Deinotheriidae

Familie der Ordnung Rüsseltiere (Proboscidea)

Die Deinotheriidae (Deinotherien, auch Dinotherien oder „Hauerelefanten“) waren ein sehr früher, erfolgreicher Zweig der fossilen Rüsseltiere (Proboscidea), zu denen auch die heute lebenden Elefanten zählen. Sie lebten vom Oligozän bis zum frühen Pleistozän in einem Großteil der Alten Welt. Der Name setzt sich aus den griechischen Wörtern δεινός (deinos, Schrecken) und θηρίον (thērion, Tier) zusammen, während dino die latinisierte Version von deinos darstellt. Den Deinotherien werden zwei Gattungen zugewiesen, Chilgatherium und Deinotherium, eine mögliche dritte, aber teils umstrittene Gattung ist Prodeinotherium.

Deinotheriidae

Skelettrekonstruktion von Deinotherium

Zeitliches Auftreten
Mittleres Oligozän bis frühes Pleistozän
29 bis 1 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Höhere Säugetiere (Eutheria)
Afrotheria
Paenungulata
Tethytheria
Rüsseltiere (Proboscidea)
Deinotheriidae
Wissenschaftlicher Name
Deinotheriidae
Bonaparte, 1845

Merkmale

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Die Deinotherien hatten einen den heutigen Elefanten vergleichbaren massigen Körperbau mit säulenförmigen Beinen und einem Schädel, der teilweise schon luftgefüllte Knochen zur Reduzierung der Körpermasse besaß. Die frühesten Vertreter waren mit einer Schulterhöhe von unter 2 m deutlich kleiner als die späteren, die teils über 4 m messen konnten[1][2] und Berechnungen zufolge ein Gewicht bis zu 14 t aufwiesen.[3] Gegenüber den heutigen Elefanten war der Schädel aber noch deutlich flach. Markantester Unterschied zu den meisten anderen Rüsseltieren war die Ausprägung der Stoßzähne nur im Unterkiefer, die dort eine abwärtsgereichte Lage aufwiesen, so dass die spitzen Enden mitunter nach hinten wiesen. Gebildet wurden die Stoßzähne aus den jeweils ersten Schneidezähnen des Unterkiefers.[4] Durch die Form der Stoßzähne besaß der Unterkiefer auch eine markante, nach unten weisende Symphyse. Charakteristisch war auch der Aufbau des hinteren Gebisses, wobei alle Zähne gleichzeitig in Funktion waren, was wiederum ein deutlicher Unterschied zu den modernen Rüsseltieren mit nur einem funktionalen Zahn je Kieferhälfte. Die Backenzähne besaßen hohe Leisten aus Zahnschmelz auf den Kauoberflächen, die maximale Anzahl dieser war drei (trilophodont).[5]

Fossilfunde

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Fossile Reste von Deinotherien sind relativ häufig. Der ursprünglichste Vertreter, Chilgatherium ist aber bisher nur von der Fundstelle Chilga in Äthiopien nachgewiesen, das Fossilmaterial umfasst nur einige Zähne. Die Funde sind dem Oligozän zuzuweisen und datieren auf ein Alter von 29 bis 27 Millionen Jahren.[6][7] Deinotherium dagegen ist von zahlreichen Fundstellen in der Alten Welt bekannt. Verwiesen werden soll hier nur auf die beiden besonders vollständigen Skelette aus Eserowo nahe Plovdiv (Bulgarien)[8] und Mânzați (Rumänien).[9] Die Funde gehören weitgehend dem Miozän an, die jüngsten stammen aus dem frühen Pleistozän und sind afrikanischen Ursprungs.[10] Im Gegensatz zu zahlreichen anderen und gleichzeitig auftretenden Rüsseltiergruppen, haben Vertreter der Deinotherien nie den amerikanischen Doppelkontinent erreicht.[5]

Systematik

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Verkürzte innere Systematik der frühen Rüsseltiere nach Hautier et al. 2021[11]
  Proboscidea  

 Eritherium


   

 Phosphatherium


   

 Daouitherium


   

 Numidotherium


   

 Barytherium


   

 Arcanotherium


   

 Omanitherium


   

 Saloumia


   

 Moeritherium


   
  Deinotheriidae  

 Deinotherium


   

 Chilgatherium



  Elephantiformes  


 Palaeomastodon


   

 Phiomia


   

 jüngere Rüsseltiere (Elephantimorpha)




   

 Dagbatitherium




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Die Deinotheriidae stellen eine Familie innerhalb der Ordnung der Rüsseltiere (Proboscidea) dar. Der Ursprung der Deinotherien liegt in Afrika, wo sie sich zu einer Zeit differenzierten, als dieser Kontinent nicht durch Landbrücken mit anderen Kontinenten verbunden war. Die Besonderheiten der Zahn- und Gebissstrukturen dieser Rüsseltiergruppe führten gelegentlich zur Annahme, sie wären näher mit den Seekühen als mit den Rüsseltieren verwandt.[12] Diese Ansicht wird aber meist mit Verweis auf konvergente Evolution bei nicht direkt verwandten Tieren zurückgewiesen.[13]

Die frühe Abspaltung im Rüsseltierstammbaum bereits im Oligozän vor rund 30 Millionen Jahren zeigt vor allem der vertikale Zahnwechsel, ein Merkmal, welches die Deinotheriidae in die früheste Radiationsphase der Rüsseltiere stellt.[14] Innerhalb dieser frühen Rüsseltiere ist eine Zugehörigkeit der Deinotherien zu den Plesielephantiformes als urtümlichste Rüsseltiergruppe mit nur zwei Zahnschmelzleisten auf den beiden vorderen Molaren (bilophodont) oder zu den etwas moderneren Elephantiformes mit drei oder vier Schmelzfalten (tri- oder tetralophodont) ungeklärt. Chilgatherium besaß auf allen drei Mahlzähnen jeweils drei Schmelzleisten, während das modernere Deinotherium (und Prodeinotherium) diese nur auf dem vordersten hatte und der zweite bilophodont war. Aufgrund dieser komplexen Zahnstruktur ist bisher nicht bekannt, aus welcher Vorgängerform die Deinotherien hervorgingen. Das stammesgeschichtlich ältere Moeritherium und Barytherium aus Nordafrika besaßen ein deutlich umfangreicheres Gebiss mit vorderen Molaren, geformt aus zwei Zahnschmelzleisten.[1] Palaeomastodon, das sich vor etwa 34 Millionen Jahren ebenfalls in Nordafrika formte, wies auf den ersten beiden Molaren drei, allerdings unvollständig ausgebildete Leisten auf. Möglicherweise stammen sowohl die Deinotherien als auch Palaeomastodon von einem noch älteren Vorfahren mit trilophodonten Molaren ab und die Deinotherien reduzierten im Laufe der Zeit ihre dritte Leiste auf den beiden hinteren Zähnen.

Den Familiennamen Deinotheriidae prägte Charles Lucien Jules Laurent Bonaparte (1803–1857) erstmals im Jahr 1845. Innerhalb der Deinotherien werden zwei Gattungen unterschieden, die jeweils einer eigenen Unterfamilie zugewiesen werden. Die Unterscheidung der Unterfamilien geht auf William Sanders, John Kappelmann sowie D. Tab Rasmussen zurück und basiert auf dem abweichenden Aufbau der Molaren:[7]

  • Deinotheriidae Bonaparte 1845

Ob das von J. Éhik 1930 anhand ungarischer Fossilien eingeführte Prodeinotherium (von Éhik als Prodinotherium bezeichnet) eine eigenständige Gattung innerhalb der Deinotheriinae bildet, ist umstritten, die wenigen trennenden Merkmale neben deutlichen Unterschieden in der Körpergröße sind in der Ausprägung des dritten Prämolaren, der Form des Schädeldaches und dem Aufbau des Hinterhauptsbeines zu finden. Dies ist einigen Forschern aber zu wenig, um zwei eigenständige Gattungen zu rechtfertigen.[15][16] Die Stammesgeschichte der Deinotherien ist generell durch eine ständige Zunahme der Körpergröße gekennzeichnet, welche bis zuletzt anhielt und so häufig zu unterschiedlichen taxonomischen Benennungen führte.[15]

Einzelnachweise

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  1. a b Jeheskel Shoshani, Robert M. West, Nicholas Court, Robert J. G. Savage und John M. Harris: The earliest proboscideans: general plan, taxonomy, and palaeoecology. In: Jeheskel Shoshani und Pascal Tassy (Hrsg.): The Proboscidea. Evolution and palaeoecology of the Elephants and their relatives. Oxford, New York, Tokyo, 1996, S. 57–75
  2. Ursula B. Göhlich: Tertiäre Urelefanten aus Deutschland. In: Harald Meller (Hrsg.): Elefantenreich - Eine Fossilwelt in Europa. Halle/Saale, 2010, S. 340–362–372
  3. Per Christiansen: Body size in proboscideans, with notes on elephant metabolism. Zoological Journal of the Linnean Society 140, 2004, S. 523–549
  4. Cyrille Delmer: Reassessment of the generic attribution of Numidotherium savagei and the homologies of lower incisors in proboscideans. Acta Palaeontologica Polonica 54 (4), 2009, S. 561–580
  5. a b Jan van der Made: The evolution of the elephants and their relatives in the context of a changing climate and geography. In: Harald Meller (Hrsg.): Elefantenreich - Eine Fossilwelt in Europa. Halle/Saale, 2010, S. 340–360
  6. John Kappelman, D. Tab Rasmussen, William J. Sanders, Mulugeta Feseha, Thomas Bown, Peter Copeland, Jeff Crabaugh, John G. Fleagle, Michelle Glantz, Adam Gordon, Bonnie Jacobs, Murat Maga, Kathleen Muldoon, Aaron Pan, Lydia Pyne, Brian Richmond, Timothy Ryan, Erik R. Seiffert, Sevket Sen, Lawrence Todd, Michael C. Wiemann und Alisa Winkler: Oligocene mammals from Ethiopia and faunal exchange between Afro-Arabia and Eurasia. Nature 426, 2003, S. 549–552
  7. a b William Sanders, John Kappelmann und D. Tab Rassmussen: New large-bodied mammals from the late Oligocene site of Chilga, Ethiopia. Acta Palaeontologica Polonica 49 (3), 2004, S. 365–392, 2004
  8. Dimitar Kovachev und Ivan Nikolov: Deinotherium thraceiensis sp. nov. from the Miocene near Ezerovo, Plovdiv District. Geologica Balcanica 35 (3-4). 2006, S. 5–40
  9. Grigoriu Stefanescu: Deinotherium gigantissimum. Annuarulu Museului de Geologia si de Paleontologia. 1894, S. 126–199
  10. Karol Schauer: Anmerkungen und Quellenangaben zur Evolutionstafel der Proboscidea in Afrika und Asien. In: Harald Meller (Hrsg.): Elefantenreich - Eine Fossilwelt in Europa. Halle/Saale, 2010, S. 630–650
  11. Lionel Hautier, Rodolphe Tabuce, Mickaël J. Mourlam, Koffi Evenyon Kassegne, Yawovi Zikpi Amoudji, Maëva Orliac, Frédéric Quillévéré, Anne-Lise Charruault, Ampah Kodjo Christophe Johnson und Guillaume Guinot: New Middle Eocene proboscidean from Togo illuminates the early evolution of the elephantiform-like dental pattern. Proceedings of th Royal Society of London B Biological Sciences 288 (1960), 2021, S. 20211439, doi:10.1098/rspb.2021.1439
  12. H. J. Gregor, R. Kuhn und D. H. Storch: Deinotherium? ein Proboscidier? Documenta Naturae 130, 2000, S. 1–141
  13. Kati Huttunen und Ursula Bettina Göhlich: A partial skeleton of Prodeinotherium bavaricum (Proboscidea, Mammalia) from the Middle Miocene of Unterzolling (Upper Freshwater Molasse, Germany). Geobios 35, 2002, S. 489–514
  14. Jeheskel Shoshani: Understanding proboscidean evolution: a formidable task. Tree 13, 1998, S. 480–487
  15. a b Athanassios Athanassiou: On a Deinotherium (Proboscidea) finding in the Neogene of Crete. Notebooks on Geology - Letter 2004/05, S. 1–7
  16. Kati Huttunen: Systematics and Taxonomy of the European Deinotheriidae (Proboscidea, Mammalia). Annalen des. Naturhistorischen Museums zu Wien 103 A, 2002, S. 237–250
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