Diapsida

Großgruppe der Reptilien bzw. Sauropsida
(Weitergeleitet von Diapside Reptilien)

Die Diapsida (eingedeutscht: Diapsiden) sind eine Großgruppe der Sauropsiden (bzw. der Reptilien nach moderner Definition unter Einschluss der Vögel[1]). Es handelt sich um die vielfältigste Sauropsidengruppe der Erdgeschichte. Die Diapsiden umfassen rein landlebende Vertreter, aber auch aquatische und flugfähige Formen. Sowohl die Anpassung an ein Leben im Wasser als auch die Flugfähigkeit entwickelte sich bei verschiedenen Diapsidengruppen mehrfach unabhängig voneinander.

Diapsida

Verschiedene Angehörige der Diapsida
Oben: Nordamerikanischer Kupferkopf, Starweber
Mitte: Mississippi-Alligator, Heterodontosaurus
Unten: Tupuxuara, Platypterygius

Systematik
Wirbeltiere (Vertebrata)
Kiefermäuler (Gnathostomata)
Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Amnioten (Amniota)
Sauropsida
Diapsida
Wissenschaftlicher Name
Diapsida
Osborn, 1903

Merkmale

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Schematische Darstellung eines diapsiden Schädels

Der Name „Diapsida“ bezieht sich auf die zwei Öffnungen in der Wangen- bzw. Schläfenregion (Tempora) hinter der Augenhöhle (Orbita), die oberes und unteres Schläfen- oder Temporalfenster genannt werden. Diese Schädelkonfiguration wird diapsider Schädel genannt (siehe auch Schädeltypen der Amnioten). Die Funktion der Fenster liegt in der Einsparung von Knochensubstanz sowie, damit einhergehend, einer Gewichtsreduktion und einer gewissen Flexibilität des Schädels. Außerdem bieten sie zusätzliche Wegsamkeiten und Ansatzstellen für die Kiefermuskulatur.

Die untere Öffnung wird durch die gleichen Schädelknochen umgrenzt, die auch beim einzigen Fenster im Schädel fossiler Synapsiden beteiligt sind: Squamosum (sq), Postorbitale (po) und Jugale (j) sowie ursprünglich auch Quadratojugale (qj). Das obere Fenster wird von Squamosum, Postorbitale und Parietale (p) eingefasst, bei fossilen Vertretern tritt nicht selten noch das Postfrontale hinzu.

Der diapside Schädel ist zwar das Nominalmerkmal der Diapsiden, jedoch repräsentiert er einen eher ursprünglichen Zustand, der im Verlauf der Diapsidenevolution gleich mehrfach unabhängig in verschiedenen Gruppen verändert wurde:

  • Bei den Schuppenkriechtieren (Squamata), zu denen zum Beispiel die Eidechsen gehören, wie auch bei einigen frühen Formen der Archosauromorpha ist kein unterer Temporalbogen vorhanden (sog. katapside Schädelkonfiguration). Vermutlich geht sowohl der untere Temporalbogen der Brückenechsen als auch jener der Krokodile nicht auf die ursprüngliche diapside Schädelkonfiguration von z. B. Petrolacosaurus zurück, sondern ist sekundär aus einem katapsiden Zustand heraus neu entstanden.[2]
  • Sollten die Schildkröten zu den Diapsiden gehören, dann wären bei ihnen beide Schläfenfenster wieder komplett verschlossen.
  • Auch bei den heutigen Vögeln ist die ursprünglich diapside Schädelanatomie durch zahlreiche Modifikationen des Schädels im Zuge der Anpassung an das Fliegen und der Entwicklung des Bewegungsapparates des Schnabels nicht mehr erkennbar.
  • Ebenso sind bei Doppelschleichen und Schlangen, beides Untergruppen der Squamaten mit jeweils zum Teil hochspezialisierten Schädeln, keine offensichtlichen Schläfenfenster mehr vorhanden.

Systematik

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Schädelzeichnung von Youngina, einem ursprünglichen diapsiden Reptil aus dem Perm des Karoo-Beckens in Südafrika.
 
Lebendrekonstruktion des Avicephalen Coelurosauravus aus dem Perm von Europa und Madagaskar
 
Zeichnung des Schädels der Brückenechse (Sphenodon). Im Gegensatz zu Youngina ist hier das Quadratojugale nicht am unteren Temporalbogen beteiligt.
 
Lebendrekonstruktion von Arizonasaurus, einem großen Archosaurier aus der Mittleren Trias von Nordamerika
 
Schädel von Araripesuchus, einem Krokodil aus der Kreide von Nordafrika
(a von der Seite, b von oben, c von unten)

Grundlegendes

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Die Diapsida sind nach traditioneller Auffassung eine Unterklasse der Klasse der Reptilien (Reptilia). Die Reptilien sind jedoch keine natürliche Verwandtschaftsgruppe (Monophylum). Vögel und Säugetiere stammen von permomesozoischen Landwirbeltieren ab, die der klassischen Definition der Reptilia entsprechen, da sie festschalige Eier legten und sowohl unbehaart als auch ungefiedert waren. Vögel und Säugetiere selbst entsprechen dieser klassischen Definition jedoch nicht und werden den Reptilia deshalb traditionell nicht hinzugerechnet. Da dieser Ausschluss aber die Evolution nicht korrekt abbildet, ist das klassische Konzept der Reptilia durch das neuere Konzept der Amniota ersetzt worden. Die Amnioten umfassen alle Landwirbeltiere, die sich unabhängig von Wasser fortpflanzen können, ohne Berücksichtigung ihrer Körperbedeckung.

Äußere Systematik

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Die Amnioten sind in zwei Hauptlinien gegliedert: die Sauropsida (Reptilia) mit den heutigen Reptilien und Vögeln und die Synapsida mit den heutigen Säugern. Die Diapsiden sind demnach eine Untergruppe der Sauropsida. Bezieht man fossile Taxa mit ein, zerfallen die Sauropsida bzw. Reptilia in zwei Großgruppen: die Eureptilia und die Parareptilia (Anapsida). Die Diapsiden sind dann eine Untergruppe der Eureptilien.[3]

  Amniota  

 Synapsida


  Sauropsida (Reptilia)  

 Parareptilia


  Eureptilia  

 Captorhinidae


  Romeriida  

 Paleothyris


   

 Diapsida






Innere Systematik

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Die rezenten Diapsiden gliedern sich in zwei Hauptgruppen: die Schuppenechsen (Lepidosauria) mit den Brückenechsen, „Echsen“ und Schlangen, und die Archosauria mit den Krokodilen und Vögeln. Auch hier ist unter Einbeziehung fossiler Taxa die Systematik etwas komplizierter (siehe unten). Nach neueren Erkenntnissen sind wahrscheinlich auch die Schildkröten Diapsiden.[4][5]

Die frühesten Fossilfunde von Diapsiden stammen aus dem Oberkarbon Nordamerikas. Es handelt sich dabei um verhältnismäßig kleine, eidechsenähnliche Vertreter, die unter den Namen Petrolacosaurus und Spinoaequalis beschrieben wurden. Beides sind sehr ursprüngliche Diapsiden, die vor der Aufspaltung in Lepidosauria und Archosauria lebten.

Einzelnachweise

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  1. Sean P. Modesto, Jason S. Anderson: The Phylogenetic Definition of Reptilia. Systematic Biology. Bd. 53, Nr. 5, 2004, S. 815–821, doi:10.1080/10635150490503026 (alternativer Volltextzugriff: IUCN/SSC Tortoise and Freshwater Turtle Specialist Group (Memento des Originals vom 5. Juli 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.iucn-tftsg.org PDF 552 kB).
  2. Johannes Müller: Early loss and multiple return of the lower temporal arcade in diapsid reptiles. Naturwissenschaften. Bd. 90, Nr. 10, 2003, S. 473–476, doi:10.1007/s00114-003-0461-0.
  3. Michel Laurin, Robert R. Reisz: A reevaluation of early amniote phylogeny. Zoological Journal of the Linnean Society. Bd. 113, Nr. 2, 1995, S. 165–223, doi:10.1111/j.1096-3642.1995.tb00932.x.
  4. Rafael Zardoya, Axel Meyer: Complete mitochondrial genome suggests diapsid affinity of turtles. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Bd. 25, Nr. 19, 1998, S. 14226–14231, doi:10.1073/pnas.95.24.14226.
  5. Ylenia Chiari, Vincent Cahais, Nicolas Galtier, Frédéric Delsuc: Phylogenomic analyses support the position of turtles as the sister group of birds and crocodiles (Archosauria). BMC Biology 2012, 10:65, doi:10.1186/1741-7007-10-65 (Open Access).

Literatur

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  • Robert L. Carroll: Paläontologie und Evolution der Wirbeltiere. Thieme-Verlag, Stuttgart, 1993, ISBN 3-13-774401-6.
  • Michael S. Y. Lee: Molecules, morphology, and the monophyly of diapsid reptiles. Contributions to Zoology. Bd. 70, Nr. 1, 2001, doi:10.1163/18759866-07001001.
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Commons: Diapsida – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien