Diskussion:Inselkeltische Sprachen

Letzter Kommentar: vor 8 Jahren von GiftBot in Abschnitt Defekter Weblink

Gliederung

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Ich habe die Gliederung der britannischen Sprachen von nord- vs. südbritannisch auf die weit gebräuchlichere Einteilung in nord-, west- und südwestbritannisch umgestellt. Findet hoffentlich EUre Zustimmung. --Breizhatavpilamiks 17:52, 16. Dez 2005 (CET) PS: Das Kornische ist nicht im Jahr 1777 ausgestorben, da die angeblich letzte Sprecherin, Dolly Pentreath, diesen Ruf nachweislich zu Unrecht trägt. Die Standardannahme ist, daß die letzten traditionellen Sprecher mit voller Kompetenz in den letzten beiden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts gestorben sind. Meist wird 1800 als Stichdatum angegeben, was ich in den Artikel übernommen habe.

Mit Deiner Einteilung gehst Du natürlich von einem relativ großen Abstand zwischen dem Walisischen und dem Kumbrischen aus. Es gibt Leute, die die Eigenständigkeit des Kumbrischen überhaupt bezweifeln. Ich selber denke, daß allein aufgrund der belegten Zahlwörter der sprachliche Abstand als halbwegs wahrscheinlich gelten kann (ich weiß nicht, was die Ortsnamen hergeben, aber die geographische Entfernung zwischen walisischem und kumbrischem Kernsprachgebiet spricht meiner Meinung nach auch eher für als gegen zwei Sprachen). Also – ich bin mit der Einteilung einverstanden, kann mir aber gut vorstellen, daß da andere kommen und nörgeln werden.
Das mit dem falschen Ruf der Dolly habe ich natürlich auch schon mal gehört (aber eher als ein "wahrscheinlich"), aber wodurch ist dieser nachweislich?? Beste Grüße, Netzrack.N 10:08, 19. Dez 2005 (CET)
Was das Kumbrische angeht, könnten wir ja in den Artikel einfügen, daß es offensichtliche (v.a. lexikalische) Übereinstimmungen zwischen dem Kumbrischen und Norwalisischen einer- und dem Südwalisischen, Kornischen und Bretonichen andererseits gibt, was sich ziemlich sicher als Rest des ursprünglichen britannischen Dialektkontinuums werten lässt. Damit sind die Nörgler hoffentlich ruhiggestellt...
D. Pentreath ist 1777 gestorben. Aus dem Jahr 1776 ist ein Brief eines kornischen Fischers namens Wella Bodinar an Daines Barrington (den englischen Antiquar, der die Dolly als "letzte Sprecherin" bekannt gemacht hat) erhalten. Den kornischen Text kannst du auf der kornischen Wikisource nachlesen, kurz zusammengefaßt ist der Inhalt: 1. Bodinar kann Kornisch, das er als Jugendlicher von seinem Vater und dessen Fischerkollegen gelernt hat 2. außer ihm leben in seinem Dorf noch vier oder fünf andere Personen, die die Sprache beherrschen. Bodinar selbst ist übrigens erst gegen Ende der 1780er gestorben. lg--Breizhatavpilamiks 11:03, 19. Dez 2005 (CET)
Sehr schön, danke! Viele Grüße, Netzrack.N 12:37, 19. Dez 2005 (CET)
P.S.: Ich sehe in der kornischen Wikisource nachher nochmal nach (und hoffe, wenigstens etwas zu verstehen). Also konnte der Herr Bodinar Kornisch nicht nur sprechen, sondern sogar schreiben?
Ungefähr so gut wie seine spätkornischen Zeitgenossen, ja. D.h. er hat es nie gelernt, aber es zumindest versucht: ohne fixe Regeln und unter Zuhilfenahme der neuenglischen Orthographie. [1] Nachdem der Brief recht kurz ist, geb ich gleich hier eine Übersetzung an (möglichst, aber nicht ganz, wörtlich, daher die verhatschte Syntax im Deutschen):
"Mein Alter ist 65. Ich bin ein armer Fischer. Ich habe Kornisch gelernt zur Zeit, als ich ein Junge war. Ich bin zur See gefahren mit fünf weiteren im Boot. Ich habe kaum jemals ein eiziges Wort Englisch auf dem Boot gehört - für eine ganze Woche. Ich habe nie ein kornisches Buch gesehen. Ich habe Kornisch gelernt, indem ich mit alten Leuten zur See gefahren bin. Es gibt nicht mehr als vier oder fünf in unserem Dorf, die jetzt Kornisch sprechen können, alte Leute von achtzig Jahren. Kornisch ist ganz vergessen von den jungen Leuten." lg --Breizhatavpilamiks 15:50, 19. Dez 2005 (CET)
Sehr schön, vielen Dank für die Übersetzung!! Immerhin lag ich bei einigen Vermutungen nicht ganz falsch. Das mit den fehlenden Regeln und dem englischen orthographischen Einfluß ist wohl zu erwarten. Danke nochmal, viele Grüße, Netzrack.N 16:21, 19. Dez 2005 (CET)

Sprachbeispiele

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Könnten sich vielleicht diejenigen, die die Sprachen oder zumindest eine oder zwei von ihnen sprechen (es muss ja nicht fließend sein), zusammentun und hier einige Sprachbeispiele einfügen? Der Artikel wäre wesentlich interessanter, wenn man in einer Tabelle einen Satz in allen dieser Sprachen findet. So kann auch der Laie wie ich Vergleiche anstellen.--Hannes2 Diskussion 19:29, 8. Okt 2005 (CEST)

Könnte ich machen, aber ich sage schon im voraus, dass die Ähnlichkeiten zwischen den goidelischen Sprachen einerseits und den brythonischen Sprachen andererseits selbst für einen gelehrten Linguisten nicht leicht zu erkennen sind. Innerhalb jeder Gruppe schon, aber die beiden Gruppen haben sich in den letzen zwei Jahrtausenden dermaßen unterschiedlich entwickelt, dass es wirklich schwierig ist, die Gemeinsamkeiten noch zu erkennen. Würden Einzelwörter Dir reichen, oder muss es unbedingt ein ganzer Satz sein? --Angr/ʁeːdə 20:07, 8. Okt 2005 (CEST)
Das klingt doch nach einer guten Idee von Hannes2. Und Sätze mit periphrastischen/Verlaufskonstruktionen bieten sich doch immer ganz gut an.
Vorschlag:
  • Tá mé ag foghlaim
  • Tha mi ag ionnsachadh
  • Ta mee ...?
  • Rydw i'n dysgu
  • Me zo o ...?
  • Korn.?
Mit knappen Erläuterungen. Wäre doch ganz nett. Grüße, Netzrack.N 15:46, 10. Okt 2005 (CEST)
Ich habe einfach mal eine Tabelle angefangen. Bin nicht ganz sicher, ob man sie nicht drehen sollte, so daß die Sprachen untereinander stehen. Glaube aber nicht. Trage ein, wer relevante Beispiele hat. Vielleicht sollte man eine Wort-für-Wort-Übersetzung und Lautschrift ergänzen. Dann werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten auch "Laien" deutlicher. Netzrack.N 16:22, 10. Okt 2005 (CEST)
Hi, sieht gut aus, aber clann/plant ist ein Lehnwort vom lateinischen planta, also kein Lautwandel /kw-/ -> /p/ im Walisischen, sondern Lautersatz /p/ -> /kw/ im Goidelischen. "Kopf" (ceann/penn) vielleicht, oder noch besser, ein Beispiel, wo die Konsonanten gleich sind in beiden Gruppen. --Angr/ʁeːdə 10:37, 11. Okt 2005 (CEST)
Also, MacBain hat für clann diesen Eintragsanfang: children, clan, so Irish, Old Irish cland, Welsh plant, *qlanatâ: Indo-European root qel. Nichts von lateinischem Lehnwort, wäre mir auch neu. Du denkst an /p/ > /kw/ wie evtl. in Cothriche < Patricius? Kann auch sein, wäre mir aber neu, und MacBain hat's auch anders. Wir können aber gern ceann/pen usw. als Beispiel nehmen. Beste Grüße, Netzrack.N 14:17, 11. Okt 2005 (CEST)
Ich weiß, aber Macbain ist leider nicht zu vertrauen, er ist ganz einfach verjährt. Das Buch wurde 1896 veröffentlicht, und die keltische Etymologie hat in den letzten 109 Jahren sich ziemlich weit entwickelt. Schon Pedersen hat gesagt, clann/plant ist vom Lateinischen, und modernere Wissenschaftler wie Watkins haben keinen Grund gesehen, dem zu wiedersprechen. Macbain ist ganz interessant, aber leider keine zuverlässige Quelle mehr--nicht nur bei clann/plant sondern überhaupt. --Angr/ʁeːdə 10:25, 12. Okt 2005 (CEST)
Oh, ich wußte zwar, daß der MacBain nicht neu ist, aber ich dachte nicht, "so sehr nicht neu"... Gut, dann halten wir's also mit Pedersen (der ja kaum ein paar Jahre jünger ist) und nehmen als Beispiel ceann. Grüße, Netzrack.N 10:30, 12. Okt 2005 (CEST)

Unpersönliche Form

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Ich hätte eine Bitte, ich habe gelesen, dass es in den keltischen Sprachen neben den geläufigen konjugierten Formen auch eine "unpersönliche" gibt, die in etwa dem Deutschen man+3sg entspricht. Dabei soll "das Subjekt" (ich nehme an, es ist das Agens gemeint) mit einer Präpositionalphrase (mit bei) ausgedrückt werden können. Wüsste jemand ein Beispiel (z.B. er lernt vs. man lernt, am besten im Walisischen)? Es geht mir darum, diese Konstruktion mit ihren Pendants in anderen Sprachen zu vergleichen, wo es Ähnliches gibt (Russisch, Litauisch). --Kotisch 15:15, 10 November 2005 (CET)

Hallo, Kotisch, mein Walisisch ist leider nicht so sicher, als daß ich hier genauere Ausführungen zur Grammatik riskieren würde. Im Irischen funktioniert das jedoch so:
  • caitear airgead – wörtl. "verbrauchen/ausgeben-unpers.Präs. Geld" = "jemand gibt (permanent/immer wieder) Geld aus" (auch passiv verstanden: "Geld wird ausgegeben")
  • tá airgead á chaitheamh ag an múinteoir – wörtl. "ist-jetzt Geld zu-seinem Verbrauchen/Ausgeben bei dem Lehrer" = "Geld wird vom Lehrer (jetzt gerade) ausgegeben"
  • bíonn airgead á chaitheamh ag an múinteoir – wörtl. "ist-permanent Geld zu-seinem Verbrauchen/Ausgeben bei dem Lehrer" = "Geld wird vom Lehrer (permanent/immer wieder) ausgegeben"
  • tá an t-airgead caite ag an múinteoir – wörtl. "ist das Geld verbraucht/ausgegeben bei dem Lehrer" = "Geld ist vom Lehrer ausgegeben worden" = "der Lehrer hat Geld ausgegeben".
Bei der ersten Variante wird üblicherweise kein Agens angegeben. Es ist eine unpersönliche, aktive Form, die jedoch meist passiv verstanden und übersetzt wird. Eine synthetische passive Form kennt das Irische schon lange nicht mehr.
Bei der zweiten und dritten Variante liegt tatsächlich eine Art analytisch gebildetes Passiv vor, dem ein Agens beigegeben werden kann (wie oben), aber nicht muss. Die Zeitformen werden dabei durch die Form des Verbs (hier , Präs. des Verlaufs/Moments, und bíonn, Präs. habil., unterschieden. Im Gegensatz dazu kann mit der ersten Variante nur die habituelle Bedeutung ausgedrückt werden (es sei denn mit zusätzlichen lexikalischen Mitteln, also Zeitadverbien o.ä.).
Wird bei der zweiten oder dritten Variante das Agens weggelassen (tá/bíonn airgead á chaitheamh), entspricht dies etwa dem deutschen "man gibt jetzt/permanent Geld aus", zugrunde liegt jedoch die "Sicht des Patiens" ("ich werde ausgegeben").
Bei der vierten Variante kann ebenfalls ein Agens angegeben werden, muss aber nicht. Die wahrgenommene Bedeutung dieser Variante ist jedoch eher die eines Perfekts (s. angegebene Übersetzung), im Grunde liegt dieser jedoch eine quasi-passive Konstruktion (Zustandsbeschreibung "aus der Sicht" des Patiens: "ich bin ausgegeben") zugrunde.
Hilft das etwas weiter? Beste Grüße, Netzrack.N 16:37, 10 November 2005 (CET)
P.S.: Vollständige Standardparadigmen (in den Dialekten werden zum Teil mehr oder weniger synthetische Formen benutzt) zweier irischer Verben finden sich (samt unpersönlicher Formen) unter Irische Sprache. Netzrack.N 16:41, 10. Nov 2005 (CET)
Hallo, vielen Dank für die Erklärung! Ich denke, ich habe die Muster 2 und 3 gemeint. Ist wirklich interessant. Zur ersten Variante fällt mir ein, dass Ähnliches im Polnischen vorkommt (allerdings nur im Perfekt), dort gibt es eine der Form nach unikale Variante von Verben, die verwendet wird, wenn kein Agens im Spiel ist. Mich hat aber die Realisierung des Agens durch eine PP mit bei interessiert. Ich habe bisher gedacht, dies wäre ein Unikum des baltischen Sprachbundes. Im weißrussichen Litauisch braucht man sogar keine PP, weil sie noch den Adessiv haben (manip visa padaryta "bei-mir alles getan=ich habe alles getan"). Weiters ist interessant (aus Sicht der baltischen und slawischen Sprachen), dass dabei das direkte Objekt im Nominativ steht (es besteht nämlich keine Kongruenz mit dem Verb). Nochmals vielen Dank! --Kotisch 18:22, 10 November 2005 (CET)
Ich muß nachfragen – was ist der baltische Sprachbund? Die baltischen Sprachen zusammen mit den dort gesprochenen Varianten von slawischen Sprachen (oder gar mit den angrenzenden ostseefinnischen Sprachen), die sich sicher gegenseitig beeinflußt haben? Ich habe jedoch von einem solch starken Einfluß noch nie etwas gehört, als daß der Begriff "Sprachbund" gerechtfertigt wäre. Allerdings kenne mich mit diesen Sprachen aber auch kaum aus. Und – wenn es diesen Sprachbund gibt, wäre er dann nicht einen schönen Artikel in der Wikipedia wert?
Übrigens steht in den Varianten 2, 3 und 4 oben das logische direkte Objekt ebenfalls im Nominativ, weswegen die Grundbedeutung die "Sicht des Patiens" kennzeichnet. Die fehlende Kongruenz zwischen Substantiv und Verb bezieht sich in allen inselkeltischen Sprachen (und möglicherweise auch in den festlandkeltischen) auf Subjekt und Verbform. Entweder werden synthetische Verbformen benutzt (nur bedingt im Irischen und im Walisischen, in den anderen Sprachen nur vereinzelt), wenn jedoch analytische Bildungen benutzt werden, ist die Verbform für alle Genera, Numeri und Personen gleich, unabhängig davon, ob ein Personalpronomen oder ein Substantiv folgt:
  • caitheann tú – "du wirfst"
  • caitheann siad – "sie werfen"
  • caitheann an cailín – "das Mädchen wirft"
  • caitheann na buachaillí – "die Jungen werfen"
Das Verb ist das gleiche, caith (Imperativ/Stamm, Infinitiv gibt es nicht). Es bedeutet je nach Kontext "verbringen", "verbrauchen", "ausgeben", "werfen". Also, beste Grüße nochmal, Netzrack.N 10:48, 11. Nov 2005 (CET)
Der baltische Sprachbund umfasst die ostbaltischen Sprachen, die finno-ugrischen im Baltikum (Estnisch, Livisch) und einige weißrussische und russische Dialekte. Auf dem Gebiet des Sprachbundes lebten früher nur Balten (Ostbalten und zum Teil Dniepr-Balten), nach dem Zuzug der Slawen assimilierten sich zwar die Balten, das baltische Substrat ist aber auf allen sprachlichen Ebenen deutlich zu erkennen, neben dem Wortschatz vor allem in der Syntax. Wenn man einen Alpensprachbund (Alemannisch/Südbairisch und Rätoromanisch) aufstellen kann, geht ein baltischer auch, oder :-) (Ich spreche keine finno-ugrische Sprache, aber die Parallelen zwischen Baltisch und Slawisch im Baltikum und östlich/südöstlich davon sind erstaunlich.)
Ich weiß, dass in den Beispielen das Patiens im Nom. steht, merkwürdig ist er im diesem Kontext eher in den slawischen Übersetzunen. Bei solchen Partizipien besteht immer eine Kongruenz zwischen Patiens und Verb, wenn es keine Kongruenz gibt, muss es im Akkusativ stehen (rus. korova podoena /korovu podoeno "die Kuh wurde gemolken"). Unter baltischen Einfluss sagt man aber auch korova podoeno, also Nom.+unpers. Partizip. Andererseits haben die Litauer die slawische Form übernommen (in einigen Dialekten), die wiederum in der litauischen Schrifsprache ungrammatisch ist. Sätze mit unpersönlichen Partizipien (bzw. sächlichen im Lit.), die der Form nach passiv sind, werden nicht als solche empfunden (dabar šokama "jetzt wird getanzt/man tanzt jetzt") im Unterschied zur possessiven Satzkonstruktion: tėvo/tėvie(e)p miegama (die Form auf -i(e)p - den Adessiv - gibts nur in alten Sprachdenkmälern und in Weißrussland; wörtlich: "vom Vater wird geschlafen", unmarkiert tėvas miega). Gruß --Kotisch 13:47, 11 November 2005 (CET)
Das klingt ziemlich spannend. Diese Konstruktion "vom Vater wird geschlafen" (sicher als PP, nicht im Adessiv) kommt mir irgendwie vertraut vor, ich bin mir nur nicht so sicher, wo ich ähnliches schon gesehen habe. – Wenn Du etwas Zeit hast, schreib doch mal bei Gelegenheit einen Artikel zum baltischen Sprachbund, mich zumindest würde es interessieren. Beste Grüße, Netzrack.N 14:16, 11. Nov 2005 (CET)
Die Konstruktion ist aber seltsam, oder? BTW tėvo ist Genitiv, der wird heute noch verwendet. Zum baltischen und Alpensprachbund gibts ein paar Zeilen unter Sprachbund. Gruß --Kotisch 14:19, 11 November 2005 (CET)
In der Tat, ja. Die üblichen Genitivfunktionen partitivus, possessivus usw. kommen kaum in Frage, oder?. Die Erscheinung paßt allenfalls in das allgemein abweichende Bild einiger Konstruktionen im Russischen, etwa die Umschreibung für den Besitz (u menja/t´ebja jest...). Womit wir fast wieder bei den keltischen Sprachen wären. Die haben allesamt keine oder fast keine Modalverben. Wird alles mit Präpositionen oder anderer Lexik umschrieben (Fälle gibt's nur noch rudimentär). Grüße, und danke für den Hinweis auf die Seite zum Sprachbund, Netzrack.N 14:58, 11. Nov 2005 (CET)
Ja, in diesem Fall ist die Funktion des Genitivs eben das Agens (im Standardlitauisch), in den slawischen Sprachen ist es meist der Instrumentalis (oder PP), in anderen alten IE Sprachen waren es auch einfache Fälle (keine PP). Ist vermute, im Baltischen ist es der Genitiv, weil er mit dem Ablativ zusammengefallen ist. Die russische Umschreibung u menja etc. ist sehr interessant, weil ihr Funktionsbereich sehr breit und vag ist, von u menja est (ich habe) über on sprosil u menja (er fragte mich) bis zum Agens (s.o.). Ein "Kasus universalis" sozusagen. Im Ostbaltischen war es sehr ähnlich, außer das sie den Adessiv hatten und daher keine Präposition nötig war. Die keltischen Sprachen sind auch sehr interessant, ich lerne jetzt Walisisch, habe aber wenig Zeit, so dass es noch lange dauern wird, bis es was nützt. Gruß --Kotisch 15:17, 11 November 2005 (CET)

Die ag- (bei-)Konstruktion ist im Irischen ähnlich variabel konnotiert:

  • (wie oben): tá sé déanta agam – "ist es gemacht bei-mir" = "ich habe es gemacht"
  • tá leabhar agam – "ist Buch bei mir" = "ich haben ein Buch" (es gibt bestimmte, aber keine unbestimmten Artikel - die gibt's nur im Bretonischen)
  • tá Gaeilge agam – "ist Irisch bei-mir" = "ich kann Irisch"
  • tá ceol agam – "ist Musik bei-mir" = "ich kann Musik machen"
  • usw.

Eine Präposition für das Agens, Besitz (nicht jedoch Eigentum), Fähigkeiten. Letztendlich kann man das jedoch alles unter Sprachökonomie verbuchen. Grüße, Netzrack.N 15:34, 11 November 2005 (CET)

Gibt es eigentlich noch Fälle in den heutigen keltischen Sprachen? Ich meine Deklination mit eigenen Formen (Suffixen?). Gruß --Kotisch 16:50, 11. Nov 2005 (CET)
In rudimentärer Form schon. Für's Irische: Durch morphologisch-phonologische Veränderungen im Altirischen (vor allem Synkope und Apokope) sind viele eigentliche Suffixe jedoch schon im Altirischen weggefallen, nicht jedoch ohne Spuren zu hinterlassen (Palatalisierung des Auslauts, Stammvokaländerungen durch Vokalharmonie). Heute sieht das ähnlich aus.
Allerdings sind nur noch der Genitiv und der Vokativ verbreitet, und auch die "haben es schwer" zu überleben. In Munster ist ab und zu der Dativ in Gebrauch (vor allem im Plural: Endung -(a)ibh – vgl. lat.-ibus), ansonsten gibts den Dativ nur in festen Phrasen. Der Akkusativ äußert sich gelegentlich im Wegfall des t- Vorschlags zwischen Artikel und mit Vokal beginnendem Substantiv (an t-athair - "der Vater", Chonaic mé an athair - "ich sah den Vater"). Die meisten Sprecher setzen mittlerweile aber auch hier das t- dazwischen, obwohl es historisch dort nicht hingehört.
Beispiele im Singular für heutiges Irisch in der Tabelle:
  an ceann,
mask.
"der Kopf",
"das Ende"
an t-athair,
mask.
"der Vater"
an feirmeoir,
mask.
"der Bauer"
an lacha,
fem.
"die Ente"
an chathair,
fem.
"die Stadt"
an fhearthainn,
fem.
"der Regen"
an bhean,
fem.
"die Frau"
Nominativ an ceann an t-athair an feirmeoir an lacha an chathair an fhearthainn an bhean
Vokativ a chinn a athair a fheirmeoir a lacha a chathair a fhearthainn a bhean
Akkusativ an ceann an athair
meist an t-athair
an feirmeoir an lacha an chathair an fhearthainn an bhean
Genitiv an chinn an athar an fheirmeora na lachan na cathrach na fearthainne na mná
Dativ (ar) chionn (leis) an
athair
(leis) an
bhfeirmeoir
(leis) an
lacha
(leis) an
gcathair
(leis) an
bhfearthainn
(leis) an
mbean
Zum Dativ: "leis" heißt "mit", ohne Präposition gibt es den Dativ nicht. Im Grunde gibt es folgende Möglichkeiten der Genitivbildung:
  • durch Palatalisierung (ceann)
  • durch (ggf.) Palatalisierung plus Endung -e (fearthainn)
  • durch (ggf.) Ent-Palatalisierung plus Endung -a (feirmeoir)
  • ohne Änderung (kein Beispiel oben, an cailín > Gen. an chailín ("das Mädchen")
  • Nutzung der alten Konsonantenstämme (lacha, cathair)
  • unregelmäßige Bildung (bean)
Vokativformen habe ich zwar angegeben (nun ja, für Dinge, vielleicht nicht so sinnvoll...) eigene Formen gibts auch kaum noch. Meist wird lediglich leniert, männliche Namen zusätzlich palatalisiert Séamus > a Shéamuis. Daher der schottische Name Hamish. Mündlich wird der Vokativ oft ganz ignoriert.
Im Schottisch-Gälischen sieht es ähnlich aus, nur besitzt, soweit ich weiß, der Dativ noch seltener eine eigene Form. Wie im Irischen wird vieles nur über die Mutation und die Syntax markiert. Im Walisischen und den anderen britannischen Sprachen gibts offenbar gar keine Fälle mehr (außer in wenigen stehenden Wendungen). Im Walisischen wird zumindest das bestimmende Substantiv einfach an das bestimmte Substantiv angehängt.
War etwas ausführlich, ich hoffe, das ist in Ordnung, beste Grüße, Netzrack.N 11:17, 14. Nov 2005 (CET)
Vielen Dank für die detailliierte Erklärung! Gruß --Kotisch 10:23, 18. Nov 2005 (CET)
Gern geschehen. Beste Grüße, Netzrack.N 11:51, 18. Nov 2005 (CET)
Interessante Diskussion. Ich hab mal einen Aufsatz zur Herkunft der indoiranischen Ergativkonstruktion gelesen. Im Altindischen bzw. klassischen Sanskrit wurde diese wie ein Passiv mit dem Täter im Ablativ konstruiert, im Neupersischen kann man indirekt noch sehen, und im Altpersischen sogar noch direkt, daß hier ursprünglich der Genitiv verwendet wurde; dies ist wohl auch für andere (vor allem west)iranische Sprachen zu erschließen. Die Konstruktion mit dem Genitiv soll im Indoiranischen alt sein und ursprünglich eine evidentiale Sinnkomponente gehabt haben - "von/bei mir (ist) ein geschriebener Brief (ergänze: zu sehen)" -, die verloren ging, als diese Konstruktion in transitiven Sätzen im Präteritum allgemein gebraucht wurde und die alten indogermanischen Vergangenheitsformen verdrängt hat.
Der Bezug zu Genitivus/Dativus/Locativus-possessivus-Formen wie im Lateinischen, Finnischen oder Russischen ist klar zu erkennen, und in Sprachen mit einem aktiv konstruierten Possessivverb gibt es Perfekt/Präteritumformen, die dem entsprechen, aber vertrauter aussehen: gesprochenes Latein habeo litteram scriptam, aus dem sich das haben-Perfekt in vielen europäischen Sprachen entwickelt hat. Gerade diese litauische Konstruktion sieht aber praktisch genauso wie die indoiranische aus, praktisch eine ergativisch funktionierende Konstruktion, nur mit dem Täter im Lokativ, was für mich nahelegt, daß der fürs Altindoiranische postulierte evidentiale Nebensinn hier ebenfalls mitschwingt.
Eine marginale Konstruktion im Deutschen, die an die indoiranische Ergativkonstruktion erinnert, wurde in dem Aufsatz übrigens auch erwähnt: "Mir ist der Stift runtergefallen" - für Mißgeschicke. :) Florian Blaschke 20:31, 29. Mär. 2008 (CET)Beantworten
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GiftBot (Diskussion) 15:01, 4. Dez. 2015 (CET)Beantworten