Diskussion:Zigeuner/Archiv/004

Letzter Kommentar: vor 12 Jahren von Kiwiv in Abschnitt Politische Korrektheit
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"Fahrendes Volk" in die Einleitung?

Also ich muss auch sagen, die Einleitung schafft beim derzeitigem Stand nicht annähernd, zu erklären, worum es geht. Dass ihr das m. E. nicht unwesentliche Zigeunerbild in der europäischen Kunst inzwischen vollständig aus dem Artikel gelöscht habt, ist auch peinlich - aber vielleicht darf es die ganze mal im Artikel vorhandene – zweifellos so relevante wie belegbare – Kulturgeschichte zu dem Begriff vor lauter Gutgemeintheit auch nicht geben. -- Pitichinaccio 23:44, 7. Feb. 2011 (CET)Beantworten
Der Revert mit dem Hinweis auf die Diskussionsseite [1] ist putzig. Es gab dazu schon eine Diskussion: jedoch ganz woanders und mit jemandem, von dem ich jetzt annehmen muss, dass er sich hinter einer IP versteckt hat. Wenn ja, bin ich jetzt natürlich extrem enttäuscht. ≡c.w 15:34, 20. Feb. 2011 (CET)Beantworten
Also die IP, die mit Charly Whisky diskutiert hat, bin ich. Möchte aber klarstellen, dass ich mit dem Revert nicht das geringste zu tun habe. Ich wäre eher den Weg gegangen, Charly eine Umformulierung vorzuschlagen und erstmal einen Konsens zu erzielen. Da ist irgendwer anders mit dem Holzhammer hergekommen... --80.141.207.147 01:08, 21. Feb. 2011 (CET)Beantworten

Und ich bin der böse Bube, der gestern in einem "Schnellschuss" das fahrende Volk neu einfügte. Nach dem Durchlesen der Disku hier Benutzer_Diskussion:Charly_Whisky#Zigeuner bin ich noch auf folgende Weiterungsideen gekommen: „Zigeuner“ ist eine seit dem 15. Jahrhundert im deutschen Sprachraum belegte Fremdbezeichnung. Zu den in klischeehaften Stereotypen ausgeprägten Bedeutungselementen gehören in erster Linie Nomadentum und Delinquenz. Drei wesentliche Zuordnungen lassen sich auf diesem Hintergrund unterscheiden:

  • „Zigeuner“, verstanden als ethnische Gruppe mit eigenständiger Kultur, wird meist als gleichbedeutend mit Sinti und Roma verwendet.
  • „Zigeuner“ als enger Zusammenschluss von „Ursprungszigeunern“ mit „Nachahmern ihrer Lebensweise“ am gesellschaftlichen Rand umfasst zusätzlich Gruppen wie die Jenischen
  • „Zigeuner“ als soziografische Sammelkategorie für unterschiedliche Gruppen, die als nomadisch, randständig und delinquent beschrieben werden (sinnähnlich zu: fahrendes Volk).

Was halten die Mitdiskutanten von dieser Variante? --Fäberer 11:31, 21. Feb. 2011 (CET)Beantworten

"Fremdbezeichnung" - für wen?!

Zigeuner ist eine Fremdbezeichnung. Das hat den gleichen Informationswert wie Zigeuner ist ein Substantiv. Danach folgen historische Details mit den Fragestellungen „ab wann“, „wo“ und „wie“ während der Leser noch nach der Information Fremdbezeichnung für was? sucht. Es sollte schon im gleichen Satz stehen, wofür es eine Fremdbezeichnung ist.
Vorschlag: Zigeuner ist eine Fremdbezeichnung für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen oder Minderheiten. Das bringt den Gedankengang der mit dem Wort „Fremdbezeichnung“ eingeleitet wurde, zu einem Abschluss.
Die schon im zweiten Satz so freigiebig verteilten Wertungen wie klischeehaft oder stereotyp mögen vielleicht alle sachlich richtig sein, gelten aber nicht für alle drei genannten Anwendungsfälle in der Aufzählung gleichermaßen, sollten deshalb vielleicht erst ab einem zweiten Absatz Verwendung finden. Die Anwendungsfall als verniedlichend gemeintes Schimpfwort im Sinne von Zigeuner = Stromer fehlt völlig. Die Informationen dieses Artikels sollten mit ihren Details vielleicht mit dem Lemma Tsiganologie abgeglichen werden, so dass der Artikel hier nicht mehr so aufgebläht ist und dann wirklich nur noch die Verwendung als klischeebehaftetes Schimpfwort darstellt. c.w 14:06, 21. Feb. 2011 (CET)Beantworten
Jemand hat den 1. Satz der Einleitung jetzt geändert auf: "„Zigeuner“ werden aufgrund ihrer Lebensart auch als Landfahrer oder Fahrendes Volk bezeichnet." - Autsch! Also da fand ich die Variante von Fäberer zusammen mit der von Charly vorgeschlagenen Änderung doch wesentlich besser und neutraler. Nicht vergessen, das Wort "Zigeuner" ist selbst eine (umstrittene) Bezeichnung - und das sollte im ersten Satz schon deutlich gemacht werden! Weiterhin ist (wie aus dem Artikel ersichtlich) eine Pauschalisierung der "zigeunerischen Lebensart" ja eben klischeehaft. Der größte Teil der Roma z.B. lebt schon lange sesshaft. Das muss man zumindest dringend umformulieren in "angebliche Lebensweise" oder "historisch zugeschriebene Lebensweise" oder ähnliches. --Shiva23 20:50, 21. Feb. 2011 (CET) Nachtrag: War wohl ein Troll, nicht weiter drüber nachdenken... --Shiva23 21:05, 21. Feb. 2011 (CET)Beantworten
Von dem Vorschlag diesen Artikel mit dem Lemma Tsiganologie zusammenzuführen halte ich nicht viel. Der Artikel hier setzt sich ausschliesslich mit der Etymologie der Bezeichnung "Zigeuner" auseinander, während die Tsiganologie Zigeuner als Volksgruppe zu "erforschen" versucht. Also meiner Ansicht: Äpfel != Birnen. Was eine Kürzung angeht: man könnte darüber nachdenken, ob das Kapitel „Zigeuner“ und „zigeunerische Lebensform“ wirklich nötig ist, weil es nicht wirklich etwas mit dem Wortgebrauch zu tun hat. Es belegt aber recht gut, dass das Klischee vom fahrenden Volk eher skeptisch zu betrachten ist. Ich fände es spannend, auch das Klischee der Delinquenz zu untersuchen, zB mithilfe von Kriminalstatistiken. --Shiva23 21:28, 21. Feb. 2011 (CET)Beantworten
Niemand hat gesagt, dass die Artikel zusammengelegt werden sollten. Aber wenn dieser Artikel nur den Begriff Zigeuner als schimpfwortnahe Fremdbezeichnung beleuchten soll, dann sind Abschnitte von Lebensweisen der Sinti und Roma in diesem Artikel äußerst deplaciert und sollten wirklich nach Tsiganologie exportiert werden. Ich werde mich aber aus dieser Diskussion wieder ausklinken. Es hat keinen Sinn, etwas an der Einleitung linguistisch verbessern zu wollen, wenn da jemand (ohne hier in der Diskussion erklärend aufzutreten) alles mit stereotypen Scheinbegründungen selbst um den Preis eines Edit-wars revertiert (siehe von [2] bis [3]). --c.w 21:45, 21. Feb. 2011 (CET)Beantworten
Hast mich überzeugt, ein Kapitel zur Lebensweise ist hier überflüssig. Wer sich über die Sinti/Roma informieren will, hat genügend weiterführende Links. --Shiva23 22:09, 21. Feb. 2011 (CET)Beantworten
Hattet Ihr beide denn schon Gelegenheit, den Artikel auch zu lesen? Er enthält keine "Abschnitte von Lebensweisen der Sinti und Roma", sondern einen (einzigen) Abschnitt über "„Zigeuner“ und „zigeunerische Lebensform“" als Begriffe, und über die damit verbundenen Zuschreibungen "nomadisierender" Lebensform. Das gehört selbstverständlich dorthin.
(Zwischenquetsch:) Hattest du den schon die Gelegenheit, unsere Wortmeldung hier auch zu lesen? Es ging nicht darum, ob es Absätze über Lebensweisen in dem Artikel gibt, sondern nur darum, dass lediglich solche Abschnitte redundant zu Tsiganologie wären. Mir ging es auch nicht um den Inhalt dieses Artikels, sondern einzig darum, dass die Einleitung in der jetzigen Form absolut nichtssagend ist. --c.w 11:47, 22. Feb. 2011 (CET)Beantworten
Was die Einleitung angeht, sehe ich ebenfalls Überarbeitungsbedarf (obwohl ich ihr in einer früheren Diskussion am Ende zugestimmt hatte, siehe oben #Gibt es denn nur Sinti und Roma?). Berechtigt ist u.a. die Kritik, daß diese Einleitung die Roma nicht einmal erwähnt, sondern nur zitatweise von "Ursprungszigeunern" spricht (was tatsächlich kein Zitat und kein irgendwie existierendes Wort ist). Der von Dir, Charly Whisky, eingefügte Zusatz "bedeutet etwa fahrendes Volk" [4] ist allerdings als Zusatz zum Hauptlemma reiner Unsinn, von Kiwiv völlig zurecht revertiert, während er in der von Fäberer vorgeschlagenen Position (als Zusatz zur Erklärung der soziographischen Bedeutung [5] vergleichsweise eher berechtigt wäre, mir aber immer noch falsch erscheint: "Zigeuner" ist auch dann, wenn er sich nicht ausschließlich auf Roma bezieht, eher Unterbegriff zu "fahrendes Volk", aber nicht unbedingt auch (Quasi-)Synonym. --Otfried Lieberknecht 07:35, 22. Feb. 2011 (CET)Beantworten
  • Ich gehe davon aus, daß keiner der Diskutanten daran interessiert ist, in den Artikel ein irgendwie privates Wissen/eine private Überzeugung über die Semantik eines Begriffs oder auch eine Annahme über ein häufiger bemerktes Alltagswissen zu dem in Rede stehenden Begriff einzubringen. Das würde wohl dem Artikelanspruch nicht gerecht, gesichertes und belegtes Wissen zu versammeln.
  • Ich gehe davon aus, daß die Einleitung die Essenz eines Artikels wiedergibt, daher zwar der Belege nicht bedarf, aber nur deshalb, weil sie im Haupttext bei den entsprechenden Stichworten anzutreffen sind. Dorthin also gehörten etwaige Aussagen auch zu "fahrendes Volk" zunächst einmal. Dann könnten sie ggf. verkürzt in die Einleitung übernommen werden.
  • Ich habe überhaupt nichts dagegen, literaturbasierte Erkenntnisse über Überschneidungen/Abgrenzungen in den Semantiken zwischen "Zigeuner" und "fahrendes Volk" einzuarbeiten. Vorschläge dazu liegen bislang noch nicht vor. Ich wüßte auch nicht, worauf sich dabei stützen? Anderen mag es anders gehen. Da bin ich natürlich neugierig.
  • Davon unabhängig gibt es sicher auch bei diesem Artikel die Frage, ob tatsächlich alle Aussagen so belegt sind, wie sie belegt sein sollten bzw. ob Neues hinzutreten oder Bestehendes erweitert/gekürzt usw. werden sollte. Aber vielleicht bleiben wir erstmal beim "fahrenden Volk"?--Kiwiv 10:51, 22. Feb. 2011 (CET)Beantworten

Wo sind den die Artikel dazu?

Ist ja schön, wie viel ihr zum Begriff "Zigeuner" zu schreiben habt, aber wo finde ich denn Informationen zu den ehemals so bezeichneten Bevölkerungsgruppen? Das gehört meiner Meinung nach ganz in den Kopf des Artikels. Der Durchschnittsdeutsche ist wohl durch die ganze Umbenennungen so verwirrt, dass man kaum die Infos dazu findet. -- iGEL·대화·Bew 11:58, 27. Jan. 2011 (CET)Beantworten

"Durchschnittsdeutscher"?--Kiwiv 14:06, 27. Jan. 2011 (CET)Beantworten

"Durchschnittsdeutscher"?--Ahasveros 13:37, 4. Feb. 2011 (CET)Beantworten

Mich interessiert seit wann der Begriff "Roma" benutzt wird. Wer/wann/wo hat den Begriff eingführt und warum? Die ethnischen und sozio-politischen Überlegungen interessieren mich. Die Begründung, dass "Zigeuner" ein schlechtes Wort sei ist m.E. viel zu dünn. Persönlich habe das Wort nie als beleidigend nachempfunden. --80.237.156.64 22:15, 20. Sep. 2011 (CEST)Beantworten
Ich bin auch mit der bezeichnug 'Zigeuner' ohne eine primäre abwertungsbedutung aufgewachsen. Es gibt auch weite geographischen gebiete, wo sie selbst diese bezeichnung benützen und sie als solche nicht abwertend empfinden. Viel mehr gibt es ein grund sich durch diese Bezeichnung "Roma" vor kopf gestossen zu fühlen, denn sie suggeriert, dass sich die weltbevölkerung in menschen und die anderen (verstehe die Gadje) unterteile. Den lettzteren wird dadurch das recht ein mensch zu sein abgesprochen. Wollen das die Zigeuner selbst in ihrer sprache so verwenden, meinetwegen, das ist ihr problem. Soll das aber auch unserem sprachgebrauch so durch unsere eigenen vertreter aufgezwungen werden, dann gleicht das einer selbstentwürdigung. -- 89.217.74.176 15:44, 11. Nov. 2011 (CET)Beantworten

Zur Vorlage einer Neufassung

Mir scheinen einige Kritikpunkte berechtigt und auf der Grundlage der bereits bekannten (zumindest Dir bekannten) Literatur korrigierbar, ich füge auch noch ein paar eigene Bedenken an:

  • Der einleitende Satz ("ist eine seit dem 15. Jahrhundert im deutschen Sprachraum belegte Fremdbezeichnung") ist eine Klassifikation, keine Definition. Ich merke noch an -- ohne das in der Einleitung lesen zu wollen --, daß diese Klassifikation nicht ganz unproblematisch ist, weil "Z" jahrhundertelang auch die in der Kommunikation mit der Mehrheitsbevölkerung adaptierte Eigenbezeichnung war (Fricke 1996, p.21, nennt es deshalb einen "Quellenbegriff ..., der nicht durchweg als Fremdbezeichnung zu identifizieren ist") und z.T. insistierend noch heute so gebraucht wird. Sofern Z auch in der internen Kommunikation von deutschsprachigen Sinti (oder von Jenischen) als Eigenbezeichnung gebraucht wird, handelt es sich dann bereits um ein Autonym im Sinne des verlinkten (aber zu diesem Punkt nicht bequellten) Artikels Xenonym.
Einschub: "eine Klassifikation, keine Definition": Macht gar nichts. Folgt, wie der Inhalt des Intro-Abstracts es sollte, aus dem Artikeltext und bestimmt so das im Benennungsdiskurs vorrangige Unterscheidungsmerkmal zu anderen Bezeichnungen ethnischer und sozialer Gruppen. Daß im individuellen Sprachgebrauch das Nicht-Romanes-Wort auch von Romanes-Sprechern in der Kommunikation mit Nicht-Romanes-Sprechern zustimmend verwendet wird, worauf der Artikel eingeht, ändert daran nichts.--Kiwiv 21:19, 22. Feb. 2011 (CET)Beantworten
  • Die Einleitung vermeidet es, den Referenten der aus sprachwissenschaflticher Sicht unstrittigen Hauptbedeutung bei seinem Namen zu nennen. Daß Roma gemeint sind, muß der Leser sich aus der wiederum nur zu einem Oberbegriff Zuflucht nehmenden Umschreibung "als ethnische Gruppe mit eigenständiger Kultur" und aus dem rätselhaften Wort "Ursprungszigeuner" ahnungsweise selber erschließen. Was die "eigenständige Kultur" dort soll, die bei der Verwendung als Ethnonym (oder als Volks- oder sogar Rassename) ja keineswegs immer und vielleicht nicht einmal typischerweise konnotiert wird, fragt man sich auch.
Einschub: Es wird deshalb nicht auf Roma verwiesen, weil nicht nur Roma, sondern in weiterer Bedeutung auch andere ethnische, nämlich "zigeunerische" Gruppen gemeint sind, so z. B. Luli oder Jat, die mit Roma nichts zu tun haben, außer daß ihnen von Tsiganologen ebenfalls Nomadentum und Dissidenz/Delinquenz zugeschrieben werden. An dieser Stelle wären die Aussagen über die "Leipziger Schule" auszubauen.Siehe z. B.: [6] "Ethnische Gruppe mit eigenständiger Kultur" halte ich ebenfalls nicht für gut, wenngleich aus einem anderen Grund, ist tautologisch.--Kiwiv 21:19, 22. Feb. 2011 (CET)Beantworten
  • Die Formulierung der zweiten "wesentlichen Zuordnung", "als enger Zusammenschluss von „Ursprungszigeunern“ mit Nachahmern ihrer Lebensweise am gesellschaftlichen Rand" ist hochgradig unverständlich formuliert, ihr Sinn wird mir auch aus dem Rest des Artikels nicht verständlich, Fäberer hat vorgeschlagen, sie durch den Zusatz "wie die Jenischen" verständlicher zu machen. Als "Nachahmer" von "Ursprungszigeunern" wären sie ziemlich verquer etikettiert. Vor allem aber ist überhaupt nicht klar, was diese zweite angeblich "wesentliche Zuordnung" von der dritten, soziographischen unterscheiden soll.
Einschub: „Zigeuner“ als enger Zusammenschluss von „Ursprungszigeunern“ mit Nachahmern ihrer Lebensweise am gesellschaftlichen Rand trifft die Sache m. E. ausgesprochen präzise, müßte allerdings im Haupttext gerade in seiner historischen Einordnung ausgewiesen sein, was zur Zeit nicht der Fall ist und möglicherweise bei Lesern mit Unverständnis einhergeht.--Kiwiv 21:19, 22. Feb. 2011 (CET)Beantworten

Wenn ich noch einmal an meinen älteren Vorschlag anknüpfen darf, jetzt in neuer Fassung:

Zigeuner ist eine auf wahrscheinlich byzantinischen Sprachgebrauch zurückgehende, im Deutschen seit dem 15. Jahrhundert belegte Bezeichnung für die in in Westeuropa seit dem Spätmittelalter zugewanderten Gruppen der Roma. Sie wurde seit der Frühen Neuzeit zuweilen auch in einer erweiterten Bedeutung verwendet als eine Art Oberbegriff für gesellschaftliche Randgruppen mit einer fahrenden Lebensform und entsprechenden Wandergewerben und Sozialstrukturen.
Es handelt sich um eine Fremdbezeichnung, mit der sich in einer schon im 16. Jahrhundert einsetzenden Entwicklung negativ wertende Stereotype fremdartiger Erscheinung, sozialer Abweichung und krimineller Delinquenz verbanden, welche sich dann seit dem 18. Jahrhunder auch als Vorstellungen von einem kulturell rückständigem Volkstum, rassischer Minderwertigkeit und genetisch veranlagtem Nomadentum verfestigten. Daneben entstand seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert auch eine romantisch verklärende, negative Stereotype positiv umwertende Sicht auf „Zigeuner“, die sie als Repräsentanten eines besonderen Freiheitswillens, einer im Ursprungszustand bewahrten Kultur und damit verbundener natürlicher und kreativer Fähigkeiten interpretiert.

Für die erweiterte Bedeutuung verweise ich auf die im Artikel schon verlinkte Arbeit von Lucassen 1996, auf Fricke (Zigeuner im Zeitalter des Absolutismus, 1996, der die Verwendung als "soziale Kategorie" besonders den "Gelehrten" zuordnet, p.276), beide kenne ich nur schnipselweise, und auf Lucassen, Zigeuner im frühneuzeitlichen Deutschland (in: Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft, ed. Karl Härter, Ffm: Klostermann, 2000, p.235ff., bes. p.249ff.). Deinen früheren Einwänden gegen die "maßlose Überbewertung" dieser er erweiterten Verwendungsweise soll die einschränkende Formulierung "zuweilen" Rechnung tragen. --Otfried Lieberknecht 18:05, 22. Feb. 2011 (CET)Beantworten

Deine eingeschobenen Erwiderungen könnte man gelten lassen, wenn es nicht um einen OMA-tauglichen WP-Artikel, sondern um eine individuelle wissenschaftliche Publikation ginge. In der Einleitung nicht auf Roma zu sprechen zu kommen, weil man dann auch von den Luli oder Jat reden müßte, weil sie von Tsiganologen ebenfalls generisch als "Z" beschrieben werden (von Pott & Co. dabei gerade unter dem Gesichtspunkt ihrer angenommen gemeinsamen Herkunft aus Nordindien), ist so ähnlich, als wenn man in der Einleitung des Artikels Renaissance das 16. Jahrhundert vorsichtshalber nicht erwähnen würde, weil auch die karolingische und andere Perioden von neueren Geisteswissenschaftlern als Renaissancen beschrieben wurden. In meinem Vorschlag wäre diese generische Bedeutung durch die von mir so genannte "erweiterte" bereits in etwa abgedeckt. Ebenso mag es sein, daß die Formulierung der zweiten Bedeutung aus Deiner Sicht präzise ist und durch eine bisher fehlende Ergänzung im Hauptteil des Artikels auch noch verständlich werden könnte: dem Leser ist aber nicht zuzumuten, daß er erst den ganzen Artikel liest, um dann auch die Einleitung verstehen zu können, insbesondere dann nicht, wenn sie ihn mit einem Hapax legomenon wie "Ursprungszigeuner" frappiert.
Was meinst Du denn zu meinem Vorschlag? Scheint er Dir schlechter geeignet, hättest Du Verbesserungen parat? --Otfried Lieberknecht 00:24, 23. Feb. 2011 (CET)Beantworten
"Ist so ähnlich ...": na, Otfried, da wirst du mich wohl unterstützen, das führt ja nun nicht weiter. Nein, es ist schon so, daß die kurze Zusammenfassung systematisch und schön übersichtlich die entscheidenden Punkte aufgreift, die Unterscheidung zwischen einer ethnischen, einer soziografischen und einer zwischen den beiden changierenden Bedeutung. Das fehlt ja bei deinem Vorschlag. Da heißt es fälschlich, Zigeuner sei ein seit langem belegtes anderes Wort für Roma (in "Westeuropa" statt im deutschen Sprachraum!).
Nein, "Zigeuner" ist ja eben keine Übersetzung von "Roma", und es wäre ein Irrweg, ausgerechnet in der Kurzfassung auf die beliebte, nur leider aber falsche Vorstellung einzugehen, es handle sich bei dem Ethnonym "Roma" nur um "Zigeuner" in anderer sprachlicher Gestalt. Du kannst dich darauf beziehen, daß an dieser Stelle immer einmal die Kritik ansetzt: Beklagt wird dann mangelnde Nähe zum populären Sprachgebrauch (um es nett zu sagen). Da, finde ich, hat der Artikel allerdings eine kleine aufklärerische Aufgabe. Der er sich stellen sollte, auch wenn es einmal Widerspruch gibt. Nein, die Nähe zu dieser Kritik, die sollte er nicht suchen. Es ist ja nicht so, daß der Artikel sich nicht mit der Frage beschäftigt, wie nun "Roma" und "Zigeuner" zueinander stehen. Das macht er sehr ausführlich. Und er macht es auf eine für jedermann verständliche Weise. Daß der Artikel nicht verständlich sei, ist ja doch auch nie kritisiert worden (wenn ich recht sehe). Und auch der Satz mit den "Ursprungszigeunern" hat bis dahin solche Reaktion nicht ausgelöst.
Du gehst in deinem Beitrag in die Einzelheiten. Gut so, denn so entpuppt sich die "ethnische Gruppe mit eigenständiger Kultur" als Tautologie. Wie die "kriminelle Delinquenz". Und was ist eine "fahrende Lebensform"? In einer Zeit, in der man zu Fuß unterwegs war? Doch wohl ein Romantizismus aus jüngerer Zeit? Und warum ist die bei Licht betrachtet ungesicherte "byzantinische" Herkunft des Stichworts so wichtig, daß die Einleitung sie aufnehmen sollte? Ich kann mich also mit deinem Vorschlag nicht anfreunden: ich halte ihn nicht für eine Verbesserung.--Kiwiv 20:45, 23. Feb. 2011 (CET)Beantworten
Die Einleitung ist weder aus sprachwissenschaftlicher, noch aus OMA-Sicht "systematisch" oder "übersichtlich", sondern sie eiert mit nebulösen Verallgemeinerungen um die Sache herum. Das ist oben schon von anderen kritisiert worden, und es ist vermutlich auch nicht nur ideologische Unbelehrbarkeit, wenn hier immer wieder Leser gegen den kritischen Gestus der Darstellung opponieren: was nicht aufklärend, sondern in abwehrender Verunklarung geschrieben ist, kann auch den Dümmsten nicht klüger machen, sondern wird ihn nur in seinem dumpfen Gefühl bestärken, es selber besser zu wissen.
Für Dich sind wesentlich "die Unterscheidung zwischen einer ethnischen, einer soziografischen und einer zwischen den beiden changierenden Bedeutung", aber Du gibst die ethnische nicht an und machst ihre Funktionsweise nicht verständlich, denn "Zigeuner" hat nun mal auch als Ethnonym nicht die Bedeutung "ethnische Gruppe", sondern so wurden und werden diejenigen Gruppen, deren Eigenbezeichnung Roma, Sinti usw. ist, und die fachsprachlich heute als Roma zusammengefaßt werden, als Ethnie (falls das hier wirklich ein zulänglicher Begriff ist, ich umschreibe mal: als Gruppe fremder Sprache, Erscheinung, Lebensweise, Abstammung) von anderen Ethnien bzw. von der eigenen unterschieden. Du scheinst übrigens mißverstanden zu haben, daß ich "ethnische Gruppe eigenständiger Kultur" nicht als Tautologie kritisiert hatte, sondern darauf hinweisen wollte, daß sich mit dem Wort Z häufig auch Vorstellungen von Dekulturierung verbinden, denenzufolge es sich bei "Zigeunern" um ein Volk handelt, daß seine eigene Kultur auf seinen Wanderungen verloren und gegen Versatzstücke aus den asozialen und kriminellen Milieus fremder Wirtsvölker getauscht hat.
Ansatzweise umschreibt die Einleitung noch am ehesten die "soziographische" Bedeutung ("soziografische Sammelkategorie für unterschiedliche Gruppen, die als nomadisch, randständig und delinquent beschrieben werden"), aber sie vermengt die deskriptiven mit den wertenden Bedeutungselementen. Während die Erklärung dessen, was Du eine "zwischen beiden changierende Bedeutung" nennst, einfach nur unverständlich ist: "enger Zusammenschluss von „Ursprungszigeunern“ mit Nachahmern ihrer Lebensweise am gesellschaftlichen Rand": was soll damit gemeint sein, was soll OMA oder ein wissenschaftlich einschlägig versierter Leser sich darunter vorstellen, und welcher Sprecher deutscher Sprache soll ein solches Konzept mit dem Wort "Z" verbalisieren? Wenn es sich um eine Bedeutung handelt, die "Ursprungszigeuner" (Roma) und diejenigen am "gesellschaftlichen Rand" (Jenische?), die die "Lebensweise" dieser "Ursprungszigeuner" angeblich "nachahmen", unter dem Gesichtspunkt ihrer vergleichbaren "Lebensweise" bezeichnet, wie untrerscheidet sie sich dann von der "soziographischen", die genau das ebenfalls tut? Oder wenn sie statt der "Lebensweise" vielmehr den "engen Zusammenschluß" solcher "Ursprungszigeuner" und ihrer Nachahmer visiert, wo und bei wem wäre eine solche Verwendungsweise des Wortes zu belegen, gibt es dafür Beispiele? Was im übrigen das Changieren zwischen ethnonymischer und soziographischer Bedeutung angeht, so sind Ethnonym und Sozionym ohnehin nur im wissenschaftlichen Jargon, und auch da wohl nur in der Tendenz, zu trennen, während im sonstigen Sprachgebrauch der ethnischen Bedeutung in der Regel immer auch mehr oder minder ausgeprägt soziographische Bedeutungselemente inhärent sind, und die Vewendung des Sozinyms auch da, wo sie sich nicht mehr auf "Ursprungszigeuner" beschränkt, auch ethnische Stereotype auf deren "Nachahmer" überträgt. In der Sache (ich meine den sprachlichen Sachverhalt) tritt das kaum ungetrennt auf, um so wichtiger ist es, bei der Beschreibung des sprachlichen Sachverhalts die Beschreibungsebenen zu trennen.
Im Zweifel verfahre ich da lieber zu simpel als zu kompliziert. Mein Vorschlag trennt die engere und ältere Hauptbedeutung von der hinzugekommenen erweiterten und soll außerdem eine getrennte Betrachtung von Bedeutungen und damit verbundenen und transportierten Wertungen ermöglichen. Das ist Tagesgeschäft, schau es Dir in der Literatur wie etwa in dem verlinkten Artikel von Kilian an (dessen Ansatz dabei anspruchsvoller ist). Wenn Dir das nicht abschreckend genug ist, dann muß das kein Nachteil sein, sondern liegt vielleicht nur daran, daß Du zuviel hineininterpretierst. Die Aussage "Z ist eine ... seit dem 15. Jahrhundert belegte Bezeichnung für die in in Westeuropa seit dem Spätmittelalter zugewanderten Gruppen der Roma" besagt nicht, daß das Wort eine "Übersetzung" von "Roma" sei, beides die gleiche Bedeutung "nur in anderer sprachlicher Gestalt" habe. Das Wort "Roma" ist überhaupt nicht Gegenstand der metasprachlichen Aussage, sondern wird in der metasprachlichen Aussage über das Wort "Zigeuner" verwendet, um dessen Hauptbedeutung in ihrer Beziehung auf einen außersprachlichen Referenten zu bestimmen. Davon abgesehen ist "Roma" aber selbstverständlich in sehr vielen oder den allermeisten Fällen durchaus eine korrekte "Übersetzung" von "Zigeuner", in der deutschen Sprache gibt es kein Wort, das sich in der Bedeutung bei aller trotzdem bestehenden Bedeutungsverschiedenheit weiter mit der von "Zigeuner" überschneidet. Wäre das nicht so, gäbe es keinen Grund, den Leser über die Gründe aufzuklären, aus denen diese Wörter trotzdem nicht austauschbar sind. Enthält man dem Leser aber selbst diesen grundlegenden Sachverhalt noch vor, indem man nur von einer gewissen "ethnischen Gruppe" und rätselhaften "Ursprungszigeunern" spricht, dann besteht von vorneherein keine Chance, ihm irgendeine Einsicht zu vermitteln, an der er sein sprachliches Handeln ausrichten kann.
Der Hinweis auf die byzantinische Herkunft des Wortes ist ein geeignetes Mittel, um von Anfang an deutlich zu machen, daß es in diesem Artikel um das Wort Z, seine Geschichte und die in dieser Geschichte entwickelten begrifflichen Inhalte geht, und nicht um die ethnischen oder sozialen Gruppen, die als Z bezeichnet wurden und werden. Dir selbst mag die sprach- und ideologiekritische Perspektivierung des Themas in seiner Aktualität wichtiger sein als die sprachgeschichtliche, mir selbst ist sie das am Ende auch, aber es gibt deshalb doch noch keinen Grund, die Einleitung einzig und allein auf diese uns vorrangig interessierende Perspektive abzustellen, insbesondere dann nicht, wenn man sich damit Möglichkeiten verbaut, den Leser überhaupt noch irgendwo abzuholen und in den Hauptteil des Artikels hineinzubekommen. --Otfried Lieberknecht 19:29, 24. Feb. 2011 (CET)Beantworten
"Du scheinst übrigens mißverstanden zu haben, daß ich 'ethnische Gruppe eigenständiger Kultur' nicht als Tautologie kritisiert hatte, sondern darauf hinweisen wollte, daß sich mit dem Wort Z häufig auch Vorstellungen von Dekulturierung verbinden, denen zufolge es sich bei 'Zigeunern' um ein Volk handelt, das seine eigene Kultur auf seinen Wanderungen verloren und gegen Versatzstücke aus den asozialen und kriminellen Milieus fremder Wirtsvölker getauscht hat."
  • Nein, Otfried, ich hatte dich nicht missverstanden, vielmehr selbstkritisch angemerkt, dass ich “’ethnische Gruppe mit eigenständiger Kultur’ (ebenfalls) ... nicht für gut (halte), wenngleich aus einem anderen Grund: ist tautologisch.“ Deine in eine ganz andere Richtung gehende Kritik (“ Daß Roma gemeint sind, muß der Leser sich aus der ... zu einem Oberbegriff Zuflucht nehmenden Umschreibung ‚als ethnische Gruppe mit eigenständiger Kultur’ ... ahnungsweise selber erschließen.“) war mir ein Anlaß zu einer Selbstkritik, mehr nicht.
  • Übrigens hat deine in Klammern zitierte ursprüngliche Kritik gar nichts zu tun mit dem, was du inzwischen nachgeschoben und an die Stelle der Ursprungskritik gesetzt hast, dass nämlich das Wort von „Zigeuner“ mit „Dekulturierung“ konnotiert sei. Also insofern in einem Gegensatz zur Vorstellung einer eigenständigen ethnischen Gruppe stehe? Bedenkenswert, aber dann doch ein jetzt neuer Gedanke.
  • „Tautologisch“: na ja, so was unterläuft einem im Zuge einer WP-Debatte halt. Dir ging’s ja mit der „kriminellen Delinquenz“ nicht anders. Vielleicht sind wir hier doch nicht so bei der Sache, wie an anderen Orten? Oder zu sehr?
Wie auch immer, m. E. alles nicht so wichtig, denn das Problem ist ja ein anderes. Ich komme noch mal kurz auf die Versionsgeschichte zurück. Die derzeitige Einleitung entstand im April vergangenen Jahres ([7]) aus der gemeinsamen Unzufriedenheit mit der folgenden Altfassung (erster Abschnitt):
“ Zigeuner ist seit dem 15. Jahrhundert im deutschen Sprachraum eine mehrheitsgesellschaftliche diffuse Fremdbezeichnung, mit der vor allem Roma gemeint sind. Nachdem das Wort ursprünglich meist die Angehörigen einer heterogenen sozialen Gruppe mit dem gemeinsamen Merkmal der Delinquenz und einer nicht ortsfesten Lebensweise bezeichnet hatte, erhielt es seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zunehmend einen Inhalt im Sinne von „Volk“ und „Rasse“. Seit spätestens dem ausgehenden 15. Jahrhundert diente der Begriff als justizielle und polizeiliche Ordnungskategorie. Im 19. Jahrhundert trat neben die ausschließende und abwertende Bedeutung eine ebenfalls abgrenzende romantisch verklärende.“
Die seither gültige Neufassung wurde dann so kommentiert: „Die Einleitung gefällt inzwischen auch mir und ist für mich abgehakt, s.o.“ (Otfried) bzw. „Die Einleitung mißfällt im ersten und zweiten Satz inzwischen auch mir.“ (Kiwiv) ([8]) Gut, das soll also nicht mehr gelten? Was sind die neuen Einsichten?
  • Zunächst kritisiertest du, dass mit „’Zigeuner’ verstanden als ethnische Gruppe“ die Bezeichnung unter einen „Oberbegriff“ subsumiert werde. Jetzt heißt es, diese Zuordnung ("ethnische Gruppe") gehe deshalb fehl, weil ja immer nur Roma bzw. deren Untergruppen gemeint sein könnten. Eine solche Ausdeutung von "ethnische Gruppe" übergeht einen m. E. wichtigen Tatbestand – ich bin oben darauf eingegangen, aber nicht erfolgreich gewesen, daher dazu ein weiteres Mal: Tsiganologen – wie der Arzt Hermann Arnold oder der Ethnologe Bernhard Streck – beschränken ihre Vorstellung von „Zigeunern“ als „ethnische Gruppe“ eindeutig nicht auf romanessprechende Gruppen, die vor ein paar Jahrhunderten aus dem indischen Subkontinent zugewandert wären, sondern erweitern auf mittelasiatische oder gar fernöstliche „Zigeuner“. Gemeint sind jeweils definierte ethnische Gruppen, die mit den Gruppen der Roma nichts zu tun haben.
  • Das mögen Feststellungen sein, die nicht mit jedermanns Überzeugung korrespondieren und aus einer (überspitzten) Oma-Perspektive vielleicht überraschen, nur, sie treffen zu. Die Einleitung soll ja niemand „abholen“, die Nähe zu dem Irrtum, "Zigeuner" sei in einem ethnischen Verständnis mit "Roma" gleichzusetzen, die sollte er nicht suchen. Beim Abholen ist bekanntlich so mancher schon vor Ort hängen geblieben, das auch. Die Einleitung soll wahr sprechen. Und das gelingt mit der derzeitigen Fassung, wie ich finde, ganz gut. Gestrichen freilich um das tautologische Anhängsel und erweitert in deinem Sinn, wenngleich in den Bestimmungsmerkmalen - du nanntest "fremde[?] Sprache, Erscheinung, Lebensweise, Abstammung" - etwas davon abweichend, nämlich mit Sprache, Geschichte, Selbstverständnis, gewisse Bräuche usw. als ethnographischen Kriterien. Dein Einleitungssatz verengt ja leider doppelt. Als „ethnische Gruppe“ mit dem Titel „Zigeuner“ kennt er nur Roma und die soziographische Deutung lässt er komplett weg. Damit liegt er dann tatsächlich bei einer auch hier häufiger zu hörenden Kritik. Für die gilt, dass sie die unterschiedlichen Semantiken der Fremdbezeichnung „Zigeuner“ und der Eigenbezeichnung „Roma“ ignoriert/bestreitet und in grober Vereinfachung auf der Überzeugung beharrt, dass "Zigeuner" eine Bezeichnung für die Gruppen der Roma bzw. "Roma" eine Bezeichnung für die Gruppen der Zigeuner sei. Das Romanes-Wort wie das deutsche Wort mithin auch keine, wie es die derzeitige Einleitung klar ausspricht und wie es sich aus dem Haupttext schlüssig ergibt, in deinem Einleutungssatz dann aber verschwunden ist, „Fremdbezeichnung“. Eine Einleitung in diesem Sinn wäre m. E. ein großer Schritt zurück.
  • Was nun die „Ursprungszigeuner“ bzw. den zweiten Punkt der Einleitung angeht, fasse ich mich kurz. Ich bin noch mal in der Diskussionsgeschichte zurückgegangen und habe nach deinen Einwänden ein paar Tage zugewartet. Deine Annahme, die Aussage sei unverständlich, lässt sich aus dem Gang der Diskussion mit nichts belegen. Sie ist unbegründet. Grüße: --Kiwiv 14:07, 28. Feb. 2011 (CET)Beantworten


Deine Einwände (ich rücke mal wieder nach links) gehen an meinem Vorschlag und meinen dazu gegebenen Erläuterungen allzuweit vorbei. Es gibt nach meiner (und das ist nicht nur meine) Strukturierung:

  • A) Die ältere, engere und bis heute dominant gebliebene Hauptbedeutung Z = Roma
  • B) Die durch Bedeutungserweiterung/-übertragung hinzugekommene weitere Bedeutung Z = Roma und/oder andere Randgruppen mit Merkmalen wie vagierender (= fahrender) Lebensform, sozialer Devianz, krimineller (zur Formulierung siehe [9] [10]) Delinquenz u.a.m.

Hieran in je eigener Weise gekoppelt, aber nicht in eineindeutiger Zuordnung gebunden, sind die

  • a) ethnischen
  • b) sozialen

Konzepte oder Merkmale, die bei der Verwendung des Wortes im Vordergrund standen und stehen. Bei A wird das zunächst a gewesen sein, wenn dem Wort Z in dieser Hinsicht auch die Eindeutigkeit des Äquivalents "Ägypter" mangelt, aber es müssen auch soziale Merkmale b für A eine Rolle gespielt haben, die gegenüber den ethnischen dominant wurden und damit auch die auf andere Gruppen erweiterte Verwendungsweise B entstehen ließen, die ihrerseits nicht unbedingt frei von ethnischen Implikationen ist, auch wenn sie sich nicht mehr nur auf Roma bezieht.

Von den aufgeführten Bedeutungen und Merkmalen wiederum zu unterscheiden sind die

  • α) positiven
  • β) negativen

Bewertungen, die sich mit den jeweils vorausgesetzten Merkmalen verbinden, wenn etwa als ethnotypisch wahrgenommene physiognomische Eigenschaften mit Stereotypen der α Schönheit oder β Häßlichkeit verbunden, soziokulturelle Merkmale in Kategorien der α Ursprünglichkeit/Authentizität oder β Rückständigkeit beurteilt und deviante oder delinquente Verhaltensweisen unter den Gesichtspunkten der α Freiheitsliebe/Ungebundenheit oder β Asozialität betrachtet werden.

Dein Hinweis auf tsiganologische Verwendungen des Wortes für "mittelasiatische oder gar fernöstliche „Zigeuner“" ist bei mir keineswegs "nicht angekommen", sondern bei Dir ist meine Antwort nicht angekommen, als ich schrieb: "In meinem Vorschlag wäre diese generische Bedeutung durch die von mir so genannte 'erweiterte' bereits in etwa abgedeckt". Das heißt sie ist als eine späte und für die allgemeine Bedeutungsgeschichte ziemlich marginale Sonderform von B einzustufen. Ansonsten schreibst Du zu meinem Formulierungsvorschlag: "Als „ethnische Gruppe“ mit dem Titel „Zigeuner“ kennt er nur Roma und die soziographische Deutung lässt er komplett weg." Tatsächlich spricht er überhaupt nicht von "ethnischer Gruppe", und die primär auf soziale Merkmale abgestellte Verwendungsweise läßt er nicht weg, sondern beschreibt er als Verwendung "in einer erweiterten Bedeutung als eine Art Oberbegriff für gesellschaftliche Randgruppen mit einer fahrenden Lebensform und entsprechenden Wandergewerben und Sozialstrukturen".

Falls Du oder einer der übrigen Diskussionsteilnehmer kritische Einwände hat, die tatsächlich gegen meine Modellierung des Themas sprechen, würde ich sie gerne kennenlernen, andernfalls würde ich diese Modellierung gerne als Grundlage für eine Neufassung der Einleitung betrachten. Zur aktuellen Fassung dieser Einleitung wurde genug gesagt, auch zu dem Begriff "Ursprungszigeuner", der, wie ich schon sagte, ein Pseudo-Zitat und Hapax legomenenon, eine weder aus dem allgemeinen noch aus dem Fachwortschatz des Deutschen zitierbare, sondern rein private Wortbildung ist [11] [12]. Die Einleitung strukturiert das Thema weder verständlich noch zutreffend, ihre irritierende und Kritik provozierende Wirkung resultiert nicht daraus, daß der Leser zu doof oder das Thema zu schwierig wäre, sondern sie ist schlecht gemacht. Ich hatte ihr seinerzeit voreilig zugestimmt, im Überschwang der Erleichterung darüber, daß Du Dich überhaupt bewegt hattest, aber auch ich darf hoffentlich klüger werden. Ich würde mich freuen, wenn Du Dich nicht weiter auf ihre Vortrefflichkeit versteifen, sondern konstruktiv an einer Neuformulierung mitarbeiten könntest. --Otfried Lieberknecht 21:38, 28. Feb. 2011 (CET)Beantworten

Die ältere, dominante Hauptbedeutung von „Zigeuner“ ist „Roma“ – soweit sich das aus der Literatur begründen lässt - definitiv nicht, wenn mit „ältere“ „vormodern“/“spätmittelalterlich bis frühneuzeitlich“ gemeint sein sollte.
  • Fricke, den auch du oben zitierst (ich gehe daher davon aus, daß er dir vorliegt), stellt dazu fest:
"Die Tatsache, daß die Zigeuner auch im positiven Sinne eine eigene Kultur haben, wurde nicht anerkannt bzw. verdrängt, und zwar mit Hilfe einer 'Zweigruppentheorie': Sebastian Münster hatte 1550 in seiner Cosmographie berichtet, daß die ersten in Deutschland eingewanderten Zigeuner einen Schutzbrief von Kaiser Sigismund vorgewiesen hätten, in dem stand, daß sie vier Jahre herumwandern und im Elend büßen müßten, weil ihre Vorfahren in Kleinägypten ebenso lang vom christlichen Glauben abgefallen seien. ... Diese [Zweigruppen-]Theorie, die zwischen Ursprungszigeunern, die Schutzbriefe hatten, wohlhabend waren und christliche Ordnung hielten und einem zeitgenössischen 'Bübengesindelin', das die echten Zigeuner nur nachahmte, unterscheidet, hatte ursprünglich Johannes Stumpf (1548) aufgestellt. Ansätze dazu finden sich aber schon bei Heinrich Brennwald (ca. 1530). Im übrigen findet sich die These, dass die zeitgenössischen Zigeuner „.../nichts anders seyn/ als eine diebische Gesellschaft/und eine recht zusammen gelauffene Grund-Suppe allerley müssiges und betrügerisches Gesindleins/ welches sich aus vielerley nicht weit entlegenen Völckern versamlet/" nicht nur bei Ahasverus Fritsch und Jakobus Thomasius, die hier zitiert wurden, sondern z. B. auch bei Camerarius, Guler von Weineck, Besold, Flemming und in Zedlers Universallexikon. Quistorp bringt diese Lehrmeinung - bezugnehmend auf Thomasius - sogar noch 1794 in seinen 'Gerundsätzen des deutschen politischen Rechts' vor." Thomas Fricke, Zigeuner im Zeitalter des Absolutismus, Pfaffenweiler 1996, S. 197f.
Die ältere, dominante Hauptbedeutung war demnach ganz im Gegenteil eine der in der Einleitung genannten, nämlich:
    • "'Zigeuner' als soziografische Sammelkategorie für unterschiedliche Gruppen, die als nomadisch, randständig und delinquent beschrieben werden."
Lucassen sieht das im historischen Rückblick nicht anders. Er schließt sich im Grundsatz der dominanten älteren, der nichtethnischen Sichtweise an:
„Zigeuner als ein Volk (ethnos) zu verstehen ist ... problematisch. Moderne Kriminalitätshistoriker kommen zu dem Schluß, dass Zigeuner im Ancien régime ein sehr vager Begriff war, der benutzt wurde, um eine breite soziale Kategorie (angeblich krimineller) Fahrender zu bezeichnen. Wer sich, wie beispielsweise die niederländische Historikerin Egmond, näher mit den gerichtlichen Quellen aus dem 17.und 18. Jahrhundert befasst hat, kann jedoch plausibel machen, dass die Behörden in der täglichen Fahndungsarbeit sehr wohl zwischen Zigeunern und anderen umherziehenden Personen unterschieden. Undeutlich ist allerdings, von welchen Kriterien sie dabei ausgingen. ... Das einzige, was aus ihrer [= Egmonds] Studie geschlossen werden kann, ist, dass die Behörden bis etwa 1730 zwischen Zigeunern und Nicht-Zigeunern unterschieden und davon ausgingen, dass es sich um eine gesonderte Gruppe handelte.“ Leo Lucassen, Zigeuner. Die Geschichte eines polizeilichen Ordnungsbegriffs in Deutschland 1700-1945, Köln/Weimar 1996, S. 38f.
  • Daneben – Frickes Wort von den „Ursprungszigeunern“ bezieht sich darauf – gab es ausweislich einiger älterer Autoren ein engeres Verständnis im Sinne von „Volk“ als ethnos, das nicht ausschloß, dass Außenstehende sich diesem ethnos von „Ursprungszigeunern“ anschlossen. Die Einleitung geht darauf ein:
    • „'Zigeuner' als enger Zusammenschluss von „Ursprungszigeunern“ mit Nachahmern ihrer Lebensweise am gesellschaftlichen Rand."
  • Jüngeren Datums und dominant, ab etwa der Mitte der 1930er Jahre ausschließend, war Roma als Hauptbedeutung für „Zigeuner“ im Nationalsozialismus. Ich spare mir Literaturhinweise. Sie sind in den einschlägigen Artikeln (Rassenhygienische Forschungsstelle u. a.) zu finden. Hier wie generell in völkisch-rassischen Schriften des 19./20. Jahrhunderts hat „Zigeuner“ einen eindeutig ethnischen Inhalt. Das ist auch der Fall bei den heutigen Tsiganologen um Bernhard Streck. Anders als bei den Rassekundlern dominiert bei diesen allerdings eine ethnisch-kulturelle Lesart. Ich verweise der Einfachheit halber auf [13]. Dort bitte in den „Blickpunkten“/“Tsiganologischen Mitteilungen“ blättern. Das Spektrum der ethnischen „Zigeuner“ schließt zahlreiche ethnische Gruppen ohne jeden Bezug zu Romanessprechern ein, so die Abdal von der Türkei bis China (Abdal (Xinjiang)), die vorderasiatischen Luli oder südostasiatischen „Seezigeuner“. Daher spricht die Einleitung auch ohne einen exklusiven Bezug auf Roma von:
    • „'Zigeuner[n]', verstanden als ethnische Gruppe [nun zwei Veränderungsvorschläge, die sich a) aus dem vom mir Gesagten b) aus deinem Einleitungsvorschlag weiter oben ergeben: a) mit eigenständiger Kultur, b) 'Zigeuner' wurde lange im deutschen Sprachraum als einer der Sammelnamen für die Gruppen der Roma verwendet, im Nationalsozialismus exklusiv.]"
Mit diesen drei Formulierungen fächert die Einleitung das Bedeutungsspektrum in seinen wesentlichen Elementen auf und grenzt gegeneinander ab. Der Haupttext ist dem leider bislang nicht gewachsen. Hier muß sicher noch nachgearbeitet werden.
  • Um noch einmal zu deinem ersten Satz zurückzukehren: Die heutige dominante Hauptbedeutung von „Zigeuner“ kann „Roma“ schon deshalb nicht sein, weil die von den Selbstorganisationen der Roma seit den 1970er Jahren propagierte Eigenbezeichnung, die an die Stelle von „Zigeuner“ treten sollte und inzwischen in weiten Bereichen trat, der inhaltliche Antipode zu „Zigeuner“ ist. Es mag Überschneidungen in den Bedeutungsfeldern geben, vor allem aber stehen sie in einem Gegensatz zueinander. Wenn man die begrifflichen Inhalte nicht für eine Nebensache hält, wird man die beiden Begriffe strikt auseinanderhalten müssen Es ist – mit Lucassen zu sprechen – „aus historischer Sicht prinzipiell falsch, Objekt- und Subjektbegriffe gleichzusetzen.“ Lucassen, S. 14
  • Ob bzw. inwieweit jenseits der fachlichen Erkenntnisse im Alltagsverständnis unter „Zigeunern“ Roma verstanden werden, dazu können wir mangels Literatur nicht viel sagen. Unsere eigenen privaten Beobachtungen und Überzeugungen sind ja als fachliche Aussagen ungeeignet. Aufschluß könnten vielleicht die in Abständen durchgeführten Meinungsbefragungen geben, auf die der Artikel an einer Stelle wohl auch eingeht. Sie enthüllen ein Bündel kruder Vorstellungen, die mit realen Roma nicht viel zu tun haben.
  • Deine Annahme, bei "Ursprungszigeunern" (ein Terminus, dessen Inhalt sich selbstverständlich auch anders wiedergeben läßt) handle es sich um „ein Pseudo-Zitat und Hapax legomenenon“ und um eine „rein private Wortbildung“, ist wie zu sehen ganz unzutreffend, und sie ist insofern unerheblich. Die Klage, der von Fricke übernommene Begriff sei "rätselhaft", ist mir noch nirgendwo sonst begegnet (wohl dessen Übernahme), bis dahin auch nicht in der langen Artikeldiskussion. Sie gewinnt in meinen Augen nicht an Überzeugungskraft, wenn mit "hapax legomenon" eine Dicke Bertha des linguistischen Fachwortschatzes aufgefahren wird. Googeln ist im übrigen hier wie so oft eine gänzlich ungeeignete Methode, die terminologische Bedeutung zu evaluieren.
  • Schließlich noch eine Randbemerkung: Mein Hinweis auf eine tautologische Qualitität von „krimineller Delinquenz“ in deinem Vorschlag einer Einleitung war, wie ich finde, eine im Grunde noch zu hoch angesetzte Bewertung, und ich verstehe nicht, wie sie Widerspruch hervorrufen kann. Man kann natürlich alle möglichen Adjektive vor Delinquenz setzen – du weist auf soziale oder politische Delinquenz hin. Aber sie sind nicht alle gleich sinnvoll. „Kriminelle Delinquenz“ ist so sinnvoll wie „delinquente Kriminalität“, „irrtümlicher Trugschluß“ oder „unbewegliche Starre“.--Kiwiv 21:12, 4. Mär. 2011 (CET)N Nachtrag:--Kiwiv 09:26, 5. Mär. 2011 (CET)Beantworten
"Die ältere, dominante Hauptbedeutung von „Zigeuner“ ist „Roma“ – soweit sich das aus der Literatur begründen lässt - definitiv nicht, wenn mit „ältere“ „vormodern“/“spätmittelalterlich bis frühneuzeitlich“ gemeint sein sollte": Nein, das sollte mit "älter" selbstverständlich nicht gemeint sein, wie Du hier strategisch vernebelnd unterstellst, denn gerade im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit vollzog sich ja genau diejenige Bedeutungsentwicklung, um die es geht und die meine Unterscheidung dieser Epochen hier nötig macht, weil der Begriff im Spätmittelalter, im 15. Jh., in seiner älteren und engeren Bedeutung als Bezeichnung für Roma eingeführt, aber in der Frühen Neuzeit, seit dem 16. Jh., auch in einer neueren, erweiterten Bedeutung als generische Bezeichnung für Nicht-Roma verwendet wurde. Deshalb hieß mein Textvorschlag:
Zigeuner ist eine auf wahrscheinlich byzantinischen Sprachgebrauch zurückgehende, im Deutschen seit dem 15. Jahrhundert belegte Bezeichnung für die in in Westeuropa seit dem Spätmittelalter zugewanderten Gruppen der Roma. Sie wurde seit der Frühen Neuzeit zuweilen auch in einer erweiterten Bedeutung verwendet als eine Art Oberbegriff für gesellschaftliche Randgruppen mit einer fahrenden Lebensform und entsprechenden Wandergewerben und Sozialstrukturen.
Und deshalb sind die von Dir zitierten Forschungsaussagen über das 16. (Fricke) und 17./18. Jh. (Lucassen) auch vollkommen ungeeignet, meine Darstellung zu widerlegen und die ältere Verwendung als Bezeichnung für Roma in die jüngere Neuzeit zu verschieben, ihre Entstehung gar in die zeitliche Nähe des Nationalsozialismus zu bugsieren ("Jüngeren Datums und dominant war Roma als Hauptbedeutung für „Zigeuner“ im Nationalsozialismus"). Du stellst nicht nur die Chronologie auf den Kopf, Du hast auch immer noch nicht kapiert, daß die elementeare sprachwissenschaftliche Unterscheidung von engerer und weiterer Bedeutung nicht mit den ideologiekritisch oder sozialwissenschaftlich gemeinten Distinktionen von ethnisch/rassistischen vs. "soziografischen" Konzeptualisierungen der jeweiligen Gruppen zusammenfällt.
Um die Dir sicherlich bestens bekannten Belege für die ältere, im Deutschen älteste Verwendungsweise noch einmal anzuführen, soweit sie mir online erreichbar waren:
  • Die Magdeburger Schöppenchronik beschreibt die 1417 in die Gegend gekommenen Roma als schwarze und häßliche Leute, "de Thateren, de Zeguner genant", die aus ihrem eigenen Land vertrieben worden seien ("de vordreven weren ut orem lande") und seither "achter und bister in alle lant" wanderten (vollständiges Zitat hier: [14].
  • Der Regensburger Presbyter oder Chorherr Andreas, der sein Diarium Sexennale über die Jahre 1422-27 anhand seiner handschriftlichen Notizen als Zeitzeuge verfaßte, bezeugt unter dem Jahr 1424 als volkssprachliche Bezeichnung Cigäwnär ("quaedam [zu ergänzen: gens?] Cingarorum vulgariter Cigäwäar vocitata") für Gruppen von Roma, die in die Gegend von Regensburg gezogen kamen, als Volk oder Volksgruppe ("gens") seiner Darstellung nach aus Ungarn stammten ("haec gens à partibus Ungariae erat oriunda"), vorgaben, zum Gedenken an die Flucht der heiligen Familie nach Ägypten die Heimat verlassen zu haben und einen Schutzbrief König Sigismunds von 1423 vorwiesen, der sie seinerseits als Cigani unter der Führung eines Ladislaus Waydona bezeichnete [15].
  • Der Lübecker Dominikaner Hermann Korner, dessen Aufzeichnung zum Jahr 1417 etwa dreißig Jahre später entstand, berichtet über die 1417 in Lübeck und anderen deutschen Städten durchgezogenen, aus östlichen Gebieten nach Deutschland zugewanderten Roma ("quaedam extranea & praevie non visa vagabundaque multitudo hominum de orientalibus partibus venit in Alemanniam"), daß sie sich (lateinisch wiedergegeben) Secani nannten ("Secanos se nuncupantes", in der späteren niederdeutschen Übertragung der Rufus-Chronik Secanen), grotesk in der äußeren Erscheinung und "schwarz wie Tataren" ("forma turpissimi, nigri ut Tartari"), außerdem "große Diebe", unter sich einen "Herzog" und einen "Grafen" als Herren anerkannten, Schutzbriefe Sigismunds vorweisen konnten und als Grund für ihre Wanderschaft angaben, daß es sich um eine siebenjährige Bußpilgerschaft handele, die ihnen "von ihren Bischöfen" als Bußsrafe für ihren Abfall vom Christentum und Rückfall ins Heidentum auferlegt worden sei [16].
  • Der Konstanzer Chronist Gebhard Dacher (um 1425-1471) berichtet über ein 1430 in die Gegend gezogenes "schwarz folk", das man "ziginer" nannte, aus dem "mindern Egypten" oder von einer nahe dabei gelegenen Insel stammmend, die seit mehr als sechs oder sieben Jahren in großer Armut durch die Fremde zogen und Diebstahl, Zauberei, Wahrsagen und andere Sünden trieben [17].
  • Auch für Roma (oder mutmaßliche Roma) in anderen Ländern wurde das Wort im Deutschen verwendet. In der 1463 gedruckten Fassung der Geschichte Dracole Waide über Untaten des Fürsten Dracula wird erzählt, daß in dessen Land an die dreihundert "Ziginer" gekommen seien, von denen der Fürst drei braten und ihren Gefährten zu essen gegeben habe, um sie dann vor die Wahl zu stellen, daß sie sich entweder bis zum letzten Mann gegenseitig aufessen oder für ihn gegen die Türken kämpfen sollten [18]. Und aus der Gegend von Modon kolportiert Arnold von Harff Ende des 15. Jh. "Suyginer" als dortige (ihm offenbar neue) Bezeichnung für die dort angetroffenen "vil armer swarttzer nackedicher lude (...), Suyginer genant, die wir hie noemen heyden vss Egipten, die in diesen landen vmb tzeynt" [19].
Diese Quellen (mal abgesehen von der Historie Draculas) gelten in der Forschung als Zeugnisse für die Präsenz von Gruppen, die man heute als Roma (Sinti) bezeichnet, beschreiben sie z.T. als "gens", "volck" oder "multitudo", schreiben ihnen meist Herkunft aus (Klein-) Ägypten oder einem anderen fremden Land zu oder berichten von solchen Selbstzuschreibungen. Die auch in der (vergleichsweise häufigeren) Bezeichung der Roma als "Ägypter" angezeigte Assoziierung mit ihrem ägyptischen Herkunftsland war so etabliert, daß gegen Ende des 15. Jh. der Arme Schoffthor in seiner Reimversbeabeitung von De amore bereits von Ägypten als "Zygoner lant" sprechen konnte ("von Egypten her / auß der Zygoner lant") [20]. Dem Wortgebrauch nach handelte es sich in dieser Zeit noch um ein Nomen proprium aus der Klasse der Nomina gentium, ein Ethnonym für ein als fremd- und neuartig empfundenes, mindestens zeitweise vagierendes "volck" ohne europäisches Territorium, ohne verbürgte Geschichte und mit einem bloß putativen Herkunftsland. Wie "ethnisch" oder wie "sozial" dieses "volck" konzeptualisiert wurde, ist dabei offen zu lassen bzw. der Forschungsdiskussion zu überlassen, da der Begriff "gens" und "Volk" in dieser Hinsicht nicht eindeutig ist und später dann auch in Verbindung mit der generischen Verwendungsweise erscheint. Entscheidend ist aber, daß das Z-Wort in dieser Zeit noch speziell und -- nach Lage und historischer Interpretation der Belege -- ausschließlich für Roma verwendet wurde, eine andere Verwendungsweise ist vor den letzten Jahren des 15. Jh. m.W. nicht bekannt.
Erst in der Folgezeit erscheint das Z-Wort dann auch in erweiterter und generischer Bedeutung als Nomen commune für vagierendes "Gesindel" jeder Art, z.T. in Verbindung mit Theorien, daß sich den eigentlichen "Zigeunern" anderes Gesindel zugesellt habe oder es nach deren Rückkehr in ihr Heimatland ganz an deren Stelle getreten sei. Auch für Vertreter solcher Theorien bleiben die eigentlichen oder "wahren" Zigeuner aber die, die wir heute als Sinti oder Roma bezeichnen, sofern solche Autoren nicht zusätzlich behaupten (so Albert Krantz, gedruckt 1520 aber wahrscheinlich schon vor der Jahrhundertwende verfaßt; Sebastian Muenster 1550, Spangenberg 1585), daß auch die ältesten "Zigeuner" schon nichts anderes als ein zusammengelaufenes Gesindel gewesen seien.
Darüber, ob die ursprünglich einzige Verwendungsweise als Bezeichnung für die Roma, von der alle anderen Bedeutungen (einschließlich der fachwissenschaftlichen als "ziganes Volk" oder "zigane Gruppe") durch Erweiterung und/oder Übertragung abgeleitet sind, bis heute "dominant geblieben" ist, oder ob sie seit dem 18. Jh. im Zuge der Erforschung der indischen Herkunft und Sprache der Roma und in Verbindung mit modernen Vorstellungen von Volk und Rasse erst wieder dominant wurde, kann man gerne diskutieren, ich habe das nicht untersucht, sondern hatte in dieser Hinsicht meinen Diskussionsbeitrag lediglich lax formuliert. Daß es heute die Hauptbedeutung ist, ist aber, anders als Du meinst, nicht meine Privatmeinung, sondern ist u.a. Auffassung von Jörg Kilian in dem im Artikel verlinkten und von mir oben schon genannten linguistischen Beitrag [21], wobei Kilian sich auf das DWB von Hermann Paul in der 10. Aufl. (2002) beruft. Ich müßte eine Bibliothek aufsuchen, um nachzuprüfen, ob es Wörterbücher gibt, die diese Verwendungsweise nicht an die erste Stelle setzen, und wie viele die von Dir (privat, oder auf Grundlage irgendwelcher Quellen?) neuerdings (wie mir scheint) für dominant gehaltene generisch "soziographische" überhaupt anführen. Deine Einschätzung (Privatmeinung, oder quellengestützt?), daß es schon darum nicht die Hauptbedeutung sein könne, "weil die von den Selbstorganisationen der Roma seit den 1970er Jahren propagierte Eigenbezeichnung, die an die Stelle von „Zigeuner“ treten sollte und inzwischen in weiten Bereichen trat, der inhaltliche Antipode zu „Zigeuner“ ist", kann ich nicht zwingend finden, sie ist eher abwegig. Würde das Wort nicht in erster Linie auf Roma bezogen, brauchte man es als deren Bezeichnung auch nicht zu ersetzen. Wie man im Leipziger Wortschaftzlexikon feststellen kann, sind im jüngeren medialen Sprachgebrauch die Begriffe "Sinti" und "Roma" die mit Abstand am häufigsten mit "Zigeuner" assoziierten Begriffe [22], so daß man wohl annehmen muß, daß die Bekämpfung und Verdrängung des Wortes der Bewußtmachung und Dominanz dieser Bedeung eher zuträglich als abträglich gewesen ist. --Otfried Lieberknecht 10:54, 6. Mär. 2011 (CET)Beantworten
"Kommt noch was?" - "Gewiß. Eile mit Weile!"--Kiwiv 16:09, 9. Mär. 2011 (CET)Beantworten
  • Du begründest die Richtigkeit der ersten beiden Sätze in deiner Einleitungsalternative mit ausführlichen Interpretationen von fünf Zufallsfunden in Quellentexten. Von denen zumindest einer (L'histoire du prince Dracula) schon gleich wieder ausscheidet, weil das Wort zwar vorkommt, eine Zuschreibung ethnischer Qualitäten aber nicht. Daß es das Wort „Zigeuner“ gibt, wird ja nicht bestritten. Dem ließen sich leicht ebenfalls vier gegenüberstellen, die deiner Interpretation widersprechen (Magdeburg 1417, „Tattern... Volck von allerley losen Gesindlein als Huren und Buben“; Frankfurt 1418, „Juden uss dermelegen Egypten“; ...). Grundsätzlich ist aber zu sagen, daß wir hier gar keine Quellenexegese betreiben. Das überlassen wir den Experten, die gewiß über das Aufrufen von googlebooks hinaus die Quellen vor uns untersuchten. Wir schreiben aus ihren Veröffentlichungen ab, mehr nicht.
  • Du findest einige Literaturexzerpte weiter oben [nachdem du sie, wirklich egal, runtersetztest, sind sie nun eben hier: [23]]. Sie lassen sich zwanglos vermehren, denn es geht hier um einen Forschungskonsens. Du stehst zu ihm in einem Gegensatz. Die Exzerpte nehmen Stellung zu der Frage der unterschiedlichen Ausdeutung des Etiketts (Lucassen) „Zigeuner“. Sie fächern die Hauptbedeutungen – soziografische, ethnisch-rassische/ethnisch-kulturelle, aus beiden gemischte Definition - auf und grenzen sie von einander ab. So geschieht es der Literatur abgeguckt in der jetzigen Einleitung, während die deine in den ersten beiden Sätzen, also in ihrer wesentlichen Aussage, einfach falsch ist. Und du betonst in deinem zweiten Satz nicht nur eine angebliche Nachrangigkeit der Soziodefinition durch diese Positionierung (2. Satz), sondern zugleich explizit durch die Hinzufügung von „zuweilen“ („zuweilen auch in einer erweiterten Bedeutung“). Die derzeit gültige Konsenseinleitung überlässt die zeitliche Zuordnung dem Haupttext. Sie vermeidet die von dir gewünschte (falsche) zeitliche Festlegung, wie sie jede zeitliche Festlegung vermeidet. Sie schließt sich der Forschungsterminologie an, die – aus guten Gründen – nicht von ""enger" und "erweiterter" Bedeutung spricht, sondern einen ethnischen einem soziografischen Beschreibungsmodus gegenüberstellt.
  • Dahinter tritt ein Detail wie die Angabe von „Westeuropa“ im ersten Satz natürlich zurück. Der Satz lässt den Leser glauben, Westeuropa sei nicht nur Zuzugsraum, sondern zugleich auch der Verbreitungsraum von „Zigeuner“. Vielleicht hast du das nicht so gemeint. Dann fehlt es dem Satz an Klarheit. Vielleicht doch? Dann enthält er diese weitere falsche Angabe. Zu Westeuropa gehören unbestreitbar Großbritannien und Frankreich sowie einige weitere Länder. Bekanntlich ist abgesehen von den elsässischen Dialekten und einem Teil von Luxemburg sowie des östlichen Belgiens „Zigeuner“ in den dort heimischen Sprachen nicht verbreitet – wie das zweifelsohne in Mitteleuropa, Aufenthaltsraum seit dem beginnenden 15. Jahrhundert, der Fall ist. Ich hatte das ja schon angesprochen. Eine Entgegnung kam nicht. Wird das weiterhin hochgehalten?
  • Ähnlich der Umgang mit meiner Anmerkung zur „kriminellen Delinquenz“ im dritten Satz. So sinnreich wie „delinquente Kriminalität“. Eine Entgegnung auf diesen letzten Hinweis kam nicht. Wird das weiterhin hochgehalten?
  • Ähnlich der Umgang mit meiner Widerlegung deiner abstrusen Behauptung, die sog. Ursprungszigeuner in der Einleitung seien meine private Erfindung und nicht eine Übernahme aus der Literatur. Da wäre ruhig einmal ein widerrufendes, vielleicht auch anerkennendes Wort angebracht. Oder hälst du deine Behauptung etwa aufrecht? Ich gebe dir oben [inzwischen: unten [24]] in der Literaturabteilung einen weiteren Hinweis, Michael Zimmermann. Fricke und Zimmermann also bis jetzt. Bei Bedarf gern mehr.
  • Auf deine Äußerungen zur Unterscheidung zwischen den Semantiken von „Zigeuner“ und von „Roma“ gehe ich jetzt nicht wieder ein. Verweise dich stattdessen ein weiteres Mal auf die Feststellung von Lucassen, den ich oben zitierte: Es ist demnach „aus historischer Sicht prinzipiell falsch, Objekt- und Subjektbegriffe gleichzusetzen.“

Die derzeitige Einleitung ist eine Konsenseinleitung. Was nicht heißt, daß sie nicht verbesserungsfähig sei. Mein mehr Kompromiß- als Verbesserungsvorschlag lautete, in der Eingangsaussage a) „mit eigenständiger Kultur zu streichen“ und b) „'Zigeuner' wurde lange im deutschen Sprachraum als einer der Sammelnamen für die Gruppen der Roma verwendet, im Nationalsozialismus exklusiv." hinzuzufügen. Notwendig wäre m. E. allerdings auch die Umstellung des auf die zweite Position gesetzten Sozioansatzes auf die erste, nachdem es der weitaus gewichtigere ist. Du kündigst den Konsens auf, lehnst den Kompromiß ab und kaprizierst dich und versteifst dich auf deine Version. Ich finde das nicht sehr konstruktiv. Zu sehen ist auch, daß die ausufernden Diskussionsbeiträge der zwei einsamen Kontrahenten die Diskussionsoffenheit hier nicht fördern, sondern wohl eher beeinträchtigen. Sie sind insofern keine Beiträge zu vermehrten Einsichten. Daß die Kontrahenten einsam sind, belegt die Statistik: [25], [26]. Ihre Beiträge wecken in etwa so viel Interesse wie das ziemlich abseits gelegene Lemma „Heidenstock“: [27].

Und noch eine Kleinigkeit. Bei dir ist ja schon schnell mal die Überlegung eines Diskutanten „abwegig“ (so eindrucksvoll wie ein hapax soundso, das nebenbei). Zwei Abwege sehe ich für uns Wikipedia-Experten: einen an den Ort des so genannten „Abholens“ und einen zweiten in die Sphäre der Fachleute. Wir dürfen ihnen beruhigt die Quellen überlassen und uns das ersatzweise Herumgoogeln ersparen. Muß man begründen warum?

Schließlich sei deutlich hinzugefügt, daß es mir nicht wichtig ist, in dieser Kontroverse das letzte Wort zu haben.--Kiwiv 11:21, 13. Mär. 2011 (CET); Nachtr.--Kiwiv 22:16, 13. Mär. 2011 (CET)Beantworten

1) Zu den Belegen des 15. Jh.: Bei meinen "fünf Zufallsfunden" handelt es sich, wie Du sicherlich weißt, nicht um Zufallsfunde, sondern um die vier meistzitierten chronistischen Belege (Magdeburger Schöppenchronik 1417, Andreas von Regensburg zu 1424, Korner zu 1417, Dacher zu 1430) für die Präsenz von Roma in deutschsprachigen Ländern, außerdem den ebenfalls vielzitierten Arnold von Harff, hier von Interesse u.a. darum, weil er die Verwendung des in Modone kennengelernten Worts im deutschen Sprachgebrauch noch nicht zu kennen scheint, außerdem zwei tatsächliche "Zufallsfunde", nämlich die Historie Dracula mit deutscher Verwendung von Ziginer für mutmaßliche Roma in der Walachei und den Armen Schoffthor, weil sich bei ihm die Verfestigung der Vorstellung von Ägypten als Zygoner lant bekundet. Die Liste ließe sich vermehren um zahlreiche weitere Belege, die den Roma ohne Verwendung des Worts "Zigeuner" ägyptische Herkunft zuschreiben, wie z.B. eine Augsburger Chronik mit einem Eintrag zum Martinstag 1417 ("do kamen Egiptenleut in das Land überall und wauren uß dem land, da unser fraw hinfloch, und hetten brieff, wer in nit ir almuosen gab, dem mochten sy stellen [d.h. "den durften sie bestehlen"], und stallen gar vast und man torst [d.h. "durfte"] in nichts darumb tuon"), aber ich hatte mich auf Belege mit dem Wort "Zigeuner" beschränkt, und hier (wegen der manchmal schiefen Zitate in der Literatur) bevorzugt auf solche, die -- mit Ausnahme der Magdeburger Schöppenchronik (hier nachgereicht: [28]) -- auch online im Volltext kontrollierbar waren. Gegenbelege sind aber ausdrücklich erwünscht.
Nach Deiner Behauptung lassen sich dem "leicht ... vier gegenüberstellen", die angeblich meiner "Interpretation widersprechen", tatsächlich nennst Du nur zwei, und die können eigentlich nur die Frage aufwerfen, aus was für Sekundärquellen Du Dich eigentlich bedienst:
  • Einen Beleg "Magdeburg 1417" ("Volck von allerley losen Gesindlein als Huren und Buben", zu "Tattern", nicht zu "Zigeunern"), der tatsächlich überraschend wäre, wenn er wirklich schon im 15. Jh. entstanden wäre und nicht vielmehr von Johannes Pomarius (Baumgarten) stammte, aus dessen in den 1580er-Jahren entstandener, 1587 als Summarischer Begriff der magdeburgischen Stadt Chroniken gedruckter hochdeutscher Bearbeitung der manchmal Konrad Bote zugeschriebenen niederdeutschen Chroneken der Sassen (ihrerseits 1492 in Mainz gedruckt, von mir nicht geprüft). Bei frühen Belegen für "Tattern" (wie dem ältesten vermuteten Rechnungsbeleg für Roma, Hildesheim 1407) ist übrigens strittig, ob es sich, wo der Kontext es nicht durch Hinweis auf "ägyptische" Herkunft oder durch den Zusatz "Zigeuner" vereindeutigt, überhaupt um Roma und nicht vielmehr um andere Zuwanderer aus Südosteuropa handelt, siehe Ernst Schubert, Der Fremde in in den niedersächsischen Städten des Mittelalters, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 69, 1997, p.1-44, p.31
  • Deinen zweiten Gegenbeleg, "Juden uss dermelegen Egypten" aus "Frankfurt 1418", kenne ich in dieser Form nicht und ist wegen "dermelegen" auch schwer oder nur als korrupter Text zu glauben, ich fürchte aber, daß Du das älteste Zeugnis für Roma in Frankfurt meinst, jenen vielzitierten Beleg wonach im Juni 1418 "den elendigen luden [d.h. "Leuten", nicht etwa "Juden"] uss dem cleynen [nicht "dermelegen"] Egypten" Brot und Fleisch im Preis von 4 Pfund und 4 Schilling zugewendet wurde.
Falls Deine übrigen Gegenbelege besser sind, immer her damit.
Die Interpretation, daß in den von mir angeführten chronistischen Belegen mit "Zigeunern" Roma gemeint sind, und diese vor dem Ausgang des 15. Jh. noch relativ einheitlich als ein Volk fremder, vorgeblich ägyptischer oder ähnlicher Herkunft angesehen wurden, z.T. sogar mit einer eigenen ständischen Organisation und eigenen "Bischöfen", stammt auch nicht von mir selbst, wie Du ebenfalls sehr gut weißt, sondern beschreibt einen Forschungskonsens, der zwar heute nicht mehr unangefochten ist, dem sich aber auch Fricke an der von Dir selbst zitierten Stelle insoweit noch anschließt. Denn für die "Zweigruppentheorie" (Beimischung mehr oder weniger einheimischen "Gesindels" zu den "echten", mit Schutzbriefen ausgestatteten "Ursprungszigeunern" der ersten Zeit) findet er "Ansätze ... schon bei Heinrich Brennwald (ca. 1530)", aber nicht im 15. Jh., und auch für die Vorstellung, daß es sich (mittlerweile oder seit jeher) ausschließlich um zusammengelaufenes Gesindel "aus vielerley nicht weit entlegenen Völckern" stamme, behauptet er keine spätmittelalterlichen Belege, sondern er führt dafür ausschließlich Autoren des 16. bis 18. Jh. an. Diese Sicht der Chronologie ist auch keineswegs obsolet. In jüngerer Zeit findet sie sich z.B. bei Wilhelm Solms, Zigeunerbilder: Ein dunkles Kapitel der deutschen Literaturgeschichte, Würzburg: Königshausen & Neumann, 2008, p.17ff., der die Vorstellung von einem mehr oder minder europäischen Wandervolk auch schon bei Albert Krantz vorfindet (p.20f.): von ihr und der "Zweigruppentheorie" unterscheidet er kontrastierend als die ältere die ihm bei Andreas von Regensburg und Hermann Korner belegte Vorstellung von den "Zigeunern" als einer (in seiner Deutung) "fremden Ethnie".
Wenn in der neueren Forschungsliteratur demgegenüber vielfach behauptet wird, daß die Auffassung von "Zigeunern" als Ethnie oder Rasse erst eine Konstruktion der jüngeren Neuzeit sei, die an die Stelle eines primär oder ausschließlich sozialen Verständnisses getreten sei, dann ist das nicht nur für die Frühe Neuzeit wahrscheinlich stark übertrieben (wenn ich den Einwänden glauben darf, die u.a. Opfermann gegen Lucassen geltend gemacht hat), sondern es ist auch für das Spätmittelalter -- das die von Dir zitierten Autoren meist sowieso nicht auf dem Radar haben -- insofern irreführend, als dort zwar selbstverständlich keine ethnischen oder rassistischen Konzepte der Neuzeit antizipiert wurden, aber auch die frühneuzeitlichen "sozialen" Gegenentwürfe zu der akzeptierten oder kommentarlos kolportierten Selbstdarstellung der Gruppe vor dem Ausgang des 15. Jh. noch nicht zu belegen sind. Soweit die von Dir als "Lektüreempfehlung" nachgereichten Literaturstellen sich überhaupt auf die spätmittelalterliche Periode beziehen und dann nicht entweder die Auffassung Frickes wiederholen (Zimmermann) oder quellenfernen Unsinn fabulieren (Kallenberg: das Bild der diebischen und spionierenden "Zigeuner" stammt nicht erst von den Reichsständen, sondern ist schon bei Andreas von Regensburg bezeugt, dort in Hinsicht auf die "occulti terrae exploratores" als Volksmeinung) fragt sich also, ob dort tatsächlich irgendetwas substantiell der herkömmlichen Deutung der frühen Belege entgegensteht. Die einzige Aussage, bei der es zumindest so scheinen könnte, ist das von Dir an den Anfang gestellte Zitat aus der Arbeit der Bärs, die ich selbst noch nicht gelesen habe. Inhaltlich kann sie sich eigentlich nur auf die Zeit seit dem 16. Jh. beziehen, falls nicht die älteren Belege eingeschlossen sein sollen in der Behauptung: "Die Möglichkeit, aus einigen Textstellen eine Auffassung der Gruppe als Ethnie herauszulesen, ist nicht ganz auszuschließen (am ehesten könnte man die mehrfach wiedergegebenen Selbstaussagen der zigeuner bezüglich ihrer ägyptischen Herkunft in dieser Richtung interpretieren. Es liegt jedoch kein einziger Beleg vor, aus dem diese Auffassung unzweifelhaft hervorgeht, ganz zu schweigen von Belegen, in denen sie explizit thematisiert wird." Ich weiß ja nicht, was die Bärs unter einer "Ethnie" verstehen, oder was nach ihrer Vorstellung die "Zigeuner" des 15. Jh. den Leuten von Magdeburg und Lübeck bis Regensburg und Konstanz sonst noch hätten erzählen müssen, um sich als Angehörige eines fremden Volks zu erkennen zu geben. Tatsache ist jedenfalls, daß es ganz im Gegenteil zumindest in dieser frühen Zeit noch keinerlei explizite Aussagen gibt, die ihre ethnische Selbstdarstellung durch eine soziale oder multiethnische Herkunftserklärung konterkarieren. Wenn es in dieser Arbeit oder anderswo aber trotzdem Forschungsaussagen geben sollten, die an konkreten Quellenbelegen des 15. Jh. die Behauptung exemplifizieren, daß das Wortverständnis ein dominant soziales, auch Nicht-Roma einschließendes gewesen wäre, also Aussagen, wie ich meinerseits sie im gegenteiligen Sinn oben bei Solms angeführt habe, dann laß es uns bitte wissen. Aber bitte nicht noch weitere Statements von Autoren, die sich mit den älteren Belegen nicht im Detail befassen, sondern die Verhältnisse der Frühen Neuzeit lediglich mit für die Anfangszeit unzutreffenden Verallgemeinerungen beschreiben.
2) "Soziographische" Wortbedeutung: Ich habe in meinem Formulierungsvorschlag die Verwendung des Worts als Bezeichnung für Roma an den Anfang gestellt, weil es diejenige ist, mit der das Wort zuerst ins Deutsche entlehnt wurde, und außerdem deshalb, weil dies zwar nicht für das 16.-18. Jh., aber doch zumindest für den jüngeren Wortgebrauch wieder die -- min natürlich veränderten sozialen, ethnischen und/oder rassischen Implikationen -- vorherrschende Bedeutung ist. Einen Beleg für letzteres habe ich geliefert (Kilian), auch Deine persönlichen Einwände zur Sache habe ich oben bereits beantwortet, und Deine "Lektüreempfehlungen" betreffen diese Frage für den heutigen Wortgebrauch nicht. Denn in unserer aktuellen Diskussion berufst Du Dich ja leider, wenn es um das Spätmittelalter oder die jüngere Zeit geht, ständig auf Forschungsaussagen, in denen es um genau diese Perioden gerade nicht geht. Was nun die in eindeutigen Quellenbelegen erst seit dem 16. Jh. belegte "soziographische" Wortbedeutung angeht, die auch Nicht-Roma mit einschließt, mußt Du mir bitte nachsehen, daß ich Deine Pirouetten hierzu offenbar nicht mit der nötigen Geschwindigkeit antizipiert habe. Als ich meinen Vorschlag in seither modifizierter Form im April 2010 schon einmal zur Diskussion gestellt hatte, hattest Du Dich noch sehr gesträubt, die "soziographische" Bedutung überhaupt in der Einleitung zu erwähnen, und hattest erklärt:
Der soziographische Zigeuner-Begriff, der Nicht-Roma miteinschließen würde, spielte real nur eine marginale Rolle. Auch übrigens als Selbstbezeichnung Jenischer von den jenischen Vereinen lange schon komplett ausgemustert. Von Lucassen wird er maßlos überbewertet, was damit im Zusammenhang steht, daß Lucassen (jetzt ein klein wenig zugespitzt) ganz ähnlich wie andere vor ihm (auf Arnold beruft er sich ausdrücklich) bei "Zigeunern" von einer Mischungspopulation aus Roma und Jenischen ausgeht.--Kiwiv 20:45, 18. Apr. 2010 (CEST)
Um dieser Einschätzung entgegenzukommen hatte ich diesmal bei meiner Neuformulierung des Einleitungsvorschlags das von Dir jetzt beanstandete Wörtchen "zuweilen" eingefügt ("wurde seit der Frühen Neuzeit zuweilen auch in einer erweiterten Bedeutung verwendet als eine Art Oberbegriff für gesellschaftliche Randgruppen mit einer fahrenden Lebensform und entsprechenden Wandergewerben und Sozialstrukturen"), denn ich konnte ja nicht ahnen, daß Du neuerdings den "soziographischen Zigeuner-Begriff" auch schon ins Spätmittelalter zurückdatieren willst (mit Lucassen und Arnold??), und ihn auch für die jüngere Zeit als Hauptbedeutung ansiehst. Ich selbst sehe das leidenschaftslos: wir können das "zuweilen", das zumindest für die gelehrte Literatur der Frühen Neuzeit tatsächlich unpassend ist, gerne weglassen.
3) "Engere" vs. "weitere" Bedeutung: Du hast recht, daß die von Dir favorisierte sozialhistorische Literatur mit dieser grammatisch-sprachwissenschaftlichen Begrifflichkeit nicht operiert, sie spricht wie auch Du stattdessen davon, daß die Bedeutung auch Nicht-Roma einschließt oder nicht einschließt. Das erstere nennt man eine weitere, das letztere eine engere Bedeutung und läßt sich dem Leser, der ja kein Sozialwissenschaftler sein muß, mit diesen Begriffen verständlich präsentieren. Was soll daran "falsch" sein?
4) Westeuropa: Mein Vorschlag hieß: "ist eine auf wahrscheinlich byzantinischen Sprachgebrauch zurückgehende, im Deutschen seit dem 15. Jahrhundert belegte Bezeichnung für die in in Westeuropa seit dem Spätmittelalter zugewanderten Gruppen der Roma". Dazu behauptest Du: "Der Satz lässt den Leser glauben, Westeuropa sei nicht nur Zuzugsraum, sondern zugleich auch der Verbreitungsraum von „Zigeuner“". Der Leser müßte in diesem Fall den Satz falsch konstruieren, aber dem kann man leicht vorbeugen, der Satz ist sowieso etwas wurschtig geraten: "ist eine auf wahrscheinlich byzantinischen Sprachgebrauch zurückgehende, im deutschen Sprachgebiet seit dem Anfang des 15. Jahrhunderts belegte Bezeichnung für die seit dieser Zeit dort zugewanderten Roma". Daß der Leser dann meint, daß das deutsche Sprachgebiet das einzige Verbreitungsgebiet der Roma sei, steht wohl nicht zu befürchten.
5) Kriminelle Delinquenz: Mein Vorschlag hieß: "mit der sich in einer schon im 16. Jahrhundert einsetzenden Entwicklung negativ wertende Stereotype fremdartiger Erscheinung, sozialer Abweichung und krimineller Delinquenz verbanden". Hier muß vor allem die Datierung korrigiert werden, richtig ist "seit dem 15. Jh." oder besser "mit den frühesten Belegen einsetzenden Entwicklung". Deine Aufregung über die Formulierung "kriminelle Delinquenz" kann ich nach wie vor nicht nachvollziehen, aber wir können "Delinquenz" gerne durch "Verhalten" ersetzen, ist für den Normalleser sowieso verständlicher.
6) Hapax legomenon: Da Dir das offenbar besonders zu schaffen macht, sei's noch mal erklärt: Ich hatte Deine Verwendung von "Ursprungszigeuner" ironisch als "Hapax legomenon" bezeichnet, weil es sich um einen in der Einleitung für den Leser unverständlichen oder nur vage verständlichen, weder fachsprachlich noch gar allgemeinsprachlich kurrenten noch wenigstens einem gängigen Wortbildungsmuster zugehörigen Begriff handelt (man spricht ja auch nicht von "Ursprungsdeutschen", "Ursprungslandstreichern", "Ursprungsingenieuren", sondern höchstens von "Ursprungsphilosophen", weil sie über den Ursprung philosophieren), den ich auch mit Google und Google Books nirgendwo, außer in Deiner Formulierung der Einleitung und unserer Diskussion darüber, finden konnte. Das war kein "abstruser" Vorwurf, sondern eine in der Sache unverändert richtige und auch damals schon ausreichend begründete Stilkritik. Und daran ändert sich auch dadurch nichts, daß Du mittlerweile Frickes singuläre Verwendung dieses Wortungetüms als Deine Quelle nachgereicht hast. Ob nun ein Hapax legomeneon oder ein Dis legomenon: der Begriff ist eine mißgebildete Rarität (auch Zimmermann muß ihn erst ins Deutsche übersetzen, wenn er in Anlehnung an Fricke von "ursprünglichen Zigeunern" spricht), und es ist überhaupt nicht einzusehen, warum er als unverständliches Verhüllwort für Roma in einer nicht nur für Kiwiv- oder Fricke-Exegeten gedachten Einleitung verwendet werden soll.
7) Konsens: Der Konsens über die aktuelle Version der Einleitung kam tatsächlich durch ein voreiliges Einlenken meinerseits zustande, und es ist richtig, ich kündige ihn auf, nachdem zuvor auch schon andere -- die allerdings vor Deinem Beharrungswillen mittlerweile die Segel gestrichen zu haben scheinen -- z.T. berechtigte Kritik geäußert haben (z.T. auch unberechtigte, die aber ebenfalls ein Hinweis auf die Untauglichkeit dieser Einleitung ist). Mein Alternativvorschlag ist, wie ich meine, ausgesprochen konstruktiv, und an Quellen- und Literaturbelegen, die sich tatsächlich und nicht bloß vermeintlich oder vorgeblich auf die zwischen uns strittigen Punkte beziehen, meine ich ebenfalls genügend, mehr jedenfalls als Du, angeführt zu haben. --Otfried Lieberknecht 03:49, 14. Mär. 2011 (CET), ergänzt --Otfried Lieberknecht 09:03, 14. Mär. 2011 (CET)Beantworten

Zu Randaspekten der laufenden Diskussion

Die Art des Umgangs mit den im Folgenden angesprochenen Gesichtspunkten kennzeichnet unseren Umgang mit dem Thema, insofern interessant, ich denke aber, wir können uns darauf einigen, daß es sich um Randaspekte handelt, die für die geltende Konsensfassung und/oder für eine Neufassung ohne große Bedeutung sind bzw. inzwischen abgehakt werden könnten. Was mich angeht, handelt es sich um eine abschließende Stellungnahme.

  • „Seit dem Spätmittelalter“: das Spätmittelalter währte von der Mitte des 13. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts. Die Zuwanderung setzte gerade mal 80/90 Jahre vor dem Ende des Spätmittelalters ein, im allerspätesten Mittelalter. Passender wäre es, vom 15. Jahrhundert zu sprechen.
  • Es ist ganz unwahrscheinlich, daß schlagartig mit dem Eintritt in die Neuzeit die soziografische Definition entstanden und zugleich dominant geworden wäre. Darauf bezogen sich meine Bedenken und meine zwei Belegbeispiele, von denen ich das zweite wieder als ungeeignet zurückziehe. Was war der weitere Kontext, in dem ich sie brachte? Deine unangebrachte Quellenrecherche, zumal sie als Methode zur besseren Erkenntnis in der von dir praktizierten Weise (Googeln) ungeeignet ist und die Ergebnisse schon bei oberflächlicher Prüfung für den angestrebten Zweck nicht einmal alle verwendbar waren. Ich sprach ironisch von vier Belegen, die sich deinen vier in deinem Sinn brauchbaren leicht gegenüberstellen lassen würden, weil ich deine Quellenausbeute für völlig unzureichend halte, um damit irgendetwas begründen zu können. Ich verzichtete auf eine nähere Angabe der Herkunft meiner Funde, weil ich mit dir bei der Suche nach Quellen eben gerade nicht konkurrieren wollte. Dabei ist es selbstverständlich geblieben.
  • Das ethnische Beschreibungsmuster war zweifelsohne in diesen letzten Jahrzehnten des Spätmittelalters so zeittypisch wie das soziografische in den nachfolgenden Jahrhunderten (das ist von mir doch zu keinem Zeitpunkt bestritten worden), lässt sich aber als Identifizierung der als „Zigeuner“ Bezeichneten als Roma nicht im geringsten verstehen. Die unbestimmt als „schwarz Volk“ im Sinne von gens Beschriebenen, galten den Zeitgenossen als Tataren, Sarazenen, Juden und vor allem als Ägypter. Wir Heutigen meinen inzwischen (durchaus begründet), diese Menschen als frühe Angehörige der Roma-Minderheit identifizieren zu können. Die unterschiedlichen Zeitebenen und die damit einhergehenden unterschiedlichen Semantiken sind aber doch wohl auseinanderzuhalten? Das tust du nicht und deshalb kommst du zu einem falschen Ergebnis.
  • Deine Unterscheidung zwischen einer engeren und einer weiteren Bedeutung wird, wovon ich schon ausgegangen bin, grammatisch-linguistisch üblich sein. Hier ist sie jedoch unpassend und führt zu falschen Ergebnissen, denn „soziografisch“ ist keine Ausweitung von „ethnisch“, sondern etwas im Inhalt völlig anderes. Bei "soziografisch" und "ethnisch" handelt sich um gegensätzliche Beschreibungsmuster, die sich in ihren reinen Formen jeweils ausschließen.
  • „Kriminelle Delinquenz“: ich hatte nur festgestellt, daß das ein Pleonasmus ist (so wie „delinquente Kriminalität“ oder „irrtümlicher Trugschluß“ Pleonasmen sind), demnach hier verfehlt. Man muß „kriminell“ streichen, so wie sich von „kriminellem“ oder „delinquentem Verhalten“ sprechen ließe (wie du jetzt richtig vorschlägst).
  • Statt im Internet hättest du dein hapax legomenon (dem ich nichts Ironisches anmerken konnte) bei Fricke oder Zimmermann suchen sollen. Zimmermann hatte ich deshalb angeführt, weil er nicht irgendjemand ist. Offenbar fand er den von Fricke verwendeten und m. E. auf Anhieb verständlichen Terminus so brauchbar, daß er ihn als „ursprüngliche Zigeuner“ übernahm. Mich störte der großmächtige Auftritt des hapax, aber ich muß sagen, ich fand sie auch ein bisschen witzig, die von mir so apostrophierte „Dicke Bertha“.--Kiwiv 15:28, 15. Mär. 2011 (CET)Beantworten
Es gibt keine "geltende Konsensfassung der Einleitung", sondern nur eine von sämtlichen Diskussionsteilnehmern kritisierte Einleitung und meinen Gegenvorschlag. Im Konsens befindest nur Du Dich mit Dir selbst in der Überzeugung, daß die Kritik zu ignorieren und als Ausweis persönlicher oder schlimmerer Probleme der Kritiker zu bewerten sei.
  • "Spätmittelalter": hat sich längst erledigt, lies bitte meinen vohergehenden Beitrag.
  • "Es ist ganz unwahrscheinlich, daß schlagartig mit dem Eintritt in die Neuzeit die soziografische Definition entstanden und zugleich dominant geworden wäre. Darauf bezogen sich meine Bedenken und meine zwei Belegbeispiele, von denen ich das zweite wieder als ungeeignet zurückziehe": Wieso nur das zweite? Auch Deinen gescheiterten Versuch, einen irgendwo gefundenen Quellenbeleg aus den 1580er-Jahren in Unkenntnis seiner Provenienz für den Sprachgebrauch des 15. Jh. ("1417") geltend zu machen, solltest Du unbedingt zurückziehen. Von einer "schlagartigen" "Entstehung" einer "soziografischen Definition" habe ich im übrigen nie gesprochen, sondern von einer Bedeutungserweiterung, bei der die ethnischen Bedeutungsmerkmale gegenüber den von Anfang an gegebenen sozialen zurücktraten und es so möglich wurde, die Bedeutung auf ethnisch verschiedene, aber aus der Sicht der Sprecher sozial vergleichbare Phänomene auszuweiten. Meine Neufassung spricht deshalb nicht von einer "neu entstandenen" "Definition" oder Bedeutung, sondern von einer "erweiterten Bedeutung", und in der Diskussion hatte ich bei der (von Dir hartnäckig ignorierten oder stur abgelehnten) Unterscheidung zwischen engerer und weiterer Bedeutung einerseits und den damit verbundenen ethnischen oder sozialen Konzepten andererseits noch näher ausgeführt: "aber es müssen auch soziale Merkmale .. für A [die engere Bedeutung] eine Rolle gespielt haben, die gegenüber den ethnischen dominant wurden und damit auch die auf andere Gruppen erweiterte Verwendungsweise B entstehen ließen." Es ist schwer, nein unmöglich, sich mit jemandem über Bedeutungswandel überhaupt auszutauschen (von Konsens will ich garnicht erst reden), der elementare grammatisch-sprachwissenschaftliche Distinktionen an sich abperlen läßt, praktisch keine einzige Aussage seines Gegenübers wenigstens in ihrem ungefähren Sinn inhaltlich nachvollzieht, geschweige denn diesen Sinn in seine eigenen Überlegungen und Gegenvorstellungen einbezieht, sondern Aussagen dieses Gegenübers nur auf völlig randständige Problemchen hin analysiert und vermeintlich kritisch kommentiert. Der Standpunkt turmhoher Überlegenheit, von dem aus Du diese Diskussion führst, ist offenbar ungeeignet, überhaupt mitzubekommen, worum es geht.
  • "Deine unangebrachte Quellenrecherche, zumal sie als Methode zur besseren Erkenntnis in der von dir praktizierten Weise (Googeln) ungeeignet ist...": Ich habe mich ja in meiner Kritik an Deinen Belegen weitestgehen aller Häme enthalten, obwohl ich schon manchen peinlichen Spruch dieser Art von Dir unkommentiert hatte durchgehen lassen, aber hier scheint mir zuletzt doch mal ein deutlicher Fingerzeig angebracht: dein eigener Umgang mit Quellen hat sich in dieser Diskussion in einem derart ungünstigen Licht dargestellt, daß Du unbedingt damit aufhören solltest, Dich in jedem Deiner Beiträge geringschätzig über meine Arbeitsweisen auszusprechen. Ich prüfe die in der Literatur angeführten Quellenzitate in ihrem Kontext in der jeweiligen Quelle und verschaffe mir nach Möglichkeit Informationen über die Provenienz dieser Quelle: diese Möglichkeiten sind bei Google Books begrenzt, aber mindestens in dem Maße, in dem sie auch schon dort gegeben sind, könntest auch Du mit im Einzelfall durchaus großem Erkenntnisgewinn Gebrauch davon machen. - "... und die Ergebnisse schon bei oberflächlicher Prüfung für den angestrebten Zweck nicht einmal alle verwendbar waren: bei Dir war kein einziger, bei mir bisher noch jeder einzelne Beleg für genau den Zweck geeignet, für den er deklariert wurde, auch der von Dir gemeinte Beleg für ziginer in der Historie Draculas, der von mir korrekt unter die Bezeichnungen "für Roma (oder mutmaßliche Roma) in anderen Ländern" eingereiht und bei der anschließenden Kommentierung der Liste ausdrücklich ausgenommen wurde. - "Ich sprach ironisch von vier Belegen, die sich deinen vier in deinem Sinn brauchbaren leicht gegenüberstellen lassen würde...": Aha, Ironie soll es also gewesen sein. Sie ist bei solchen Behauptungen fehl am Platz, im Ergebnis sind es jedenfalls nicht vier und nicht einmal zwei Belege, sondern nullkommanix. -- "... weil ich deine Quellenausbeute für völlig unzureichend halte, um damit irgendetwas begründen zu können": Die Überlieferung ist in den ersten rund 80 Jahren relativ übersichtlich und gut erschlossen, ein (ich sage das ohne Ironie) im Vergleich zu mir wesentlich besserer Kenner der Forschungsliteratur sollte also doch wohl die Frage leicht beantworten können: welche Quellen fehlen in meiner Liste? Wenn meine "Ausbeute" Dir "völlig unzureichend" erscheint, dann darfst Du diese Kritik im übrigen an die Forschung adressieren, die nach meiner Kenntnis wesentlich an diesen (oder im Fall von Solsm 2008 an einigen von diesen) Quellenaussagen das Verständnis des Wortes "Zigeuner" in den ersten Jahrzehnten seiner Wortgeschichte erarbeitet hat, sofern sie überhaupt mit Quellen dieser Zeit arbeitet und nicht mit pauschalen Verallgemeinerungen die späteren Verhältnisse in die Anfangszeit zurückverlegt. Ich hatte Dich eingeladen, Forschungsaussagen beizubringen, die konkret an diesen oder anderen Quellenaussagen ein anderes, womöglich gegenteiliges Verständnis exemplifizieren. Aber es kommt nichts als Deine Behauptung, daß meine "Quellenausbeute für völlig unzureichend" zu halten sei. Was soll man daran noch ernstnehmen? - "Ich verzichtete auf eine nähere Angabe der Herkunft meiner Funde, weil ich mit dir bei der Suche nach Quellen eben gerade nicht konkurrieren wollte": Du wolltest Du es "eben gerade nicht", hast es aber trotzdem mal so eben nebenbei versucht, mit einer frechen Behauptung, einem völlig verpfuschten und einem zweiten aus dem falschen Jahrhundert stammenden Quellenzitat. Und mit einer langen Latte von "Lektüreempfehlungen", die sich im wesentlichen ebenfalls in den Jahrhunderten vertut. Als Wissenschaftler sollte man doch eigentlich in der Lage sein, das Scheitern einer evident gescheiterten Beweisführung kurz und knapp einzuräumen, und eine Auffassung, die man ja deshalb trotzdem noch nicht teilen muß, die man aber aktuell auch nicht entkräften kann, wenigstens als solche anzuerkennen. Statt sich mit fadenscheinigen Ausflüchten herauszureden und mit unveränderter Überheblichkeit dem Gegenüber weitschweifigst seine Geringschätzung auszusprechen.
  • "Das ethnische Beschreibungsmuster war zweifelsohne in diesen letzten Jahrzehnten des Spätmittelalters so zeittypisch wie das soziografische in den nachfolgenden Jahrhunderten (das ist von mir doch zu keinem Zeitpunkt bestritten worden)...": Es geht nicht nur um ein Beschreibungsmuster, sondern auch darum, daß sich auch die Beschriebenen selbst mit Herkunftserklärungen und Schutzbriefen als Angehörige eines fremden Volkes ausgewiesen haben sollen und sich hierbei -- wenn man die Formulierung Korners ("Secanos se nuncupantes") für bare Münze nehmen kann -- selbst als "Zigeuner" bezeichneten (meinetwegen auch etikettierten im Sinne Lucassens, indem sie ein ihnen in griechischem Sprachgebiet aufgestempeltes Wort in deutschen und anderen Gebieten als Selbstbezeichnung weiterverwendeten). Die Beschreibungen heben außerdem schon in der Anfangszeit nicht nur auf ethnische, sondern ebensosehr und mehr noch auf soziale Merkmale ab, einige davon sind weitgehend die gleichen, die dann ab dem 16. Jh. stark oder ganz in den Vordergrund treten. Davon abgesehen: es ist ein Witz, daß Du es nicht bestritten hättest, aber doch schön, wenn wir uns jetzt endlich einig sind, daß im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit ein Bedeutungswandel stattfand. - "...lässt sich aber als Identifizierung der als „Zigeuner“ Bezeichneten als Roma nicht im geringsten verstehen": nein, natürlich nicht, kein Europäer, der dazu bekanntermaßen etwas schriftlich hinterlassen hat (auch nicht Frescobaldi mit seiner in der Forschung allenthalben fehlinterpretierte Formulierung "romiti"), war zu dieser Zeit und auch noch lange Zeit später in der Lage, Roma "als Roma zu identifizieren", sie wurden als Ägypter, als (wahrscheinlich ebenfalls in der Tendenz ethnisch zu verstehen) Sarazenen, als (wahrscheinlich eher generisch zu verstehen) Tataren oder einfach Heiden identifiziert (eine Bezeichnung als Juden kenne ich im 15. Jh. bisher nicht). In der Bezeichnung als "Zigeuner" steckt keine erkennbare ethnische Identifizierung mit einem anderen, bekannten Volk, die sich nicht aus dem Kontext ergibt (und sich dann in Bezug auf die ägyptische Herkunft auch als mehr oder minder stereotype Konnotation zeitweise verfestigt hat), sie wurden anhand dieses Namens im wesentlichen nur mit sich selbst identifiziert und gegen anders benannte ethnische und soziale Gruppen abgegrenzt. - "Wir Heutigen meinen inzwischen (durchaus begründet), diese Menschen als frühe Angehörige der Roma-Minderheit identifizieren zu können. Die unterschiedlichen Zeitebenen und die damit einhergehenden unterschiedlichen Semantiken sind aber doch wohl auseinanderzuhalten?": Ja, ich bitte sehr darum, und auch Du hättest sie von Anfang an auseinanderhalten sollen, anstatt ständig die spätmittelalterliche "Semantik" zu verneinen, weil Du glaubst, daß sie erst in die jüngere Neuzeit gehört. - "Das tust du nicht und deshalb kommst du zu einem falschen Ergebnis": Für wie blöd hältst Du mich eigentlich, oder warum liest Du nicht einfach mal, was ich schreibe? Mein Vorschlag für die Einleitung beginnt: "Zigeuner ist eine auf wahrscheinlich byzantinischen Sprachgebrauch zurückgehende, im Deutschen seit dem 15. Jahrhundert belegte Bezeichnung für die in in Westeuropa seit dem Spätmittelalter zugewanderten Gruppen der Roma". Ich habe das in der Diskussion in meinem vorigen Beitrag modifiziert zu: "ist eine auf wahrscheinlich byzantinischen Sprachgebrauch zurückgehende, im deutschen Sprachgebiet seit dem Anfang des 15. Jahrhunderts belegte Bezeichnung für die seit dieser Zeit dort zugewanderten Roma." Dort steht jeweils 'Bezeichnung für (Gruppen der) Roma', nicht 'Wort mit der Bedeutung "Roma"' oder 'Wort, mit dem Roma als Roma identifizert werden'. Ich habe in der Diskussion die bekanntesten chronistischen Belege des 15. Jh. für das Z-Wort aus deutschem Sprachgebiet aufgelistet und dazu erklärt: "Diese Quellen (...) gelten in der Forschung als Zeugnisse für die Präsenz von Gruppen, die man heute als Roma (Sinti) bezeichnet, beschreiben sie z.T. als "gens", "volck" oder "multitudo", schreiben ihnen meist Herkunft aus (Klein-) Ägypten oder einem anderen fremden Land zu oder berichten von solchen Selbstzuschreibungen. (...) Dem Wortgebrauch nach handelte es sich in dieser Zeit noch um ein Nomen proprium aus der Klasse der Nomina gentium, ein Ethnonym für ein als fremd- und neuartig empfundenes, mindestens zeitweise vagierendes "volck" ohne europäisches Territorium, ohne verbürgte Geschichte und mit einem bloß putativen Herkunftsland. Wie "ethnisch" oder wie "sozial" dieses "volck" konzeptualisiert wurde, ist dabei offen zu lassen (...). Entscheidend ist aber, daß das Z-Wort in dieser Zeit noch speziell und -- nach Lage und historischer Interpretation der Belege -- ausschließlich für Roma verwendet wurde, eine andere Verwendungsweise ist vor den letzten Jahren des 15. Jh. m.W. nicht bekannt (...) Darüber, ob die ursprünglich einzige Verwendungsweise als Bezeichnung für die Roma, von der alle anderen Bedeutungen (...) durch Erweiterung und/oder Übertragung abgeleitet sind, bis heute "dominant geblieben" ist, oder ob sie seit dem 18. Jh. im Zuge der Erforschung der indischen Herkunft und Sprache der Roma und in Verbindung mit modernen Vorstellungen von Volk und Rasse erst wieder dominant wurde, kann man gerne diskutieren." Die spätmittelalterliche und die in moderner Zeit dominante Bedeutung sind in der Referenz und Extension als engere Bedeutung des Wortes vergleichbar und unterscheiden sich insoweit von der weiteren und generischen, die das Spätmittelalter noch nicht erwiesenermaßen kannte, in der Frühen Neuzeit zeitweise (besonders bei gelehrten Autoren) in den Vordergrund tritt und in Moderne dann zwar eine ebenfalls nicht unwichtige, aber doch vergleichsweise nachrangige Rolle spielt. Das alles kann man zweifellos noch besser formulieren, als ich es getan habe, aber den Unfug, den Du mir vorhalten willst, habe ich nie gesagt und oft und klar genug ausgeräumt.
  • "Deine Unterscheidung zwischen einer engeren und einer weiteren Bedeutung wird, wovon ich schon ausgegangen bin, grammatisch-linguistisch üblich sein. Hier ist sie jedoch unpassend...: Falls Du Dich erinnerst, womit ich mich in den letzten 30 oder so Jahren fachlich beschäftigt habe, kannst Du mir ruhig abnehmen, daß diese Unterscheidung nicht nur "üblich sein wird", sondern in der früher Grammatk genannten Sprachwissenschaft seit mehr als 2000 Jahren tatsächlich üblich ist; und sie ist eigentlich auch in allen Fällen passend, in denen der Name einer Sache generisch auch für andere Dinge verwendet wird (wie z.B. "Tempo" als Markenname in der generischen Bedeutung "Papiertaschentücher" unter Einschluß sachlich vergleichbarer Produkte auch anderer Hersteller). - "...und führt zu falschen Ergebnissen, denn „soziografisch“ ist keine Ausweitung von „ethnisch“, sondern etwas im Inhalt völlig anderes": Wenn Du das verstanden hast, dann sollte es Dir doch eigentlich auch möglich sein, zu verstehen, warum ich ständig darauf insistiere, daß zwischen erstens der engeren und weiteren Bedeutung (A und B) und zweitens den damit je verbundenen ethnischen und/oder sozialen Konzepten (a und b) (sowie drittens den wertenden Konnotationen α und β) unterschieden werden soll. Ein Zusammenhang besteht insofern, als der Übergang von der engeren Bedeutung als nomen gentis (A) zu der weiteren als nomen commune (B) eine die Erweiterung motivierende Schnittmenge von Bedeutungselementen voraussetzt, hier naheliegenderweise "soziale" Merkmale (b) wie das Vagieren in Gruppen, Delinquenz etc, die bereits in den ersten Quellenaussagen im Verein mit Wortverwendungen des Typs A angesprochen wurden und dann für die generische Verwendungsweise B konstitutiv werden. - "Bei "soziografisch" und "ethnisch" handelt sich um gegensätzliche Beschreibungsmuster, die sich in ihren reinen Formen jeweils ausschließen": ein Ethnologe würde das wohl kaum unterschreiben, und ein Sozialhistoriker sollte es vielleicht auch nicht tun, aber für einen Sprachwissenschaftler, der eine solche Wortgeschichte zu analysieren hat, kommt es sowieso nicht auf "reine Formen" an, er kann sich mit der Feststellung begnügen, daß das Ethnikon aufgrund sozialer Merkmale der damit bezeichneten Ethnie zu einem Sozionym für eine sozial gleichartige, nicht oder nicht mehr primär ethnisch definierte Gruppe wird, im gegebenen Fall für eine größere multiethnische Gruppe (oder Gruppen), in der die namengebende Gruppe (der Eponym) aber immer noch einen erheblichen Anteil ausmacht (die von Dir immer wieder erinnerte Ausweitung auf nomadisierende Gruppen ohne jeden Bezug zur ursprünglichen Gruppe wäre dann noch ein weiterer Schritt hin zu einem wirklich generischen Begriff). Richtig ist, daß speziell die Herkunft der Gruppe als eines ihrer ethnischen Merkmale nachrangig oder gleichgültig werden muß, weil sie als konstituves Merkmal der Ausweitung entgegensteht, möglich ist aber auch, daß die größerere Gruppe andere ethnische Merkmale des Eponyms (bezogen z.B. auf Sprache, Kleidung, Speise, typische Handwerke oder Tierhaltung, Religion, Ordnung der Verwandtschaftsverhältnisse etc) übernimmt oder zumindest aus der Sicht der Sprecher eine solche Verähnlichung stattfindet. "Ethnisch" und "sozial" sind Klassifikationen von Bedeutungsmerkmalen, die z.T. sowieso in beide Klassen fallen, sich aber bei einer solchen Bedeutungsentwicklung jedenfalls nicht einfach gegenseitig ausschließen, sondern teils gegeneinander und teils zusammenspielen.
  • "Statt im Internet hättest du dein hapax legomenon (dem ich nichts Ironisches anmerken konnte) bei Fricke oder Zimmermann suchen sollen": Unfaßbar, daß Du erneut darauf zurückkommen zu müssen glaubst. Nein, ich hätte es nicht "statt im Internet", sondern im Internet geringfügig gründlicher, nämlich unter Einbeziehung der flektierten Form "Ursprungszigeunern" suchen sollen, um das Wort in seiner singulären Verwendung bei Fricke (und zusätzlich als mutmaßliches Pseudozitat aus Jakob Thomasius bei Kallenberg) finden zu können [29]. Zimmermann hingegen hat das Wort bei Fricke, wie ich Dir schon vorgehalten hatte, offenbar auf Anhieb so unverständlich und unbrauchbar gefunden, daß er sich veranlaßt sah, es in "ursprüngliche Zigeuner" zu übersetzen, und Du kannst Dir im übrigen ziemlich sicher sein, daß er auch diese Formulierung in einem Text, der den Begriff "Zigeuner" erläutern soll, nicht in einer einleitenden Definition als Umschreibung für Roma oder Sinti verwenden würde, ohne zugleich klarzustellen, daß genau diese gemeint sind.
--Otfried Lieberknecht 02:25, 16. Mär. 2011 (CET)Beantworten

Hauptkritikpunkt

Die Einleitung, die auf einen Konsens zurückgeht, der auch von dir getragen wurde und allein von dir aufgekündigt wird, der du zudem das vorgelegte Kompromißangebot ohne nähere Begründung ablehnst, diese Einleitung erfuhr in der Diskussion eine ganz unterschiedliche Kritik. Zwei Punkte zum Gang der Kritik: a) Du als einer der Diskussionsteilnehmer widersprachst der anfänglichen Kritik z. T. sehr entschieden. Und b) Ich habe nicht den Eindruck, daß andere Diskussionsteilnehmer ihre Kritik im weiteren Verlauf bei dir wiederfinden konnten. Ich kann nicht erkennen, daß der gewaltige Textriemen, den deine Alternativüberlegungen inzwischen hervorgebracht haben, unterstützt wurde, weshalb ich von uns beiden als von „einsamen Diskutanten“ sprach. Nein, so war es nicht? Auch gut.

Zu den Einzelheiten:

  • Du bist der Meinung „die Verwendung des Worts [Zigeuner] als Bezeichnung für Roma“ sei „diejenige, mit der das Wort zuerst ins Deutsche entlehnt wurde.“ Das sei die „vorherrschende Bedeutung“ gewesen, und heute sei es „die Hauptbedeutung“.
a) Die Zeitgenossen des 15. Jahrhunderts haben das Wort nie „als Bezeichnung für Roma“ verwendet. Sie haben damit Sarazenen, Ägypter, Tataren usw. zu bezeichnen gemeint, s. o. Die falsche Aussage lässt sich auch durch nachgeschobene Spitzfindigkeiten nicht revidieren. Wenn du es anders meinst, mußt du es anders sagen.
b) In der zweiten Teilaussage berufst du dich auf einen Linguisten: Die ethnografische Auslegung als Hauptbedeutung sei nicht deine „Privatmeinung, sondern ist u.a. Auffassung von Jörg Kilian“.
Festzustellen ist zunächst einmal, daß Kilian zwar leicht zugänglich ist, aber durch den leichten Zugang nicht gewinnt. Das hätte er sehr nötig.
Denn erstens: Kilian nimmt auf die zahlreichen Publikationen zu „'Zigeuner' im Wörterbuch“ so wenig Bezug, wie man seine Publikation in der fachlichen Literatur zu kennen scheint, nämlich gar nicht. Kilian bewegt sich völlig außerhalb des Diskurses. (Einen Überblick über die in den vergangenen 15 Jahren entstandene Literatur gibt: Ramona MechthildeTreinen/Herbert Uerlings, Vom „unzivilisierten Wandervolk“ zur „diskriminierten Minderheit“. „Zigeuner“ im Brockhaus, in: Herbert Uerlings/Julia-Karin Patrut (Hrsg.), „Zigeuner“ und Nation. Repräsentation – Inklusion – Exklusion (= Inklusion/Exklusion. Studien zu Fremdheit und Armut von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 8), Frankfurt a. M. et. alt. 2008, S. 632-696, hier: S. 632; siehe auch: Anja Lobenstein-Reichmann, Zur Stigmatisierung der "Zigeuner" in Werken kollektiven Wissens am Beispiel des Grimmschen Wörterbuchs, in: ebenda: S. 590-629)
Zwar lohnte der Blick in die Literatur, die weniger randständig als Kilian ist, mehr als der Blick in diese doch eher kurz gefaßte Veröffentlichung, aber damit muß sie sich natürlich nicht erledigt haben.
Daher zweitens: Kilian meint, „den größten Zweifel“ errege „in der deutschen Gegenwartssprache die erste Teilbedeutung [die ethnografische], die wohl als ‚Hauptbedeutung’ (im Sinne Hermann Pauls) gelten darf.“ Hermann Paul ist lange tot, sein Wörterbuch entstand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ist geprägt von den seinerzeit in bürgerlichen Kreisen herrschenden Vorstellungen von „Volk“ und „Rasse“, also von ethnisch-kulturellen bis ethnisch-rassischen Konzepten. Kilian trägt eine ältere Meinung vor und bekräftigt sie, mehr passiert leider nicht. Die gemutmaßte „Hauptbedeutung“ ist ohne Empirie und in dieser Verfassung weniger als eine begründete Hypothese. Seltsam ist nun, daß er in seinem Überblick zu „Varietäten (Subsystemnormen)“ von Roma an keiner Stelle spricht, vielmehr
  • gibt er die umgangssprachliche Verwendung mit „jmd., ‚der viel reist o. unstet lebt`’“ wieder, beschreibt sie also als soziografisch,
  • und spricht mit Blick auf die Standardsprache als von „1) i. S. v. ‚Mitglied einer ethnischen Minderheit: abwertend, meist ersetzt, 2) i. S. v. ‚ungebundene Lebensweise [im Künstlertum] (DWb): positiv konnotiert. In Komposita (Zigeunerleben, -musik), unterschiedliche Konzeptualisierungen.“
„Roma“/“Sinti und Roma“ vermeidet er. Auch von „Jenischen“ ließe sich sprechen. Auch hier gibt es ja bekanntlich das ethnografische Konstrukt. Auch nichts. Er macht es so wie die derzeitige und von dir in gerade diesem Punkt so heftig angegriffene Einleitung: er spricht von "Mitglied[ern] einer ethnischen Minderheit", unbestimmt, unbezeichnet.
Als Beleg für deine Kritik ist Kilian in der Sache ungeeignet. Zudem eine einsame Stimme. Zu den Belegen für die unterschiedlichen Verwendungsweisen von "Zigeuner" noch einmal hier: [30].

Ich komme zum Abschluß noch wieder auf die vorgelegten Textauszüge zurück (bitte dich zugleich, bessere und ein paar mehr Literaturverweise als Kilian vorzulegen, falls du an deiner Meinung festhälst). Folgendes lässt sich – literaturbasiert – bis dahin sagen:

  • Die Dominanz des soziografischen Konstrukts für Jahrhunderte nach einer wenige Jahrzehnte geltenden ethnografischen Beschreibung im Sinne von Ägypter, Sarazenen usw. ist Forschungskonsens.
  • Aber natürlich gibt es innerhalb dieses Konsenses einige Differenzierungen: Lucassen geht von einer seit der Frühen Neuzeit stets nur soziografischen Semantik aus, Wippermann findet die ethnisch-völkische Variante seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorherrschend vor der soziografischen. Dann gibt es noch eine Reihe von Zwischenpositionen. Man kritisiert sich jeweils eifrig.
  • Übereinstimmung besteht darin, daß im Nationalsozialismus seit/in der Mitte der 1930er Jahre „Zigeuner“ = „Roma“ gesetzt wurde und exklusive Geltung in Politik und Medien hatte.
  • Für die Einleitung unseres Artikels sind die oben angesprochenen Ausdifferenzierungen innerhalb des Forschungsdiskurses m. E. unwesentlich. Unter dem Strich steht ganz einfach: ein paar Jahrzehnte lang war in alter Zeit „Zigeuner“ in einem ethnischen Sinn, in den wir heute „Roma“ hineindeuten, bestimmend. Dann gab es einige Jahrzehnte der Moderne, in denen „Zigeuner“ als ethnisch und unter anderem als „Roma“ identifiziert wurden, etwa zehn Jahre exklusiv, sonst mit erheblicher, wenn nicht gar vorherrschender Position in der Konkurrenz mit der stets präsenten soziografischen Lesart. Es bleiben Jahrhunderte, in denen die Hauptbedeutung die soziografische war.

Das gibt die derzeitige Einleitung auch in der von mir vorgeschlagenen veränderten und Kompromissvariante besser strukturiert und in ihrem Inhalt richtig wieder, während es in deinem freihändigen und verkorksten Alternativvorschlag mit seinem offensichtlichen und von dir in einer Reihe von Punkten inzwischen zugestandenen Verbesserungsbedarf untergeht.--Kiwiv 20:31, 20. Mär. 2011 (CET); präz., ergänzt:--Kiwiv 13:49, 22. Mär. 2011 (CET)Beantworten

  • a) Die Zeitgenossen des 15. Jahrhunderts haben das Wort nie „als Bezeichnung für Roma“ verwendet. Sie haben damit Sarazenen, Ägypter, Tataren usw. zu bezeichnen gemeint, s. o. Die falsche Aussage lässt sich auch durch nachgeschobene Spitzfindigkeiten nicht revidieren. Wenn du es anders meinst, mußt du es anders sagen": Ich meine es nicht anders, sondern genau so, wie ich es schon immer formuliert hatte, und habe auch keine Spitzfindigkeiten nachgeliefert, sondern mich dagegen verwahrt, von Dir sinnentstellend, unverstanden und in der Sache unrichtig wiedergegeben zu werden. Die Zeitgenossen des 15. Jh. haben das Wort nach Lage der Quellenbelege nicht "nie", sondern ausschließlich als Bezeichnung für Roma verwendet. Daß sie diese außerdem unter Namen für bekannte Völker, und d.h. unter Oberbegriffe, eingeordnet haben, ändert daran nichts. "Zigeuner" war kein Synonym für "Ägypter, Tataren etc", denn Ägypter, Tataren etc. wurden in anderen Kontexten nicht als "Zigeuner" bezeichnet, diese Bezeichnung wurde vielmehr exklusiv für diejenigen aus ihrer vermutet/geglaubt (klein-) ägyptischen Heimat aufgebrochenen, in Europa umherziehenden Gruppen gebraucht, die die spätere Forschung als Roma identifiziert.
  • "b) In der zweiten Teilaussage berufst du dich auf einen Linguisten: Die ethnografische Auslegung als Hauptbedeutung sei nicht deine „Privatmeinung, sondern ist u.a. Auffassung von Jörg Kilian“. Festzustellen ist zunächst einmal, daß Kilian zwar leicht zugänglich ist, aber durch den leichten Zugang nicht gewinnt. Das hätte er sehr nötig": Es ist charakteristisch für Dein Verhalten in dieser Diskussion, daß Du eine von mir angeführte Quelle mit geringschätzigen Kommentaren als unerheblich abtun willst, weil sie online publiziert ist, was für Dich schon Zeichen ihrer Minderwertigkeit und eines qualitativen Mangels meiner Arbeitsweise ist, und weil Du glaubst, ein gegenüber dem Verfasser dieser Quelle überlegenes Wissen zu besitzen. Ersteres hatte ich mir eigentlich bereits nachdrücklich genug verbeten. Letzteres dagegen gestehen wir einander des öfteren zu, aber Du solltest Dir doch sehr gut überlegen, ob Du als Sozialwissenschaftler hinreichend präpariert bist, um einen linguistischen Fachtext wie den von Kilian, den auch ich nicht ohne Mühe und Nachschlagen lese, überhaupt angemessen verstehen, geschweige denn in dieser großmäuligen Art vorgeblich kritisch kommentieren zu können. Daß Du es nicht kannst, sieht man hier leider sehr deutlich.
  • "Kilian nimmt auf die zahlreichen Publikationen zu „'Zigeuner' im Wörterbuch“ so wenig Bezug, wie man seine Publikation in der fachlichen Literatur zu kennen scheint, nämlich gar nicht. Kilian bewegt sich völlig außerhalb des Diskurses": Es gibt keine "zahlreichen Publikationen" zu diesem Thema, soweit es die Behandlung in sprachlichen Wörterbüchern betrifft, und auch Kilians Beitrag ist kein Beitrag zu diesem Thema, sondern konstruiert die gegenwartssprachliche Verwendung des Worts "Zigeuner" anhand des Duden-GWb und, und für die dort fehlende oder nur unter anderen Lemmata erscheinende "romantisierende" Teilbedeutung anhand von Grimm-DWb und Paul-DWb. Was Publikationen zur Behandlung in sprachlichen Wörterbüchern angeht, hätte er nach meiner Kenntnis nur den Sammelband von Awosousi 1998 u.U. anführen können, aber für seine spezifische Themenstellung keineswegs anführen müssen. Daß umgekehrt Treinen/Uerlings (zu Brockhaus) und Lobenstein-Reichmann (zu Grimm-DWb) ihn nicht zitieren, kann man weder ihnen noch ihm vorwerfen. Ansonsten: Kilian ist für sein Thema fachlich sehr gut ausgewiesen [31]. Sein Beitrag "Wörter im Zweifel" (2003) erschien in Linugistik-Online, einem sprachwissenschaftlich anerkannten Online-Journal, und die ausführlichere Behandlung des Wortbeispiels "Zigeuner", auf die er dort bereits verweist, erschien unter dem Titel Sprachpolitik im Alltag: "Political Correctness" in dem von Evan Neuland und Johannes Volmert herausgegebenen Themenband Sprache und Politik der Zeitschrift Der Deutschunterricht 2 (2003), p.52-63, und wird in der Literatur gewöhnlich hiernach zitiert. Über seinen methodischen Standort kannst Du Dich näher informieren in seinem neueren Beitrag Verborgene Weltansichten entdecken. Zur Konzeption einer kritischen Semantik assoziativ-semantischer Stereotype aus sprachwissenschaftlicher, sprachphilosophischer und sprachdidaktischer Sicht. Zugleich eine linguistisch begründete Kritik politisch korrekter Sprachkritik, in: Steffen Pappert / Melani Schröter / Ulla Fix (Hrsg.), Verschlüsseln, Verbergen, Verdecken in öffentlicher und institutioneller Kommunikation, Berlin: Erich Schmidt, 2008, ISBN 978-3-503-09851-4, p.49-68, außerdem hat er 2010 mit Thomas Nier und Jürgen Schiewe den Band Sprachkritik: Ansätze und Methoden der kritischen Sprachbetrachtung bei de Gruyter herausgegeben (= Germanistische Arbeitshefte, 43), den ich noch nicht gesehen habe. Wenn er sich als Sprachwissenschaftler "außerhalb des Diskurses" bewegt, den Du als Sozialwissenschaftler für wichtig hältst, dann ist das womöglich ein Hinweis auf die sprachwissenschaftlichen Defizite dieses Diskurses, aber sicher kein Hinweis auf Kilians mangelnde Qualifikation. Daß Du Deine Abqualifizierung Kilians unter Verstoß gegen WP:TF und WP:NPOV auch noch als Anmerkung in den Artikel gesetzt hast, zeigt wohl überdeutlich, wie sehr Du diesen Artikel mittlerweile als Deine persönliche Angelegenheit betrachtest. Ich habe die Anmerkung gelöscht [32], es wird auch sonst -- abgesehen von der Einleitung -- in dieser Hinsicht noch einiges zu überarbeiten sein.
  • "Hermann Paul ist lange tot, sein Wörterbuch entstand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ist geprägt von den seinerzeit in bürgerlichen Kreisen herrschenden Vorstellungen von „Volk“ und „Rasse“, also von ethnisch-kulturellen bis ethnisch-rassischen Konzepten. Kilian trägt eine ältere Meinung vor und bekräftigt sie, mehr passiert leider nicht": Passiert ist zunächst, daß ich selbst den Beitrag nur flüchtig gelesen und hier mehrmals genannt hatte, dabei einmal mit der beiläufigen und unrichtigen Bemerkung, daß Kilian sich in der Einstufung der "Hauptbedeutung" speziell auf das Wörterbuch von Hermann Paul in der 10. Aufl. (2002) berufe. Aber es stand Dir ja frei, den von Dir als "leicht zugänglich" verspotteten Text selbst nachzulesen und dort zu erkennen, daß dem nicht so ist. Stattdessen hast Du Dich offensichtlich nur der (vermeintlichen) Entstehungszeit von Pauls Wörterbuch vergewissert (es erschien zuerst 1897, noch ohne einen Eintrag für "Zigeuner", und die Ausarbeitung begann laut Vorwort der Erstausgabe im Sommer 1884) und hast darauf dann spekulativ Deine in den Versatzstücken als Totschlagargument ja stets bereitliegende Ideologiekritik gestützt, daß Kilian lediglich eine von "Vorstellungen von „Volk“ und „Rasse“, also von ethnisch-kulturellen bis ethnisch-rassischen Konzepten" geprägte Meinung aus Pauls Wörterbuch unkritisch wiedergebe. Vielleicht machst Du Dir mal klar, wie Du auf diese Weise Deinen gewöhnlich ja durchaus ernstzunehmenden Aussagen dieser Art die Glaubwürdigkeit entziehst und Deine eigene WP-Reputation als Wissenschaftler beschädigst.

    Was bei Kilian tatsächlich zu lesen ist: er spricht an der fraglichen Stelle von der von ihm so genannten "ersten Teilbedeutung", die er aus Duden-GWb zitiert ("Angehöriger eines über viele Länder verstreut lebenden, meist nicht sesshaften u. mit Wohnwagen o.Ä. umherziehenden Volkes"), und von der er dann feststellt, daß sie "wohl als "Hauptbedeutung" (im Sinne Hermann Pauls) gelten darf. Diese Hauptbedeutung dient der Benennung von Menschen einer bestimmten Ethnie". Mit der Formulierung "Hauptbedeutung im Sinne Hermann Pauls" bezieht Kilian sich sich aber nicht auf Paul-DWb oder auf sonst irgendetwas, das Paul ideologisch von irgendwelchen Vorstellungen belastet über "Zigeuner" geschrieben hätte, sondern auf den von Paul u.a. in seinen Prinzipien der Sprachgeschichte (1880) geprägten Begriff der Grund- oder Hauptbedeutung, der ansatzweise dem entspricht, was Semantiker heute als "prototypische Bedeutung" bezeichnen. Die Prototypensemantik hierarchisiert anhand empirischer Befragung von Sprechern die assoziierten Bedeutungsmerkmale auf einer Skala, die von prototypischen bis zu untypischen Merkmalen reicht, und auf der dann etwa für das Wort "Vogel" in der deutschen Sprache Amsel und Rotkehlchen höher rangieren als Ente oder Pinguin. In diesem Sinn schätzt Kilian die im Duden-GWb angegebenen Merkmale "Angehöriger eines über viele Länder verstreut lebenden Volkes", "nicht sesshaft", "mit Wohnwagen umherziehend" und zusätzlich die Stilqualität "abwertend" als "prototypisch" an. Du kannst davon ausgehen, daß auf dieser Skala auch Roma im Vergleich zu Jenischen oder ziganen Gruppen Südostasiens höher anzusetzen sind.
  • "„Roma“/“Sinti und Roma“ vermeidet er. Auch von „Jenischen“ ließe sich sprechen. Auch hier gibt es ja bekanntlich das ethnografische Konstrukt. Auch nichts. Er macht es so wie die derzeitige und von dir in gerade diesem Punkt so heftig angegriffene Einleitung: er spricht von "Mitglied[ern] einer ethnischen Minderheit", unbestimmt, unbezeichnet": Die Begriffe Sinti und Roma vermeidet er keineswegs, aber sie kommen in den von ihm zitierten Wörterbuchdefinitionen nicht vor. Er weist vielmehr darauf hin, daß einge der prototypischen Merkmale ("nicht-seßhaft", "Leben im Wohnwagen") "für viele Sinti und Roma zu Beginn des 21. Jahrhunderts gar nicht zutreffen", was ihren prototypischen Charakter nicht mindert, und er stellt fest: "Die meisten Mitlebenden - und zwar nicht nur die älteren - führen das Wort Zigeuner in ihren umgangssprachlichen Sprachverkehrsnormen nach wie vor für die Menschen, die im öffentlich-politischen Diskurs mit allem Recht Sinti und Roma genannt sein wollen". Von Jenischen spricht er dagegen nicht, und als fachsprachliche Bedeutungsvariante veranschlagt er auch nur "im 10. Jh. aus Nordindien ausgewanderte ethnische Gruppierung", aber nicht zigane Ethnien oder Gruppen anderer Provenienz. Ich fasse zusammen: Kilian verfügt zwar (wie seinerzeit Paul) über keine empirische Basis, wie sie die Prototypensemantik eigentlich verlangt, sondern nur über Wörterbuchbelege, die er (wie seinerzeit) Paul, als repräsentativ einschätzt, aber er setzt für die deutsche Standardsprache der Gegenwart diejenige Teilbedeutung, als deren außersprachlichen Referenten er ausschließlich Roma und Sinti anführt, gemäß dem frequenzbasierten Verständnis Pauls und der Prototypensemantik als "Haupt-" bzw. prototypische Bedeutung an. Seine Arbeit mag viele Wünsche offen lassen, aber bislang ist es die einzige sprachwissenschaftliche Publikation, die zu dieser Frage -- bezogen auf die Gegenwartssprache -- überhaupt als Quelle angeführt wurde.
  • "Die Dominanz des soziografischen Konstrukts für Jahrhunderte nach einer wenige Jahrzehnte geltenden ethnografischen Beschreibung im Sinne von Ägypter, Sarazenen usw. ist Forschungskonsens: Nein, Du gibst nicht nur den Konsens über das 15. Jh. falsch wieder (von einer "ethnografischen Beschreibung im Sinne von Ägypter, Sarazenen usw" kann man nicht sprechen), sondern Du verlängerst auch das, was Forschungskonsens über die Frühe Neuzeit sein mag, unzulässig in die Gegenwart hinein.
  • "Unter dem Strich steht ganz einfach: ein paar Jahrzehnte lang war in alter Zeit „Zigeuner“ in einem ethnischen Sinn, in den wir heute „Roma“ hineindeuten, bestimmend. Dann gab es einige Jahrzehnte der Moderne, in denen „Zigeuner“ als ethnisch und unter anderem als „Roma“ identifiziert wurden, etwa zehn Jahre exklusiv, sonst mit erheblicher, wenn nicht gar vorherrschender Position in der Konkurrenz mit der stets präsenten soziografischen Lesart. Es bleiben Jahrhunderte, in denen die Hauptbedeutung die soziografische war": Es ist und bleibt kategorisch verfehlt, engere und erweiterte Bedeutungen auf ihre jeweiligen ethnischen oder "soziografischen" Bedeutungselemente reduzieren und sie damit in eine ein-eindeutige Beziehung setzen zu wollen, und auch chronologisch ist Deine Darstellung falsch. Die moderne "ethnische" Bedeutung ist nicht erst mit dem Nationalsozialismus vom Himmel gefallen, sie verband sich auch in dieser Zeit wesentlich mit sozialen Merkmalen, und sie ist -- in solcher Verbindung -- auch nicht nur "für einige Jahrzehnte" dominant geblieben, sondern ist es -- wenn auch sicherlich nicht ohne Wandel -- bis heute geblieben. --Otfried Lieberknecht 15:39, 28. Mär. 2011 (CEST); nochmals bearbeitet --Otfried Lieberknecht 12:09, 29. Mär. 2011 (CEST)Beantworten
    • Ich gebe Otfried Lieberknecht in jeder Beziehung recht und fasse zusammen: Kiwiv äußert sich aufs breiteste zu einem Thema, von dem er nichts versteht (Sprachwissenschaft). Und das (meine Ergänzung) auch noch in einer Sprache, die er nicht wirklich beherrscht (Deutsch). Aber wie stoppt man sowas? Ich bin ratlos. --Eigentlich 22:40, 29. Mär. 2011 (CEST)Beantworten
Entschuldige, aber das ist in beiden Punkten Unsinn. Kiwivs Fähigkeit, ganz hervorragend zu formulieren, steht völlig außer Frage, das, wie ich es sehe, Problem ist in dieser Hinsicht vielmehr seine Strategie der Skandalisierung und der Vermeidung, die bestimmte Aussagen mit allen Mitteln aus der Einleitung fernhalten oder nur mit Umschreibungen kaschieren will. Auch was die Sprachwissenschaft angeht, hat Kiwiv zu verwandten Themen sowohl in WP als auch in seinen wissenschaftlichen Publikationen hinreichend unter Beweis gestellt, daß er sich in sprachwissenschaftliche Fragestellungen und Methoden überaus kompetent und ertragreich einzuarbeiten vermag. Richtig ist höchstens, daß davon in der hiesigen Diskussion noch wenig zu bemerken war, aber das hat wohl ebenfalls damit zu tun, daß die Abwehr und Verächtlichmachung unerwünschter Perspektiven auf das Thema übermäßig im Vordergrund steht.
Es ist ganz sicher nicht mein Anliegen, Kiwiv zu stoppen, ganz im Gegenteil, ich würde mich freuen, wenn er endlich wieder auf gewohntem Niveau in die Gänge kommt. --Otfried Lieberknecht 11:27, 30. Mär. 2011 (CEST)Beantworten
Ich lese eine Formulierung wie die von den klischeehaften Stereotypen und frage mich, was ein klischeehaftes Stereotyp von einem gewöhnlichen unterscheidet. Ich lese einen Satz wie In den Medien hat der Begriff eine zunehmend minimalisierte Außenseiterposition und frage mich, was ich mir unter einem Begriff in Außenseiterposition vorzustellen habe, und das auch noch im Zustand einer Minimalisierung, die zunimmt. Dieser Artikel ist durchtränkt von Bullshit, Hochstaplerrhetorik, eitlem Geschwätz. Man hätte gerne einen Mitschnitt davon, wie Kiwiv in der ihm eigenen Ausdrucksweise beim Bäcker ein paar Brötchen kauft. Es könnte eine Comedynummer werden, die um die Welt geht. --Eigentlich 01:08, 1. Apr. 2011 (CEST)Beantworten
Darüber, was Stereotypen im allgemeinen von klischeehaften Stereotypen unterscheidet, kann man sich u.a. bei Kilian und anderen Vertretern der oben angesprochenen Stereotypensemantik kundig machen. Ich würde es begrüßen, wenn Du die ohnehin angespannte Diskussion, die wir trotz aller Gegensätze und beiderseitigen Verärgerungen bisher sachorientiert führen, nicht weiter unnötig durch persönliche Attacken aufheizen würdest. --Otfried Lieberknecht 09:52, 1. Apr. 2011 (CEST)Beantworten
Ist das Dein Ernst, lieber Otfried Lieberknecht. Um zu verstehen, was ein Ausdruck von Kiwiv - hier "klischeehaften Stereotypen" - bedeutet, werde ich verwiesen auf Autor Kilian und andere Vertreter der Stereotypensemantik. Also um einen Lexikoneintrag zu begreifen, sollen die Leute Sekundärliteratur studieren. Das ist ja wohl ein hilfloser Versuch zu verschleiern, dass der Kaiser wirklich nackt ist. Gemeint: Dass hier - und in anderen bekannten Lemmata zu verwandten Themen - sprachlich Hochstapelei betrieben wird. Geschwurbel statt Durchdachtes. Privattheorien statt lexikalische Erklärungen. Willi Wottreng Chalumeau 23:21, 1. Apr. 2011 (CEST)Beantworten
Nein, nicht der Leser soll sich in Fachliteratur kundig machen, aber dem Nutzer, der die Formulierung kritisieren will, würde es nicht schaden. Was klischeehafte Stereotype sind, versteht jeder Leser unmittelbar, und daß beide Begriffe nicht synonym sind, kann man notfalls auch schon dem Artikel Stereotyp entnehmen. Wer Kritik am Stil des Artikels vorzubringen hat, der soll das tun -- auch ich habe das getan --, aber er soll sich dann bitte auf den Artikel, und nicht auf Kiwiv als Artikelautor und Person, konzentrieren. Soweit ich selbst Kiwiv auch persönlich kritisiere, betrifft es sein Diskussionsverhalten hier, und sonst garnichts. --Otfried Lieberknecht 07:13, 2. Apr. 2011 (CEST)Beantworten

Ich überspringe die zwischenzeitlichen Einwürfe (zur Seite gesprochen: "klischeehafte Stereotype" ist so wenig von mir wie der Gesamtartikel) und kehre zum Thema zurück.

  • Otfried: "Die Zeitgenossen des 15. Jh. haben das Wort nach Lage der Quellenbelege nicht 'nie', sondern ausschließlich als Bezeichnung für Roma verwendet. 'Zigeuner' ... wurde ... exklusiv für diejenigen aus ihrer vermutet/geglaubt (klein-) ägyptischen Heimat aufgebrochenen, in Europa umherziehenden Gruppen gebraucht, die die spätere Forschung als Roma identifiziert."
Leider werden die unterschiedlichen Zeitperspektiven nach wie vor nicht hinreichend sauber unterschieden. Es geht doch wohl eher so (das unbelegbare "ausschließlich" im Eingangssatz lasse ich mal so stehen): "Die Zeitgenossen des 15. Jh. haben das Wort nach Lage der Quellenbelege ausschließlich als Bezeichnung für Gruppen verwendet, die von den Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts als Roma bezeichnet werden."/"..., die die spätere Forschung in der Moderne als Roma identifizierte."
Auf den Rest einzugehen (Tartaren/Sarazenen als Nichttartaren/-sarazenen, Ägypter als aus Ägypten kommende Nichtägypter) spare ich mir.
  • zu Kilian:
    • Kilians Kompetenz als Linguist bestreite ich doch gar nicht, wie käme ich dazu? Ich stellte nur fest, daß er a) in dieser schmalen Themennische, in der wir uns hier betätigen, von denen, die jenseits von WP sich dazu fachlich äußern und zumeist ebenfalls Linguisten sind, nicht wahrgenommen wird, so wie b) er seinerseits die Kollegen nicht wahrnimmt. Dazu bitte hier mal reinschauen: [33]. Die Auflistung dürfte mit Sicherheit unvollständig sein. So hoch die fachliche Qualität des Kilian-Aufsatzes sein mag, im Diskurs spielt er keine Rolle (was ja vielleicht schade, aber eben einmal so ist). Seine Entdeckung verdankt der Text - anders als die zahlreichen anderen und bis jetzt unbeachteten Beiträge - seiner leichten Zugänglichkeit via Netz. Ja, ich kritisiere die Methode, die hier selbst von dir angewandt und so uneingeschränkt verteidigt wird, ein weiteres Mal als eine ganz unzureichende Methode und versuche, die Aufmerksamkeit auf die weniger zufällig zugängliche Literatur zu lenken.
    • Schön, daß du auf die Frage nach der Empirie, auf der Kilians/Pauls Urteile beruhen oder nicht beruhen, eingehst (ich bezog mich übrigens nicht auf die Entstehungszeit des Wörterbuchs von Paul Ende des 19. Jh.s, sondern auf die des Lemmas, wie du nachlesen kannst). Leider aber nur in zu allgemeiner Weise, denn daß "die Prototypensemantik anhand empirischer Befragung von Sprechern die assoziierten Bedeutungsmerkmale auf einer Skala (hierarchisiert )", hilft ja in unserem konkreten Fall nicht weiter. Welche Empirie liegt der quantitativen und der zeitlichen Dimension der Feststellung zugrunde, "die meisten Mitlebenden - und zwar nicht nur die älteren - führen das Wort Zigeuner in ihren umgangssprachlichen Sprachverkehrsnormen nach wie vor für die Menschen, die im öffentlich-politischen Diskurs mit allem Recht Sinti und Roma genannt sein wollen"? Wir müssen wohl aber davon ausgehen, daß die empirische Befragung, falls es sie in dem von dir angesprochenen Sinn gab und wir es hier nicht nur mit einer unüberprüfbaren Annahme aus dem Alltagserleben zu tun haben, vor (vielen?) Jahrzehnten stattfand? Weißt du mehr? Daß es diese Sprachverwendung gibt, wird selbstverständlich auch von mir nicht bestritten. Ich verweise auf meinen Verbesserungs- und Kompromißvorschlag (zu dem bislang kein Wort von dir kam): "Im Rahmen dieses [des ethnografischen] Konzepts wurde und wird 'Zigeuner' u. a. häufig als Sammelname auf die Gruppen der Roma bezogen."
  • Es ist und bleibt kategorial verfehlt, eine enge und eine weite Bedeutung an die Stelle der Unterscheidung zwischen einem ethnografischen und einem soziografischen Beschreibungskonzept zu setzen. Niemand - und wenn du die entgegengesetzte Annahme aufrechterhältst, dann leg bitte Belege aus der Literatur dazu vor -, niemand unterscheidet im Fachdiskurs wie du (dazu bitte noch mal hier: [34]). Auch Kilian ja übrigens nicht. Gleich wie ein Autor die jeweilige Semantik in Zeit und Raum im einzelnen ausdifferenziert, es besteht der allgemeine Konsens, nach "soziografisch" und "ethnografisch" zu unterscheiden. Daß niemand auch nur auf die Idee kommt, stattdessen von "eng" und "weit" zu sprechen, liegt in der Natur der Sache. Das jeweilige Beschreibungsmuster enthält die Bedeutungselemente des jeweils anderen nicht nur nicht, beide stehen in kategorialer Opposition zueinander.--Kiwiv 13:37, 11. Apr. 2011 (CEST); nachgetr.:--Kiwiv 21:30, 14. Apr. 2011 (CEST)Beantworten

Ein Vorschlag

Ich versuche, für meinen Teil zu einem Resumee zu kommen. Inzwischen finde ich die bestehende Konsenseinleitung weniger überzeugend als noch vor unserem Gespräch. Zugleich wurde mir klar, daß dein - nachvollziehbares - Bemühen um mehr Anschlußfähigkeit der Einleitung zu grundfalschen Aussagen führte. Von dem Kleinkram, von dem, was ich oben als verkorkst bezeichnete und wovon nur ein Teil angesprochen wurde, einmal abgesehen.

Mein Verbesserungsvorschlag, den ich deinem gegenüberstelle, sieht so aus:

„Zigeuner“ ist eine seit dem 15. Jahrhundert im deutschen Sprachraum belegte, mutmaßlich auf byzantinischen Sprachgebrauch zurückgehende Fremdbezeichnung für Bevölkerungsgruppen, denen in klischeehaften Stereotypen auffällige, von der Mehrheitsbevölkerung abweichende Eigenschaften zugeordnet werden. Zwei wesentliche Ausprägungen lassen sich unterscheiden, die in Mischungen auftreten können:

  • „Zigeuner“ als soziografische Sammelkategorie für unterschiedliche ethnische und soziale Gruppen, deren Angehörigen eine als unstet, ungebunden, deviant und/oder delinquent beschriebene Lebensweise zugeschrieben wird. Dieses Konzept entstand mit dem Beginn der Frühen Neuzeit und ist bis heute wirksam.
  • „Zigeuner“ als ethnische Gruppe in einem ethnisch-kulturellen oder ethnisch-biologischen Verständnis. Eine als unstet bis hin zum "Nomadentum", als ungebunden, deviant und/oder delinquent beschriebene Lebensweise gilt als invariantes Merkmal. Dieses Konzept geht zurück auf die völkerkundlich orientierte Zigeunerkunde des ausgehenden 18. Jahrhunderts und ist bis heute wirksam. Im Rahmen dieses Konzepts wurde und wird „Zigeuner“ u. a. häufig als Sammelname auf die Gruppen der Roma bezogen, im Nationalsozialismus exklusiv.

Die völkerkundliche Perspektive im Sinne von „Volk“ und „Rasse“ verfestigte sich im 19. Jahrhundert zunehmend. Zugleich ... usw. --Kiwiv 14:51, 21. Mär. 2011 (CET)Beantworten

Auszüge

  • „Nach Ausweis der Belege ist die Gruppe der als zigeuner bezeichneten Menschen primär sozial gefasst. Sämtliche Kollektivbezeichnungen (...) weisen in diese Richtung. Die Möglichkeit, aus einigen Textstellen eine Auffassung der Gruppe als Ethnie herauszulesen, ist nicht ganz auszuschließen (am ehesten könnte man die mehrfach wiedergegebenen Selbstaussagen der zigeuner bezüglich ihrer ägyptischen Herkunft in dieser Richtung interpretieren. Es liegt jedoch kein einziger Beleg vor, aus dem diese Auffassung unzweifelhaft hervorgeht, ganz zu schweigen von Belegen, in denen sie explizit thematisiert wird. Vereinzelte Aussagen über dunkle Hautfarbe sind jedenfalls in diesem Zusammenhang nicht relevant; sie entsprechen alten Kennzeichnungskonventionen für Ausgegliederte. ... Betrachtet man, daß das Lexem zigeuner mehrfach in Reihungen wie Von zegeinern, heerlosen [wohl "Herrenlosen"], gartknechten, jüden und dergleichen ... vorkommt, so erfährt die Auffassung, daß die zigeuner nicht als ethnische, sondern als soziale Gruppe verstanden werden, eine zusätzliche Unterstützung.“ Jochen A. Bär/Silke Bär, Zur Verwendung des Worts zigeuner in der Frühen Neuzeit. Dargestellt mit dem Belegmaterial und nach der Methode des Frühneuhochdeutschen Wörterbuches, in: Anita Awosusi (Hrsg.), Stichwort: Zigeuner. Zur Stigmatisierung von Sinti und Roma in Lexika und Enzyklopädien, Heidelberg 1998, S. 119-155, hier: S. 131f.
  • „Die sich hier [Brockhaus, 1848] bereits deutlich abzeichnende Ethnisierung des Zigeunerstereotyps wird in der gesamten Bandbreite der Lexika und Enzyklopädien des 19. und 20. Jahrhunderts systematisch ausgebaut. Zwei Dimensionen, die naturwissenschaftliche und die ethnologisch-soziale, gewinnen in diesem Prozess zusehends an Bedeutung. Beide zementieren den inneren Umbau des Zigeunerstereotyps von einer Sammelkategorie für sozial deklassierte Bevölkerungsschichten zur ethnologisch begründeten Rassenkategorie für ein fremdes Volk.“ (Iris Wigger, „Ein eigenartiges Volk“ – Die Ethnisierung des Zigeunerstereotyps im Spiegel von Enzyklopädien und Lexika, in: Anita Awosusi (Hrsg.), Stichwort: Zigeuner. Zur Stigmatisierung von Sinti und Roma in Lexika und Enzyklopädien, Heidelberg 1998, S. 13-43, 155, hier: S. 131f.)
  • „... am Ende der 1920er Jahre ... waren alle Voraussetzungen für die ab 1933 erfolgende, alle [Hervorh. i. Or.] Instanzen umfassende Umstellung auf einen ethnisch-rassischen, kriminalbiologischen NS-Zigeunerbegriff gegeben“. (Herbert Uerlings/Julia-Karin Patrut, „Zigeuner“, Europa und Nation, in: Herbert Uerlings/Julia-Karin Patrut (Hrsg.), „Zigeuner“ und Nation. Repräsentation – Inklusion – Exklusion (= Inklusion/Exklusion. Studien zu Fremdheit und Armut von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 8), Frankfurt a. M. et. alt. 2008, S. 9-63, hier: S. 34)
  • Zum Himmler-Erlaß vom 8.12.1938: „Deutlich wird, dass es hier zu einem fundamentalen Bruch mit dem früheren soziographischen Zigeunerbegriff kommt. In Kaiserreich und Weimarer Republik waren als ‚Zigeuner’ in erster Linie diejenigen von polizeilicher Repression betroffen, die ... ein Wandergewerbe ausübten.“ (Karola Fings, „Rasse: Zigeuner“. Sinti und Roma im Fadenkreuz von Kriminologie und Rassenhygiene 1933-1945, in: Herbert Uerlings/Julia-Karin Patrut (Hrsg.), „Zigeuner“ und Nation. Repräsentation – Inklusion – Exklusion (= Inklusion/Exklusion. Studien zu Fremdheit und Armut von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 8), Frankfurt a. M. et. alt. 2008, S. 273-309, hier: S. 278)
  • "Die Tatsache, daß die Zigeuner auch im positiven Sinne eine eigene Kultur haben, wurde nicht anerkannt bzw. verdrängt, und zwar mit Hilfe einer 'Zweigruppentheorie': Sebastian Münster hatte 1550 in seiner Cosmographie berichtet, daß die ersten in Deutschland eingewanderten Zigeuner einen Schutzbrief von Kaiser Sigismund vorgewiesen hätten, in dem stand, daß sie vier Jahre herumwandern und im Elend büßen müßten, weil ihre Vorfahren in Kleinägypten ebenso lang vom christlichen Glauben abgefallen seien. ... Diese [Zweigruppen-]Theorie, die zwischen Ursprungszigeunern, die Schutzbriefe hatten, wohlhabend waren und christliche Ordnung hielten und einem zeitgenössischen 'Bübengesindelin', das die echten Zigeuner nur nachahmte, unterscheidet, hatte ursprünglich Johannes Stumpf (1548) aufgestellt. Ansätze dazu finden sich aber schon bei Heinrich Brennwald (ca. 1530). Im übrigen findet sich die These, dass die zeitgenössischen Zigeuner „.../nichts anders seyn/ als eine diebische Gesellschaft/und eine recht zusammen gelauffene Grund-Suppe allerley müssiges und betrügerisches Gesindleins/ welches sich aus vielerley nicht weit entlegenen Völckern versamlet/" nicht nur bei Ahasverus Fritsch und Jakobus Thomasius, die hier zitiert wurden, sondern z. B. auch bei Camerarius, Guler von Weineck, Besold, Flemming und in Zedlers Universallexikon. Quistorp bringt diese Lehrmeinung - bezugnehmend auf Thomasius - sogar noch 1794 in seinen 'Gerundsätzen des deutschen politischen Rechts' vor." Thomas Fricke, Zigeuner im Zeitalter des Absolutismus, Pfaffenweiler 1996, S. 197f.
  • „Zigeuner als ein Volk (ethnos) zu verstehen ist ... problematisch. Moderne Kriminalitätshistoriker kommen zu dem Schluß, dass Zigeuner im Ancien régime ein sehr vager Begriff war, der benutzt wurde, um eine breite soziale Kategorie (angeblich krimineller) Fahrender zu bezeichnen. Wer sich, wie beispielsweise die niederländische Historikerin Egmond, näher mit den gerichtlichen Quellen aus dem 17.und 18. Jahrhundert befasst hat, kann jedoch plausibel machen, dass die Behörden in der täglichen Fahndungsarbeit sehr wohl zwischen Zigeunern und anderen umherziehenden Personen unterschieden. Undeutlich ist allerdings, von welchen Kriterien sie dabei ausgingen. ... Das einzige, was aus ihrer [= Egmonds] Studie geschlossen werden kann, ist, dass die Behörden bis etwa 1730 zwischen Zigeunern und Nicht-Zigeunern unterschieden und davon ausgingen, dass es sich um eine gesonderte Gruppe handelte.“ Leo Lucassen, Zigeuner. Die Geschichte eines polizeilichen Ordnungsbegriffs in Deutschland 1700-1945, Köln/Weimar 1996, S. 38f.
  • „Das Wort war über Jahrhunderte ... ein Sammelname für unterschiedliche wandernde, sozial niedrig gestellte, arme Bevölkerungsgruppen.“ (Ramona MechthildeTreinen/Herbert Uerlings, Vom „unzivilisierten Wandervolk“ zur „diskriminierten Minderheit“. „Zigeuner“ im Brockhaus, in: Herbert Uerlings/Julia-Karin Patrut (Hrsg.), „Zigeuner“ und Nation. Repräsentation – Inklusion – Exklusion (= Inklusion/Exklusion. Studien zu Fremdheit und Armut von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 8), Frankfurt a. M. et. alt. 2008, S. 632-696, hier: S. 642)
  • „Eine ‚mobile Randgruppe’ [Karl Härter], in Chroniken, Stadtrechnungen und anderen Schriftzeugnissen als ‚Secani’, ‚Cingari’ oder ‚Cigäwnär’ bezeichnet, ist in Mitteleuropa erstmals um 1400 bezeugt. ... [Es] sind in diese Bilder von Anbeginn an pejorative Momente eingewoben. ... Innerhalb eines jahrhunderts entwickelten die Reichsstände aus dunkelhäutigen Pilgern, diebischen ‚Fremden’ und im Familienverband herumziehenden ‚Ägyptern’ den für die Türken spionierenden vagabundierenden ‚Zigeuner’. ... Während die ‚Zigeuner’ in den frühen Edikten des 16. und 17. Jahrhunderts stets im Zusammenhang mit anderen Gruppen von sozial Marginalisierten und Vaganten ... thematisiert wurden, erhielten sie im Verlauf des 17. jahrhundertszunehmend eine exponierte Stellung. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts erscheint das Feindbild vom ‚streiffenden und herrenlosen Diebsgesindel’ mit dem Etikett ‚Zigeuner’ als deckungsgleich. ‚Zigeuner’ standen pars pro toto für migrierende Gruppen, die als besonders kriminell und die Sicherheit gefährdend eingestuft wurden. „Die Kategorie ‚Zigeuner’ der deutschsprachigen lexikalischen Nachschlagewerke vor 1780 war vorwiegend eine Sammelbzeichnung, mit der unterschiedliche Gruppen von sog. ‚freiwilligen Vaganten’, die man als besonders kriminell und die Sicherheit gefährdend etikettierte, erfasst werden sollten. In der ‚Sattelzeit’ um 1800 wurde ... aus der primär sozialen eine ethnische Kategorie. Im Ergebnis wurden ‚Zigeuner’ als der ‚innere Orient’ des ‚zivilisierten’ Europa konstituiert. ... Vor dem Erscheinen von Jäger (1784) enthält die lexikalische Anfangsdefinition zwei Momente: Zum ersten werden die ‚Zigeuner’ als Vagabunden oder Landstreicher ausgewiesen. Zweitens sichert eine klassifizierende oder pejorative Einlassung, dass ‚Zigeuner’ als ‚freiwillige’ Vagabunden einzustufen seien, die aufgrund von ‚Müßiggang’ ... herumzögen. ... Das Konzept ‚Zigeuner’ dieser Lemmata ist in erster Linie ein ‚ordnungspoliceyliches’, das eine mobile Lebensweise buchstäblich als Gefährdung des Gemeinwohls brandmarkt. Die ägyptische Herkunft und der Status als Pilger wird ‚Zigeunern’ abgesprochen ... Eine gewisse Beharrlichkeit lässt sich hinsichtlich der These von der jüdischen Herkunft der ‚Zigeuner’ konstatieren.“ (Vera Kallenberg, Von "liederlichen Land-Läuffern" zum "asiatischen Volk". Die Repräsentation der 'Zigeuner' in deutschsprachigen Lexika und Enzyklopädien zwischen 1700 und 1850. Eine wissensgeschichtliche Untersuchung Frankfurt/Main u. a.2010, S. 131, 133)
  • Von der Reichsgründung bis zum NS: „So blieb der deutschen Zigeunerpolitik zwischen 1871 und 1933 durchweg ein zweifacher Zigeunerbegriff inhärent, der einerseits auf die Fahrenden insgesamt, andererseits auf die als ‚Volk’, ‚Stamm’ oder ‚Rasse’ hervorgehobenen Zigeuner in einem eher ethnischen Sinne zielte. ... Mit ihrer charakteristischen doppelten Zigeunerbestimmung stand die deutsche Auffassung zwischen der französischen und der frühen sowjetischen Haltung. ... In Deutschland dominierte in der polizeilichen Praxis die soziographische Zigeunerdefinition, die auch auf die – ethnisch und kulturell nicht zu den Sinti oder Roma zählenden – Jenischen bezogen wurde. Gleichwohl vermochte diese Bestimmung das mit den Vokabeln ‚Volk’, ‚Stamm’ und ‚Rasse’ operierende Zigeunerverständnis nicht wirklich zu verdrängen. Insofern stand die deutsche Konzeption unentschieden zwischn einer soziographischen und einer ethnischen Begriffsbestimmung.“ (Michael Zimmermann, Rassenutopie und Genozid. Die nationalsozialistische „Lösung der Zigeunerfrage“, Hamburg 1996, S. 63, 65)
  • zu den 1920er/beginnenden 1930er Jahren: "Ein gewissermaßen konstitutives Element des Stereotyps ist die Nichtsesshaftigkeit. So war 'Zigeuner' allgemein eine Sammelbezeichnung für Reisende aller Art, für diejenigen, die 'ewig wandern'. 'Herumzigeunern' war der stehende Ausdruck für einen mobilen Lebensstil. In diesem Sinne wurden etwa die Mongolen als 'Zigeuner Mittelasiens' bezeichnet. Aus dem Sammelbegriff des fahrenden Volkes wurden die 'Zigeuner' andererseits doch wieder herausgehoben: als 'echte Zigeuner', 'Rassezigeuner' oder eigentliche Rassezigeuner'. Der hier verwandte Rassebegriff ist der ethnologisch-populäre der 1920er- und 1930-er Jahre. Er steht für die Geschlossenheit der beschriebenen Gruppe, als Synonym für 'Volk'." (artin Luchterhandt, Stereotyp und Sonderrecht. Zigeunerklischees und Zigeunerpolitik vor dem Nationalsozialismus, in: Yaron Matras/Hans Winterberg/Michael Zimmermann (Hrsg.), Sinti, Roma, Gypsies. Sprache - Geschichte - Gegenwart, Berlin 2003, S. 83-114, hier: S. 88)
  • „Hatte man anfangs angenommen, die Zigeuner stammten aus Ägypten und anderen fernen Ländern, so gewann bald das Gerücht an Einfluss, dass zwar die ursprünglichen Zigeuner als Pilger gekommen, nach dem Ende ihrer Wallfahrt jedoch in ihre Heimat zurückgekehrt seien. Was sich jetzt ‚Zigeuner’ nenne, sei ‚Gesindel’. Daß die Vorteile des Pilgerstatus für sich ausnutze. Am ende wurde das Bild von den pilgernden Zigeunern völlig getilgt und durch die Vorstellung ersetzt, bei den Betroffenen handele es sich um eine Zusammenrottung vaterlandsloser Heiden.“ (Michael Zimmermann, Zigeunerpolitik und Zigeunerdiskurs im Europa des 20. Jahrhunderts. Eine Einführung, in: Michael Zimmermann (Hrsg.), Zwischen Erziehung und Vernichtung. Zigeunerpolitik und Zigeunerforschung im Europa des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2007, S. 13-70, hier: S. 28)--Kiwiv 12:16, 10. Apr. 2011 (CEST)Beantworten

" Zack, Zack, Zigeunerpack" nicht nur beim Fußball

Beispiel M 24: STRAFANZEIGE GEGEN NARREN M 24 STAATSANWALT ERMITTELT WEGEN VOLKSVERHETZUNG (2005) [35] --Elektrofisch 13:38, 3. Jun. 2011 (CEST)Beantworten

http://www.judicialis.de/Bundesverfassungsgericht_2-BvR-1421-05_Beschluss_22.06.2006.html --Ahasveros 15:49, 28. Jun. 2011 (CEST)Beantworten

Danke. Ist im Artikel Fußnote 49.--Elektrofisch 16:32, 28. Jun. 2011 (CEST)Beantworten

Politische Korrektheit

So, da ist jetztein Artikel der politschischen Korrektheit zum Opfer gefallen. Immerhin ist ein sauberer Artikel zum Begriff rausgekommen. Könnt ihr hier jetzt auf Zigeuner (Begriff) verschieben und ihr langfristig an einen neuen Artikel denken, evtl. auch unter dem Lemma Mobile ethnische Minderheit. Dann ist auch das Problem der Interwikibots gelöst.--Antemister 21:59, 3. Dez. 2011 (CET)Beantworten

Mit der rechtspopulistischen Chimäre "politische Korrektheit" haben wir hier nichts am Hut. Daher auch die begrifflichen Differenzierungen, auf die du gestoßen bist.--Kiwiv 09:58, 4. Dez. 2011 (CET)Beantworten