Codex Palatinus germanicus 16

spätmittelalterliche Handschrift der ehemaligen Bibliotheca Palatina
(Weitergeleitet von Cpg 16)

Der Codex Palatinus germanicus 16 ist eine spätmittelalterliche Handschrift der ehemaligen Bibliotheca Palatina in Heidelberg. Der Codex gehört zu den Codices Palatini germanici, den deutschsprachigen Handschriften der Palatina, die seit 1816 in der Universitätsbibliothek Heidelberg aufbewahrt werden; Signatur der UB-Heidelberg und gängige fachwissenschaftliche Bezeichnung ist Cod. Pal. germ. 16 (Kurzform: Cpg 16).

Cod. Pal. germ. 16, Blatt 9v: Genesis – Der Schöpfergott vermisst die Erde mit einem Zirkel

Die Bilderhandschrift ist der erste Band einer in drei Teilbänden überlieferten deutschsprachigen Bibel mit Schriften des Alten Testaments; der zweite (Cod. Pal. germ. 17) und der dritte Band (Cod Pal. germ. 18) sind ebenfalls in Heidelberg erhalten.

Alle drei Codices wurden 1477 im Auftrag von Margarethe von Savoyen von der Werkstatt des Ludwig Henfflin produziert, vermutlich in Stuttgart.

Dieser erste Band enthält die fünf Bücher Mose sowie die Bücher Josua, Richter und Rut.

Beschreibung

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Cod. Pal. germ. 16, Blatt 10v: Genesis – Gott erschafft Adam aus einem Lehmklumpen
 
Cod. Pal. germ. 16, Blatt 11v: Genesis – Gott erschafft Eva aus einer Rippe Adams
 
Cod. Pal. germ. 16, Blatt 12r: GenesisSündenfall – Adam und Eva im Paradiesgarten essen die Frucht vom verbotenen Baum der Erkenntnis
 
Cod. Pal. germ. 16, Blatt 12v: Genesis – Der Erzengel Michael vertreibt die ersten Menschen aus dem ummauerten Paradiesgarten
 
Cod. Pal. germ. 16, Blatt 13v: Genesis – Die ersten Menschen bei der Arbeit vor den verschlossenen Mauern des Paradieses, Adam bei der Feldarbeit, Eva mit Spinnrocken und Spindel

Der Codex ist eine Papierhandschrift mit 288 Blättern.[1] Die Foliierung des 17. Jahrhunderts zählt dabei die mit Text beschriebenen Blätter 1–281 durch; die leeren Blätter 1*–3* und 282*–285* sind mit moderner Zählung versehen.

Die Blattgröße der Handschrift beträgt 40,3 × 28 cm, dabei ist ein Schriftraum von 25,5–27 × 18 cm zweispaltig beschrieben mit 28 bis 33 Zeilen pro Seite. Schriftform ist eine Bastarda von einer Hand. Bildüberschriften, Kapitelzahlen und Seitenüberschriften sind in roter Farbe ausgeführt.

Die Initialen sind in roter und blauer Farbe ausgeführt und erstrecken sich normalerweise über zwei bis drei, mitunter auch mehr Zeilen (Blätter 143r, 219r), die Eingangsinitiale (Blatt 1r) ist über sechs Zeilen geführt. Sie sind mit einfachem Fleuronnée-Besatz und Ornamentik im Binnenfeld verziert, manche zusätzlich mit kleinen Profil-Fratzen (Blätter 25r, 60r, 186r und öfter). Kapitelanfänge sind mit roten, rotvioletten oder blauen Lombarden gekennzeichnet. Hinzu kommen zahlreiche Cadellen als dekorative Elemente, tintenfarben und rot.

Der Pergamenteinband wurde in Rom im 17. Jahrhundert ergänzt und mit dem Rückentitel „16/BIBLIORVM/Pars I“ versehen. Auf dem Fußschnitt ist der Hinweis „Genesis das Erst bůch.“ aufgetragen.[2]

Miniaturen

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Alle drei Bände der Bibelhandschrift Cod. Pal. germ. 16–18 sind mit insgesamt 308 Miniaturen ungewöhnlich reichhaltig bebildert.[3] Allein der hier behandelte erste Teilband Cod. Pal. germ. 16 ist mit 133 kolorierten Federzeichnungen illustriert, regelmäßig auch auf direkt aufeinander folgenden Seiten.[4] Die Zeichnungen sind von einem Zeichner angefertigt, Zeichner A, der auch alle anderen Handschriften der Werkstatt Henfflin ausstattete, nur die Zeichnung auf Blatt 23r stammt von einem zweiten Zeichner B.[5]

In der Bewertung Hans Wegeners (Beschreibendes Verzeichnis, 1927) ist die Qualität der Arbeiten des Zeichners insgesamt „recht unbedeutend“; aus seiner Sicht sind die kolorierten Zeichnungen „sorgfältig, aber sehr temperament- und phantasielos“ ausgeführt, ihn überraschen „einzelne Szenen [...] durch die Primitivität der Darstellung“.[6] Diese Wertung ist etwas irritierend, weil Wegener ebenso hervorhebt, dass die Auftraggeberin der Bibel-Handschrift, Margarete von Savoyen, durch ihre Herkunft verwöhnt gewesen sei durch buchkünstlerisch hervorragende Darstellungen und sicher den besten Zeichner ausgewählt habe.[7]

Die neuere Forschung hebt dagegen den unterhaltenden Charakter der Bildfolgen und die Anschaulichkeit der Darstellungen aus der Werkstatt Henfflin hervor, sieht auch das Bemühen um Perspektive gegenüber früheren elsässischen Illustratoren und betont die Richtigkeit der Proportionen bei der Figurendarstellung. Nur die Mimik wird als „weitgehend ausdruckslos“ bezeichnet, häufig zeigen die Gesichter „eine nicht zum Text passende Fröhlichkeit“.[8] Als Besonderheit der Zeichnungen wird außerdem deren moderner narrativer Charakter beschrieben und der Detailreichtum der Darstellungen. Der Illustrator der Werkstatt Henfflin entwarf regelrecht „Illustrationszyklen“ und bediente sich vielfach des Kunstgriffs der „simultanen Illustration“, indem er aufeinander folgende Situationen einer Geschichte in einer einzigen Darstellung parallel abbildete.[9]

Herkunft

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Die Handschrift wurde – wie die anderen beiden Teilbände der Bibel-Handschrift – 1477 von der Werkstatt des Ludwig Henfflin angefertigt, vermutlich in Stuttgart.[10]

Auftraggeberin aller Handschriften der Werkstatt Henfflin war Margarethe von Savoyen, die in dritter Ehe mit Ulrich V., dem Grafen von Württemberg-Stuttgart, verheiratet war. Zuvor war sie in zweiter Ehe mit dem pfälzischen Kurfürsten Ludwig IV. verheiratet gewesen; das einzige Kind aus dieser Ehe, Kurfürst Philipp von der Pfalz, erbte die Handschriften nach Margaretes Tod 1479. Damit gelangten die drei Bibel-Codices wie alle Handschriften der Werkstatt Henfflin letztlich aus Stuttgart nach Heidelberg und wurden Teil der Bibliotheca Palatina.

Alle drei Handschriften sind vermutlich von einem Schreiber niedergeschrieben worden (Schreiber A), der sich ansonsten bei den Handschriften dieser Werkstatt nicht nachweisen lässt.[11] Die Schreibsprache ist schwäbisch.

Wie die anderen Handschriften der kurfürstlich-pfälzischen Bibliotheken kam der Codex nach der Eroberung der Kurpfalz im Dreißigjährigen Krieg 1622 nach Rom in den Besitz der Vatikanischen Bibliothek und wurde mit den anderen deutschsprachigen Beständen der Palatina im Rahmen der Regelungen während des Wiener Kongresses erst 1816 nach Heidelberg zurückgeführt.[12]

Die dreibändige Bibelhandschrift Cod. Pal. germ. 16–18 ist eine Abschrift der entsprechenden Kapitel eines vollständigen Bibeldrucks, den der Buchdrucker Johannes Mentelin 1466 in Straßburg veröffentlicht hatte.[13] Die Mentelin-Bibel war die erste in einer Volkssprache gedruckte Bibel überhaupt, und sie ist der älteste vorlutherische Bibeldruck in frühneuhochdeutscher Sprache. Zeitgenössisch war das Werk ein „Bestseller“, obwohl die Interlinearübersetzung aus dem Latein ins Deutsche auch im 15. Jahrhundert nicht leicht verständlich war.[9]

Cod. Pal. germ. 16, der erste Teilband, enthält die ersten Bücher des Alten Testaments der christlichen Bibel: die fünf Bücher Mose (Pentateuch) sowie den ersten Teil der biblischen Geschichtsbücher. Im Einzelnen:

Siehe auch

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Literatur

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  • Karin Zimmermann: Cod. Pal. germ. 16. Bibel AT (Geschichtsbücher [1. Teil]), deutsch. In: Karin Zimmermann (Bearb.), unter Mitwirkung von Sonja Glauch, Matthias Miller, Armin Schlechter: Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. germ. 1–181). Kataloge der Universitätsbibliothek Heidelberg, Band 6. Reichert Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 978-3-89500-152-9, S. 39–41 (Digitalisat).

Ältere Kataloge:

  • Karl Bartsch: Pal. germ. 16. Übersetzung des alten Testaments. [1] In: Karl Bartsch: Die altdeutschen Handschriften der Universitäts-Bibliothek in Heidelberg. Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek in Heidelberg, Band 1. Verlag von Gustav Koester, Heidelberg 1887, Nr. 10, S. 7 (Digitalisat).
  • Hans Wegener: Die Bücher Moses, Josua, Richter und Ruth. pal. germ. 16. In: Hans Wegener: Beschreibendes Verzeichnis der deutschen Bilder-Handschriften des späten Mittelalters in der Heidelberger Universitäts-Bibliothek. Verlagsbuchhandlung J. J. Weber, Leipzig 1927, S. 72–76 (Digitalisat).
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Commons: Cod. Pal. germ. 16 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

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  1. Die Angaben in diesem Abschnitt mit Unterabschnitt folgen, wenn nicht anders vermerkt, der Beschreibung von Karin Zimmermann: Cod. Pal. germ. 16. In: Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. germ. 1–181). Wiesbaden 2003, S. 39–40 (Digitalisat; abgerufen am 27. März 2020).
  2. s. Abbildung des Fußschnitts beim Digitalisat der UB-Heidelberg; abgerufen am 1. April 2020.
  3. Ulrike Spyra, Maria Effinger: Cod. Pal. germ. 16-18: Dreibändige Bibel, AT, deutsch, Webpräsenz UB-Heidelberg, 04/2009; abgerufen am 1. April 2020. Spyra/Effinger zeigen dort weiter, dass die Dichte der Illustrierung noch stärker auffällt, wenn man die Bände separat in den Blick nimmt: in den ersten beiden Bänden sind die jeweiligen Bücher des Alten Testaments mit 133 (Cpg 16) bzw. 139 (Cpg 17) Darstellungen nahezu lückenlos bebildert. Der dritte Band (Cpg 18) enthält demgegenüber mit 36 Abbildungen vergleichsweise wenige Illustrationen, vielleicht weil die dort enthaltenen Salomonischen Bücher und die der Propheten weniger Geschichten erzählen, die mit Bildern nachvollzogen werden könnten.
  4. Eine tabellarische Übersicht über die in den Zeichnungen dargestellten Inhalte bietet Hans Wegener, Die Bücher Moses, Josua, Richter und Ruth (pal. germ. 16), in: Beschreibendes Verzeichnis [...], Leipzig 1927, S. 72–75 (Digitalisat; abgerufen am 2. April 2020).
  5. Wegener, Beschreibendes Verzeichnis [...], Leipzig 1927, S. 75 und Begründung S. 76 (Digitalisat; abgerufen am 3. April 2020).
  6. alle Zitate aus Wegeners Beschreibung der Bibelhandschrift Cod. Pal. germ. 16 und auf den Zeichner A bezogen, von dem fast alle Illustrationen der neun Handschriften der Werkstatt Henfflin stammen. Hans Wegener: Die Werkstatt des Ludwig Hennfflin. In: Beschreibendes Verzeichnis ..., Leipzig 1927, S. 75–76 (Digitalisat; abgerufen am 3. April 2020).
  7. Wegener, Beschreibendes Verzeichnis [...], Leipzig 1927, S. 72 (Digitalisat; abgerufen am 3. April 2020).
  8. Ulrike Spyra, Maria Effinger: Schwäbische Werkstatt des Ludwig Henfflin, UB-Heidelberg 03/2012; abgerufen am 3. April 2020.
  9. a b Ulrike Spyra, Maria Effinger: Cod. Pal. germ. 16-18: Dreibändige Bibel, AT, deutsch, UB-Heidelberg 03/2012; abgerufen am 3. April 2020.
  10. Die Angaben in diesem Abschnitt folgen, wenn nicht anders vermerkt, der Beschreibung von Karin Zimmermann: Cod. Pal. germ. 16. In: Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. germ. 1–181). Wiesbaden 2003, S. 40 (Digitalisat; abgerufen am 27. März 2020).
  11. Wegener (1927), Beschreibendes Verzeichnis ..., S. 71 (Digitalisat); ebenso Spyra/Effinger (2009) Cod. Pal. germ. 16-18 ..., Webpräsenz UB-Heidelberg. Vgl. aber die Beobachtung zu einer vereinzelten zweiten Hand (Cod. Pal. germ. 17, Blatt 276r/v) bei Zimmermann (2003), Die Codices Palatini germanici [...], S. 41 (Digitalisat). Weblinks abgerufen am 4. April 2020.
  12. Historischer Überblick auf der Website der UB Heidelberg: Die Bibliotheca Palatina – Schicksale einer weltberühmten Bibliothek; abgerufen am 27. März 2020. Ausführliche Darstellung mit weiterführenden Hinweisen von Karin Zimmermann in: Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. germ. 1–181). Wiesbaden 2003, Einleitung, S. XI–XXVIII (Digitalisat; abgerufen am 27. März 2020).
  13. Die Angaben in diesem Abschnitt folgen, wenn nicht anders vermerkt, der Beschreibung von Karin Zimmermann: Cod. Pal. germ. 16. In: Die Codices Palatini germanici in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. germ. 1–181). Wiesbaden 2003, S. 40–41 (Digitalisat; abgerufen am 27. März 2020).