Else Blankenhorn

deutsche Malerin

Else Blankenhorn (* 4. Oktober 1873 in Karlsruhe[1]; † 20. November 1920 in Konstanz[2]) war eine deutsche Malerin. Viele ihrer Bilder sind Teil der Sammlung Prinzhorn der Psychiatrischen Universitätsklinik in Heidelberg.

Else Blankenhorn, ohne Titel (Selbstbildnis als Sängerin)

Else Blankenhorn wurde als das älteste von sechs Kindern in Karlsruhe geboren. Ihr Vater war der Weinbauprofessor Adolph Blankenhorn. In Karlsruhe wuchs sie in großbürgerlichen Verhältnissen auf und besuchte das Mädchenpensionat Victoria für „höhere Töchter“, wo sie eine umfassende reformpädagogische und musische Ausbildung erhielt.[2] Sie wurde z. B. in Gesang, Klavierspiel, Literatur und Malerei unterrichtet.[3]

1899 verlor sie mit 26 Jahren ihre Singstimme, und man diagnostizierte bei ihr einen Erschöpfungszustand. Heute denkt man, dass der Auslöser für ihre Erkrankung die Tatsache war, dass ein Mann, den sie selber gerne geheiratet hätte, ihre beste Freundin ehelichte. Daraufhin begab sie sich bis 1902 in das private Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen am Bodensee.[4] 1906 begab sie sich erneut in psychiatrische Behandlung und blieb als Patientin bis 1919 in der Kuranstalt Bellevue, nachdem sie durch den Tod ihrer Großmutter und ihres Vaters erneut in eine Krise geraten war. Dort lebte sie in der geschlossenen Villa Tannegg, versorgt von ihrer persönlichen Pflegerin Bert[h]a Pecoroni. Ihr Standen zwei Räume zur Verfügung, die sie mit eigenen Möbeln sowie einem Harmonium ausgestattet hatte.[5]

Aufgrund der enormen Kosten des Sanatoriums Bellevue wurde sie nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1919 in die viel preisgünstigere Heilanstalt Reichenau bei Konstanz verlegt, nun ohne Bert[h]a Pecoroni.

Dort starb 1920 Else Blankenhorn mit 47 Jahren an den Folgen einer Krebsoperation.[6]

Als Mitglied der angesehenen badischen Familie Blankenhorn war sie auch kulturell und sozial tätig gewesen und hatte sich im Badischen Frauenverein engagiert.[3]

 
Allegorie mit kaiserlichem Paar, vor 1920
 
Ewige Pflicht = Treue Liebe Kaiserin Else, vor 1920

Auch wenn Else Blankenhorn seit ihrer Kindheit von Kunst umgeben war, begann sie sich erst 1908, während ihres Aufenthalts im Sanatorium Bellevue, selbst künstlerisch zu betätigen. Sie wendete sich neben der Malerei, der Fotografie, der Dichtung und dem Gesang auch dem Sticken zu.[7]

In ihren malerischen Werken verwendete sie die Techniken Ölfarben und Aquarell. Ihre bevorzugten Motive waren dabei Frauenfiguren, Liebespaare, Naturelemente, religiöse Darstellungen oder florale Motive mit symbolischer Bedeutung. In ihren Werken tauchen beispielsweise häufig Mensch-Pflanzen-Mischwesen auf.[8]

Sie glaubte, mit Kaiser Wilhelm II. verheiratet zu sein, und malte eine große Anzahl an Geldscheinen mit eigener, fiktiver Währung und Engeln als Leitmotiv, die sie mit geschlossenen Beinen zeichnete. Manche Geldscheine unterschrieb sie mit dem Namen Else von Hohenzollern.[9] Die geschlossenen Beine ihrer Engel werden als Hinweis auf eine bewusst asexuelle Lebensweise interpretiert; es scheint, dass Werke mit deutlichem erotischen Inhalt von der Familie vernichtet wurden.[10]

Der Psychiater und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn nahm ihre Arbeiten mit in die Sammlung der Psychiatrischen Universitätsklinik in Heidelberg auf. Damit gehören viele Werke zum ursprünglichen Kern der Sammlung Prinzhorn. Auch plante Prinzhorn eine Monografie zu ihr herauszugeben, setzte sein Projekt jedoch nicht um. Heutzutage befinden sich ca. 450 von Blankenhorns Arbeiten in Besitz der Sammlung Prinzhorn.[11] Blankenhorn wird mittlerweile zu den wichtigsten Kunstschaffenden der Heidelberger Sammlung gezählt.[3]

Rezeption

Ihre Kunst blieb eine lange Zeit weitestgehend unbeachtet. Dies änderte sich unter anderem durch eine Wanderausstellung der Sammlung Prinzhorn 1980/1981, bei der auch ihre Werke ausgestellt wurden.[3] 2008 wurde sie in das Allgemeine Künstlerlexikon aufgenommen.[12] Ihre Arbeiten waren immer wieder Teil nationaler und internationaler Ausstellungen, wie z. B. der Wanderausstellung „Irre ist weiblich. Künstlerische Interventionen von Frauen in der Psychiatrie um 1900“, die in Deutschland und der Schweiz gezeigt wurde. 2020 widmete das Markgräfler Museum Müllheim ihr eine erste eigene Ausstellung zu ihrem 100. Todestag.

Ausstellungen

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Else Blankenhorn in der Sammlung Prinzhorn

Einzelausstellungen

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  • 2020/2021: „Eigensinnige Welten. Die Malerin Else Blankenhorn“. Markgräfler Museum, Müllheim[13][14]
  • 2022/2023: „Das Gedankenleben ist doch wirklich“↵Else Blankenhorn – eine Retrospektive. Sammlung Prinzhorn, Heidelberg (bis 22. Januar 2023), danach (12. April bis 18. August 2024) im Museum Gugging

Gruppenausstellungen (Auswahl)

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  • 2002/2003/2004: Wanderausstellung: „Wunderhülsen & Willenskurven – Bücher, Hefte, Kalendarien aus der Sammlung Prinzhorn“. Sammlung Prinzhorn, Heidelberg; Städtisches Museum, Jena; Museum Dr. Guislan, Gent[15]
  • 2004/2005/2007: Wanderausstellung: „Irre ist weiblich. Künstlerische Interventionen von Frauen in der Psychiatrie um 1900“. Sammlung Prinzhorn, Heidelberg; Kartause Ittingen, Schweiz; Museum Dr. Guislan, Gent/B[15]
  • 2005: „Expressionismus und Wahnsinn“. Sammlung Prinzhorn, Heidelberg[15]
  • 2006/2007: Wanderausstellung: „wahnsinn sammeln – Outsider Art aus der Sammlung Dammann“. Sammlung Prinzhorn, Heidelberg; Ernst Barlach Haus, Hamburg[15]
  • 2013/2014: Wanderausstellung: „wahnsinn sammeln – Outsider Art aus der Sammlung Dammann“. Sammlung Prinzhorn, Heidelberg, Museum im Lagerhaus, St. Gallen[15]
  • 2014/2015: „Uniform und Eigensinn. Militarismus, Weltkrieg und Kunst in der Psychiatrie“. Sammlung Prinzhorn, Heidelberg[15]
  • 2019/2020: „die sammlung prinzhorn.! art brut vor der art brut“. Museum Gugging, Maria Gugging, Österreich[16]

Literatur

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  • Gerhard Dammann: Making their own money – painted banknotes by Raimundo Camilo, Pearl Blauvelt and other outsider artists. In: Epidemiology and Psychiatric Sciences. 2015, S. 15–17.
  • Monika Jagfeld: Outside in. Zeitgeschehen in Werken der Sammlung Prinzhorn am Beispiel Rudolf Heinrichshofen. VDG, Weimar 2008, ISBN 978-3-89739-554-1.
  • Jan Merk: Professor Adolph Blankenhorn und seine Familie am Oberrhein. Pioniergeist, Gemeinsinn und soziale Verantwortung. In: Badische Heimat. Heft 1/2018, S. 40–50.
  • Doris Noell-Rumpeltes: Else Blankenhorn. Vom Projekt der Versöhnung des Unversöhnlichen. In: Herwig Guratzsch, Thomas Röske (Hrsg.): Expressionismus und Wahnsinn. Prestel, München 2003, ISBN 3-7913-3024-1, S. 76–87.
  • Thomas Röske: Expressionism and Insanity. In: Raw Vision. 45, Winter 2003/2004, S. 32–39.
    • Sollten historische Patienten-Künstler namentlich genannt werden? In: Josef Schwitzer, Roger Pycha, Thomas Stompe und Erik Boehlke (Hrsg.): Identität und Ich-Störung. (Schriftenreihe der Deutschsprachigen Gesellschaft für Kunst und Psychopathologie des Ausdrucks e. V. Bd. 31). Edition GIB, Berlin 2012, ISBN 978-3-00-038614-5, S. 242–250.
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Commons: Else Blankenhorn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Monika Jagfeld: Outside in. Zeitgeschehen in Werken der Sammlung Prinzhorn am Beispiel Rudolf Heinrichshofen. VDG, Weimar 2008, ISBN 978-3-89739-554-1, S. 41.
  2. a b Verlagshaus Jaumann Germany: Müllheim: Visionäre Künstlerin - Verlagshaus Jaumann. Abgerufen am 29. Mai 2021.
  3. a b c d Doris Noell-Rumpeltes: Else Blankenhorn. Vom Projekt der Versöhnung des Unversöhnlichen. In: Herwig Guratzsch, Thomas Röske (Hrsg.): Expressionismus und Wahnsinn. Prestel, München 2003, ISBN 3-7913-3024-1, S. 77.
  4. In den Jahren 1917/18 war auch Ernst Ludwig Kirchner im Sanatorium Bellevue untergebracht, bekam dort zumindest ein Werk von Else Blankenhorst zu Gesicht, traf sie selbst aber nie.
  5. Hrsg. Ingrid von Beyme, Thomas Röske: Else Blankenhorn das Gedankenleben ist doch wirklich Sammlung Prinzhorn, Wunderhorn 2022
  6. Monika Jagfeld: Outside in. Zeitgeschehen in Werken der Sammlung Prinzhorn am Beispiel Rudolf Heinrichshofen. VDG, Weimar 2008, ISBN 978-3-89739-554-1, S. 43.
  7. Künstlerbiografien. In: Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen (Hrsg.): Gewächse der Seele. Pflanzenfantasien zwischen Symbolismus und Outsider Art. Hatje Cantz, Berlin 2019, ISBN 978-3-7757-4534-5, S. 316.
  8. Ingrid von Beyme: Else Blankenhorn. In: Wilhelm-Hack-Museum (Hrsg.): Gewächse der Seele. Pflanzenfantasien zwischen Symbolismus und Outsider Art. Hatje Cantz, Berlin 2019, ISBN 978-3-7757-4534-5, S. 128.
  9. Doris Noell-Rumpeltes: Else Blankenhorn. Vom Projekt der Versöhnung des Unversöhnlichen. In: Herwig Guratzsch, Thomas Röske (Hrsg.): Expressionismus und Wahnsinn. Prestel, München 2003, ISBN 3-7913-3024-1, S. 79–80.
  10. Hinweis von Dr. Ingrid von Beyme in einem Vortrag, den sie am 3. August 2024 im Museum Gugging gehalten hat.
  11. Maria Höger: die sammlung prinzhorn.! art brut vor der art brut. In: Hans-Peter Kapfhammer, Andreas Karwautz, Barbara Sperner-Unterweger, Johannes Wancata (Hrsg.): Neuropsychiatrie. Nr. 33, 2019, S. 215.
  12. Nachtrag Bd. 3. In: Allgemeines Künstlerlexikon. München / Leipzig 2008.
  13. Badische Zeitung: Faszinierend, eigensinnig, rätselhaft. 29. Juni 2021, abgerufen am 21. Januar 2023.
  14. Badische Zeitung: Else Blankenhorn – die große Unbekannte aus Müllheim. 19. November 2020, abgerufen am 21. Januar 2023.
  15. a b c d e f Sammlung Prinzhorn – Zeittafel. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. Juni 2021; abgerufen am 2. Juni 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/prinzhorn.ukl-hd.de
  16. Museum Gugging: Ausstellungen. Abgerufen am 2. Juni 2021.