Ich finde den Begriff "Sudansprachen" in diesem hier gezeigten Sinne etwas irreführend aus folgenden Gründen:

1. hier werden Sprachen aus 3 völlig unterschiedlichen Sprachfamilien zusammengefasst (z.B. die Tschadsprachen, die der afro-asiatischen Familie zugehören, Sprachen aus der nilo-saharanischen Familie (nilotische Sprachen) sowie Sprachen aus der Niger-Kongo-Familie). Wie diese genetisch zusammenhängen sollen, bleibt unklar, zumal der Ansatz von Westermann wohl kaum noch aktuell sein dürfte.

2. gemäss Ethnologue versteht man unter den Zentralsudanischen Sprachen (Central Sudanic) nicht die Tschadsprachen, sondern eine ganz andere Gruppe, zu der z.B. das Mangbetu (NO-Kongo) und die Bongo-Bagirmi-Gruppe (Tschad, Zentralafrika) gehören. Die Tschadsprachen (mit Hausa als wichtigstem Vertreter) sind afro-asiatisch, während Central Sudanic im Sinne von Ethnologue eindeutig nilo-saharanisch ist.

Zusätzliche Verwirrung entsteht dadurch, dass hier der Begriff "Sudan" im Sinne eines riesigen geographischen Gebiets verstanden wird, nicht im Sinne des Staates Sudan. Natürlich wäre es korrekt zu sagen, dass in diesem Grossraum all diese Sprachen gesprochen werden, bloss wird suggeriert, dass diese über den Westermannschen Ansatz zusammenhängen. Dagegen teilt man heute all diese Sprachen in 3 verschiedene Familien ein (siehe oben).

Der Link, von dem man auf diesen Abschnitt stösst, kommt von Tschad (Staat). Dort steht, dass 65 % der Bevölkerung des Tschad diese "Sudansprachen" sprechen. Diese Aussage ist jedoch recht wenig informativ, wenn man bedenkt, - dass all diese Leute Sprachen aus drei völlig verschiedenen Sprachfamilien sprechen, und - dass der Begriff "Sudansprachen" weder spezifisch etwas mit dem Staat Sudan noch dem Staat Tschad zu tun hat, sondern gewissermassen ein Sammelsurium verschiedenster Sprachen in einem riesigen geographischen Gebiet ist (man bedenke, dass Cross River bis igboid in Nigeria (!) gesprochen werden), die nach heutiger Einteilung nicht einmal zusammenhängen.

Insgesamt gesehen müsste sowohl der 65%-Eintrag unter Tschad (Staat) differenziert werden als auch dieser Eintrag hier überarbeitet werden, insbesondere "Zentralsudanische Sprachen" (der Begriff "Westsudanische Sprachen" für Sprachen, die u.a. in Nigeria gesprochen werden ist auch etwas obskur; dagegen ist die Zuordnung der nilotischen Sprachen zu den "Ostsudanischen Sprachen" durchaus korrekt). Desweiteren wäre ein aktuellerer linguistischer Beitrag als Westermann/1911 auch ganz nett. Dennoch bleibt im positiven Sinne zu sagen, dass der Beitrag deutlich macht, wie heterogen die Sprachen in diesem Gebiet sind.

freundliche Grüße, Olli

--Olli M 20:38, 3. Sep 2006 (CEST)

der Begriff "Sudansprachen" kommt nicht von Sudan, sondern von der Großlandschaft Sudan ... in alter Literatur wird Sudan immer für Großlandschaft Sudan verwendet, daher auch der Name Sudansprachen für die Sprachen in dieser Großlandschaft - beantwortet das deine Frage? -- Sven-steffen arndt 21:41, 3. Sep 2006 (CEST)

Hallo Sven-Steffen, ja, das ist mir bewusst (das hatte ich auch schon so aufgefasst). Das Ganze ist nur noch etwas komplizierter, denn auch Ethnologue kennt "Central Sudanic" und "Eastern Sudanic" als Sprachgruppen (nicht auf den Staat Sudan bezogene!). Bloss fiel mir auf, dass z. B. "Central Sudanic" in diesem Sinne nicht deckungsgleich ist mit den hier aufgezeigten zentralsudanischen Sprachen.

http://www.ethnologue.com/show_family.asp?subid=91356

--Olli M 00:47, 9. Sep 2006 (CEST)

ich informiere mal jemanden, der sich etwas besser damit auskennt als ich ... Sven-steffen arndt 10:12, 9. Sep 2006 (CEST)
Das kann man zwar nicht sagen, aber ich bin mir trotzdem sicher, dass die Einteilung Westermanns veraltet ist. Er stützte sich auf die "Misch-Negersprachen" von Lepsius, dem zufolge alle erwähnten Sprachen einen gemeinsamen Ursprung hätten. Bald erkannte er allerdings, dass die Sudansprachen, von denen er bereits zuvor östliche Sprachzweige abgetrennt hatte, nicht genetisch verwandt seien, sondern eine "gemeinsame Grundhaltung" hätten. Die Gemeinsamkeiten fasste er im Ursudanischen zusammen. Diese Ursprache wird heute nicht mehr beachtet, und da in der heutigen Literatur die Sudansprachen nicht erwähnt werden, ist deren Zusammengehörigkeit heute wohl fraglich. Ob die zwei Sprachzweige von ethnologue sich auf die Sudansprachen Westermanns beziehen, weiß ich nicht. --Bohr ΑΩ 13:33, 9. Sep 2006 (CEST)

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