Provinz Schlesien

Provinz im Südosten des Staates Preußen (1815-1919 und 1938-1941)

Die Provinz Schlesien (inoffiziell auch als Preußisch-Schlesien bekannt) war eine Provinz im Südosten Preußens. Zu ihr gehörte der größte Teil der historischen Region Schlesien. Ihre Hauptstadt war Breslau. Die Provinz Schlesien bestand von 1815 bis 1919 und nochmals von 1938 bis 1941. In den Jahren von 1919 bis 1938 und ab 1941 war sie in die Provinzen Niederschlesien und Oberschlesien geteilt.

Preußische Provinz
Schlesien
Flagge Wappen
Fahne – Landesfarben der preußischen Provinz Schlesien Wappen der Provinz
Lage in Preußen
Rot: Lage der Provinz Schlesien in Preußen (blau)
Bestehen 1815–1919, 1938–1941
Provinzhauptstadt Breslau
Fläche 40.335 km² (1910)[1]
37.013 km² (1939)[2]
Einwohner 4.868.764 (1939)[2]
Bevölkerungsdichte 132 Ew./km² (1939)
Verwaltung 3 Regierungsbezirke
Kfz-Kennzeichen I K
Entstanden aus Schlesien
Aufgegangen in Provinz Niederschlesien, Provinz Oberschlesien
Heute Teil von Polen; zu geringen Anteilen Sachsen, Brandenburg, Tschechien
Karte
Karte Schlesiens von 1905

Geschichte

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Den größten Teil des Herzogtums Schlesien und die Grafschaft Glatz hatte 1742 der preußische König Friedrich II. nach dem Ersten Schlesischen Krieg infolge des Friedens von Berlin zu einer Provinz des Staats Preußen gemacht.[3] Nachdem Preußen nach dem Wiener Kongress alle seine Territorien 1815 in neuer Form einheitlich als Provinzen organisiert hatte, kam die nördliche Oberlausitz um Görlitz 1816 zur Provinz Schlesien hinzu. Die historische Teillandschaft Oberschlesien bildete den Regierungsbezirk Oppeln. Niederschlesien wurde in die Regierungsbezirke Breslau und Liegnitz eingeteilt, sowie kurzzeitig auch in den Regierungsbezirk Reichenbach.

Bis zum Jahr 1870 war Schlesien die bevölkerungsstärkste Provinz des preußischen Staates.[4] Als Teil Preußens gehörte die Provinz bis 1866 zum Deutschen Bund und ab 1871 zum Deutschen Reich. Bei den Reichstagswahlen wählten die überwiegend katholischen Oberschlesier mehrheitlich die Zentrumspartei, die Niederschlesier zunächst überwiegend die Partei der „Deutsch Freisinnigen“, später zunehmend die SPD. Mit der Industrialisierung wurde Oberschlesien mit seinen Steinkohlebergwerken zu einem wichtigen Industriegebiet des Reiches.

Als nach dem Ersten Weltkrieg die Zweite Polnische Republik entstand und Gebietsansprüche auf Teile der östlichen preußischen Provinzen stellte, wurde das Gebiet 1919 in die Provinzen Nieder- und Oberschlesien geteilt, um den vielen slawischsprachigen Oberschlesiern mehr Eigenständigkeit zu geben und sie so in der anstehenden Volksabstimmung in Oberschlesien für das Reich zu halten. Auch infolge der drei polnischen Aufstände in Oberschlesien mussten Teile Oberschlesiens (Ostoberschlesien) 1922 an Polen abgetreten werden. Das Hultschiner Ländchen ging schon 1920 an die Tschechoslowakei.

1938 entstand die Provinz kurzzeitig neu. Nach dem Überfall auf Polen annektiertes Territorium, das im Südosten deutlich über die früheren Grenzen hinausreichte, kam Ende 1939 völkerrechtswidrig dazu.

1941 wieder geteilt, wurde das Gebiet unter Ausschluss militärischer Sperrgebiete 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg von der sowjetischen Besatzungsmacht fast gänzlich der Volksrepublik Polen zur Verwaltung unterstellt. Es begann danach die Zuwanderung von Polen. In der Folgezeit wurde die einheimische Bevölkerung mit wenigen Ausnahmen von der polnischen Administration aus dem besetzten Teil der Provinz vertrieben.

Heute verteilt sich das Gebiet auf die polnischen Woiwodschaften Schlesien, Niederschlesien und Oppeln, ferner auch Lebus, Großpolen und Kleinpolen. Ein kleiner Teil verblieb bei Deutschland und verteilt sich heute innerhalb des Freistaates Sachsen auf die Landkreise Bautzen und Görlitz sowie in Brandenburg auf das Gebiet um die Stadt Ruhland.

Einwohnerentwicklung

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Obwohl Schlesien, genauso wie die anderen östlichen Provinzen Preußens im 19. Jahrhundert von der sogenannten „Ostflucht“, d. h. der Abwanderung großer Bevölkerungsteile in die sich entwickelnden Industriegebiete Mittel- und Westdeutschlands betroffen war, wuchs die Bevölkerung stark an. Anteilmäßig besonders stark wuchs die Bevölkerung des Regierungsbezirks Oppeln, dessen Anteil an der Provinzbevölkerung von 27 % im Jahr 1816 auf 42 % im Jahr 1910 stieg.

Einwohnerzahlen
Jahr Schlesien
gesamt[5][6][7]
Regierungsbezirke[8]
Breslau Liegnitz Oppeln
1816 1.942.063 779.818 637.461 524.784
1819 2.061.589
1843 2.948.884 1.117.204 892.056 939.624
1846 3.065.809
1855[9] 3.178.516 1.227.009 1.014.383 939.124
1871 3.707.167 1.414.584 983.020 1.309.563
1880 4.007.925
1890 4.224.458
1900 4.668.857 1.697.719 1.102.992 1.868.146
1910 5.225.962 1.841.398 1.176.583 2.207.981
1925 4.511.606 1.897.172 1.235.156 1.379.278
1933 4.686.769 1.944.297 1.259.707 1.482.765
1939 4.868.764

Verwaltungseinteilung 1910

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Das 1895 erbaute Landeshaus in Breslau war Sitz des Oberpräsidenten der Provinz Schlesien.

Regierungsbezirk Breslau

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Stadtkreise

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  1. Breslau
  2. Brieg (seit 1907)
  3. Schweidnitz

Kreise und Landkreise

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Regierungsbezirk Liegnitz

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Stadtkreise

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  1. Görlitz
  2. Liegnitz

Kreise und Landkreise

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Regierungsbezirk Oppeln

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Stadtkreise

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  1. Beuthen
  2. Gleiwitz
  3. Kattowitz
  4. Königshütte
  5. Neisse (seit 1911)
  6. Oppeln
  7. Ratibor (seit 1904)

Kreise und Landkreise

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Verwaltungskarte

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Stadt- und Landkreise von Schlesien (1905):
  • Regierungsbezirk Liegnitz
  • Regierungsbezirk Breslau
  • Regierungsbezirk Oppeln
  • Entwicklung der Sprachenverhältnisse

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    Sprachensituation in der Provinz Schlesien nach der preußischen Statistik 1905/06.
  • Deutsche Sprache
  • Polnische Sprache
  • Tschechische Sprache
  • Sorbische Sprache
  • Zweisprachig
  • Andere Sprachen
  • Zahl der polnischsprachigen und deutschsprachigen Bevölkerung im Regierungsbezirk Oppeln
    Jahr Polnisch Deutsch
    absolut prozentual absolut prozentual
    1819[10] 0377.100 67,2 % 0162.600 29,0 %
    1828[11] 0418.437 0255.383
    1831[11] 0456.348 0257.852
    1837[11] 0495.362 0290.168
    1840[11] 0525.395 0330.099
    1843[11] 0540.402 0348.094
    1846[11] 0568.582 0364.175
    1852[11] 0584.293 0363.990
    1858[11] 0612.849 0406.950
    1861[11] 0665.865 0409.218
    1867[11] 0742.153 0457.545
    1890[12] 0918.728 58,2 % 0566.523 35,9 %
    1900[12] 1.048.230 56,1 % 0684.397 36,6 %
    1905[12] 1.158.805 56,9 % 0757.200 37,2 %
    1910[12] 1.169.340 53,0 % 0884.045 40,0 %

    Oberpräsidenten

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    Siehe auch

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    Literatur

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    • Hugo Weczerka (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten. Band: Schlesien (= Kröners Taschenausgabe. Band 316). Kröner, Stuttgart 1977, ISBN 3-520-31601-3.
    • Hugo Weczerka: Stadt- und Marktgründungen und Stadtabgänge in Schlesien 1450–1800. In: Zeitschrift für Ostforschung. Band 23, 1974, S. 193–260.
    • Lucyna Harc, Przemysław Wiszewski, Rościsław Żerelik (Hrsg.): Region Divided. Times of Nation-States (1918–1945) (= Cuius regio? Ideological and Territorial Cohesion of the Historical Region of Silesia (c. 1000–2000). Band 4). Breslau 2014, eBooki.com.pl, ISBN 978-83-927132-8-9 (PDF; 2,1 MB).
    • Helmut Bleiber, Walter Schmidt: Schlesien auf dem Weg in die bürgerliche Gesellschaft. Bewegungen und Protagonisten der schlesischen Demokratie im Umfeld von 1848. Erster und Zweiter Halbband, trafo verlag, Berlin 2007 (= Silesia. Schlesien im europäischen Bezugsfeld. Quellen und Forschungen. Band 6). ISBN 978-3-89626-639-2 und ISBN 978-3-89626-671-2.

    Schrifttum bis 1945

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    In umgekehrter Reihenfolge des Erscheinens

    • Paul Weber: Die Polen in Oberschlesien: eine statistische Untersuchung. Verlagsbuchhandlung von Julius Springer, Berlin 1913.
    • Joseph Partsch: Schlesien – Eine Landeskunde für das deutsche Volk auf wissenschaftlicher Grundlage. Breslau 1896/1911.
      • Teil I: Das ganze Land, Hirt, Breslau 1896 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
      • Teil II: Landschaften und Siedelungen, Hirt, Breslau 1911 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
    • Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon für das Königreich Preußen. Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. Dezember 1905 und anderer amtlicher Quellen. Heft VI: Provinz Schlesien, Berlin 1908 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
    • Schlesisches Güter-Adreßbuch. Verzeichniß sämmtlicher Rittergüter und selbständigen Guts- und Forstbezirke, sowie solcher größeren Güter, welche innerhalb des Gemeindeverbandes mit einem Reinertrag von etwa 1500 Mark und mehr zur Grundsteuer veranlagt sind. Fünfte Ausgabe. Verlag Wilh. Gottl. Korn, Breslau 1894 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
    • Königl. Statistisches Bureau (Hrsg.): Vorläufige Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1890 im Königreiche Preußen sowie in den Fürstenthümern Waldeck und Pyrmont, Berlin 1891, S. 19–25 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
    • Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats (= Das deutsche Reich in geographischer, statistischer und topographischer Beziehung.) 2. Auflage. Band 2. Berlin 1874, S. 164–232 (Scan in der Google-Buchsuche).
    • Franz Heinrich Ungewitter: Die preußische Monarchie nach den zuverlässigsten Quellen geographisch, statistisch, topographisch und historisch ausführlich und übersichtlich dargestellt. Ein Handbuch für Staats- und Communalbehörden, so wie zum Privatgebrauch. Nicolai, Berlin 1859, S. 753–797 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
    • Johann Georg Knie: Alphabetisch-statistisch-topographische Uebersicht der Dörfer, Flecken, Städte und andern Orte der Königl. Preuß. Provinz Schlesien, nebst beigefügter Eintheilung des Landes nach den Bezirken der drei Königlichen Regierungen, den darin enthaltenen Fürstenthümern und Kreisen, mit Angabe des Flächeninhaltes, der mittleren Erhebung über der Meeresfläche, der Bewohner, Gebäude, des Viehstandes u.s.w. 2. Auflage, Breslau 1845 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
    • Königliches Statistisches Bureau (Hrsg.): Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Schlesien und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. December 1871. Berlin 1874, S. 86 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
    • Johann Georg Knie: Alphabethisch-Statistisch-Topographische Uebersicht aller Dörfer, Flecken, Städte und andern Orte der Königl. Preuß. Provinz Schlesien, mit Einschluß des jetzt ganz zur Provinz gehörenden Markgrafthums Ober-Lausitz und der Grafschaft Glatz; nebst beigefügter Nachweisung von der Eintheilung des Landes nach den verschiedenen Zweigen der Civil-Verwaltung. Graß, Barth und Comp., Breslau 1830 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
    • Robert Semple: Observations made on a tour from Hamburg through Berlin, Gorlitz, and Breslau, to Silberberg; and thence to Gottenburg, London 1814 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
    • F. Leonardi (Hrsg.): Erdbeschreibung der Preußischen Monarchie. Band 3, Halle 1794, S. 210–303 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
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    Commons: Provinz Schlesien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
    Wikisource: Schlesien – Quellen und Volltexte

    Einzelnachweise

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    1. Preußische Provinzen 1910, Gemeindeverzeichnis.de
    2. a b Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1939/40 (Digitalisat)
    3. Peter Baumgart: Schlesien als eigenständige Provinz im altpreußischen Staat (1740-1806). In Norbert Conrads (Hrsg.): Deutsche Geschichte im Osten Europas. Schlesien. Siedler, Berlin 2002, ISBN 978-3-88680-775-8, S. 346.
    4. Wilhelm Matull: Ostdeutschlands Arbeiterbewegung, Abriss ihrer Geschichte, Leistung und Opfer. In: Ostdeutsche Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis. Band LIII. Holzner Verlag, 1973, Schlesien, S. 1–85 (Digitalisat bei der Friedrich-Ebert-Stiftung [PDF]).
    5. Statistisches Bureau zu Berlin (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des preußischen Staats. Duncker & Humblot, Berlin 1821, Schlesien, S. 86 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
    6. Königliches Statistisches Bureau (Hrsg.): Mittheilungen des Statistischen Bureau's in Berlin, Band 2. Einwohnerzahlen der Kreise. (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
    7. Michael Rademacher: P_schlesien. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
    8. Heinz Rogmann: Die Bevölkerungslage in Schlesien und im schlesischen Vorfeld. In: Schlesisches Jahrbuch. Band 9, 1937 (Digitalisat in der Biblioteka Cyfrowa an der Universität Breslau).
    9. Carl Friedrich Dieterici (Hrsg.): Handbuch der Statistik des Preussischen Staats. Verlag E. S. Mittler & Sohn, Berlin 1861, Tabelle 17, S. 144 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
    10. Georg Hassel: Statistischer Umriß der sämmtlichen europäischen und der vornehmsten außereuropäischen Staaten, in Hinsicht ihrer Entwickelung, Größe, Volksmenge, Finanz- und Militärverfassung, tabellarisch dargestellt; Erster Heft: Welcher die beiden großen Mächte Österreich und Preußen und den Deutschen Staatenbund darstellt; Verlag des Geographischen Instituts Weimar (1823), S. 34; (Gesamtbevölkerung 1819: 561.203; Mährer: 12.000; Juden: 8.000 und Tschechen: 1.600)
    11. a b c d e f g h i j Paul Weber: Die Polen in Oberschlesien: eine statistische Untersuchung; Verlagsbuchhandlung von Julius Springer in Berlin (1913), S. 8–9
    12. a b c d Paul Weber: Die Polen in Oberschlesien: eine statistische Untersuchung; Verlagsbuchhandlung von Julius Springer in Berlin (1913), S. 27