Christianisierung des Römischen Reiches

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Die Christianisierung des Römischen Reiches war ein mehrere Jahrhunderte anhaltender Prozess, in dem das Christentum von einer kleinen jüdischen Sekte zur dominanten Religion im Römischen Reich wurde. Nach der Entstehung des Christentums etablierten sich frühchristliche Gemeinden anfangs schwerpunktmäßig im Ostteil des Reiches, bevor sich die christliche Lehre schließlich im gesamten Reichsgebiet verbreiten konnte. Mit der Reichskrise des 3. Jahrhunderts setzten verstärkt Christenverfolgungen ein. Diese Verfolgungen endeten erst mit der konstantinischen Wende seit 313, als Konstantin der Große das Christentum zum ersten Mal kaiserlich förderte. Mitte des 4. Jahrhunderts war das Römische Reich Schätzungen zufolge mehrheitlich christlich und der Staat begünstigte die Religion zunehmend; es entstand eine römische Reichskirche. Unter Theodosius I. wurde sie durch das Edikt von Thessaloniki (380) schließlich zur Staatsreligion erhoben.

Der britische Historiker Edward Gibbon stellte in seinem Hauptwerk The History of the Decline and Fall of the Roman Empire von 1776 die These auf, dass die neue Religion von oben herab durch politisch opportunistische Kaiser aufgezwungen wurde und die Durchsetzung auf Zwang, Gewalt und der Verfolgung des „Heidentums“ – der klassischen Römischen Religion und anderer, bisher weitgehend tolerierter Kulte – beruhte.[1] Neue Erkenntnisse im Bereich der Archäologie, zahlreiche Neuentdeckungen von Texten und Dokumenten und mathematische Modellierungen zur Ausbreitung der Religion haben dies allerdings im 20. Jahrhundert in Zweifel gezogen. Die Christianisierung war eher ein gradueller Prozess und die Religion koexistierte über viele Jahrhunderte gemeinsam mit den alten griechisch-römischen Kulten. Das Christentum hatte sich schon vor Konstantin etabliert und die kaiserliche Gesetzgebung hatte vor der Ära des östlichen Kaisers Justinian I. im 6. Jahrhundert nur begrenzte Wirkung. Zur Mehrheitsmeinung in der Forschung wurden deshalb Verbreitungsmodelle, die das Christentum als „Graswurzelbewegung“ ansehen, die sich zuerst im Volk verbreitete und dann erst schrittweise von den Eliten übernommen wurde.

Für den Erfolg der neuen Religion wurden eine Reihe von Ursachen genannt. Sie umfasst die christliche Lehre, Ideen und Praktiken wie Nächstenliebe, Gleichberechtigung, Zugänglichkeit, Wohltätigkeit und Armenfürsorge sowie eine klare Vorstellung vom Jenseits, welche ihre Verbreitung begünstigt haben könnte. Für den Historiker Will Durant setzte sich die christliche Kirche gegenüber dem Heidentum durch, weil sie eine attraktivere Lehre anbot und die Kirchenführer mehr die menschlichen Grundbedürfnisse ansprachen als ihre Rivalen.[2]

Anfänge des Christentums

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Karte mit der Verteilung frühchristlicher Gemeinden

Das Christentum entstand als Sekte des Judentums im römischen Judäa, das Teil der hellenistischen Welt des ersten Jahrhunderts n. Chr. war, in der das römische Recht und die griechische Kultur vorherrschten. Es begann mit dem Wirken von Jesus von Nazaret, der das Kommen des Reiches Gottes verkündete. Nach seinem Tod durch Kreuzigung sollen einige seiner Anhänger Jesus lebend gesehen haben. Sie verkündeten seine Auferstehung und begannen die Lehren Jesu, der nunmehr als Christus verehrt wurde, in der Welt zu verbreiten. Jüdische Diasporagemeinden verbreiteten das Christentum über Judäa hinaus. Die frühe Botschaft des Evangeliums wurde mündlich verbreitet, wahrscheinlich ursprünglich auf Aramäisch, aber sehr früh bereits auch auf Griechisch. Die frühesten Schriften sind nach allgemeiner Auffassung die des Apostels Paulus, der von Jesus als göttlichem und menschlichem Wesen sprach. Das Christentum verbreitete sich mit der Zeit auch unter Nicht-Juden (Heidenchristen). Mit dem Wachstum der Religion trennte es sich vom Judentum (Judenchristen) und universalisierte seine Botschaft. Die Religion verbreitete sich über Händler und Reisende zuerst im Ostteil des Reiches in den Gebieten in der Nähe von Jerusalem wie in Kleinasien, jedoch weniger stark in Nordafrika und im Westen.[3] Eine christliche Gemeinde in der imperialen Hauptstadt Rom entstand bereits im Laufe des 1. Jahrhunderts. Die Christen kritisierten die grundlegenden Glaubensvorstellungen der römischen Gesellschaft und weigerten sich, an Ritualen, Festen und dem Kaiserkult teilzunehmen, was zu Misstrauen und Anschuldigungen ihnen gegenüber führte, zumal sie damit die politische Ordnung des römischen Kaiserreichs herausforderten. Unter Nero (Regierungszeit 54 bis 68) wurde von einigen Quellen von Christenverfolgungen in der Stadt Rom berichtet, auch wenn diese als gezielte Maßnahmen gegen Christen von jüngerer Forschung zunehmend hinterfragt wurden.[4] Für die Anhänger der traditionellen römischen Religionen galt das Christentum als ein seltsames Gebilde, nicht ganz römisch, aber auch nicht ganz „barbarisch“. Von der römischen Aristrokratie wurde das Wachstum der Religion häufig als Bedrohung empfunden.[5]

Wachstum und Verfolgung

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Zu der Anzahl der frühen Christen im Römischen Reich gibt es nur Schätzungen. Für die frühchristliche Bevölkerung ging der US-amerikanische Religionssoziologe Rodney Stark von einem jährlichen durchschnittlichen Wachstum von ca. 3 Prozent aus, welches allerdings je nach Zeitalter geschwankt haben dürfte.[6] Neben den frühen christlichen Gemeinden im Osten hatten sich mit der Zeit selbst tragende Gemeinden von Christen in allen Reichsteilen gebildet. Bis zum Jahr 200 war die Zahl der Christen auf über 200.000 Menschen angewachsen, und in etwa 200 bis 400 Städten gab es Gemeinden mit einer durchschnittlichen Größe von 500 bis 1000 Menschen. Das früheste bislang entdeckte Zeugnis des Christentums nördlich der Alpen stellt die 2018 gefundene Frankfurter Silberinschrift aus der Mitte des 3. Jahrhunderts dar.[7] Zu dieser Zeit wurden die kleinen Hauskirchen, in denen sich die Christen bis dahin versammelt hatten, von größeren Gebäuden abgelöst, die als Kirchen mit Versammlungsräumen und Speisesälen ausgestattet waren.[8] Das älteste erhaltene Kirchengebäude stammt aus dem 3. Jahrhundert. Das Wachstum zeigt eine erfolgreiche christliche Mission an (siehe auch Geschichte der christlichen Mission).

Bis zur Herrschaft von Kaiser Decius im dritten Jahrhundert gab es keine reichsweite Christenverfolgung.[4] Als das Römische Reich eine Krise erlebte, erließ Decius Maßnahmen zur Wiederherstellung von Stabilität und Einheit, darunter die Forderung, dass die römischen Bürger ihre Loyalität durch religiöse Zeremonien im Zusammenhang mit dem Kaiserkult bekräftigen sollten. Er erließ ein Edikt, welches jeden im Reich verpflichtete, den römischen Göttern und dem Wohlergehen des Kaisers Opfergaben zu bringen. Die Christen lehnten diese Opferungen als Götzendienst ab. Eine unbekannte Zahl von Christen wurde hingerichtet oder starb in Gefangenschaft, weil sie sich weigerten, die Opfergaben zu erbringen, darunter auch Fabianus, Bischof von Rom. Andere tauchten unter, während viele abtrünnig wurden und die Zeremonien durchführten, um nicht hingerichtet zu werden. Diese Verfolgung schuf viele christliche Märtyrer und stärkte das Christentum eher noch.

Durchbruch des Christentums

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Kopf von Konstantin dem Großen

Decius’ Nachfolger Valerian verfolgte später eine ähnliche antichristliche Politik bis 260. Es folgte eine 40-jährige Periode der relativen Toleranz. In dieser Zeit wuchs das Christentum zu einem bedeutenden demografischen Faktor heran. Um das Jahr 300 machten Christen geschätzt etwa zehn Prozent der römischen Bevölkerung aus, 50 Jahre zuvor waren es noch knapp zwei Prozent gewesen.[6] Eine letzte Periode der Verfolgung ereignete sich zwischen 303 und 311 unter verschiedenen Kaisern, beginnend mit Diokletian. Diese erließen eine Reihe von Edikten, mit denen sie die gesetzlichen Rechte der Christen aufhoben und die Einhaltung der traditionellen religiösen Praktiken forderten. Spätere Edikte richteten sich gegen den christlichen Klerus und befahlen allen Einwohnern, den römischen Göttern mit Opfergaben zu huldigen. Auch diese Maßnahmen konnten jedoch den Aufstieg der Kirche nicht stoppen. Die Verfolgung von Christen wurde von Galerius mit dem Edikt von Serdica im Jahr 311 aufgehoben, aber erst die Mailänder Vereinbarung zwischen Konstantin und Licinius im Jahr 313 stellte endgültig die Religionsfreiheit her und beendete Verfolgungsmaßnahmen.

Konstantin der Große, der 324 als Sieger aus diversen Bürgerkriegen hervorging und das Reich damit wieder einte, leitete schließlich die konstantinische Wende ein. Er förderte das Christentum jetzt auch politisch und konvertierte auf dem Sterbebett sogar als erster Kaiser zum Christentum. Unter Konstantin und seinen christlich erzogenen Söhnen wurden bestimmte heidnische Riten, darunter Tieropfer und Wahrsagerei, allmählich ihrer früheren Stellung in der römischen Kultur beraubt. Durch die politische Einflussnahme der Kaiser, etwa Constantius’ II., auf die kirchliche Politik kam es zur Entstehung einer römischen Reichskirche. Das Christentum wurde wahrscheinlich Mitte des 4. Jahrhunderts die Mehrheitsreligion.[6] Im Jahre 380 machte Theodosius I. das Christentum zur Staatsreligion und erließ in seiner Amtszeit Gesetze gegen Häresie und bestimmte heidnische Kultpraktiken. Zu Beginn des fünften Jahrhunderts war die senatorische Aristokratie fast durchgängig zum Christentum übergetreten.[9] Das Christentum überlebte auch den folgenden Untergang des Weströmischen Reiches, der auf das Jahr 476 bzw. 480 datiert wird.

Revolution von oben oder von unten?

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Inwieweit in der Spätantike staatliche Maßnahmen und Repressionen für das Wachstum des Christentums und den Niedergang des Heidentums verantwortlich waren, ist eine langanhaltende Kontroverse, welche sich bis auf die Thesen von Edward Gibbon im späten 18. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Archäologische Studien deuten darauf hin, dass der Niedergang des Heidentums in den meisten Regionen langsam, schrittweise und undramatisch verlief und es wenig Anhaltspunkte für einen großen Religionskrieg im Römischen Reich gab, auch wenn es zu einzelnen Gewalttaten wie der Zerstörung des Serapeums von Alexandria 391 kam.[10] Beispielsweise streiten Forscher darüber, ob die Usurpation des Eugenius, der sich 392 mit den heidnischen stadtrömischen Senatoren um Virius Nicomachus Flavianus verbündete, auch als Gegenschlag des Heidentums gegen den christlichen Kaiser Theodosius I. gewertet werden kann, sodass die Schlacht am Frigidus 394, in der Theodosius gegen Eugenius siegte, auch als ein militärischer Sieg des Christentums verstanden werden kann. Dies wird in der neueren Forschung jedoch eher verneint.[11]

Das Christentum wurde auch für die Zerstörung des alten griechisch-römischen Erbes verantwortlich gemacht. Es gibt jedoch nur wenige Anhaltspunkte für großflächige Zerstörungen von Tempelanlagen. In Ägypten war das Serapeum der einzige Tempel, der in dieser Zeit nachweislich zerstört wurde. Der britische Klassizist Alan Cameron wies darauf hin, dass die römischen Tempel in Ägypten „zu den am besten erhaltenen der antiken Welt gehören“.[12] Eberhard Sauer stellte dagegen Hinweise für großflächige Zerstörungen heidnischer Tempel gegen Ende des 4. Jahrhunderts fest und führt den Erfolg des Christentums nicht allein auf friedliche Mittel zurück.[13]

Die schriftlichen historischen Quellen sind zwar voll von Konflikten, doch wurden die Überlieferungen in der Spätantike sowohl von den Heiden als auch von den Christen oft aus ideologischen Gründen dramatisiert. Es gibt viele Anhaltspunkte dafür, dass das Heidentum in römischen Gebieten bis ins fünfte und mancherorts sogar bis ins sechste Jahrhundert und darüber hinaus fortbestand. In den meisten Regionen des Reiches wurden die Heiden einfach ignoriert und auch die Juden toleriert.[14] Im byzantinischen Harran lebten noch im 10. Jahrhundert Anhänger des klassischen Heidentums.[15]

Weitere Kontroversen bestehen um den Einfluss Konstantins auf die Entwicklung des Christentums und späterer Gesetzgebung wie dem Codex Theodosianus auf die nicht-christliche Bevölkerung. Das Christentum war bereits vor der konstantinischen Wende im Aufstreben begriffen; die politische Wende ist möglicherweise eher als Reaktion auf das Wachstum der Christen in der Bevölkerung statt als ihr Auslöser anzusehen. Unter späteren Kaisern wie Theodosius I., der das Christentum zur Staatsreligion machte, blieb die öffentliche Ausübung heidnischer Praktiken erlaubt, solange diese nicht mit Opferungen verbunden war.[16] Die heidnischen Religionen wandelten sich in den folgenden zwei Jahrhunderten, indem sie einige christliche Praktiken und Ideen übernahmen und auch heidnische Einflüsse gingen in das westliche und östliche Christentum ein.

 
Christliche Wohltätigkeit, Werk des 19. Jahrhunderts von Bertel Thorvaldsen

Für den Siegeszug des Christentums in der römischen Gesellschaft wurde eine ganze Reihe von verschiedenen Gründen genannt. Die der christlichen Ethik zugeschriebene besondere Mildtätigkeit gegenüber den Schwachen und Armen könnte dem Christentum eine besondere Anziehungskraft für die allgemeine Bevölkerung verliehen haben. Heidnische Autoren schrieben Polemiken, in denen sie die Anziehungskraft des Christentums auf Frauen, ungebildete Massen, Kinder sowie „Diebe, Einbrecher und Giftmischer“ kritisierten.[17] Zu den frühen Anhängern der Religion zählten aber auch viele gebildete Menschen, welche Missionsarbeit finanzieren konnten.[18]

Das antike Christentum war im Gegensatz zu den heidnischen Kulten weder familiär noch geografisch gebunden; es war offen für die breite Masse, für Männer und Frauen, Reiche und Arme; die Taufe war kostenlos und die Kirche machte Philosophie und Ethik für einfache Menschen zugänglich, die häufig nicht einmal lesen konnten. Viele Forscher sehen in dieser Inklusivität den Hauptgrund für den Erfolg des Christentums.[19] In einer Gesellschaft, in der die Tötung von Neugeborenen und Sklaven normalisiert war, stellte die Nächstenliebe des Christentums eine revolutionäre Neuerung dar. Christliche Netzwerke der Kranken- und Armenfürsorge bildeten in Krisen einen großen Vorteil für christliche Gemeinschaften und dürften der Kirche zahlreiche neue Anhänger in Notzeiten gebracht haben.[20] Diese könnten auch die allgemeine Sterblichkeit unter den Christen gesenkt haben. Ihre Gemeinschaften verbaten auch die Abtreibung und die Aussetzung von Kindern nach der Geburt, während die verbreitete Tötung von Mädchen bei Heiden zu einem hohen Männerüberschuss führte, der das natürliche Bevölkerungswachstum einschränkte. Dies könnte den Christen demografische Vorteile verschafft haben.[18]

Es wurden auch verschiedene theologische Gründe für den Erfolg des Christentums vorgebracht. Das christliche Heil wurde für alle zugänglich gemacht und versprach ewiges Leben, aber nicht für die Ungläubigen. Im antiken Heidentum gab es eine Vielzahl von Ansichten über ein Leben nach dem Tod, vom Glauben an den Hades bis hin zur vollständigen Leugnung des ewigen Lebens. Auch der Monotheismus stellte ein Alleinstellungsmerkmal dar, während der heidnische Polytheismus viele Götter tolerierte. Die christliche Zugehörigkeit in Verbindung mit gegenseitiger Fürsorge und Unterstützung gab den Anhängern der Religion ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, was als einer der Hauptgründe für das Wachstum der Religion ausgemacht wurde. Die frühen christlichen Gemeinschaften hatten Gemeinsamkeiten im Kerygma (der Botschaft), in den Riten der Taufe und der Eucharistie. Diese Zusammengehörigkeit wurde durch die Verfolgungsmaßnahmen gegen Christen im 3. Jahrhundert nur noch weiter gestärkt. Tatsächlich wurde „das Scheitern der großen Verfolgung des Diokletian als Bestätigung eines langen Prozesses religiöser Selbstbehauptung gegen den Konformismus eines heidnischen Reiches angesehen“.[21] Der Todesmut vieler christlicher Märtyrer im Angesicht des Todes dürfte zudem auch Heiden beeindruckt haben. Keith Hopkins kam zu dem Schluss, dass das Christentum im dritten Jahrhundert „trotz vorübergehender Verluste in absoluten Zahlen am schnellsten wuchs. Mit anderen Worten: zahlenmäßig war die Verfolgung gut für das Christentum“.[8]

Seit dem 4. Jahrhundert formierte sich durch die immer stärkere Verschränkung der kirchlichen und kaiserlichen Macht eine römische Reichskirche. Durch die Vergrößerung ihrer politischen Macht konnte die Kirche immer mehr Einfluss auf die kaiserliche Religionspolitik nehmen. Dies führte einerseits zu innerkirchlichen, nunmehr auch reichspolitisch relevanten internen Machtkämpfen wie dem arianischen Streit. Andererseits wurden gerade diese wie auch Auseinandersetzungen mit Nichtchristen nun auch mithilfe staatlicher Gewalt ausgetragen, etwa in der Form von kaiserlichen Edikten (zum Beispiel Cunctos populos), der gewaltsamen Absetzung von Bischöfen oder der Nichtbestrafung von christlichen Ausschreitungen wie in Kallinikon 388 (siehe Ambrosius von Mailand).

Die Christianisierung Roms hatte eine Reihe komplexer Auswirkungen auf Staat, Politik, Wirtschaft, Kunst, Kultur, Recht und Gesellschaft, welche teilweise bis heute umstritten sind. Das Christentum brachte zahlreiche soziale Änderungen für die römische Gesellschaft, darunter u. a. in der Sexualmoral. Zu diesen Änderungen gehörte auch eine „bewusste Demontage römischer Konzepte von Hierarchie und Macht“.[22] Paulus’ Verständnis des inhärenten Paradoxons eines allmächtigen Christus, der als ohnmächtiger Mensch starb, schuf die Grundlage für eine neue, in der klassischen Gesellschaft noch nie dagewesene soziale Ordnung.[23] Der irische Historiker W. E. H. Lecky schrieb in seiner Geschichte der europäischen Moral, dass das Christentum „einen neuen Standard“ für den Glauben an die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens geschaffen habe.[24]

Obwohl es auch in der heidnischen Kultur philanthropische Wohltätigkeit gab, führte erst das Christentum zum Entstehen eines vormodernen Wohlfahrtsstaates durch die Kirche. Die Praxis, die Armen zu speisen und zu bekleiden, Witwen und Waisenkinder zu unterstützen, hatte weitreichende Auswirkungen und wurde durch die christliche Kirche institutionalisiert.[25] Sie unterhielt Krankenhäuser für Alte und Waisenhäuser für Kinder und Jugendliche, Hospize für Kranke jeden Alters, Einrichtungen für Aussätzige und Herbergen, in denen Pilger ein billiges Bett und eine Mahlzeit bekommen konnten.[26] Umstrittener sind die Auswirkungen des Christentums auf die Institution der Sklaverei und das Gladiatorenwesen. Das frühe Christentum hat nie offen zur Abschaffung der Sklaverei aufgerufen und einige Christen besaßen Sklaven.[27] Die Christen der Antike rieten dazu, zu akzeptieren, was man nicht ändern kann und sich auf das ewige Leben zu konzentrieren und sahen sich nicht als Anführer einer sozialen Reformbewegung.[28] Auch die Gladiatorenkämpfe wurden nach der Christianisierung weitergeführt. Wie jedoch der Historiker Fik Meijer schreibt, wurden die Gladiatorenspiele zwar nie offiziell abgeschafft, aber viele Christen sprachen sich gegen sie aus, und die steigende Zahl der Christen in der Bevölkerung im späten vierten Jahrhundert führte dazu, dass die Popularität der Spiele zurückging. Die Spiele wurden wahrscheinlich aufgrund der mangelnden öffentlichen Unterstützung vor 440 eingestellt.[29]

Wenn es um das römische Strafrecht ging, wurde dieses in der christlichen Zeit eher verschärft und Strafen teilweise grausamer.[27] Einerseits wurden von den Kaisern immer härtere Strafen für eine immer größere Zahl von Kapitalverbrechen verhängt. Andererseits wollten die Kaiser auch als großzügig gelten, indem sie Barmherzigkeit und Nachsicht gewährten. Ab dem ersten Jahrhundert unter Augustus erlebte das etablierte römische Verständnis von Nachsicht (clementia) einen Wandel, der im vierten Jahrhundert abgeschlossen war. Christliche Schriftsteller hatten den Begriff der Nachsicht übernommen und verwendeten ihn, um die Barmherzigkeit Gottes auszudrücken, die sich in der Erlösung zeigte, und verbanden so die beiden Begriffe.[30] Die Todesstrafe wurde im christlichen Rom weiterhin häufig durchgeführt, wobei christliche Kaiser jedoch die Kreuzigung und die Tötung durch wilde Tiere als Bestrafungsarten nicht mehr anwendeten.[27]

Nach der Meinung von Edward Gibbons zerstörte die christliche Intoleranz das rationalistische Fundament der griechisch-römischen Antike. Laut ihm hätte der Pazifismus des Christentums zudem zu einer Demilitarisierung der Gesellschaft geführt und die hohen Ausgaben der Kirche für wohltätige Zwecke hätten zusätzlich der Staatskasse gefehlt. Er gab dem Christentum damit die Hauptverantwortung für den Untergang des Römischen Reiches. Seine Theorie wird heute jedoch von der Mehrheit der Forscher abgelehnt und andere Gründe für den Fall Roms angeführt.

Die Christianisierung beeinflusste auch die römische Literatur, Kultur, Kunst und Architektur durch den Bau von Kirchen. Das Entstehen des Mönchtums und der Bau zahlreicher Klöster führte zu einem großen sozialen und wirtschaftlichen Wandel. Währen der dunklen Jahrhunderte bildeten die Klöster die letzte Bastion des Gelehrtenwesens und halfen antikes Wissen zu erhalten. Andererseits hatten Christen auch Anteile an den Bücherverlusten in der Spätantike, etwa über Bücherverbrennungen. Die Fusion von griechisch-römischer Kultur und Christentum beeinflusste auch als Grundlage die westeuropäische Kultur und Kunst des Mittelalters.

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Edward Gibbon: The History of the Decline and Fall of the Roman Empire. W. Strahan; and T Cadell, in the Strand., 1776.
  2. Will Durant: Caesar and Christ: A History of Roman Civilization and of Christianity from Their Beginnings to A.D. 325. MJF Books, 1992, ISBN 978-1-56731-014-6 (google.de [abgerufen am 3. Dezember 2024]).
  3. Jan Fousek, Vojtěch Kaše, Adam Mertel, Eva Výtvarová, Aleš Chalupa: Spatial constraints on the diffusion of religious innovations: The case of early Christianity in the Roman Empire. Abgerufen im Dezember 2024 (englisch).
  4. a b Timothy D. Barnes: Legislation against the Christians. In: The Journal of Roman Studies. Band 58, Nr. 1-2, November 1968, ISSN 1753-528X, S. 32–50, doi:10.2307/299693 (cambridge.org [abgerufen am 4. Dezember 2024]).
  5. Jeremy M. Schott: Christianity, Empire, and the Making of Religion in Late Antiquity. University of Pennsylvania Press, 2008, ISBN 978-0-8122-4092-4 (google.de [abgerufen am 4. Dezember 2024]).
  6. a b c Rodney Stark: The Rise of Christianity: A Sociologist Reconsiders History. Princeton University Press, 1996, ISBN 978-0-691-02749-4 (google.de [abgerufen am 3. Dezember 2024]).
  7. „Frankfurter Silberinschrift“ – Ältestes christliches Zeugnis nördlich der Alpen gefunden. In: Goethe-Universität Frankfurt am Main.de. 12. Dezember 2024, abgerufen am 14. Dezember 2024.
  8. a b Keith Hopkins: Christian Number and its Implications. In: Journal of Early Christian Studies. Band 6, Nr. 2, 1998, ISSN 1086-3184, S. 185–226 (jhu.edu [abgerufen am 3. Dezember 2024]).
  9. P. R. L. Brown: Aspects of the Christianization of the Roman Aristocracy. In: The Journal of Roman Studies. Band 51, 1961, ISSN 0075-4358, S. 1–11, doi:10.2307/298830, JSTOR:298830.
  10. Luke Lavan, Michael Mulryan: The Archaeology of Late Antique 'Paganism'. BRILL, 2011, ISBN 978-90-04-19237-9 (google.de [abgerufen am 3. Dezember 2024]).; Pagans and Christians in Late Antique Rome: Conflict, Competition, and Coexistence in the Fourth Century (= The Wiles Lectures). Cambridge University Press, Cambridge 2015, ISBN 978-1-107-11030-4 (cambridge.org [abgerufen am 3. Dezember 2024]).
  11. Vgl. insbesondere die einflussreiche Studie von Alan Cameron: The Last Pagans of Rome. Oxford University Press, Oxford 2011, ISBN 978-0-19-974727-6.
  12. Alan Cameron: The Last Pagans of Rome. Oxford University Press, USA, 2011, ISBN 978-0-19-974727-6, S. 799 (google.de [abgerufen am 3. Dezember 2024]).
  13. Eberhard Sauer: The Archaeology of Religious Hatred: In the Roman and Early Medieval World. Tempus, 2003, ISBN 978-0-7524-2530-6 (google.de [abgerufen am 6. Dezember 2024]).
  14. Peter Brown: Through the Eye of a Needle: Wealth, the Fall of Rome, and the Making of Christianity in the West, 350–550 AD. Princeton University Press, 2013, ISBN 978-1-4008-4453-1, S. 643 (google.de [abgerufen am 3. Dezember 2024]).
  15. Donald H. Frew: Harran: Last Refuge of Classical Paganism. In: Pomegranate. Band 9, Autumn, 2012, ISSN 1743-1735, S. 17 (academia.edu [abgerufen am 4. Dezember 2024]).
  16. R. Malcolm Errington: Roman Imperial Policy from Julian to Theodosius. Univ of North Carolina Press, 2007, ISBN 978-0-8078-7745-6 (google.de [abgerufen am 3. Dezember 2024]).
  17. Judith M. Lieu: The 'Attraction of Women' in/To Early Judaism and Christianity: Gender and the Politics of Conversion. In: Journal for the Study of the New Testament. Band 21, Nr. 72, 1. April 1999, ISSN 0142-064X, S. 5–22, doi:10.1177/0142064X9902107202 (sagepub.com [abgerufen am 3. Dezember 2024]).
  18. a b Thesen zum Aufstieg des Christentums von Rodney Stark | Thomas Schirrmacher. 16. September 2016, abgerufen am 3. Dezember 2024.
  19. Danny Praet: Explaining the Christianization of the Roman Empire. Older theories and recent developments. (academia.edu [abgerufen am 3. Dezember 2024]).
  20. Steven C. Muir: 10 “Look How They Love One Another” Early Christian and Pagan Care for the Sick and Other Charity. In: Religious Rivalries in the Early Roman Empire and the Rise of Christianity. Wilfrid Laurier University Press, 2006, ISBN 978-0-88920-536-9, S. 213–231, doi:10.51644/9780889205369-013 (degruyter.com [abgerufen am 3. Dezember 2024]).
  21. Peter Brown: Religious Dissent in the Later Roman Empire: The Case of North Africa. In: History. Band 46, Nr. 157, 1961, ISSN 0018-2648, S. 83–101, JSTOR:24405338.
  22. Raymond Van Dam: From Paganism to Christianity at Late Antique Gaza. In: Viator. Band 16, Januar 1985, ISSN 0083-5897, S. 4, doi:10.1484/J.VIATOR.2.301417 (brepolsonline.net [abgerufen am 7. Dezember 2024]).
  23. E. A. Judge: Jerusalem and Athens: Cultural Transformation in Late Antiquity. Mohr Siebeck, 2010, ISBN 978-3-16-150572-0, S. 214 (google.de [abgerufen am 3. Dezember 2024]).
  24. William Edward Hartpole Lecky: History of European Morals from Augustus to Charlemagne. D. Appleton, 1873 (google.li [abgerufen am 3. Dezember 2024]).
  25. Charles Schmidt: The social results of early Christianity. London : Wm. Isbister, 1889, ISBN 978-0-7905-3105-2 (archive.org [abgerufen am 3. Dezember 2024]).
  26. Stephen Tomkins: A Short History of Christianity. Lion, 2005, ISBN 978-0-7459-5144-7, S. 214–215 (google.de [abgerufen am 3. Dezember 2024]).
  27. a b c Ramsay Mac Mullen: What Difference Did Christianity Make? In: Historia: Zeitschrift für Alte Geschichte. Band 35, Nr. 3, 1986, ISSN 0018-2311, S. 322–343, JSTOR:4435970.
  28. Robin Lane Fox: Pagans And Christians. 1986 (archive.org [abgerufen am 4. Dezember 2024]).
  29. Fik Meijer: The Gladiators: History’s Most Deadly Sport. Souvenir, 2004, ISBN 978-0-285-63704-7, S. 204–205 (google.de [abgerufen am 3. Dezember 2024]).
  30. Melissa Barden Dowling: Clemency & Cruelty in the Roman World. University of Michigan Press, 2006, ISBN 978-0-472-11515-0 (google.de [abgerufen am 3. Dezember 2024]).