Die Möllner Briefe

Dokumentarfilm über den rassistischen Brandanschlag in Mölln

Die Möllner Briefe (internationaler Titel The Moelln Letters) ist ein Dokumentarfilm der Regisseurin Martina Priessner. Der Film thematisiert den rassistischen Brandanschlag von Mölln im Jahr 1992, bei dem drei Menschen ums Leben kamen, und verfolgt die Geschichte von İbrahim Arslan, einem Überlebenden des Anschlags. Arslan erfuhr erst 2016 von den „Möllner Briefen“, in denen Hunderte von Menschen ihre Anteilnahme und Solidarität mit den Opfern des Anschlags ausdrückten. Der Film folgt Arslans Spurensuche nach den Verfassern dieser Briefe und untersucht die Bedeutung der Erinnerung an den Anschlag sowie die Lücken in der deutschen Erinnerungskultur. Anlässlich der 75. Berlinalewird der Film im Jahr 2025 in der Sektion Panorama seine Weltpremiere feiern.

Film
Titel Die Möllner Briefe
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch, Türkisch
Erscheinungsjahr 2025
Länge 90 Minuten
Stab
Regie Martina Priessner
Drehbuch Martina Priessner
Produktion Friedemann Hottenbacher,
Gregor Streiber
Kamera Ayşe Alacakaptan,
Julia Geiss
Schnitt Maja Tennstedt
Besetzung
  • Havva Arslan
  • Ibrahim Arslan
  • Namik Arslan
  • Yeliz Burhan

Handlung

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Durch einen Zufall stößt İbrahim Arslan auf Briefe von Menschen, die damals ihre Solidarität mit den Überlebenden des Anschlags ausdrückten. Der rassistisch motivierte Brandanschlag, der am 23. November 1992 in Mölln verübt wurde, forderte das Leben von drei Familienmitgliedern: Seine Großmutter Bahide (51), seine Schwester Yeliz Arslan (10) und seine Cousine Ayşe Yilmaz (14). Er selbst überlebte als Siebenjähriger schwer verletzt. In den Jahren nach der Tat wurden zahlreiche Solidaritätsbriefe an die Stadt Mölln geschickt, doch diese blieben fast drei Jahrzehnte lang unbeachtet im Stadtarchiv Mölln verschlossen. Arslan begibt sich auf eine Spurensuche, um die Verfasserinnen und Verfasser dieser Briefe zu finden und die Gründe für das lange Verschwinden der Briefe zu ergründen.

Im Zentrum stehen die Begegnungen von İbrahim Arslan mit den Verfassern der Solidaritätsbriefe. Durch Interviews und Rückblenden vermittelt der Film ein vielschichtiges Bild der traumatischen Erfahrungen, die seine Familie nach dem Anschlag durchlebte, und deren Folgen, mit denen sie bis heute kämpft. Die Briefe fungieren dabei als Brücke, die sowohl in die Vergangenheit führen als auch das Heute in den Blick nehmen. Es wird klar, wie tief das Verbrechen noch immer im kollektiven Gedächtnis verankert ist und wie die Perspektive der Opfer und Überlebenden oft ausgeklammert wird. Arslan fordert eine neue Form des Erinnerns, die nicht nur die Verbrechen anerkennt, sondern auch den Opfern und ihren Geschichten den Platz gibt, den sie verdienen.[1][2]

Hauptmitwirkende

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İbrahim Arslan ist Überlebender des rassistischen Brandanschlags von 1992 in Mölln und setzt sich gegen Rassismus aus der Perspektive der Betroffenen und ihrer Angehörigen ein. Mit seiner Methode des „Reclaim & Remember“[3] ermutigt er viele, nicht als passive Opfer aufzutreten und die Erinnerung an ihre oft traumatischen Erlebnisse einzufordern.

Hava Arslan warf während des Brandes ihren acht Monate alten Sohn aus dem Fenster und sprang ihm anschließend hinterher, wobei sie sich beide Beine brach.

Hintergrund

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Die „Möllner Briefe“ gelten als ein besonderes Zeitzeugnis der deutschen Geschichte und wurden in die Sammlung des Dokumentationszentrums und Museums über die Migration in Deutschland (DOMiD) aufgenommen. Sie dokumentieren das Entsetzen der Zivilgesellschaft über die rassistischen Brandanschläge Anfang der 1990er Jahre und das Mitgefühl mit den Betroffenen. Durch die Archivierung und Digitalisierung bei DOMiD werden die Briefe künftig der Forschung zugänglich gemacht, unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte.[4]

Bisher ist nicht bekannt, warum die Briefe den Familien laut deren Angaben nicht bekannt waren, obwohl diese im Stadtarchiv bewahrt und dort auch im Rahmen von Bildungsangeboten genutzt wurden. İbrahim Arslan: „Wenn wir damals von der Anteilnahme und Solidarität in der Gesellschaft gewusst hätten, hätte uns das damals geholfen und ein wenig Trost gespendet.“[4]

Für die Materialsammlung, die dem DOMiD von den Familien übergeben wurde, stammt der Begriff, den die Familien nutzen: die „Möllner Briefe“. Insgesamt handelt es sich um 467 Briefe, Postkarten, Trauerkarten und Zeichnungen. DOMiD hat das Konvolut Anfang 2021 in seine Sammlung aufgenommen und vollständig digitalisiert.[4]

In einem Artikel der Zeit wird beschrieben, wie nach dem Brandanschlag von Mölln die Briefe, die als Zeichen der Solidarität an die Familie Arslan geschickt wurden, vom Ordnungsamt gesammelt, geöffnet und gelesen wurden – auch solche, die direkt an die Familie adressiert waren. Die Stadtverwaltung antwortete darauf mit vorformulierten Schreiben und legte die Briefe ins Stadtarchiv, anstatt sie der Familie zu übergeben. Laut den Akten erhielt die Familie die Briefe nur teilweise, oft in Form von Kopien, und nicht immer im Original. İbrahim Arslan erfuhr erst 2016 von den „Möllner Briefen“, als eine Studentin das Stadtarchiv besuchte, um ihre Masterarbeit über die Anschläge in Mölln zu schreiben. Beim Durchsehen der Akten stieß sie auf die Briefe und nahm anschließend Kontakt zu Arslan auf.[5]

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Einzelnachweise

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  1. Die Möllner Briefe. In: berlinale.de. Abgerufen am 18. Dezember 2024.
  2. Die Möllner Briefe. In: inselfilm.de. Abgerufen am 18. November 2024.
  3. İbrahim Arslan, Gamze Kubaşık, Madlyn Sauer, Semiya Şimşek: Reclaim and Remember. Die NSU-Tribunale als solidarische Gerechtigkeitspraxis, Bundeszentrale für politische Bildung, 8. September 2023
  4. a b c DOMiD bewahrt Möllner Briefe auf. In: domid.org. Abgerufen am 18. Dezember 2024.
  5. Johanna Wagner: Die Briefe, die nie ankamen. In: zeit.de. 23. November 2022, abgerufen am 18. Dezember 2024.