschnitten angerissen.
Für Dimension ist die Fundamentallösung des Cauchy-Riemann-Operators durch gegeben. Das heißt, die durch die Funktion erzeugte Distribution löst die Gleichung , wobei die Delta-Distribution ist. Sei eine glatte Testfunktion mit kompaktem Träger, dann sieht man die Gültigkeit der Aussage aufgrund
Für ist die Voraussetzung notwendig. Man sieht dies, wenn man auf beiden Seiten der Gleichung den Dolbeault-Quer-Operator anwendet. So erhält man nämlich , da für den Dolbeault-Operator auf Differentialformen gilt, muss gelten. Da eine (0,1)-Form ist, bedeutet nicht, dass eine holomorphe Differentialform ist, denn nur (p,0)-Formen, die diese Gleichung erfüllen, heißen holomorph.
Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie. 1. Band. 3. neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, ISBN 3-540-67641-4 (Springer-Lehrbuch).
Lars Hörmander: An Introduction to Complex Analysis in Several Variables. 2. revised edition. North-Holland Pub. Co. u. a., Amsterdam u. a. 1973, ISBN 0-7204-2450-X (North-Holland mathematical Library, 7).