Kepler-Gleichung

Gleichung zur Berechnung der Bahnen von Himmelskörpern
(Weitergeleitet von Ellipsenbahn)

Die Kepler-Gleichung ist eine transzendente Gleichung zur Berechnung der Bewegung von Himmelskörpern auf elliptischen Bahnen um einen zentralen Himmelskörper, wie z. B. die Erde um die Sonne. Sie ergibt sich aus den ersten beiden Gesetzen, die Johannes Kepler 1609 publizierte, und lautet

Kepler-Gleichung (elliptische Bahn):
in Abhängigkeit von (Parameter: Exzentrizität )
Zur Kepler-Gleichung (elliptische Bahn):
Längen: Punkte:
große Halbachse Mittelpunkt
kleine Halbachse Brennpunkt (Sonne)
lineare Exzentrizität Periapsis
Winkel:
wahre Anomalie Objekt (Planet)
exzentrische
      Anomalie
Hilfspunkt zum
      Objekt
mittlere Anomalie fiktives Objekt
.

ist die sogenannte „exzentrische Anomalie“ des Himmelskörpers und die „mittlere Anomalie“, eines fiktiven Himmelskörpers , der die Zeit repräsentiert. Gleichungs-Parameter ist die (numerische) Exzentrizität[A 1] der Bahn-Ellipse.

Beide Anomalien sind auf die Periapsis bezogene Winkel um das Zentrum der Ellipse.

Die Kepler-Gleichung wird z. B. bei der Berechnung der Zeitgleichung angewendet. Die dabei benötigte „wahre Anomalie des Himmelskörpers (dort die Erde) auf seiner Bahn um den zentralen Himmelskörper (dort definitiv die Sonne) wird aus der „exzentrischen Anomalie“ errechnet.

Herleitung der Kepler-Gleichung

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Die Keplergleichung und die beiden keplerschen Gesetze

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Das zweite keplersche Gesetz, der Flächensatz, folgt aus der Drehimpulserhaltung im Zweikörperproblem, welch letzteres in der Astronomie auch Kepler-Problem genannt wird. Zwischen den beiden Körpern wirkt lediglich eine radiale Kraft, hier auf dem Fahrstrahl vom zentralen Körper   zum diesen umrundenden Himmelsobjekt  . Gehorcht diese Kraft einem  -Gesetz (wie die Newtonsche Gravitationskraft), dann ist die Planetenbahn dem ersten keplerschen Gesetzes zufolge ein Kegelschnitt. Die Kepler-Gleichung ist für den elliptischen Schnitt (elliptische Bahn) eine Rechenformel für die Aussage des Flächensatzes. Sie bringt die Zeit   in Form der (von Kepler so genannten) mittleren Anomalie   mit der Position des Himmelsobjekts   auf seiner Umlaufbahn (Kepler-Ellipse „Orbit“) in Form der (von Kepler so genannten) wahren Anomalie  , d. i. sein Winkelabstand von der Periapsis  , (über die Hilfsgröße der exzentrischen Anomalie  ) in einen eindeutigen formelmäßigen Zusammenhang.

Dabei ist   die numerische Exzentrizität der Ellipse.

Gebrauch der mittleren Anomalie

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Die gleichmäßig vergehende Zeit   wird mit der Drehung   eines fiktiven Körpers   um den Ellipsen-Mittelpunkt   mit konstanter Winkelgeschwindigkeit dargestellt. Im Bezugs-Zeitpunkt   befinden sich sowohl   als auch das wahre Objekt   in der Periapsis  . Beide Körper haben dieselbe Umlaufzeit und treffen sich nach jedem Umlauf wieder in der Periapsis und nach jedem halben dazwischen in der Apoapsis.

 
Zu Gleichung  
  .

Dabei ist   die Zeit für einen Umlauf und   die mittlere Winkelgeschwindigkeit. Im Zeitpunkt   befindet sich das Himmelsobjekt in der Periapsis, wo es den geringsten Abstand zum zentralen Körper   hat.

Gemäß dem zweiten keplerschen Gesetz überstreicht der Fahrstrahl   des Körpers   im gleichen Zeitabschnitt die gleiche Fläche. Da der Zeitanteil (am Umlauf) proportional ist zum Anteil des Kreissektors am Umkreis, ist der Anteil der elliptischen Teilfläche   an der Ellipse gleich groß wie der des Kreissektors   am Umkreis:

  .

Dabei ist   die große Halbachse der Ellipse und gleichzeitig der Radius des Umkreises,   die kleine Halbachse der Ellipse. Ellipse und Umkreis sind im Verhältnis   affin zueinander, d. h., die Ellipse ist in jeder Parallele zur kleinen Halbachse der mit diesem Verhältnis „gestauchte“ Umkreis.

 
Zu Gleichung  
 
Zu Gleichung  

Gebrauch der exzentrischen Anomalie

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Durch eine zur kleinen Halbachse parallele Projektion des Punktes   auf den Umkreis entsteht der Hilfspunkt  , dessen Winkel im Mittelpunkt   zur Periapsis   von Kepler exzentrische Anomalie   genannt wurde. Die Affinität begründet folgenden Zusammenhang:

  .

Nach Einsetzen von Gleichung   in Gleichung   folgt:

  .

Ergebnis: Die Keplergleichung

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Implizit

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Zu den Gleichungen   und  
 
Zu Gleichung  

Mit der Gleichung   ist die gesuchte, das zweite keplersche Gesetz erfüllende Beziehung zwischen der exzentrischen Anomalie (Punkt  ) und der mittleren Anomalie (Punkt  ) implizit gefunden. Eine explizite Beziehung ergibt sich durch folgende Schritte:

Explizit

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Wenn der Fahrstrahl   in einer Periode   den Winkel   zurücklegt und die Fläche   überstreicht, so überstreicht er bis zum Zeitpunkt   den Winkel   und eine um den Faktor   kleinere Fläche:

  .

Die analoge Betrachtung für den Fahrstrahl   über den Winkel   ergibt:

  .

Die Fläche   besteht aus den Teilflächen   und  :

  .

Die Teilfläche   (hellblau umrandet in der Abbildung) ist ein geradlinig begrenztes Dreieck mit der Basis   und der Höhe   :

  .

  ist die numerische Exzentrizität der Ellipse und   die lineare, die den Abstand zwischen Mittelpunkt und Brennpunkt angibt.

Die Teilfläche   ist nach Gleichung   gleich groß wie die Fläche  , deren Wert in Gleichung   angegeben ist.

Durch Einsetzen der Gleichungen  ,   und   wird aus Gleichung   die Gleichung

  .

Daraus ergibt sich schließlich die Kepler-Gleichung:

  .

Lösungs-Methoden

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Die Kepler-Gleichung ist nicht in geschlossener Form nach der exzentrischen Anomalie   auflösbar. Beispiele dafür, wie   mit ihr aus der mittleren Anomalie   ermittelt werden kann:

  1.   ist eine ungerade, mit   periodische Funktion in  . Als solche lässt sie sich in eine Fourierreihe entwickeln, die für alle   und   konvergiert, und zwar ist
     
    mit   als Bessel-Funktion erster Gattung  -ter Ordnung.[1][2]
    Aus den Werten   für   lassen sich alle anderen Werte   leicht berechnen:
     
    mit   (Gaußklammer),   und  , sodass  .
  2. Eine Nullstelle   der Funktion
     
    ist eine Lösung der Keplergleichung. Die Nullstelle kann etwa mit dem Newton-Verfahren wie folgt numerisch berechnet werden:
      .
    Für die meisten elliptischen Bahnen ist der Anfangswert   geeignet. Für Exzentrizitäten   kann   genommen werden.
  3. Ein stabileres, aber langsamer konvergierendes Verfahren beruht auf dem banachschen Fixpunktsatz:[3]
      .
  4. Für kleine Exzentrizität   kann   auch folgendermaßen approximiert werden:[4]
     
    Der Fehler ist hierbei von der Größenordnung  . Bei der Erde und ihrer Exzentrizität   liegt der Fehler für begrenzte Zeiträume hinter der 5. Kommastelle.
  5. Eine Auflösung für   nach Art der Lagrangeschen Inversionsformel ist die Maclaurin-Reihe in      
    die für   linear konvergiert. Ist also  , dann konvergiert sie für   linear.
    Die Koeffizienten der Zähler-Polynome in   sind in der Folge A306557 in OEIS festgehalten.

Rechnen mit der Kepler-Gleichung

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Mittlere Anomalie >>> wahre Anomalie

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Für einen Himmelskörper auf einer Keplerbahn soll für den Zeitpunkt   beziehungsweise für die zugehörige mittlere Anomalie   der Ort beziehungsweise die wahre Anomalie   ermittelt werden:

Mit Hilfe der Kepler-Gleichung wird aus der mittleren Anomalie   zuerst die exzentrische Anomalie   ermittelt (siehe oben). Aus Letzterer folgt die wahre Anomalie   nach einer der folgenden Beziehungen:

    [5]

oder

 

Hier ist   die lineare Exzentrizität der Bahnellipse.
Zum Auflösen nach   ist jeweils eine Unterscheidung der Fälle   und   nötig.

Anmerkung: Der Nenner der zweiten Formel gibt gerade den Abstand   des Himmelsobjekts zum Brennpunkt   an:

 

Wahre Anomalie >>> mittlere Anomalie

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Für einen Himmelskörper auf einer Keplerbahn mit der wahren Anomalie   soll die mittlere Anomalie   bzw. der zugehörende Zeitpunkt   bestimmt werden. Es handelt sich um die zur obigen umgekehrte Rechenarbeit.

Ausgehend von   ergibt sich zuerst die exzentrische Anomalie zu

  .

Der Lageparameter-Index   bei   gibt denjenigen Wert des Arkustangens zurück, der diesem ( ) am nächsten liegt (siehe Arkustangens mit Lageparameter).

Die Kepler-Gleichung liefert die   zugehörige mittlere Anomalie

  .

Aus der linearen Gleichung für   folgt schließlich der Zeitpunkt  :

 
Beispiel zu
  wahre Anomalie >>> Zeitpunkt

Passagezeiten der vier Erdbahnellipsen-Scheitel:
Die für die Erde gültigen Bahnelemente sind unter mittlere Kepler-Elemente angegeben. Die im Verweisartikel verwendete Zeit   ist in Julianischen Jahrhunderten gerechnet. Hier wird   in Tagen gemessen, sodass die linearen Koeffizienten der Zeit   durch 36525 zu teilen sind, um   und   zu erhalten. Die sehr langsame Änderung der numerischen Exzentrizität wird allerdings vernachlässigt ( ). Der Nullpunkt der Zeit   – und damit auch von   – ist der 1. Januar 2000, 12:00 UT. Die wahre Anomalie bei Perihelpassage der Erde im Jahr 2000 ist gleich 360° (nicht null!), im Jahr 2001 gleich 720° usw.

Passagezeiten der vier Erdbahnellipsen-Scheitel
Perihel 2000 Frühlings-
Nebenscheitel
Aphel Herbst-
Nebenscheitel
Perihel 2001
Wahre Anomalie   360 450 540 630 720
Zeit   2,511 91,883 185,140 278,398 367,770
Zeitabstand   89,372 93,258 93,258 89,372

Der Abstand zwischen den mittleren Perihelpassagen (anomalistisches Jahr) beträgt   Die so berechneten mittleren Perihelzeiten können sich um mehrere Tage vom realen (vor allem mondgestörten) Wert unterscheiden.

Wahre Anomalie >>> Bahnradius

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Mit der wahren Anomalie   wird die Richtung eines Himmelskörpers auf seiner Keplerbahn für den Zeitpunkt   angegeben. Die zugehörende Entfernung – der Bahnradius – ist wie folgt berechenbar:

 
  Entfernung (Bahnradius)
  große Halbachse der Ellipse
  numerische Exzentrizität
  wahre Anomalie

Wahre Anomalie >>> Bahngeschwindigkeit

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Die zeitliche Änderung der wahren Anomalie entspricht der Winkelgeschwindigkeit   in Bezug auf das Gravizentrum. Die Normalkomponente der Geschwindigkeit folgt also direkt aus

 

Die Radialgeschwindigkeit ist die Änderung des Bahnradius mit der Zeit:

 

Für die Bahngeschwindigkeit oder Orbitalgeschwindigkeit   folgt dann  

 
  Bahngeschwindigkeit
  wahre Anomalie
  Bahnradius

Einfacher lässt sich die Bahngeschwindigkeit über den Hodograph   aus dem Flächensatz ableiten:[6]

 
  spezifischer Drehimpuls als zentrale Kenngröße der Bewegung
 
  Halbparameter als kennzeichnendes Bahnelement
 
  große Halbachse
  kleine Halbachse
  mit Gravitationskonstante   und Masse   des Zentralkörpers

Daraus folgen die Minimal- und Maximalgeschwindigkeit im Apozentrum und Perizentrum einer Ellipsenbahn:[6]

 
  numerische Exzentrizität.

Weitere Zusammenhänge

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Zwischen der wahren Anomalie   der exzentrischen Anomalie   und der mittleren Anomalie   bestehen noch zahlreiche weitere Zusammenhänge,[7] die in der langen Geschichte der Himmelsmechanik entwickelt wurden. Insbesondere lässt sich die wahre Anomalie – ohne Umweg über die Keplergleichung – direkt aus einer speziellen Differenzialgleichung in   errechnen,[8] was für numerische Näherungsverfahren von Interesse ist.

Insbesondere kann auch hier die wahre Anomalie   durch die mittlere Anomalie   für kleine Exzentrizitäten genähert werden, es ergibt sich die nützliche Näherung

   .

Die Differenz    heißt Mittelpunktsgleichung.[8]

Anwendung der Kepler-Gleichung bei der Zeitgleichung

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Die Zeitgleichung wird im vorliegenden Artikel dennoch ausführlicher behandelt, weil ihre Berechnung mit der im Hauptartikel nicht in allen Teilen identisch, sondern eine Variante davon ist. Dort wird von den Bahnelementen der Sonne ausgegangen, die ab dem 1. Januar 2000 12:00 UTC auf den Tag der zu berechnenden Zeitgleichung hochzurechnen sind. Hier werden für den 1. Januar für bis zum Jahr 2025 vorausbestimmte sogenannte solare Basiswerte benutzt.[9] Die Hochrechnung bis zu einem Kalendertag im laufenden Jahr ist entsprechend kürzer.
Hier wird direkt mit der Keplergleichung gearbeitet, dort mit der von dieser abgeleiteten Mittelpunktsgleichung, was die Rechnung dort verkürzt.

In die Zeitgleichung geht der Ort der Erde auf ihrer elliptischen Bahn um die Sonne um 12:00 UTC des vorgegebenen Tages im Jahr ein. Diese wird mit Anwendung der Kepler-Gleichung als exzentrische Anomalie   ermittelt und in die „wahre Anomalie“   umgerechnet. Nach dem Übergang zum geozentrischen Weltbild wird daraus die Folge der ungleichmäßigen Bahnfahrt (erste Zeitgleichungsursache) auf das von der Sonne abgeleitete Zeitmaß (Wahre Sonnenzeit WOZ) berechnet.

Definitionen der Zeitgleichung

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Erste Definition:[A 2]

 

Dem Wert der wahren Ortszeit (WOZ) bzw. mittleren Ortszeit (MOZ) entspricht der jeweilige Stand der wahren bzw. einer fiktiven mittleren Sonne am Himmel (geozentrische Sichtweise). Da die Tageszeit im Zusammenhang mit der Drehung der Erde um ihre Achse steht, interessiert nur die jeweilige Rektaszension (nicht die Deklination) der Sonne(n). Die die gleichmäßig vergehende Zeit repräsentierende mittlere Sonne läuft auf dem Himmelsäquator um. Die Zeitgleichung ist proportional zur Differenz zwischen den Rektaszensionen   der fiktiven mittleren und   der realen wahren Sonne.

Zweite Definition:

 

Der Faktor 4 ergibt sich daraus, dass zwei Himmelskörper mit 1° Rektaszensionsdifferenz den Meridian im zeitlichen Abstand von 4 Minuten passieren. Die Reihenfolge der beiden Subtraktionsterme hat sich umgekehrt, weil die Richtungen für den Stundenwinkel   (ihm entsprechen WOZ und MOZ) und die Rektaszension   zueinander entgegengesetzt definiert sind.

Vorgehens-Übersicht

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Die Keplergleichung wird im Anfangsteil der Berechnung der Zeitgleichung benutzt. Dabei wird im Heliozentrischen Weltbild verblieben. Die vorgegebene Zeit     wird mit     dargestellt. Mit Hilfe der Keplergleichung wird     für     errechnet.
Die Anwendung der Kepler-Gleichung endet hier.
Aus     wird noch     (erste der nebenstehenden Abbildungen, bei Kepler mit     bezeichnet) ermittelt, bevor ins geozentrische Weltbild gewechselt und die Herleitung der Zeitgleichung beendet wird.

Fortsetzung der Ermittlung der Zeitgleichung:
In der Zeitgleichung werden die Rektaszensionen     und     , deren Bezugspunkt der Frühlingspunk ist, gegenseitig verrechnet. Der Bezugswechsel vom Perihel zum Frühlingspunkt wurde noch vor dem Wechsel zum geozentrischen Weltbild (zweite der nebenstehenden Abbildungen) vorgenommen. Dabei entstand aus     die ekliptikale Länge     die im geozentrischen Weltbild 1:1 übernommen wird.
Anstatt der Anomalie     des Perihels wird jetzt die Anomalie     des Frühlingspunktes gebraucht.

Anwendung der Kepler-Gleichung

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Anomalien der Erde auf ihrer elliptischen Bahn um die Sonne zum Zeitpunkt t:
V – wahre, M – mittlere, E – exzentrische Anomalie
B – Sonne, X – Erde, Y – fiktive Erde, P – Perihel, A – Aphel, K – 1.-Jan.-Punkt
unten links: V und M als Funktionen der Zeit
 
Übergang von der heliozentrischen elliptischen Erdbahn (links, mit wahrer Erde X und fiktiver Erde Y) zur geozentrischen Sonnenbahn (Ekliptikkreis, rechts, mit wahrer Sonne S und fiktiver Sonne S')
 
„Herunterholen“ der wahren Sonne auf den Äquator: Ermittlung ihres Rektaszensionswinkels α aus ihrem ekliptikalen Längenwinkel λ
S″: mittere Sonne auf dem Äquator

Mittlere Anomalie für den fiktiven Punkt    :

Die in Gleichung   allgemein formulierte mittlere Anomalie lautet im Zusammenhang mit der Zeitgleichung:

 
 : anomalistisches Jahr zwischen zwei Passagen des Perihels
 : Zeitpunkt der Perihel-Passage

Bei Periheldurchgang hat die mittlere Anomalie folgenden Wert:

 

Bei der Zeitgleichung ist es üblich, die Werte eines Kalenderjahres im entsprechenden Astronomischen Jahrbuch zu veröffentlichen. Der 1. Januar 12:00 (UT) des entsprechenden Jahres wird als Nullpunkt für   verwendet, sodass gegenwärtig für   etwa 2 bis 3 Tage und daraus für   etwa 2° bis 3° gelten.[10] Es hat sich bequemerweise eingebürgert, den jeweils neuen Wert für   als eine sogenannte Jahreskonstante (eine der sogenanntewn Basiswerte, s. o.) im Voraus zu veröffentlichen.

Mit   und   ab 1. Januar 12:00 (UT) wird aus Gleichung (12):

 

Kepler-Gleichung:

 

Mit der dem vorgegebenen Zeitpunkt entsprechenden mittleren Anomalie   und der Erdbahn-Exzentrizität   wird mit Hilfe der Kepler-Gleichung die exzentrische Anomalie   ermittelt.

Wahre Anomalie der Erde    :

Bei der Behandlung der Zeitgleichung wird für die wahre Anomalie meistens das Formelzeichen   (anstatt   wie oben) verwendet.

Die exzentrische Anomalie   führt in einer rein geometrischen Betrachtung in der Ellipse und in ihrem Umkreis (erste der nebenstehenden Abbildungen) wie folgt zur wahren Anomalie  :[11]

 
  … eine Ellipsenkonstante

Das Kepler-Problem ist mit der Ermittlung der wahren Anomalie der Erde gelöst. Im Folgenden wird die Ermittlung der Zeitgleichung abgeschlossen.

Wahre Anomalie der Erde → Rektaszension der Sonne

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Wahre Anomalie der Erde → ekliptikale Länge der Erde → ekliptikale Länge der Sonne:

Von der Erde aus gesehen spiegelt sich die Bewegung der Erde um die Sonne wider in der scheinbaren Bewegung der Sonne in der Ekliptik, dem Schnitt der Erdbahnebene mit der um die Erde als Mittelpunkt geschlagenen Richtungskugel (siehe zweite der nebenstehenden Abbildungen).[12][13] Die ekliptikale Länge der Erde und die ekliptikale Länge der Sonne sind somit Synonyme mit dem Formelzeichen  

Bezugspunkt für die ekliptikale Länge (und auch der Rektaszension) ist gemäß allgemeinem Brauch der Frühlingspunkt. Die ekliptikale Länge   der Sonne wird erhalten, indem dem auf das Perihel der Erdbahn bezogenen Winkel   der Winkel   zwischen Perihel P und dem dem Frühlingspunkt entsprechenden Ort (F) addiert wird:[14]

 

Der Wert von   ist negativ. Unter den nahezu konstanten Grundgrößen ist   diejenige, die sich mit der Zeit wegen der relativ schnelleren Annäherung zwischen Frühlingspunkt bzw. Punkt (F) und Perihel am stärksten verändert. Sie wird deshalb nicht nur jährlich als sogenannte Jahreskonstante   neu gesetzt, sondern mit folgender Gleichung permanent verändert:

 

Frühlingspunkt und Perihel nähern sich mit     ist das tropische Jahr (Zeit für zwei aufeinanderfolgende Passagen des Frühlingspunkts bzw. des Punktes (F)). Unter Beachtung der Gleichung   ist statt Gleichung   zu schreiben:

 

Der Wert von   ist negativ !

Ekliptikale Länge der Sonne → Rektaszension der Sonne:

Neben der Elliptizität der Erdbahn verursacht die zur Erdbahnebene nicht rechtwinklige Lage der Erdachse und ihre Richtungsänderung relativ zur Sonne die Zeitgleichung.

Die Rektaszension   der Sonne lässt sich z. B. mit allgemein bekannten Transformationsgleichungen oder mit folgender einfachen Beziehung im entsprechenden rechtwinkligen sphärischen Dreieck (siehe dritte der nebenstehenden Abbildungen) aus der ekliptikalen Länge   ermitteln:

 

  ist die Schiefe der Erdachse:   .

Rektaszension der mittleren Sonne

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Die Bewegung der mittleren Sonne S″ (dritte der rechts stehenden Abbildungen) auf dem Äquator macht die gleichmäßig vergehende Zeit gleich wie die der auf der Erdbahn umlaufenden fiktiven Erde (Punkt Y) anschaulich. Ihr Lauf ist möglichst eng an den der wahren Sonne zu koppeln, damit sie deren Lauf etwa „mittelt“. Das wurde mit folgender Definition erreicht:[15]

 

Wenn man die zeitliche Änderung von   vernachlässigt, gilt auch:

 

Zeitgleichung

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Die beiden zur Anwendung der Zeitgleichung   erforderlichen Rektaszensionen   und   sind gefunden.

 

Zusammenfassung: Rechenschritte

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  • vorgegebener Zeitpunkt t   >>   Anomalie  M des fiktiven Punktes Y
  • M   >>   exzentrische Anomalie E des Punktes X
  • E   >>   Anomalie V
  • Systemwechsel heliozentrisch   >>   geozentrisch   (Bezugspunkt: Perihel   >>   Frühlingspunkt;   Anomalie   >>   ekliptikale Länge)
  • vorgegebener Zeitpunkt t   >>   ekliptikale Länge L der auf der Ekliptik umlaufenden fiktiven Sonne
  • V   >>   ekliptikale Länge λ der wahren Sonne
  • λ   >>   Rektaszension α der wahren Sonne
  • αM = L     (Rektaszension αM der auf dem Äquator umlaufenden fiktiven Sonne = ekliptikale Länge L der auf der Ekliptik umlaufenden fiktiven Sonne)
  • ZG = αM - α

Rechenbeispiel 1

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Die Zeitgleichung für den 2. April 2015, 12:00 UT (t = 91 Tage) wird berechnet Die Jahreskonstanten 2015 sind:[15][16][17]

 
 
 
 
 
 

Die Rechnungen sind:

 
 
        Die Lösung erfolgte durch Iteration.
 
 
 
 
 
 

Die Zeitgleichung hat am 2. April 2015, 12:00 UT den Wert:

 

Rechenbeispiel 2

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Die Zeitgleichung für den 1. Mai 2015, 12:00 UT (t = 120 Tage) wird berechnet.

Die Rechnungen sind:

 
 
        Die Lösung erfolgte durch Iteration.
 
 
 
 
 
 

Die Zeitgleichung hat am 1. Mai 2015, 12:00 UT den Wert:

 

Zeitgleichungswerte für die Passage ausgezeichneter Bahnpunkte

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Vom Kalender und damit von der Jahreskonstanten   unabhängig sind Zeitgleichungswerte für die Passage ausgezeichneter Punkte durch die Erde auf ihrer Bahn (beziehungsweise durch die Sonne auf der Ekliptik): Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winteranfangspunkt, Perihel und Aphel.

Zeitgleichungswerte und Zeitpunkte für die Passage ausgezeichneter Bahnpunkte *)
F-Anfang S-Anfang H-Anfang W-Anfang Perihel Aphel
λ/° 0 90 180 270 L0 L0 + 180
ZG/min −7,44 −1,74 +7,48 +1,70 −4,50 −4,50
tP/d **) 76,234 168,990 262,641 352,485 0 182,621

 *) Die Werte gelten für das Jahr 2004 mit L0 = −76,99° und Jtr =365,2428 Tage.[15]
**) Die angegebenen Zeiten beziehen sich auf den Periheldurchgang, nicht wie in obigem Beispiel auf den 1. Januar 12:00 UT.

Ihre Berechnung ist einfacher, als die für beliebige Zeitpunkte, weil die Kepler-Gleichung   nicht gelöst werden muss. Von der vorgegebenen ekliptikalen Länge   eines der ausgezeichneten Punkte ist leicht zur wahren (Gl.  )[18] und weiter zur exzentrischen Anomalie zu finden. Aus Letzterer folgt mit der umgestellten Kepler-Gleichung   die mittlere Anomalie, also der Bahnpunkt der fiktiven mittleren Erde. Die ekliptikale Länge des Perihels[18] zu Letzterer addiert (Gl.  ) ist die gesuchte mittlere Rektaszension   (Minuend in der Zeitgleichung  ). Die wahre Rektaszension   (Subtrahend) ist bei den Punkten Frühling bis Winter mit deren ekliptikaler Länge   identisch. Nur bei den Punkten Perihel und Aphel ergibt die Koordinatentransformation (Gl.  ) kleine Werteunterschiede.

Bei der Vorgehensweise, die Berechnung mit einer vorgegebenen ekliptikalen Länge bzw. einer vorgegebenen wahren Anomalie zu beginnen, erhält man neben der Zeitgleichung auch die seit der Perihelpassage der Erde vergangene Zeit. Das ist die Zeit, die die mittlere Anomalie repräsentiert und sie wird aus dem Zwischenergebnis für die mittlere Anomalie   mit Hilfe der entsprechend umzustellenden Gleichung   errechnet.

Diese Vorgehensweise wird gelegentlich auch für die allgemeine Arbeit empfohlen, Zeitgleichungstabellen zu ermitteln.[19] Man erspart sich dabei das aufwändige Lösen der Kepler-Gleichung, findet zu Werten für gewünschte Zeitpunkte aber nur durch Probieren oder bei genügender Ergebnisdichte durch Interpolieren.

Literatur

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  • Andreas Guthmann: Einführung in die Himmelsmechanik und Ephemeridenrechnung. BI-Wiss.-Verl., Mannheim 1994, ISBN 3-411-17051-4.
  • Peter Colwell: Solving Kepler's equation over three centuries. Hrsg.: Willmann-Bell. Richmond, VA 1993, ISBN 0-943396-40-9, S. 202.
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Anmerkungen

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  1. Es handelt sich mathematisch um die relative bzw. numerische Exzentrizität, die in der Astronomie verkürzt als Exzentrizität e bezeichnet wird. In der Mathematik wird diese mit ε und mit e die absolute bzw. lineare Exzentrizität bezeichnet.
  2. Als Zeitgleichung wird sowohl eine der beiden folgenden mathematischen Gleichungen, als auch ihr Wert zu einem bestimmten Zeitpunkt bezeichnet. Letzteres entspricht der alten Bedeutung von „Gleichung“ als „zuzufügende Korrektur“. Bei der Zeitkorrektur ist es der der wahren Ortszeit hinzuzufügende Wert, um zur mittleren Ortszeit zu finden. Dabei ist zu beachten, dass früher die umgekehrte Differenz betrachtet wurde:       >>>    

Einzelnachweise

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  1. J.-L. Lagrange, Sur le problème de Kepler, in Mémoires de l'Académie Royale des Sciences de Berlin, vol. 25, 1771, Seiten 204–233
  2. Peter Colwell: Bessel functions and Kepler's equation (= Amer. Math. Monthly. Band 99, Nr. 1). Januar 1992, S. 45–48 (englisch).
  3. § II.6.67 Numerische Verfahren. Guthmann, S. 128 f.
  4. § II.6.66 Reihenentwicklung der exzentrischen Anomalie. Guthmann, S. 125 ff.
  5. Siegfried Wetzel: Die Zeitgleichung für Nicht-Astronomen. Deutsche Gesellschaft für Chronometrie, Mitteilungen Nr. 111, Herbst 2007, Anhang 3.
  6. a b § II.5.58 Der Hodograph. Guthmann, S. 114 f.
  7. Aufgaben zu § II.5. Guthmann, S. 122 f.
  8. a b 10. und 11. Aufgabe zu § II.5. Guthmann, S. 123.
  9. Solare Basiswerte und hier verwendete Formelzeichen sind dem Sonnenuhren-Handbuch der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie e. V., Fachkreis Sonnenuhren entnommen: 2006, S. 43–49.
  10. Wegen der Schalttagregelung im Kalender schwanken beide Werte innerhalb der Vierjahresperiode schwach: ΔtP ≈ ¾Tag, ΔM0 ≈ ¾°.
  11. Siegfried Wetzel: Die Zeitgleichung für Nicht-Astronomen. (Memento vom 7. April 2014 im Internet Archive) Deutsche Gesellschaft für Chronometrie, Mitteilungen Nr. 111, Herbst 2007, Anhang 3.
  12. Manfred Schneider: Himmelsmechanik, Band II: Systemmodelle. BI-Wissenschaftsverlag, 1993, ISBN 3-411-15981-2, S. 507.
  13. Dieser Zusammenhang erlaubt umgekehrt, die ekliptikale Länge   und den Frühlingspunkt F als Bezugspunkt (sowohl für   als auch für  ) auf die Erdbahn zurückzuspiegeln (siehe nebenstehende Abbildung, rechts → links).
  14. Zeichen für Winkeldifferenz und Ort in nebenstehender Abbildung in Klammern gesetzt, da Winkel und Ort für den Gebrauch auf der Erdbahn nicht definiert sind.
  15. a b c Sonnenuhren-Handbuch, 3.3 Berechnung der Zeitgleichung. Deutsche Gesellschaft für Chronometrie e. V., Fachkreis Sonnenuhren, 1900.
  16. Diese „Basiswerte“ gelten für den 1. Januar 2015 12:00 UT. Ihre langsame Veränderung wird im Folgenden während des gesamten Jahres 2015 nicht beachtet. Die in dieser Zeit kumulierte Veränderung schlägt sich erst in den Jahreskonstanten 2016 nieder. Ausnahme ist  . Gleichung   enthält die permanente Veränderung  .
    Die Hochrechnung der Jahreskonstanten erfolgt mit den Basiswerten der Jahre 2000 bzw. 1900 wie folgt (DGC-Handbuch, S. 47):
     
     
     
     
     
     
      ist die Zahl der Tage seit 1. Januar 2000 12:00 UT;   ist die Zahl der Jahre seit 1900. Bei den Winkeln   und   ist modulo 360° zu rechnen, und sie müssen zwischen −180° und +180° liegen.
  17. Die Jahreskonstanten (z. B. für 2015) werden hier so bezeichnet, weil sie nur für das eine Jahr benutzt werden, auf das sie sich beziehen. Darüber hinaus gelten sie ohne bedeutsame Einbuße an Genauigkeit der Zeitgleichung auch für Termine in fernliegenden Jahren (z. B. für 2050 oder 1950). Die Zeit   nimmt dann entsprechend hohe positive bzw. negative Werte an; das gegebene Rechenschema bleibt aber unverändert anwendbar. Bei der Bestimmung von   und   sind die Nebenwerte des Arkustangens zu verwenden, die   bzw.   am nächsten liegen.
  18. a b Dabei wird mit der ekliptikalen Länge L = L0 des Perihels gerechnet, was ausreichend genau und wegen der nicht bekannten Zeit t auch nicht anders möglich ist.
  19. Heinz Schilt: Zur Berechnung der mittleren Zeit für Sonnenuhren. Schriften der Freunde alter Uhren, 1990.