Diskussion:Parrhesia

Letzter Kommentar: vor 3 Jahren von 2A02:8108:4940:22C:6D11:115:676C:619D in Abschnitt Parrhesie bei Hegel

Wahrheit

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Wer sich mit Foucault auch nur oberflächlich beschäftigt weiß, dass für ihn Wahrheit kein "übernatürliches" Ding ist oder ein Prädikat, dass manchen Sachverhalten quasi von Natur aus innewohnt und anderen eben nicht, sondern vielmehr eine Eigenschaft bzw. Status, welche durch Macht einem spezifischen Wissen verliehen wird (und aus dem wiederum Machtbeziehungen hervorgehen können). Ich sehe hier ein Problem zu dem im Artikel vorgestellten Konzept der Parrhesia, denn wenn man Wahrheit derart "opfert" (und ich meine das nun in keinster Weise kritisch - ich empfinde Foucaults Perspektive als einleuchtend und nicht zu verwechseln mit dem relativistischen Blabla mancher KonstruktivistInnen), dann stellt sich eine derart simple Ode an die Wahrheit als beinahe einziger Bedingung für die Parrhesia problematisch dar.

Liebe Grüße

Nico

nicolas.lamoure@live.de (nicht signierter Beitrag von 87.155.117.18 (Diskussion) 01:57, 2. Mär. 2013 (CET))Beantworten

Rafael Capurro hat eine schöne Interpretation dazu: http://capurro.de/parrhesia.html Vielleicht finde ich in den nächsten Wochen einmal Zeit, den Artikel zu überarbeiten, der Begriff wird ja wieder aktuell. (sak)

Übersetzung

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Gibt es eine "offizielle" Übersetzung von dieses:

Foucault sums up the Ancient Greek concept of parrhesia as such:

"More precisely, parrhesia is a verbal activity in which a speaker expresses his personal relationship to truth, and risks his life because he recognizes truth-telling as a duty to improve or help other people (as well as himself). In parrhesia, the speaker uses his freedom and chooses frankness instead of persuasion, truth instead of falsehood or silence, the risk of death instead of life and security, criticism instead of flattery, and moral duty instead of self-interest and moral apathy."

(Discourse and Truth: the Problematization of Parrhesia. (six lectures given by Michel Foucault at the University of California at Berkeley, Oct-Nov. 1983))

--WiseWoman 14:58, 18. Feb 2006 (CET)

Ich würde es als engliches Zitat in den Artikel einbringen bis es in Deutsch vorhanden ist.--Ot 15:32, 18. Feb 2006 (CET)

Gab es das Konzept der Redefreiheit schon im antiken Griechenland?

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Gab es überhaupt schon so etwas wie "Redefreiheit" im alten Griechenland? Oder zumindest eingeschränkt?

Ja klar, warum nicht? Die Parrhesia war ein Wert, auf den die Athener stolz waren und der in Enkomien auftaucht. Wie kommst du darauf, dass es nicht so sein könnte? --Antiphon 17:09, 13. Sep 2006 (CEST)

Ist die Idee der "Parrhesia" mit der späteren Idee von "Freedom of Speech" vergleichbar? Gab es schon im antiken Griechenland Konflikte in der Art wie z.B. "Kritik der Religion", bzw. "Verspottung der Religion" vs. "Parrhesia", wo dann abgewogen werden musste?

Nein, "Freedom of Speech" ist ein (meines Wissens) vielfach entpolitisierter Begriff, der sich auf die freie Meinungsäußerung in Zeitungen oder sonstwo bezieht, während das Recht der offenen Rede ("Parrhesia") speziell auf das Auftreten von Bürgern in der Volksversammlung verweist (Dass Nicht-Bürger, Sklaven und Frauen nicht reden konnten war damals in etwa so selbstverständlich, wie heutzutage, daß Hunde kein Wahlrecht haben). Diese Redefreiheit ("Parrhesia" bedeutet allgemein überhaupt "offen und frei reden", so wie etwa wenn pikante Details in privater Runder erzählt werden, gemeint ist also DIE Parrhesia) ist nicht gleichzusetzen mit Meinungsfreiheit, die, wie so vieles, überhaupt nicht geregelt war. Gerade was religiöse Fragen angeht, gibt es aus Athen die Asebieprozesse, bei denen allerdings nie das bloße Lästern, sondern konkrete Verletzungen (Umwerfen der Hermen, Nachäffen der Mysterien, Verderben der Jugend) vorgeworfen wurden. Einen Vergleich zu heute zu finden, einen passenden Begriff, ist wegen der repräsentativen Demokratie schwer, das Recht in Athen mit nicht mehr als 200 000 Bürgern umzusetzen war schwer genug, in einer modernen Demokratie ist es nicht möglich. Vielleicht das Recht der Parteiengründung wäre vergleichbar, aber auch das ist ja nicht ohne Einschränkung. --Antiphon 02:51, 22. Sep 2006 (CEST)

Die Kritik ist völlig richtig: Die "parrhesia" bezeichnet gerade nicht die (ordentliche) bürgerliche Redefreiheit (die Wahrnehmung des Rederechts, die "isegoria"). Parrhesia heißt die verbale Intervention, die darüber hinausgeht: das Dazwischengehen oder Dazwischenplatzen, die Rede, in welcher sich jemand außerhalb der öffentlich akzeptablen Formen (dennoch) öffentlich äußert. Der Anfang des Artikels sollte unbedingt geändert werden.

Athyroglossos

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Wäre es vielleicht noch sinnvoll, die Antipode zur Parrhesia hier auch einzufügen? Athyroglossos bzw. der athuroglossos oder athurostomia. Steht ebenfalls in dem "Diskurs und Wahrheit"-Buch (64 ff.) Hier so eine kurze Zusammenfassung: Athyroglossos kommt von dem griechischen Wort "Zunge" und "Tür"; es verweist wörtlich auf jemanden, der eine Zunge hat, aber keine Tür. Daher bezeichnet es jemanden, der seinen Mund nicht halten kann. "[Wer] seinen Mund ohne Tür lässt, der muss die Rede gering schätzen." (Plutarch: über die Geschwätzigkeit, 503c). Als athturoglossos kann jene Gelegenheiten, bei denen man sprechen sollte nicht von jenen unterscheiden, bei denen man schweigen sollte; wenn man seine eigenen Angelegenheiten nicht von denen anderer abgrenzen kann; wenn man sich in die Angelegenheiten anderer einmischt. Man hat dann auch "keinen Blick für den vernünftigen Diskurs als ein Mittel, Zugang zur Wahrheit zu bekommen." Athyroglossos ist somit ungefähr gleichbedeutend mit parrhesia in ihrem abschätzigen Sinne aufgefasst und genau das Gegenteil vom positiven Sinn der parrhesia, weil es ein Zeichen von Weisheit ist, parrhesia zu gebrauchen, ohne in die Geschwätzigkeit eines Athyroglossos zu verfallen(Diskurs und Wahrheit S. 66)" (Hervorhebungen von mir)--78.51.7.50 19:22, 25. Jul. 2010 (CEST)Beantworten

Überarbeitungsbedürftig

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Die Bedeutungen von Parrhesia (und dt. Parrhesie) hängen stark ab von Epoche und Kontext, der Artikel gibt einleitend nur die Bedeutungen "Redefreiheit oder über alles sprechen" an und umkreist dann in ziemlich unbeholfenen Ausführungen ("durch unsere modernen cartesianischen Modelle des Beweiszwanges getrübt") und Beispielen ("ein Schüler, der die Wahrheit seiner Lehrerin gegenüber ausspricht") einzelne Aspekte von Foucaults (erheblich umfassenderer) Beschäftigung mit diesem Begriff.

Der Leser eines solchen Artikels benötigt aber eine sprachliche Erklärung, geschichtliche orientierung über den klassischen profanen (polit., ethisch-moral., rhetor.) und den seit der Septuaginta auch religiösen Gebrauch, über die Adaptionen im Sprachgebrauch der Aufklärung, bessere Information nicht zuletzt auch über die historisch-ploitische Analyse des Begriffs, die Foucault vorgelegt hat, außerdem mindestens einen Verweis auf die abgeleitete Sonderbedeutung in der Musiktheorie. Literatur:

  • Dietrich Bartel, Musica Poetica. Musical-Rhetorical Figures in German Baroque Music, Lincoln (Nebr.)/London: University of Nebraska Press, 1997, p.352ff.
  • Gerard J. M. Bartelink, Quelques observations sur παρρησία dans la littérature paléo-chrétienne, in: Graecitas et Latinitas christianorum primaeva, Supplementa 3 (Nijmegen 1970), p.5-57
  • Gerard J. M. Bartelink, Die parrhesia des Menschen vor Gott bei Johannes Chrysostomus, in: Vigiliae Christianae 51 (1991), p.261-272
  • Lodewijk Jozef Engels, Art. "Fiducia", in: Reallexikon für Antike und Christentum, Bd. 7, 876f.
  • Lodewijk Jozef Engels, Fiducia dans la Vulgate. Le problème de traduction παρρησία-fiducia, inn: Graecitas et Latinitas christianorum primaeva, Supplementa 1 (Nijmegen 1964), p.97-141
  • Michel Foucault Die Regierung des Selbst und der anderen. Vorlesung am Collège de France 1982/83, aus dem Französischen von Jürgen Schröder. Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main 2009.
  • Michel Foucault: Der Mut zur Wahrheit: Die Regierung des Selbst und der anderen II. Vorlesung am Collège de France 1983/84, aus dem Französischen von Jürgen Schröder. Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main 2010.
  • Pier Angelo Gramaglia, La parrhesia neotestamentaria, in: Giuseppe Galli (Hrsg.), Interpretazione e sincerità: 16. colloquio sulla interpretazione, Macerata 3-4 aprile 1995, Pisa: Giardini, 1996, p.45-89
  • Reinhold Hülsewiesche, Redefreiheit, in: Archiv für Begriffsgeschichte 44 (2002), p.103-143
  • Anne Lorenz, Rede, Freiheit, Frechheit. Das Verhältnis vom Begriff der "parrhesia" zum rhetorischen Verfahren der "licentia", Magisterarbeit, Univ. Tübingen, Seminar für Allgemeine Rhetorik, 2007 Online-Version
  • Giuseppe Scarpat, Parrhesia. Storia del termine e delle sue traduzioni in latino, Brescia: Paideia, 1964
  • Giuseppe Scarpat, Parrhesia greca, parrhesia cristiana, Brescia: Paideia, 2001 (= Studi biblici, 130)

Zu Foucault:

  • Lorenzo Bernini (Hrsg.), Michel Foucault. Gli antichi e i moderni. Parrhesìa, Aufklärung, ontologia dell'attualità, Pisa: ETS, 2011 (= Polis, 1)
  • Petra Gehring, Andreas Gelhard (Hrsg.), Parrhesia: Foucault und der Mut zur Wahrheit, Berlin/Zürich: Diaphanes, 2012
  • Saly Wellausen: Michel Foucault: 'parrhesia' e cinismo, in: Tempo social [São Paulo] 8,1 (1996), p.113-125

--Otfried Lieberknecht (Diskussion) 12:12, 16. Mai 2012 (CEST)Beantworten

einseitig

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Der Artikel behandelt einseitig die Sonderbedeutung bei Foucault. Diese ist aber nicht die einzig mögliche. Es kann hier auch nicht darum gehen, was man selbst für überzeugend hält. Zunächst ist der Sprachgebrauch nachzuzeichnen.

Im biblischen Kontext meint parrhesía etwas anderes, vgl. z.B. Papst Franziskus: "Zugleich bedeutet Heiligkeit auch parrhesía: sie ist Wagemut, ist Antrieb zur Evangelisierung, die eine Spur in dieser Welt hinterlässt. Damit das möglich ist, kommt Jesus selbst uns entgegen und sagt uns einmal mehr mit Gelassenheit und Entschlossenheit: »Fürchtet euch nicht!« (Mk 6,50). »Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,20). Diese Worte helfen uns, voranzuschreiten und zu dienen mit jener Haltung voller Mut, die der Heilige Geist in den Aposteln weckte und die sie antrieb, Jesus Christus zu verkünden. Wagemut, Enthusiasmus, mit Freimut sprechen, apostolischer Eifer – all das ist im griechischen Wort parrhesía enthalten, dem Wort, mit dem die Bibel auch die Freiheit einer Existenz ausdrückt, die offen ist, weil sie für Gott und für die anderen verfügbar ist (vgl. Apg 4,29; 9,28; 28,31; 2 Kor 3,12; Eph 3,12; Hebr 3,6; 10,19).
130. Der selige Paul VI. erwähnte unter den Hindernissen für die Evangelisierung gerade den Mangel an parrhesía: »den Mangel an Eifer, der umso schwerwiegender ist, weil er aus dem Innern entspringt«.[103]"
Gaudete et exsultate [1]
--Karl-Hagemann (Diskussion) 10:44, 1. Mai 2018 (CEST)Beantworten

Parrhesie bei Hegel

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Neben den an Foucault u.a. diskutierten Elementen der Parrhesie sei auf Hegels Auslegung der affirmativen Seite der Verkündigung des Reiches Gottes durch Jesus Christus als "reinste, ungeheuerste Parrhesie" hingewiesen. In diesem Sinne beurteilt er die Worte Jesu "im Anfang der Bergpredigt" als "vom Größten, was je ausgesprochen ist; sie sind ein letzter Mittelpunkt, der allen Aberglaube, alle Unfreiheit des Menschen aufhebt" G.W.F. Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Religion II, Werke Band 17, Frankfurt am Main 1986, 281f.


Hartmut Traub 26.05.2021. 17.10 Uhr (nicht signierter Beitrag von 2A02:8108:4940:22C:6D11:115:676C:619D (Diskussion) 17:10, 26. Mai 2021 (CEST))Beantworten