Ehlermann & Kuhlmann

ehemalige Stärke-Fabrik in Hannover-Linden

Die Firma Ehlermann & Kuhlmann war zu Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert eine der ersten Stärke-Fabriken im Königreich Hannover.[1]

Geschichte

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Die Anfänge

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Etwa zeitgleich mit dem Bau des ersten Centralbahnhofs in der Residenzstadt Hannover und der Eröffnung der ersten Strecken der Königlich Hannöverschen Staatseisenbahnen ab 1843 beispielsweise nach Lehrte[2] gründeten der aus Bissendorf stammende Besitzer des Ritterguts Stemmen und Oberkommerzienrat Dietrich Heinrich Ehlermann[3] gemeinsam mit Diedrich Heinrich Kuhlmann[4] in Hannover eine Getreide-Handlung. Diese fand sich laut dem Adreßbuch der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Hannover und ihrer Vorstädte für 1845 zunächst unter der an der Kreuzkirche gelegenen Adresse Kreuzkirchhof 646,[5] nur wenig später unter der geänderten Hausnummer 8.[6]

Ebenfalls 1845 fand sich in der Hannoverschen Zeitung vom 27. November das Inserat von Ehlermann & Kuhlmann zur Erweiterung ihres Unternehmens:

„In Verbindung mit unserem Getreide-Geschäfte haben wir am hiesigen Platze eine Weizen-Stärke-Fabrik errichtet …[1]

Kuhlmann hatte in der Vorstadt Hannovers[7] in den Jahren 1845 und 1846 auf seinem eigenen Grundstück eine Stärkefabrik errichtet, deren Abwässer er jedoch ungeklärt in die umliegenden Bäche und Kanäle entsorgte, die daraufhin vergoren und einen „höchst penetranten unangenehmen Geruch“ verbreiteten. Die Anwohner,[8] seinerzeit die umgangssprachlich „Gartenkosaken“ genannten Gartenleute,[9] baten daher die institutionelle „Obrigkeit“ um Hilfe, woraufhin sich ein über mehrere Instanzen laufender Prozess mit Klage und Gegenklage entwickelte. Über das Gerichtsverfahren veröffentlichte der an der an Georg-August-Universität in Göttingen tätige Professor Heinrich Albert Zachariä eine Abhandlung, deren Inhalt wiederum im Magazin für hannoversches Recht publiziert wurde.[8]

 
Neuester Plan der Königlichen Residenzstadt Hannover von 1868: Am Ende der Stärkestraße vor der Ihme findet sich der Fabrikumriss von Ehlermann & Kuhlmann;
im Planquadrat B 3 unten links

Als im September 1847 Kommerzienrat Ehlermann verstarb[10], verkündete der ehemalige Mitinhaber des Unternehmens in Absprache mit den Erben des Verstorbenen mittels der überregional erschienenen Deutschen Allgemeinen Zeitung im November 1847 die Übernahme der Geschäftsanteile und die Fortführung als Alleininhaber des weiterhin D. H. Ehlermann & Kuhlmann genannten Unternehmens.[11] Offenbar war die Adresse in der Innenstadt Hannovers lediglich eine Handels- und Verkaufsadresse, denn zusätzlich erläuterte das von Karl Karmarsch redigierte Fabrikantenverzeichnis des Gewerbevereins für das Königreich Hannover von 1852: „Die früher in der Vorstadt Hannover in bedeutendem Umfange betriebenen Stärkefabrik von Kuhlmann ist im Jahre 1851 nach Linden verlegt“. In Linden produzierte zu jener Zeit bereits die „Stärkefabrik von Paulmann, welche mit 6 Arbeitern 1500 Ztnr. Stärke fabrizirt hat“.[7] Spätestens 1854 verzeichnet eine Statistik für das Amt Linden eine bei Ehlerman & Kuhlmann „arbeitetende“ 6-PS-starke Dampfmaschine „mit Kondensation und Balancier. Einfacher Zylinderkessel. Steinkohlen“.[12] Dagegen konnte sich Paulmann bis zur Ausrufung des Deutschen Kaiserreichs im Jahr 1871 offenbar jedoch nicht gegen den neuen Mitbewerber vor Ort behaupten, welcher im selben Jahr als alleiniger Stärkefabrikant in den Adressbüchern Hannovers genannt wurde. Zuvor fanden in den 1850er und 1860er Jahren unter der Verkaufsanschrift am Kreuzkirchhof 8 zudem auch die Erzeugnisse von Ehlermann & Kuhlmanns „Nudeln- und Macaronifabrik“ Erwähnung.[1]

Stärkestraße

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1862 wurde nördlich der Limmerstraße im späteren hannoverschen Stadtteil Linden-Nord die nach der Stärkefabrik Ehlermann & Kuhlmann führende Stärkestraße angelegt.[13] Der zuvor aus der Vorstadt Hannovers vertriebene Unternehmer nutzte den Standortvorteil und leitete nun im zuvor noch kaum bebauten Nedderfeld – ebenso wie vor ihm bereits der Kupferschmiedemeister Paulmann mit seiner Stärkefabrik vor Ort – seine „unerträglich“ stinkenden Abwasser ohne jedwede Klärung direkt in den Fluss Ihme.[14]

Der bei Klindworth’s Verlag 1868 erschienene Neueste Plan der Königlichen Residenzstadt Hannover zeigte das Grundstück und den Umriss der Fabrik am Ende der Stärkestraße vor der Ihme auf.[15]

Zu Beginn der Gründerzeit des Deutschen Kaiserreichs verarbeitete die Stärkefabrik Ehlermann & Kuhlmann im Jahr 1871 rund 18.000 Zentner Weizen, der zum großen Teil von Bauern aus der mittlerweile preußischen Provinz Hannover bezogen wurde, aber auch aus dem Herzogtum Braunschweig sowie in geringen Mengen auch aus Mecklenburg, Holstein und der Provinz Schlesien.[16]

Doch nur wenig später wurde das Unternehmen aufgegeben: Am 23. März 1873 war in der in Berlin erschienenen Beilage zum Kladderadatsch folgende Offerte zu lesen:

„Verkauf … Wegen Aufgabe unserer Weizen-Stärke-Fabrik beabsichtigen wir das ganze Inventar derselben möglichst schnell zusammen oder auch einzeln unter der Hand zu verkaufen, Linden b. Hannover, den 8. März 1873.

D. H. Ehlermann & Kuhlmann[17]

Einzelnachweise

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  1. a b c Ludwig Hoerner: Stichwort Ehlermann & Kuhlmann, in ders.: Agenten, Bader und Copisten. Hannoversches Gewerbe-ABC 1800–1900. Hrsg.: Hannoversche Volksbank, Reichold, Hannover 1995, ISBN 3-930459-09-4, S. 166, 296, 426; Vorschau über Google-Bücher.
  2. Eberhard Landes, Horst Moch, H. W. Rogl, Eberhard Schüler, Joachim Wohlfarth: Chronik, in dies.: Eisenbahnen in Hannover. Eine Chronik. Es begann 1843 …, Hannover: Autorenverlag, 1991, ISBN 978-3980403108 und ISBN 3980403106, S. 5–26; hier: S. 5f.
  3. Gustav Stölting, Börries von Münchhausen: Die Rittergüter der Fürstentümer Calenberg, Göttingen und Grubenhagen. Beschreibung, Geschichte, Rechtsverhältnisse und 121 Abbildungen. Auf Beschluß der Ritterschaft und unter Mitwirkung der einzelnen Besitzer (in Frakturschrift), Hannover: Sachse & Heinzelmann, 1912, S. 143–146; Vorschau über Google-Bücher.
  4. Vergleiche die Daten des Adressbuches von 1847.
  5. Vergleiche die Daten des Adressbuches, S. 84.
  6. Vergleiche die Angaben aus dem Adressbuch von 1847.
  7. a b Karl Karmarsch (Red.), v. Rudloff (Mitarb.): Nachrichten über die im Königreiche Hannover bestehenden Fabriken und fabrikähnlichen Anlagen / Stärke und Teigwaaren, in dies.: Mittheilungen des Gewerbe-Vereins für das Königreich Hannover, 64. und 65. Lieferung, Hannover: Hellwingsche Verlagsbuchhandlung, 1852, Spalte 329; Digitalisat des Münchener Digitalisierungszentrums.
  8. a b Oberappellationsrat von Klencke zu Celle (Hrsg.), Otto von Düring, Karl Lichtenberg, Friedrich Bernhard Grefe (Red.): Magazin für hannoversches Recht, Jahrgang 1853, Bd. 3, Hannover: Carl Rümpler (Schrift und Druck: Friedrich Culemann), 1853, S. 34ff.; Digitalisat über Google-Bücher.
  9. Klaus Mlynek: Gartenkosaken. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 203.
  10. Landeskirchliches Archiv Hannover, Kirchenkreis Burgwedel, Kirchenbuch Bissendorf 1844–1850, Begräbnisse 1847, Nr. 36.
  11. Diedrich Heinrich Kuhlmann: Durch das Ableben des Herrn Ober-Commerzien-Raths D. H. Ehlermann …, Doppelannonce vom 27. und 28. September 1847 in der Tageszeitung Deutsche Allgemeine Zeitung, Jahrgang 1847, S. 2403;https://books.google.de/books?id=gUxJAAAAcAAJ&pg=PA2403 Digitalisat über Google-Bücher.
  12. Vergleiche die Mittheilungen des Gewerbevereins für das Königreich Hannover von 1854, S. 239; Digitalisat über Google-Bücher.
  13. Helmut Zimmermann: Stärkestraße, in ders.: Die Strassennamen der Landeshauptstadt Hannover. Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1992, ISBN 3-7752-6120-6, S. 233.
  14. Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Band 103, Hrsg.: Historischer Verein für Niedersachsen, 1990, S. 144; Vorschau über Google-Bücher.
  15. Vergleiche Planquadrat B3 des Planes.
  16. Erzeugung und Vertrieb von Konsumtibilien. Mehlhandel, Stärke, Zucker etc. In: Jahresberichte der Handelskammern und kaufmännischen Korporationen des Preußischen Staats für 1871, Beilage zum Jahrgang 1872 des Preußischen Handels-Archivs, Berlin: Druck und Verlag der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. von Decker), 1872, S. 546; Digitalisat über Google-Bücher.
  17. ebenda, Nr. 13 vom 1873

Koordinaten: 52° 22′ 30,5″ N, 9° 42′ 46,5″ O