Emil Altschüler (* 21. September 1879 in Speyer[1]; ✡ 9. September 1942 in Haifa[2], Palästina) war ein deutscher Chirurg jüdischer Herkunft.

Porträt des Emil Altschüler
Jakob Nussbaum, 1930
Öl auf Leinwand
Dr. Senckenbergische Stiftung

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Nach bestandenem Abitur studierte Emil Altschüler Medizin in Heidelberg, Berlin und Straßburg. Nach seiner Promotion im Jahr 1902 in Straßburg war er von 1902 bis 1904 als Assistenzarzt am „Institut für Hygiene und Bakteriologie der Universität Straßburg, Abteilung für Typhusbekämpfung“ tätig. Anschließend absolvierte er eine einjährige Assistenz am Freimaurer-Krankenhaus in Hamburg. Nach seiner Rückkehr nach Straßburg arbeitete Altschüler als Erster Assistent und ab 1907 als Oberarzt an der chirurgischen Klinik der Universität Straßburg.[3] Im Jahr 1909 ließ er sich in Frankfurt am Main nieder[4] und übte seine ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus des Roten Kreuzes in der Königswarter Straße aus.[2] Emil Altschüler nahm wie 85.000 andere deutsche Soldaten jüdischen Glaubens am Ersten Weltkrieg teil. Er war, wie auch sein späterer Chefarzt-Kollege Simon Isaac, in verschiedenen Feldlazaretten tätig und erhielt für seine Verdienste im Sanitätsdienst das Eiserne Kreuz.[5] Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs verlegte Emil Altschüler seine chirurgische Tätigkeit in das Krankenhaus des Vaterländischen Frauenvereins in der Eschenheimer Anlage.[2] Ab 1920 fungierte Emil Altschüler als Chefarzt der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses der Israelitischen Gemeinde Frankfurt am Main, das sich in der Gagernstraße 36 im Frankfurter Stadtteil Bornheim befand.[6] 1930 operierte Altschüler den erkrankten Maler Jakob Nussbaum. Aus Dank über die gelungene Operation und als Gegenleistung malte Nussbaum Altschüler in dessen beruflichem Umfeld.[7] Dieses Ölporträt wurde im Jahr 2004 von Emil Altschülers Enkelin, Ruth Butler, geb. Heinsheimer, an die Dr. Senckenbergische Stiftung übergeben.[8]

Emil Altschüler wohnte mit seiner Familie im eigenen, fünfzehn Räume umfassenden Haus in der Guiollettstraße 55 im Frankfurter Stadtteil Westend.[9][2] Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten sah sich Emil Altschüler mehrfach Drohungen ausgesetzt. In anonymen Schreiben wurde gedroht, dass „sein Leben in Gefahr sei und seine Tochter Liesel in ein Schulungslager kaeme, falls er nicht seine Praxis aufgebe und Deutschland verlasse“. Aus beruflicher Sicht kam hinzu, dass Blutspenden, die in früheren Zeiten für seine ärztlichen Aufgaben zur Verfügung gestanden hatten, ab 1935 vom Städtischen Krankenhaus verweigert wurden.[2] Infolge des wachsenden Antisemitismus emigrierte die Familie Altschüler im Juli 1935 nach Palästina. Um legal auswandern zu dürfen, musste Emil Altschüler eine Reichsfluchtsteuer in Höhe von 52.000 Reichsmark zahlen.[4] Für die Überführung des Hausstandes der Familie Altschüler von Frankfurt am Main nach Palästina entstanden zudem Verpackungs- und Transportkosten in Höhe von 11.800 RM. Die Abwicklung der erforderlichen finanziellen Transaktionen erfolgte durch das Frankfurter Bankhaus Lincoln Menny Oppenheimer. Um liquide Mittel zu erhalten, musste Emil Altschüler sein Haus in der Guiollettstraße 55 für 27.000 RM sowie Wertpapiere aus dem Familienbesitz verkaufen.[2] Im Jahr 1939 wurde eine Emil Altschüler gehörende, in der Gemarkung Königstein im Taunus liegende Waldparzelle einschließlich des dort errichteten Blockhauses zwangsversteigert.[10]

Ab Mitte 1935 leitete Emil Altschüler die chirurgische Abteilung des Hospitals Biqqur Cholim, Rechov Natan Strauss, Jerusalem.[11] In seiner Zeit als Chefarzt in Jerusalem publizierte er Fachartikel u. a. in „The Lancet“, einer der weltweit angesehensten medizinischen Fachzeitschriften. Emil Altschüler starb 1942 in Haifa.[12]

Emil Altschüler war das zweite Kind Jakob Altschülers (✶ 15. August 1842 in Speyer; ✡ 12. Februar 1918 ebd.) und seiner Frau Judith, geborene Mai (✶ 15. Juni 1856 in Herschberg; ✡ 17. Mai 1905 in Speyer). Emil Altschülers Vater Jakob betrieb ein Lebensmittelgeschäft in der Dudenhofer Straße in Speyer und war ab dem Jahr 1913 Vorsteher der Israelitischen Kultusgemeinde Speyer.[13] Emil Altschüler hatte drei Brüder: Otto Isaak Altschüler (✶ 6. April 1878 in Speyer; ✡ 17. Oktober 1918 in St. Gallen, Schweiz), Eugen Altschüler (✶ 4. Mai 1881 in Speyer; Emigration im Juli 1937; ✡ 1949 in Chicago, Cook County, Illinois) und Karl Altschüler (✶ 11. Oktober 1883 in Speyer).[14]

Emil Altschüler heiratete am 28. Oktober 1909[15] Lilly Gertrud Schnurmann (✶ 14. November 1885 in Frankfurt am Main, ✡ 8. Mai 1967 in Chiswick.[16][2] Als Witwe wurde Lilly Gertrud Altschüler 1950 britische Staatsbürgerin und lebte zunächst im Ruislip-Northwood Urban District[17] und später in Chiswick. Das Ehepaar Altschüler hatte zwei Töchter. Die ältere Tochter Liesel Altschüler heiratete am 27. Juni 1935 Siegfried Isidor Heinsheimer. Die jüngere Tochter Grete Sophie Altschüler erkrankte im Kindesalter schwer. Sie starb am 28. Juli 1943 in Palästina.[2]

Veröffentlichungen

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Literatur

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  • Arnsberg, Paul: Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution. Bd. 1–3. Darmstadt: Roether, 1983.
  • Kozon, Vlastimil; Seidl, Elisabeth; Walter, Ilsemarie: Geschichte der Pflege – der Blick über die Grenze. Wien: ÖGVP-Verlag, 2011.
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Einzelnachweise

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  1. Altschüler, Emil, in: Archiv Bibliographia Judaica, Verlag De Gruyter Oldenbourg, 2021 (Erfordert eine Authentifizierung)
  2. a b c d e f g h Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Regierungspräsidium Wiesbaden: Entschädigungsakte (Signatur HHStAW, 518, 3343)
  3. Münchener medizinische Wochenschrift, Volume 54, S. 2068, 1907.
  4. a b Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main: Fallakte „Altschüler, Emil Daniel“ (Signatur ISG, A.54.03, 92)
  5. Johannes P. Bruno: DER STURM BRICHT LOS. Speyerer Soldaten jüdischen Glaubens 1914-1918, S. 34
  6. Medizinische Klinik – Wochenschrift für praktische Ärzte. Nr. 46 vom 14. November 1920, S. 1172. Berlin: Verlag Urban & Schwarzenberg.
  7. Dr. Senckenbergische Stiftung: Ölporträt Emil Altschülers von Jakob Nussbaum in „Berühmte Köpfe. Frankfurter Porträtsammlungen“ (Inventarnummer 160)
  8. Ein Bild ist heimgekehrt (Frankfurter Neue Presse, 15. April 2004)
  9. Frankfurter Adreßbuch 1934, Teil I, S. 9
  10. Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Regierungspräsidium Wiesbaden: Grundstücksverkehr in den Oberförstereien (Signatur HHStAW, 405, 27130)
  11. Jüdische Pflegegeschichte: Dr. med. Emil Altschüler
  12. Joseph Walk et al. (Hrsg.): Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918 - 1945. Hrsg. vom Leo Baeck Institute Jerusalem. Verlag K.G. Saur, München/New York/London/Paris 1988, ISBN 978-3-598-10477-0, Biographien A–F, S. 8.
  13. Johannes P. Bruno: DER STURM BRICHT LOS. Speyerer Soldaten jüdischen Glaubens 1914-1918, S. 43
  14. Familiendatenbank Juden im Deutschen Reich
  15. Hessisches Staatsarchiv Marburg: Stadt Frankfurt, Standesamt V: Heiratsregister 1909, Nr. 781 (Signatur: HStAM, 903, 9744)
  16. FAMILY EVENTS. In: Association of Jewish Refugees in Great Britain: AJR Information, Volume XXII, No. 6, June, 1967. p. 10
  17. Einbürgerungsurkunde für Lilly Gertrud Altschüler, Reference: HO 334/336/10522
  18. Rezipiert in: Steven Yale et al.: Gastrointestinal Eponymic Signs. Bedside Approach to the Physical Examination. Springer Cham, 2024, ISBN 978-3-031-33672-0, S. 193. Google Books